[Sa, 21.10.2023 – Wandbefestigung, und der Bekannte die Schrauben in die falsche Richtung drehte]

Der Freitageintrag fiel aus, weil wir bei Ikea waren und das sehr anstrengend war. Wir kauften ein halbes Kallax Regal um es auf das andere oben drauf zu stellen. Heute machten wir also wieder Home Improvement. Wir hatten nicht nur ein Kallax regal gekauft sondern noch ein anderes Möbelstück aus unbehandeltem Holz, dessen Namen ich jetzt vergessen habe.

Das dauerte eigentlich den ganzen Nachmittag. Wände und Böden sind in diesem Haus unfassbar schief. Manche nennen es charmant. Während das Regal unten mit der Wand bündig ist, steht es auf zwei Metern Höhe etwa 15cm von der Wand entfernt. Damit das Möbelstück nicht umfällt und uns erschlägt, befestigte ich es etwas kreativ durch Scharniere und Haken mit der Wand. Es sieht nicht professionell aus, aber es ist sehr stabil. Ausserdem beweglich, damit es im Laufe der Jahre nicht herauswackelt und bricht. Siehe Fotos weiter unten.

Auch meine Frau war heute handwerklich sehr aktiv. Es mag vielleicht etwas sexistisch klingen, aber ich war positiv überrascht, wie gut sie mit Werkzeug umging, das war mir vorher nie aufgefallen, weil sie die grobe Arbeit meist mir überlässt.

Ich erzählte ihr von Ingmar aus Vlissingen. Ingmar war ein Freund eines Mitbewohners und war manchmal an Wochenenden bei uns in einem besetzten Haus in Utrecht. Er half mir damals mit der Verlegung einer Stromleitung. Ingmar war Metalfan. Seinen Musikgeschmack erwähne ich jetzt, weil ich Metalfans unbewusst immer als harte Typen wahrnehme, Typen die nicht Angst davor haben, schmutzig zu werden. Und eben Typen, die mit Werkzeug umgzugehen wissen. Ich wusste schon, das Ingmar kein harter Typ war, er sagte nie viel, war vielleicht ein bisschen langweilig, aber er kam eben aus der Provinz, ich dachte wir Leute vom Land können mit Werkzeug umgehen.

Aber Ingmar drehte Schrauben immer in die falsche Richtung. Das mag vielleicht komisch klingen, aber er hatte kein Gespür dafür, wie man einen Schrauben dreht. Wir standen damals beide auf dem Tresen, ich drückte die Kabeltrasse gegen die Decke und Ingmar drehte die Schrauben um die Trasse an die Decke zu befestigen. Aber er drehte sie eben in die falsche Richtung. Es war eine qualvolle Angelegenheit. Die Schrauben fielen ihm deswegen immer auf den Boden. Einer von uns beiden musste dann immer vom Tresen runtersteigen um die Schrauben zu holen. Anfangs dachte ich mir nichts dabei, ich fand es ein bisschen lustig, half ihm aber immer verbal, wenn er in die falsche Richtung zu drehen drohte. Nach der Korrektur ging es immer gut, er drehte daraufhin mehrmals in die richtige Richtung, wenn er aber kurz absetzte um den Schraubendreher besser im Griff zu bekommen, dann setzte er wieder in die falsche Richtung an und drehte den Schrauben wieder heraus.
Das war zwar lustig, aber oben auf dem Tresen war es auch sehr anstrengend, deswegen übernahm ich von ihm. Er hielt die Trasse fest und ich schraubte.

Später schraubte er an der Vorderseite der Bar und ich sah, dass er wieder falsch schraubte. Irgendwann fing ich an zu lachen und sagte: Ingmar du schraubst schon wieder falsch.
Ich überschritt ziemlich schnell das Mass an Belustigung. Dieser Gedanke, dass jemand so etwas banales und auch unwichtiges, wie einen Schrauben in die richtige Richtung zu drehen, nicht beherrschte, entfesselte alles in mir. Ich bekam einen Lachflash und konnte nicht mehr aufhören.

Ingmar fand das natürlich überhaupt nicht lustig. Wir kannten uns auch nicht gut genug, dass ich es mir erlauben konnte, dermassen zu lachen, aber wie das mit Lachflashs manchmal so ist: man hat keine Kontrolle über die Situation.

Unsere Beziehung erholte sich davon nie wirklich. Aber ein paar Monate später wurde unser Haus geräumt und die Bewohnerinnengruppe verlief sich in Teilen. Daher sah ich auch Ingmar nicht mehr wieder.

[19.10.2023 – Rückfahrt Ams-Ber]

Morgens früh fuhren wir zu einer Begehung des Rechenzentrums. Danach hatte ich zwei Termine, gegen 3 Uhr fuhr ich zum Flughafen Schiphol. Der letzte Tag auf einer beruflichen Reise ist immer jener Tag, an dem ich müde und ausgelaugt bin. Dabei macht es nichts aus, ob ich zwei Tage oder fünf Tage auf Reise bin, es ist immer der letzte Tag, an dem ich ausgelaugt bin. Verschwitzt und müde und ich sehne mich nur noch nach meiner Wohnung und meinem Bett. Heute war das natürlich auch so.

Am Flughafen kaufte ich noch einen Laib Komijnekaas, also Kreuzkümmelkäse. Ich finde es merkwürdig, dass sich Kreuzkümmelkäse in anderen Ländern als die Niederlande nie wirklich verbreitet hat. Ich könnte in Kreuzkümmelkäse baden.

Meine Frau wünscht sich schon seit Jahren, dass ich ihr von meinen Amsterdamreisen Kreuzkümmelkäse mitbringe, aber ich vergesse es wirklich jedes Mal. Letzten Monat war meine Frau ja in Helsinki. Sie hatte ein Mitbringsel für mich dabei, und zwar holländischen Kreuzkümmelkäse. Der Scherz war etwas gemein, aber dennoch lustig.

Heute kaufte ich also einen Laib Kreuzkümmelkäse. Sie war aber nur mittelmässig darüber erfreut. Verständlicherweise. Es ist aber dennoch eine gute Sache, Kreuzkümmelkäse zu haben.

Kurz nach sechs Uhr landete ich in Schönefeld. Ich trug ein Tshirt, hatte aber einen Pullover griffbereit. In Amsterdam hatten wir 18 Grad. Als ich in Berlin ausstieg, blies mir ein harscher Wind bei 7 Grad um die Ohren und eisiger Niesel splitterte auf mein Gesicht, Hals, Arme. Es war mir nicht bewusst, dass es hier die ganzen Tage so kalt gewesen ist. Aber ich zog mir den Pullover an dann war alles gut.

Zuhause gab es Pizza, Hündin und Frau. Es ist tatsächlich wie ein Nest.

[Mi, 18.10.2023 – tagesprotokoll, wildeman]

Der Qualität eines Textes ist es natürlich nicht sehr zuträglich, wenn man spät nachts nach vielen Getränken noch versucht einen ordentlichen Tagebucheintrag hinzubekommen.

Aber vielleicht stichpunktartig so: der Tag lief gut, der Vortrag lief gut, danach gingen wir mit mehreren Kolleginnen aus der Firma essen. Wir assen wieder indonesisch, weil man offenbar wusste, dass ich gerne indonesisch esse, also reservierte man uns einen Tisch im Long Pura an der Rozengracht. Wir waren diesmal 8 Menschen und bestellten uns verschiedene Rijstafels, vegan, vegetarisch und mit Fleisch. Auch dieses Restaurant war wirklich gut und etwas erreichbarer als das Blauw, es war aber auch etwas, wie soll ich sagen, ethnischer, also mit traditioneller Musik und Menschen die traditionellen Kopfschmuck trugen. Das Blauw hingegen ist eher etwas hochwertiger und das Personal kleidet sich ganz normal. Das will aber nichts bedeuten, die Bedienung war trotzdem freundlich und das Essen spitze, ich fühle mich von zu vien Ethno immer ein bisschen vorgeführt.

Als die Niederländer nach Hause gingen, suchten wir Berliner noch die eine oder andere Bar. Nachdem uns eine Whiskybar wegen der lauten Technomusik eher abturnte, gingen wir ins „De Wildeman“. Ich glaube ich schrieb vor ein paar Jahren bereits über dieses Lokal, ich gehe eigentlich immer dort hin, wenn ich in der Stadt bin, es ist eine alte Amsterdammer Kneipe mit einer riesigen Auswahl an wirklich guten Bieren.

Ur-Amsterdamer Kneipen sind irgendwie wesentlich zugänglicher als Ur-Berliner Kneipen. Man kann das nicht vergleichen.

Im Wildeman versackten wir dann ein wenig. Wir drei hatten ein paar gute Gespräche, aber der viele Whisky und die vielen Bieren taten nicht gut. Ich hielt mich vom Whisky fern und trank nur ein paar kleine Biere, aber meinen beiden Begleitern stieg der Saft zuerst in den Kopf und dann in die Beine. Es war dennoch sehr lustig, aber morgen werden sie sich sehr schlecht fühlen, auf vielen verschiedenen Ebenen.

Aber egal, ich gehe jetzt ins Bett.

[Di, 17.10.2023 – Blauw]

Morgens früh übergab ich die Hündin der Dogwalkerin und fuhr dann mit der Bahn zum Flughafen. Dort traf ich meinen Kollegen, mit dem ich in dem Flieger stieg und wegflog. In Amsterdam fuhren wir direkt ins Büro und besprachen uns mit den Kollegen. Morgen würden wir eine lange und lange geplante Präsentation über Securitythemen geben.
Danach gingen wir ins Hotel und direkt anschliessend weiter nach Amsterdam Zuid-West. Dort hatten wir einen Tisch im Blauw reserviert. Das gilt als das beste Indonesische Restaurant ausserhalb Indonesiens.
Zum Blauw gibt es einen etwas älteren Text hier im Blog. Oder vielleicht eher einen Text über das nicht-Blauw.


Dummerweise liegt das Restaurant etwas ausserhalb, man läuft vom Dam aus etwa eine Stunde. Man muss also umständlich mit der Tram hinfahren, oder man nimmt sich ein Fahrrad, oder eben ein Taxi. Allerdings kann man dafür durch den schönen Vondelpark spazieren. Zumindest wenn man Zeit hat. Wir wählten den Weg zu Fuss durch den Park.
Wir hatten viel zu besprechen. Das Essen war dennoch phantastisch. Weil wir mit dem Besprechen nicht mehr fertig wurden, fuhren wir mit einem Uber zurück in die Stadt und gingen ins Hoxton, wo wir noch Bier und Whisky tranken.

So war der Tag.

[Mo, 16.10.2023 – beim Umplanen]

Morgen fahre ich wieder nach Amsterdam. Dabei wurde die Planung umgeworfen, statt am Nachmittag zu fliegen, muss ich bereits um 9:45 am BER sein. Mein Kollege hat den Runway für uns gebucht, damit kommen wir schneller durch die Security. Die Security ist ja immer noch der Flaschenhals in Schönefeld. Ich weiss ja genau, was da das Problem ist, es ist die Art, wie die Rollbänder für den Sicherheitscheck angelegt sind. Wie sie im neuen Schönefeld gebaut wurden, kann eigentlich immer nur eine Person gleichzeitig Taschen und Jacken entleeren und sich für den Check bereitmachen. Alle anderen müssen warten. Erst wenn die vordere Person durchgewunken wird, kann die nächste Person ihre Sachen in die Wannen auf den Rollband auspacken. Dadurch dauert alles dreimal oder viermal so lang.

Es ist ein gutes Gefühl, ganz genau verstanden zu haben, warum die Welt nicht funktioniert.

Der frühe Termin bringt meine persönliche Planung durcheinander. Wir müssen eine Lösung für die Hündin finden. Ich denke mir mehrere Szenarien aus, zB sie in die Firma zu bringen und jemanden in mein Büro zu setzen, sie hat ja mehrere Menschen im Büro, die sie mag. Meine Frau würde am Abend in mein Büro fahren und sie abholen. Aber das ist natürlich alles nicht ideal. Die Nachbarin und Freundin von gegenüber hat eine Katze, das verträgt sich nicht. Die Nachbarin vom Nebenhaus ist gerade im Urlaub in den USA. Die Nachbarn mit denen wir Tür an Tür wohnen, kennen wir noch nicht gut genug, bzw die sind gerade auch nicht da, kommt mir vor. Deswegen schrieb ich auch die Dogwalkerin an, ob sie noch einen Platz auf ihrer Hunderunde vom Dienstag haben würde. Ja, sagte sie. Hatte sie. So einfach ist das manchmal.

Am Abend packen. Ich hasse packen. Aber das sagte ich schon. Ich schob das Packen bis 22Uhr, dann steckte ich einfach alles schnell ein.

[So, 15.10.2023 – Regalsystem, MV]

Die Billyregale stellte ich dann für 30Euro auf Kleinanzeigen.de. Zuerst meldeten sich verschiedene Menschen, die nur Teile davon haben wollten, ich wollte aber nur das Gesamtpaket loswerden.
Schliesslich meldete sich eine Frau, die würde es heute Abend abholen. Die Frau schrieb knappe, sehr zielgerichtete Sätze. Ich habe öfter schon Möbel über Kleinenzeigen angeboten. Immer, wenn eine Frau sich mit deutschem Namen meldete und dabei kurze Sätze schrieb, kamen schliesslich zwei oder drei kräftige und wortkarge, männliche Osteuropäer. Zumindest wenn ich Möbel anbot oder Elektrowaren. Sie sehen immer wie Schlägertypen aus. Immer. Und lächeln nie. Nie.

Am Nachmittag war die Mitgliederersammlung von Hertha BSC. Der wichtige Teil war die Nachwahl für das Präsidium. Sie dauerte wieder tausend Stunden. Immerhin wurden zwei meiner Favoriten gewählt.

Am Abend kamen dann zwei glatzköpfige Osteuropäer und holten das Billysystem ab. Einer beäugte die Regale, bemängelte die Hinterseite, die sich gelöst hatte, ich sagte, das sei normal wenn sich der Schrank bewegt. Muss man einfach wieder festnageln. Er sagte OK und liess den anderen 30 Euro an mich aushändigen.
Dann schleppten sie die Teile runter. Kein Hallo kein Tschüss. Ich glaube diese Typen kann man aus dem Katalog bestellen.

[Sa, 14.10.2023 -beim Aussortieren der Bücher]

Am Freitag ist nicht viel geschehen. Nur Arbeitsbezogenes. Und darüber berichte ich ja nicht.

Der Samstag hingegen begann mit einem Anruf von Ikea, dass sie gegen 11 Uhr das Regal bringen würden. Wir wollten das langjährige Billyregal durch ein kleineres, tiefes Kallax Regal ersetzen. Ich habe nicht genau verstanden warum meine Frau das machen will, aber ihre Ideen sind in der Regel gut und wenn es das Ziel ist, unsere Bücherschränke zu reduzieren, dann findet sie bei mir immer Anklang. Mir sind Bücherschränke mittlerweile zuwider. Es sind Staubfänger und altmodische Angebergegenstände, ausserdem sorgen sie für eine unruhige Oberfläche an den Wänden.

Wir haben nur noch zweieinhalb größere Buchregale, diesmal war das Regal im Wohnzimmer an der Reihe. Zuerst räumten wir alle Bücher aus und verteilten sie auf Ablageflächen in der Wohnung. Die Bücher waren grösstenteils doppelt gereiht. Vorne die schönen Bücher, die hässlichen oder peinlichen dahinter. Es kamen immer mehr Bücher zum Vorschein, das Wohnzimmer, der Flur und Teile der Küche waren danach kaum noch benutzbar. Alles lag voll mit Büchern.

Es kam viel Staub ans Tageslicht, aber auch lange vergessene Bücher, u.a. die niederländische Version von Hugo Claus‘ „De Geruchten“, ich las damals noch auf niederländisch. Ich dachte immer, Hugo Claus hätte den Nobelpreis für Literatur gewonnen, eine kurze Googlesuche ergab aber, dass dem nicht so ist. Dann fand ich auch das verschollen geglaubte Exemplar von Stephen Kings „Es“. Dieses Buch taucht lustigerweise sehr oft in diesem Blog auf. Vor allem, weil ich es vor 13 Jahren las und danach in regelmässigen Abständen vom verschollenen Buch „Es“ schrieb.

Wir nahmen uns vor, viele Bücher auszusortieren. Das war eine Bedingung von mir. Zwar sind die Kallax Regale tiefer, also kann man die Bücher auch dreifach reihen, aber mir war wichtig, dass wir auch aussortieren. Mir fällt das leichter als meiner Frau. Meine Frau rettet ständig meine Bücher. Ihre eigenen sowieso.
Ihre Bücher haben aber öfter einen Wert als meine, sie besitzt richtig alte, englische und schwedische Bücher, die oft mit Widmungen ihrer Grosseltern versehen sind.

Irgendwann zückte sie das Telefon und zeigte mir eine App namens Momox. Momox ist eine Firma, die gebrauchte Bücher, DVDs, Cds und Spiele aufkauft. Mit der App scant man schlichtweg die Strichcodes, dann wird einem der Einkaufswert angezeigt. Das fanden wir aussergewöhnlich spannend und wir scannten einfach mal wild drauflos.

Bei einem Wert von 0 kaufen sie es nicht. Uwe Tellkamp hatte Wert „0“. Immerhin die gebundene Ausgabe des Turms. Auch Judith Hermann hatte 0. Thomas Glavinic auch, undsoweiter.

Die erste Preiskategorie schien mir 15 Cent zu sein. Ich glaube die 15 Cent sind der Einstiegspreis, bei dem ein gewisses Interesse ermittelt wurde, man sich aber nicht viel Gewinn erwartet. Darunter fallen gar nicht so viele, wie man erwarten würde, aber immerhin viele Bücher von Paul Auster, Murakami, Coetzee und ähnliche Bücher aus dieser Kategorie. Auch John von Düffel, zumindest die gebundenen Versionen.

Sachbücher sind hingegen sehr populär. Für die erhält man oft zwischen 5 und 9 Euro. Bücher über Architektur oder Geschichte. Aber auch die Erstausgaben von Rainald Goetz. Für „Dekonspiratione“, „Rave“ oder „Irre“ wird jeweils 9 Euro geboten. Aber die verkaufe ich natürlich nicht.

So begannen wir zunächst nach Buchwert zu sortieren. Architektur der Nachkriegszeit, Design, Innenarchitektur, Ernährung, Geschichte. Diejenigen die uns was bedeuten, behielten wir, diejenigen, die einen Wert hatten, legten wir auf den Momox Stapel, und diejenige, die keines von beiden hatten, kamen weg.

Später machten wir weiter mit Romanen, die man mal gelesen hat aber nicht mehr weiter in Erinnerung geblieben sind. Diese Kategorie fiel mir sehr leicht.

Seltsamerweise gibt es doch noch viele Bücher, von denen ich mich nicht trennen kann, beispielsweise das irische Tagebuch von Flenn O’Brien oder auch alle Bücher von Agota Kristof. Im ersten Jahr unserer Beziehung lasen meine Frau und ich einander die ersten drei ihrer Bücher vor. Das war eine sehr eindringliche Zeit mit drei sehr eindringlichen Büchern.

Auch von Thomas Pletzingers Bestattung eines Hundes kann ich mich nicht trennen. Ich hatte zuerst seine Reportage über den Basketbalclub Alba gelesen und ausserordentlich gut gefunden, daraufhin kaufte ich seinen Roman „Bestattung eines Hundes“. Zwei Wochen später lernte ich ihn zufällig auf einer Lesung von Isa Bogdan kennen und wir hatten noch ein langes und anregendes Gespräch, das wir später mit Isa und anderen in einer Aftershow-Kneipe fortführten. Als ich ihn heute googelte, sah ich, dass er kaum noch Texte veröffentlicht. Das ist sehr schade.

Und dann gibt es natürlich die ungelesenen Bücher, die mir einen grossen Penis verleihen, wenn ich sie im Regal stehen habe, wie zB Ulysses von James Joyce (zehn Seiten gelesen), Thomas Mann, Hans Fallada. Oder auch die Blechtrommel von Grass. Wobei ich Mann und Grass vielleicht noch weggebe. Momox gibt 15 Cent dafür.

Den Grossteil der aussortierten Bücher müssen wir nach wie vor selber entsorgen, weil sich Momox nicht dafür interessiert. Vielleicht bringt es was, sie in einem Karton auf die Strasse zu stellen. Das sieht man hier im Kiez ja ständig und die Kartons werden immer schnell geleert.

Der Momox Stapel hat mittlerweile einen Wert von 93 Euro. Und wir sind noch lange nicht fertig.

[Do, 12.10.2023 – Antisemitismus von links, Sabich]

Am Nachmittag schlossen wir ein Mitglied aus unserem Fanclub aus. Weil das Mitglied sich antisemitisch auf Social Media äusserte. Wir hätten nicht gedacht, dass das in unserem Fanclub einmal geschehen würde. Es gab bereits vor einem Jahr ein Gespräch mit dem Mitglied, weil es sich bereits damals so äusserste. Damals hatte das Mitglied kein Einsehen, hörte aber mit den Äusserungen auf und deswegen versandete es wieder. Jetzt mit dem Angriff der Hamas brach alles wieder auf.

Es ist nicht der klassische westliche Antisemitismus von rechts, sondern die Free Palestine Fraktion. Sie kommt aus der linksradikalen Ecke. Ich kenne das aus meiner Jugend, ich hatte auch immer Sympathien für die unterdrückten, steinewerfenden Palästinenser, die vom bösen israelischen Staat mit Panzern beschossen wurden. Die Geschichte verfängt, und die Erzählung des illegitimen Staates Israel lugt gleich um die Ecke hervor. Die Themen vermischen sich, und das ist das gefährliche daran.

Wir liessen die Äusserungen von offiziellen Organisationen für uns einordnen, was dann recht eindeutig ausfiel. Das ganze Prozedere nahm viele Leute aus meinem Fanclub ziemlich mit.

Abends ging ich mit Kollegen zum Israeli. Das war Zufall. Als ich den ersten Schluck vom Bier nahm, bemerkte ich den Zufall erst. Ich fands lustig.

Wir assen gebackenen Blumenkohl und Sabich. Das Hummus teilten wir uns. Ich könnte das immer essen.

[Mi, 11.10.2023 – Gleitsicht, Korrektur, LibröOffice]

Durch meine Gleitsichtbrille fühlt sich die Welt ein bisschen wie aus einem Aquarium heraus an. Das fiel mir besonders in Spitzbergen auf. Erst als ich eine Stunde ohne Brille herumlief, näherte ich mich der Realität. Vorher betrachtete ich alles aus einer gewissen Distanz, wie aus ein Aquarium eben. Ohne Brille sehe ich die Realität nicht mehr ganz scharf, aber ich erfasse davon mehr, also das Raumgefühl, die Perspektive ist weiter.

Vermutlich gewöhnt man sich daran. Es wird ja nicht so sein, dass Menschen mit Brille realitätsfremd werden.

Am Abend las ich T’s Text. Ich schaltete in LibreOffice den Korrekturmodus an, um Änderungen, Korrekturen und Vorschläge mit einzuarbeiten. Ich fremdle etwas mit dem neuen Korrekturmodus in LibreOffice/OpenOffice. Zum einen erkennt man die Änderungen im Text optisch nicht mehr gut, da die Korrekturfarbe hell-orange ist und am Schriftbildrand gibt es für Änderungen keine Möglichkeit mehr, die Änderung abzulehnen oder zu akzeptieren. Man erledigt das jetzt irgendwie in einem Batchmodus, aber verstanden habe ich das noch nicht. Es kann sein, dass das die Zukunft des Lektorats ist, aber für mich fühlt es sich sehr falsch an.

In diesem Zuge ist mir auch aufgefallen, dass OpenOffice nur noch träge weiterentwickelt wird und dem abtrünnigen LibreOffice hinterherhinkt. Nach dem langen Streit um die Lizensierung und den Namensrechten um OpenOffice finde ich das beachtlich, dass man da keine bessere Lösung findet. LibreOffice empfinde ich übrigens als einen doofen Namen, das „Libre“ weiss doch niemand, wie es ausgesprochen gehört, ausser im frankophonen Kulturkreis. Librö, Lyber, Lieber. Es fühlt sich ungelenk an. Man sollten sich bemühen, das vormalige „OpenOffice“ zurückzubekommen. Ich hätte auch OffenOffice gut gefunden. Das klingt fast wie ein Wortspiel und OpenOffice wurde ursprünglich ja von einer deutschen Firma in Hamburg entwickelt, damals als es noch StarOffice hiess, bis es durch SUN aufgekauft wurde, es wäre also auch eine Ode an die Wurzeln des Programms. Aber man kommt natürlich nicht auf die Idee, deutsche Wörter in internationalem Kontext zu verwenden.

Liest sich ein bisschen jammerig. Ist nicht so gemeint.

Sonst ist heute nur beruflich viel passiert.

[Di, 10.10.2023 – Textbesprechung, Podcastschnitt]

Ich hatte ein Meeting um 09:30. Für die anderen beiden Teilnehmer schien die Uhrzeit normal zu sein. Ich hatte seit Jahren kein Meeting mehr vor 11 Uhr. So fühlte es sich jedenfalls an, aber es stimmt natürlich nicht. Wegen der frühen Uhrzeit blieb ich gleich zuhause.
Danach sass ich durchgehend in Meetings bis 17 Uhr.

Heute wäre Podcastaufnahmetag gewesen, weil meine Frau aber einen langen beruflichen Abendtermin hatte, sass ich heute mit der Hündin fest. Auf dem Olympiagelände darf man nämlich keine Hunde mitnehmen und die Geschäftststelle ist ja Teil dieses Geländes. Das ist eine Vorschrift des Senats, dem das Olympiagelände gehört.
Aber Inis, Sabine und Saskia kriegen das auch ohne mich hin. Es ist für sie zwar weniger stressig wenn ich dabei bin, weil sie sich dann nicht um die Technik kümmern müssen, aber sie wissen, wie es geht, letztendlich muss man nur einen Soundcheck machen und darauf achten, dass die Anzeigebalken immer ein bisschen ausschlagen. Ich würde nach der Aufnahme die Audiodateien erhalten und sie dann zuhause zu einer Folge zusammenschneiden.

Als ich am frühen Abend mit der Hündin spazieren ging, sah ich eine Nachricht von T auf meinem Telefon. Wir wollten uns bereits vor einigen Wochen treffen, er hätte gerne über ein Textprojekt gesprochen, aber aus terminlichen Gründen war es nicht zu einerm Treffen gekommen. Ich antwortete ihm, dass ich heute spontan Zeit hätte, also trafen wir uns kurzfristig auf ein Bierchen im Brewdog.

Wir kennen uns eigentlich kaum. T is ein Herthafan um die 60 mit einem sehr aussergewöhnlichen Leben. Er war mal Mitglied in meinem Fanclub, hat sich dann aber aus verschiedenen Gründen, die ich hier nicht öffentlich ausbreiten möchte, dazu entschlossen, wieder auszutreten. Dennoch sind wir in Kontakt geblieben, weil ich ihn, nunja, mag.
Er läuft schon seit längerer Zeit mit einer semifiktiven, autobiographischen Geschichte herum, die er in Teilen bereits auf Papier gebracht hat. Ich empfehle, die Arbeit an so einem langen Text immer durch andere Menschen begleiten zu lassen, vor allem, wenn man noch nicht viel Erfahrung mit Textarbeit hat. Man kann sich beispielsweise einer Schreibgruppe anschliessen, in der man die Texte der jeweils anderen bespricht. Mir hat das immer sehr geholfen, vor allem in handwerklicher Hinsicht und wir wissen alle, dass das Schreiben fast ausschliesslich Handwerk ist. Es hat mir auch sehr geholfen, mich von Passagen zu trennen, von denen ich mich alleine nicht trennen konnte.

Wir reden über die Neunzigerjahre, über Lebensläufe, Lebensentwürfe, er erzählt mir von Punk in Westberlin der Achtzigerjahre. Es ist ein netter Abend. Meine Hündin liegt unter dem Tisch und schläft.

Ich biete ihm an, die ersten beiden fertigen Kapitel zu lesen und Feedback zu geben. So verbleiben wir dann erstmal.

Gegen halb zehn Uhr gehe ich nach Hause, füttere sehr verspätet mein Tier und dann erhalte ich die Nachricht, dass die Podcastaufnahme im Kasten und downloadbereit ist. Also setze ich mich ans Schneiden. Leider ist die Qualität der Aufnahme in weiten Teilen sehr schlecht, einige Stimmen sind kaum hörbar, ich muss daher viel an den einzelnen Spuren arbeiten. Gegen Mitternacht bin ich aber fertig und bringe die Folge online.