[flttr]

Ich habe Flattr wieder abgeschaltet. Ich finde es nach wie vor eine gute Sache, ich finde auch Geldverdienen im Internet eine gute Sache, und ich möchte mich für die freundlichen Klicks bedanken, alles zusammengerechnet habt ihr mir 19,25€ geschenkt. Das hat mich sehr gerührt, und wirklich sehr gefreut. Dass einige von euch tatsächlich schlichtweg hin und wieder Geld liegengelassen haben, das finde ich toll. Dafür möchte ich mich bedanken.
Und trotzdem habe ich den Flattr-Knopf von der Seite entfernt. Diese Bettelhaltung, die nach jedem Posting kommt, die hat mich zu sehr gestört. Wie beim Straßenmusiker, von dem man weiß, dass er gute Laune macht, doch wenn das Lied zuende ist, will er Kohle von Dir. Man will schon gar nicht mehr hinhören. Ich gebe Geld immer nach Sympathie. Den Langweiligsten und Erfolglosesten gebe ich Geld. Den Guten nie. Es ist eine Frage der Vernunft. Die Schlechten können es brauchen, die Guten kommen schon irgendwie durchs Leben. Bei den Guten traue ich mich nie, die Musik zu mögen, weil ich glaube, dafür bezahlen zu müssen. Ich fürchte mich davor, versehentlich mit dem Fuß zu wippen. Schon könnte der Straßenmusiker herangeschossen kommen und mit dem Zeigefinger auf meinen Fuß zeigend, mir seinen Beutehut unter die Nase halten. Ich stünde öffentlich als Raubhörer am Pranger.

Trotzdem: Flattr finde ich gut. Gerade im Hinblick auf die Taz. Wenn ich es richtig verstanden habe, finanziert sich die Taz damit eine Praktikantenstelle, das ist eine tolle Sache, aber es funktioniert nicht in dem Maße, wie es möglicherweise erdacht war. Ein Micropayment-System braucht die Masse, mit der die kleinen Beträge sich rentieren. Sonst bleibt es ein nettes Spielzeug, mit einem ernsthaften Anstrich. Die Masse ließ sich nicht mobilisieren, ich glaube das wars jetzt, lasst uns weitersehen.

["in die Allee gegurkt"]

Als mir der Prüfer von der DEKRA meinen Führerschein aushändigte sagte er, ich hätte einen blinden Flecken für Geschwindigkeitsbegrenzungen, es sei, als würde ich sie in einer halluzinatorischen Gutgläubigkeit ausblenden. So sagte er das. Halluzinatorische Gutgläubigkeit. Weil ich aber zu Langsamkeit tendiere und sonst in allen anderen Bereichen ein überaus konzentrierter Fahrer sei, zudem auch in einem etwas reiferen und somit vernünftigeren Alter, fand er es falsch, mir wegen dieses Mangels, den Führerschein zu verwehren.

Ich fahre immer vierzig oder sechzig. Ich übersehe Geschwindigkeitsbegrenzungen tatsächlich. Ich strenge mich zwar an, und werde es sicherlich bald beherrschen, aber es ist eine erstaunliche Schwäche. Ich glaube, das sind die natürlichen Stundenkilometer, mit denen ich mich motorisiert durch das Leben bewege. Vierzig in der Stadt, sechzig auf dem Land. Immer, wenn ich in Gedanken vertieft fahre, finde ich mich irgendwann mit vierzig Stundenkilometer wieder. Auf dem Land sind es sechzig. Meine natürliche Geschwindigkeit, als würde mein Bio im Rythmus mit Mutter über die Erde schweben.
Das hält auf dem Land die anderen Fahrer auf, das wusste ich vorher nicht, heute fahre ich zum ersten mal auf dem Land. Hinter mir bilden sich immer Kolonnen. Im Wald, unweit von Strausberg, sammle ich über ein dutzend Autos hinter mir, etwa sechzehn oder siebzehn. K zählt achtzehn, ich komme aber nur auf sechzehn. Auf einer geraden Strecke durch einen Acker wird das Überholverbot aufgehoben, man überholt mich sofort, aber niemand hupt.

Ortseingang Strausberg, ein älteres Ehepaar sitzt im Auto neben mir an der roten Ampel. Die Frau schaut abfällig auf meine Autotür mit dem Schritzug Carsharing Berlin herab. Ich musste also einer dieser schnöseligen Grün-Wähler aus der Stadt sein. Ja, so sehen wir aus. Ich lächle freundlich. Sie weiß natürlich nicht, dass ich die Piraten wähle.

Musikhören geht noch nicht, aber ich kann erstaunlich gut plaudern. K und ich unterhalten uns die ganze Zeit über blendend. Das habe ich von meinem Fahrlehrer gelernt.
Ich konzentriere mich auf 70km/h. Die Abwechslung von Licht und Schatten. Wenn man schneller fährt, geht die Allee in Sequenzen von Bildern auf, sie verschwimmen und werden zur Bewegung, nicht fließend, aber die Landschaft hinter den Bäumen geht in einen Super-8 Film über, eine Landschaft aus den Siebzigern, die Verschlußklappe des Filmes klappert, es fehlt das Audio, es könnten mir jeden Moment Menschen in die Kamera winken, man sieht die Lippen bewegen, aber man hört sie nicht. Wenn man beschleunigt, und die Augen dabei zu dünnen Schlitzen schließt, verwischen die Farben. Das Meditative der Brandenburger Alleen. Wir würden den Kopf in den Nacken legen.

Ich kann noch nicht tanken. Auch K kann nicht wirklich tanken. Ich schiebe mein erstes Tanken vor mir her, bis ich jemanden im Auto sitzen habe, der mich notfalls retten kann. Beim Carsharing muss man erst tanken, wenn der Tankanzeiger auf ein Viertel steht. Bisher hatte ich immer Glück. Sähe ich den Füllungszeiger einmal auf kurz vor Viertel, ich glaube, ich würde nicht einsteigen. Ich weiß nicht, was schiefgehen kann, ich könnte es natürlich auch googlen, aber Google mein Arsch, es muss auch ohne Google gehen.

Einfache Sachen machen wie fahren, ist einfach. Schwierig wird es bei schwierigen Sachen. Zum Beispiel: anhalten auf einer Landstraße. Ich habe das nicht hinbekommen. Es scheitert stets daran, dass ich die Parkstelle zu spät als solche erkenne und das Auto hinter mir im Weg steht, da ich Angst habe, zu fest auf die Bremse drücken zu müssen. Es hat mich niemand darauf vorbereitet, mir solche Dinge antrainieren zu müssen. Parkstellen frühzeitig erkennen. Was für eine bescheuerte Sache.

Irgendwann vor Berlin: ich sehe das Tankstellensignal aus der Ferne. Tankstelle bedeutet Parkplatz, ich kann mich vorbereiten: Blick in den Rückspiegel, Blicke in die Seitenspiegel, Blinker, runter vom Gas, dritter Gang, zweiter Gang, leicht bremsen und: rechtsrum. Ich fahre auf eine Zapfsäule zu, will aber doch nur parken, reiße das Lenkrad rum und gelange auf eine asphaltierte Fläche hinterm Tankhaus. Keine aufgemalten Parkfächer, ich stelle mich also an die Seite, bin mir aber nicht sicher, ob ich richtig stehe, wende zwei mal, beschließe einfach, dass ich richtig stehe, ich bin ja der einzige hier, und puh, stelle den Motor aus, gerate erst ins Rollen, erinnere mich an die Handbremse, ziehe sie an und: gut ist. Das Auto steht.
Wir steigen aus. Gehen in den Tankstellenshop und bestellen einen Kaffee. Der Tankwart an der Kasse lächelt mich freundlich an. Er reicht mir eine Karte und fragt:
-Trinken sie öfter bei Shell Kaffee?
-Ob ich öfter bei Shell Kaffee trinke?
-Ja
-Ich weiß nicht genau
-Wollen Sie denn öfter bei Shell Kaffee trinken?
-Ich weiß nicht genau
-Ich gebe Ihnen unsere Kaffeekarte, für jeden Kaffee bekommen Sie einen Aufkleber. Den sechsten Kaffe bekommen Sie umsonst.

Ich nehme die Kaffekarte entgegen. Es kommt mir vor, als würde ich ab jetzt Fleißbildchen sammeln.

[pafo]

Heute in die italienische Botschaft zu fahren war eine eher so mittelmäßig gute Idee. Der kürzeste Weg führte entlang der katholischen Bischofskonferenz und mitten durch das Regierungsviertel. Berlin war in den katholischen und in den säkularen Sektor geteilt. Ich bin dann Umwege gefahren, entlang der Polizistenketten, durch eine gespenstisch leere Friedrichsstadt. In der Botschaft standen die Zeichen auf Papst. Poster. Verkürzte Arbeitszeiten.

Pontifex
Pontifex
Pontifex
Pontifex
Pontifex
(Was für ein Wort. Das könnte ich ewig vor mir hersagen)

Mein neuer Pass enttäuscht mich, ich hatte Technik erwartet, ich weiß nicht woher die Erwartung kam, ich dachte man sähe die neuen Sicherheitstechnologien offensichtlicher, oder wenigstens aus Plastik, dem Führerschein gleich, da hat man ja auch das Gefühl, alles sei in Plastik gemeißelt. Für die Ewigkeit und unumstößlich. Der Pass hingegen, ist immer noch papieren.

Ohmann, bin ich gealtert.





Apropos Führerschein. Am Sonntag großgeistig Piraten gewählt, mit Freude einen Bonus zum Verspielen gegeben. OK, die Sache mit dem Urheberrecht, da müssen wir nochmal drüber reden, aber macht erstmal.
Dabei habe ich ganz kleingeistig der Wahlleiterin meinen Führerschein vorgezeigt. Stolz und inbrünstig. Der Wahlleiterin war das ziemlich egal.

[…]

Die Leute feiern und lachen. Sie tun als würde sich die Welt nur um sie drehen. Dabei wissen sie gar nicht was heute passiert ist. Heute bin ich das erste mal ohne Fahrlehrer Auto gefahren.

(Hätte ich ich natürlich auch Twittern können, aber: -48)

[ja, ich komme]

Dieses Mitteilen. Als ich heute die Führerscheinprüfung bestanden hatte, wollte ich nur noch mitteilen. Ich stand da so alleine auf der Straße, hielt diesen Lappen in der Hand und wusste nicht wohin mit meiner Freude. Ich habs dann gleich mit dem Handy auf Twitter gepostet, denn wenn ich es auf Twitter poste, dann wird Facebook und Googleplus automatisch upgedingst. Führerschein ist eine feine Sache, glaube ich. Ich wollte immer schonmal mit K raus an die Seeen rund um Berlin, mit einem Korb und einer Decke, ein bisschen Obst und Käse, und einer Flasche Wein (die ich dann nicht trinken darf). So ungefähr stelle ich mir das vor. Mehr weiß ich mit einem Auto vermutlich nicht anzufangen. Außer, dass das natürlich ganz super erwachsen ist. In letzter Zeit träumte ich oft, dass ich in einem Auto sitze und das Fahren übernehmen müsste, doch dann besinne ich mich stets darauf, dass ich nicht fahren darf. Neulich saß ich in einer Art Seifenkiste, ein Mann saß am Lenkrad, er hatte den Führerschein, konnte aber nicht fahren. Hinter uns war etwas Gefährliches, wir wurden verfolgt, ich musste das Fahren übernehmen, aber den Eindruck vermitteln, dass er fahren würde und nicht ich. Ich wusste wie das alles geht, mit Kupplung drücken, drei Blicke beim Abbiegen und links vor rechts, ich gab vom Beifahrersitz aus Gas und verrenkte mich um Schaltung und Lenkrad zu bedienen. Der Mann auf dem Fahrersitz saß nur da und vermittelte Eindruck.
Ich frage mich, was aus diesen Träumen wird.

[nachts streunen die Tiere]

Västra Götaland 2011

Hier auf der Hollywoodschaukel sitzend, hinter mir das Haus, unten, zwischen den Bäumen sehe ich den kleinen Fluß, links aus dem Wald zwitschern die Vögel, meine Hände ruhen schwer auf der Armlehne. Meine Beine schwingen von kosmischen Kräften gesteuert die Schaukel an, die Welt liegt in Gedanken vor mir, klar und strukturiert. Wäre ich kein buddhistischer Mönch, ich könnte mir ein Zweitleben als Pendel vorstellen.

# Ich entwickle mich zunehmend naturfern. Ich sitze zwei Stunden ungeschützt am Strand, tauche zehn Minuten ins Wasser, danach ist mir übel, meine Haut wird rot, im Gesicht, im Nacken, auf dem Rücken, ich werde schlapp, es juckt, ich mag nicht mehr, die Insekten zerstechen mich.

Am späten Nachmittag hacke ich die toten Äste von der großen Linde, die wir am Vortag abgenommen haben, zu Kleinholz zusammen. Nach zehn Minuten kann ich meinen Blick nicht mehr fixieren, meine Glieder beginnen zu schmerzen. Als ich die Axt nicht mehr halten kann, lege ich mich ins Bett. K nimmt mir die Temperatur ab, ich habe Fieber. Es überrascht mich, wie es bei Fieber den starken Gefühlen entbehrt, bei Fieber ringt man um Schlichtung, kämpft um den Ausgleich, sucht sich aus dem Körper zu schälen, man mag sich nichts zuwenden, nur abwenden. Ich versuche, mir eine Erektion herbeizudenken. Es ist mir unmöglich, mein Geschlecht ist argloses Gewebe, weit weit weg, meine Wellen erreichen es nicht, ich funke ins Loch.

Das Fieber dauert sechs Stunden und ist dann so abrupt weg, wie es gekommen ist. Ich fühle mich merkwürdig verlassen, wie bei Fremdbesessenen, wenn der Dämon den Körper verlässt. Als Kind habe ich mir immer vorgestellt, dass der Dämon beim Verlassen des Körpers unzählige Löcher und Risse im Gewebe und den Fasern des Körpers, in denen er zuvor eingenistet und eingewachsen war, hinterlässt. Ähnlich fühle ich mich. Der Teufel hat sechs Stunden in mir gewütet und die Risse in mir hinterlassen. Die Haut juckt mich bis in die Nacht. Ich spüre Insekten überall.

# Damals, als ich noch in die Sonne gegangen bin, brauchten wir keine Schutzmittel.

# An den Sonnentagen gehen wir Pilze suchen, oder gehen runter zum Fluß. K springt ins Wasser, ich sitze daneben und beruhige den Hund. Oder ich rudere sie bis zum Wasserfall hoch. Zurück geht es fast von selbst, nur muss ich den Bäumen und Felsvorsprüngen im Wasser ausweichen. Nachmittags, wenn die Sonne nachgibt, sitzen wir draußen vorm Haus und trinken schwedisches Bier, essen Nüsse und lesen. Ich arbeite an dem Text, mit der Hand ins Notizbuch, ein Flow ist das.

Wenn es regnet, sitzen wir drinnen. Spielen Karten, kochen Kaffee und Tee. Fahren in den nächsten Ort und laufen durch diesen riesigen Supermarkt mitten im schwedischen Wald. Ich kaufe geplättetes Milchbrot und Schmelzkäse mit Krabben. K hat mir in unserer sogenannten Anfangszeit (es fällt mir jetzt kein besseres Wort ein) Schmelzkäse mit Krabben gegeben, und mir erzählt, das sei eine schwedische Besonderheit. Ein andermal hatte sie dieses geplättete Milchbrot. Ich war so verliebt, ich habe das alles gegessen. Und seitdem immer. Unsere schwedischen Gastgeber mögen das, sie legen geplättetes Milchbrot und Schmelzkäse mit Krabben für mich bereit, als Willkommengeschenk. Ich fühle mich sehr geliebt. Und ein bisschen veralbert. Niemand isst in Schweden geplättetes Milchbrot und Schmelzkäse mit Krabben. Zumindest nicht zusammen. Aber das ist schon okay, ich kann nicht anders.

# Nachts streunen die großen Tiere durch den endlosen Wald. Ich mache die Augen zu.

[and the rain came hammering down]

Vorgestern noch meinen Regenschirm in die neue orange Tonne entsorgt. Weil ich noch nie eine orange Tonne hatte und als man sie bei uns im Hof hinstellte, realisierte ich augenblicklich, wie sie meine Sorgen beseitigen würde. CD’s, Elektronik, Textilien, Fasern, Pfannen, Regenschirme. Ich wusste aber nicht, dass mein Regenschirm mein einziger sei. Das weiß ich erst seit dem gestrigen Niederschlag. Vorgestern in die Tonne und gestern stand ich schon im Regen. Ich habe dann in die orange Box geschaut, der Regenschirm war noch da.

#
Noch mehr Lebensmeisterung: heute um 7Uhr hätte ich in den Zug nach Schweden steigen sollen. Gestern beim Packen sehe ich dann, dass ich mich beim Buchen des Tickets verklickt habe. Abfahrt erst einen Tag später. Dann hatte ich diesen unerwartet leeren Tag in der Verlängerung, hier in Berlin, den ich mit einem Friseurbesuch und viel Kaffee und einem Buch am Fenster verbracht habe. Draußen hämmerte der Regen. Void. Eine Leere, eine fühlbare, erahnbare Leere, wie ein Raum, ein Tag mit weißen Wänden und dünner Luft.

#
And the rain came hammering down
And the rain came hammering down
And the rain came hammering down
And the rain came hammering down
And the rain came hammering down
And the rain came hammering down
And the rain came hammering down