Damals im Damals. Als ich nach etlichen Jahren Holland meine Heimat besuchte. Die Heimat die eigentlich nur noch aus Erinnerungen bestand, weil mein Leben, meine Freunde, meine Sehnsucht, von dort verschwunden waren, leergefegt, die Kneipen in die ich manchmal vorsichtig reinschielte, keine Freunde mehr sassen, mit denen ich Schnelln spielte, oder mir die Nächte mit billigem Rotwein aus Halbliterkaraffen um die Ohren schlug, oder die Orte (nenn sie geographische Bezugspunkte), saniert, ausgezogen, bis auf die Unterhose, abgerissen. Alles war anders geworden, weil wir alle weggezogen waren, unsere Leben so plötzlich auseinandergedriftet, weil man bloss verschwinden wollte, als sei jeder Quadratmilimeter ausgereizt und die Beziehungen zueinander aufgereizt, weil jeder mit jedem vögelte, weil Jeder mit Jedem über Jedem sprach und die Welt zu einem Kinderüberaschungslosen Ei geschrumpft war. Wobei das Ü immer noch im Ei blieb. Mit fettem L.
Bis auf jenen Tag, an dem ich nach etlichen Jahren Holland meine Heimat besuchte, als sich ein kleiner Widersehensumtrunk mit dreivier Freunden in Meran zu einem spontanen Altefreundetreffen wandelte, weil auf einmal Jeder in der Stadt zu sein schien, und mit Jeden meine ich auch wirklich Jeden, auch die, die man vergessen hatte, die, die man gehasst hatte, die, die man geliebt hatte, die, die nachts immer Spaghetti kochen wollten, die, die nie Lust darauf hatten, und dann für einen ganzen Abend lang alte Sentimente, die man längst schon zu den Erinnerungen geschoben hatte, spielerisch aus der Weinkaraffe herausgefischt wurden,
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Warum ich das jetzt erzähle? Weil ich vorhin auf den Link zu Coverversionen von “Where is my mind” von den Pixies stiess. Weil ich in jener Nacht mit ihm und mit ihr von diesem Wiedersehen mit Freunden nach Hause fuhr und er dieses Lied auflegte, in das ich mich unmittelbar verliebte, weil es genau diesen Zustand von sentimentaler Freude erfasste in dem ich mich in jenem Moment befand, weil ich, nachdem das Lied zuende war, ich auf RW drückte und als es fertig war, nochmal, und dann nochmal und nochmal. Und als ich merkte, dass ich es ein paarmal zu oft zurückgespult hatte, vorsichtig fragte, ob ich es nochmal hören dürfe, und nochmal und nochmal. Und weil wir dann, zuhause angekommen, noch eine ganze Weile im Auto sassen, Erinnerungen hochleben liessen, das Auto vollqualmten und zu “With your feet in the air and your head on the ground” dem stampfenden Schlagzeug und den heulenden Gitarren lauschten. Und als ich zurück nach Holland fuhr, mir als Erstes die CD besorgte und dieses eine Lied nochmal und nochmal in einer Endlosschleife laufen liess. Und nochmal.
Und weil mich dieses, schon wieder vergessen geglaubte Lied, heute in allerherrgottsfrühe den besten Morgen seit langer Zeit bescherte.
(via Passantin)