[So, 11.6.2023 – Laden im Nirgendwo, Nautische Dämmerung, Sessionbiere, etc]

Bei uns um die Ecke, also etwa 4 Kilometer entfernt, gibt es eine Kreuzung, an der sich ein Restaurang befindet, ausserdem ein Blumenladen und heute entdeckte ich, dass es dort dahinter sogar einen kleinen Laden gibt. Das gibt es in Schweden immer wieder mal, dass sich mitten im Nirgendwo ein kleines Gewerbegebiet an der Strasse befindet. Bei uns um die Ecke auch, aber bisher hatte ich das ignoriert, weil ich in Schweden selten Blumen brauche und das Restaurant eigentlich immer geschlossen zu haben schien. Aber der Laden war mir bisher nie aufgefallen, an seiner Fassade hängt ein Schild, das sagt, dass er 24/7 geöffnet hat. Ich musste unbedingt wissen, was es damit auf sich hatte, wir brauchten ohnehin Wasser, also bog ich ab und wir kehrten ein.

Die Ladentür war geschlossen, obwohl ich darin einen Mann und einen kleinen Jungen sah, nach dreimaligen Rütteln öffnete sich die Tür automatisch. Ich brauchte einige Zeit um mich gedanklich zu sortieren, aber schliesslich stellte ich stellte fest, dass es sich um einen Laden ohne Personal handelte. Der Mann und sein Sohn standen gerade an der Self-Service Kasse und scannten ihre Artikel ein. Das Konzept war einfach: man sucht sich den Einkauf aus, bringt ihn zum Scanner und bezahlt dort alles. Um Betrug vorzubeugen, sind überall Videokameras montiert.

Leider wird weder Googlepay noch Paypal unterstützt, sondern man braucht ein Kundenkonto mit dem man über die Kreditkarte bezahlt. Leider hatte ich meine Kreditkarte nicht dabei, ich zahle ja fast nur noch mit dem Telefon. Das war aber nicht weiter schlimm, wir würden heute ohnehin in den nächsten grösseren, etwa 20km entfernten Ort, fahren, also verliess ich den Laden ohne Einkäufe wieder und wir fuhren in den Supermarkt. Genau, hier kann man auch sonntags in den Supermarkt. Aber dieses Konzept eines automatischen Tante Emma Ladens mitten im Nirgendwo, das beeindruckte mich.
Eventuell wäre das sogar ein Konzept für Berlin um das leidige Thema mit den Öffnungszeiten am Sonntag zu umgehen.

Nunja.

Morgens ist es hier noch frisch. Heute mass es 6 Grad. Ich hatte keine Jacke dabei, weil ich mich schon im Sommer wähnte, aber morgens um 6 ist es eben noch sehr frisch. Die Hündin und ich standen vor dem Haus und tankten Sonne, das wärmte.

Es sind noch 10 Tage bis zur Sommersonnenwende, es wird nachts nicht mehr wirklich dunkel. Die Sonne geht zwar schon um halb elf unter, aber der Himmel bleibt auf der Nordseite die ganze Nacht leicht erleuchtet. Ich habe es nicht probiert, aber vermutlich könnte ich nachts draussen noch ein Buch lesen. Aber vielleicht täusche ich mich. Als ich um halb zwei aus dem Fenster schaute, war es jedenfalls hell genug zum Spazierengehen. Wir befinden uns auf dem 57. Breitengrad, das ist noch nicht so weit im Norden, aber in Wikipedia klassifiziert man dieses Licht als „Nautische Mitternachtsdämmerung„. Ich wusste gar nicht, dass es dafür eine Kategorie gibt. Hinter dem Link befindet sich eine faszinierende Karte. Weiter im Norden, zB ab Helsinki, also ab Breitengrad 60 nennt sich das „Bürgerliche Mitternachtsdämmerung“, in Berlin, weiter unten auf Breitengrad 52 erhält es die Bezeichnung „Astronomische Mitternachtsdämmerung“, also auch keine absolut finstere Nacht, das ist erst ab München und abwärts der Fall, also südlich von 48 Grad. Da heisst es schlichtweg: Dunkle Nacht.
Kategorien, Kategorien, ich liebe Kategorien.

Ah und weiter oben ab 66 Grad ist natürlich nur Tag. In Longyearbyen, auf 78 Grad, dreht sich die Sonne am Himmel im Kreis.
Frau Fragmente hat gestern auf ihrem Boot den Breitengrad 80 überquert. Das Ende ist bei 90 Grad. 90 Grad ist der Nordpol. Hinten geht es wieder runter. Nach Kanada und nach Alaska.

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Nachmittags ist es in der Sonne schon unausstehlich, wir verschieben mehrmals pro Tag die Sessel und folgen dem Schatten des Hauses. Zur Sonnenwende gibt es nämlich nicht nur ein Ost und ein West, der Schatten dreht sich einmal fast um das ganze Haus. Die Zeit zwischen halb elf und halb vier nachts ist ausgenommen.

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Wir hatten vergessen, Alkohol zu kaufen. Sonntags haben die staatlichen Alkoholläden geschlossen. Also kauften wir Supermarktbiere, dort ist ein Alkoholgehalt bis zu 3,5 Volumenprozent erlaubt. Ich habe das vor vielen Jahren bereits einmal geschrieben, wie gross die Auswahl und wie gut die Qualität an leichten Bieren hierzulande ist. In den letzten Jahren sind ausserdem die kleinen Handwerksbrauereien dazugekommen, die unfassbar gute Biere mit dieser Einschränkung brauen. Letzendlich sind es Sessionbiere, leicht, aber sehr geschmackvoll und der Vorteil ist, dass man wesentlich mehr Bier trinken kann und nicht gleich betrunken wird.

[Bis Sa, 10.6.2023 – Notpacken, Schweden]

Der Tag vor der Abreise wurde noch etwas turbulent, weil ich sehr schlecht geschlafen hatte und ich mich deswegen am frühen Vormittag noch einmal ins Bett gelegt hatte. Plötzlich war es 11Uhr und ich musste dringend wegen eines Termines in die Firma.

Zusammengefasst waren die beiden Tage ganz einfach:
Am Donnerstag hatten wir das letzte Einzeltraining mit der Hundetrainerin. Das wichtigste Thema war „Nein“ auf Entfernung. Unser Tier frisst nämlich alles, was ihr Nasensystem erschnüffelt. Streetfood sozusagen, Strassendöner liebt sie ganz besonders, es muss aber nicht immer essbar sein, manchmal ist es auch Menschenscheisse oder Holz. Ausserdem kann natürlich immer auch ein Giftköder oder Rattengift dabei sein. Bisher war das glücklicherweise nie der Fall.

Wir wissen jetzt wie es geht. Jetzt müssen wir trainieren.

Freitagabend dann Notpacken. Das Wort gibt es als Substantiv und als Verb.

Samstagfrüh dann los nach Schweden. Eigentlich wollte ich die Rostockfähre um 9:00 Uhr buchen, weil ich einfach gerne früh ankomme, aber meine Frau setzte sich mit der 11:15 Fähre durch. Damit wir frühmorgens keinen Stress haben. Bei der Neunuhrfähre (gibt es als Substantiv), hätten wir um kurz vor sechs Uhr losfahren müssen, vorher hätte das Tier noch ein paar Schritte machen müssen und wir Kaffee, was essen, allerletztes Notpacken, da kommt schon etwas an Zeit zusammen, vermutlich hätten wir um halb fünf oder früher aufstehen müssen.

Die Nacht zum Samstag schlief ich ausserdem furchtbar schlecht, erst in den frühen Morgenstunden kam ich körperlich richtig zur Ruhe, ich war also ziemlich glücklich, dass wir uns für die spätere Fähre entschieden hatten.

Gegen acht Uhr abends kamen wir dann an. Es sind letztendlich immer fast 12 Stunden. Das Haus war völlig unversehrt durch den Winter gekommen. Keine Mäusenester, keine toten Tiere im Haus. Wir kümmerten uns heute also nur um Strom, Wasser und bereiteten das Schlafzimmer für die Nacht vor. Danach holte ich die Sessel aus der Scheune und wir setzten uns auf die Westseite des Hauses wo die Sonne zu uns herunterschien. Wir öffneten uns ein Bier und fühlten uns glücklich.

[Mi, 7.6.2023 – Frau Fragmente reist in die Arktis]

Frau Fragmente machte sich heute auf den Weg nach Longyearbyen. Zuerst wird sie einen Tag in Oslo verbringen, am Donnerstag landet sie dann in der Arktis. Ich schmeisse dafür auch Twitter wieder an und checke ständig ihren Whatsapp Status.

Sie erzählte mir von der anstehenden Reise bei unserem Treffen vor drei Jahren. Ich musste damals meine eigene Reise verschieben und war endlos enttäuscht, wirklich endlos enttäuscht, ich fühlte eine körperliche Enttäuschung, dass ich nicht nach Spitzbergen reisen konnte, das Gefühl war ähnlich körperlich und nachhaltig wie der Abstieg von Hertha dieses Jahr. Später musste auch sie die Reise verschieben, ich glaube, das hatte mit Corona zu tun, wie später auch wieder bei mir, auch bei mir verschob sich die Reise letztendlich auf dieses 2023.

Aber sie fährt jetzt. Leider spielt das Wetter nicht ganz so mit. Ich bin ein bisschen neidisch, aber lieber neidisch, sogar lieber endlos neidisch, als endlos enttäuscht.

[Di, 6.6.2023 – Umhängetäschchen, Shoppen]

Auch Pal Dardai kann jetzt nicht mehr mit dem Flieger in seinen Urlaub fliegen. Er hat jetzt ja einen Hund. Genau mein Schicksal. Lange Autofahrten. Er sagte, die 7 Stunden an den Balaton seien anstrengend gewesen, aber er tue das aus Liebe zu seinem Hund. Das sind genau meine Gefühle.

Heute traf ich meine Fussballfreundin. Wir haben uns seit langem nicht mehr gesprochen, wir hatten viel aufzuholen. Wir gingen sogar zusammen shoppen, ich habe nämlich das Problem, dass ich nie weiss, wo ich im Sommer Schlüssel, Handy und Kacktüten unterbringen soll. Wenn ich keine Jacke trage, beule ich immer die Hosentaschen aus, weil ich alles darin unterkriegen muss. Ausserdem zieht es die Hose runter, was die Lücke zwischen Hose und Tshirt vergrössert und zwischen Hose und Tshirt befindet, sich, genau, meine haarige Wampe.

Heute kaufte ich dann ein Umhängetäschchen. Man hängt es sich um den Oberkörper, es ist aber wesentlich kleiner als eine Laptoptasche. Es passen rein: Schlüssel, Telefon, Kacktüten, Dauerkarte, Führerschein. Und es bleibt noch Platz für Notfälle. Deo zumbeispiel, oder was weiss ich.
Und das Wichtigste: es sieht nicht scheisse aus. Diese Täschchen oder Bauchtaschen sehen immer gleich nach Outdoortourismus und Funktionsjacken aus, muss man höllisch aufpassen.

Ich fand also eine für 12€. Sie ist nicht schick, aber sie hilft mir vorerst mit meinem akuten Problem. Jetzt habe ich Zeit, mir etwas passenderes zu suchen.

[Mo, 5.6.2023 – wir stammen doch von den Pflanzen ab, stammen wir nicht?]

Morgens im Park, bei 14 Grad in kurzen Hosen und Tshirt in der wärmenden Frühlingssonne stehen. Ein Cocongefühl. So muss Mutterbauch gewesen sein. Mein Reflex ist es, die Augen zu schliessen, ich bilde mir ein, dass mein Gesicht tausende kleine Fühler ausstreckt um das ganze Licht einzufangen. Wir stammen doch alle von Pflanzen ab, stammen wir nicht?

[So, 4.6.2023 – Volksparks, Cornwall zwei, Brauerei in der Arktis]

Einen langen Spaziergang im Volkspark Prenzlauer Berg gemacht. Der Stimmungsunterschied zwischen den Volkspärken Friedrichshain vs Prenzlauer Berg ist wirklich beeindruckend. Sie sind gerade einmal 1km voneinander entfernt und könnten kaum unterschiedlicher sein. So ist der erste ab einer Temperatur von 15 Grad völlig überfüllt und verschmutzt, während der Zweite sogar an einem warmen Sonntag im Hochsommer leer und verwildert bleibt. Es hat vermutlich mit den umliegenden Kiezen zu tun. Der eine ist umgeben von schönen Grunderzeitkiezen mit schönen Menschen mit schönen Zähnen und schönen Kindern, der zweite liegt ausserhalb des Sbahnrings umgeben von Ostplatten und Schrebergärten.
Dieser verwilderte, grosse Park ist eine echte Wohltat.

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Weiter zur Reise nach Cornwall. Gestern gestaltete sich die Planung der Reise nur etwas holprig, heute ging es aber komplett schief. Weil wir uns grösstenteils auf Reisedaten und Eckdaten geeinigt hatten, buchte ich schliesslich eine Ferienwohnung in Falmouth und auch die Flüge hatten wir bereits ausgesucht, glücklicherweise hatte ich sie aber noch nicht gebucht. Dann stellte nämlich eine meiner Schwester fest, dass sie in jener Woche nicht verreisen kann. Sie war im Kalender um eine Woche verrutscht. Lustig ist es schon. Aber auch ärgerlich.
Das ist in meiner Familie aber immer so, deswegen auch nicht weiter überraschend. Ich ahne aber, dass wir dieses Jahr nicht mehr gemeinsam verreisen werden.

Weil ich dann doch etwas frustriert war, beschloss ich, mich umso mehr auf die Reise in die Arktis zu freuen und buchte einen Tisch in der Brauerei in Longyearbyen für den Oktober. Die nördlichste Brauerei der Welt. Ich habe einen Termin auf Spitzbergen. Sofort ging es mir besser.

[Sa, 3.6.2023 – Reisen]

Meine Schwestern und ich kommen mit der Planung für Cornwall nicht gut voran. Es gibt immer Meinungen und Fragen bleiben unbeantwortet. Wir haben uns aber fast auf die Tage geeinigt. Fast wäre aus der Reise nach Cornwall eine Reise nach Frankreich geworden, jetzt ist es aber wieder eine Reise nach Cornwall.

Dafür fahren meine Frau und ich nächste Woche nach Schweden. Das Sommerhaus aufmachen und vorbereiten. Ein paar Tage alleine mit Hund im Wald verbringen. Mal schauen ob das meiner Leere gut tut. Wobei: es geht mir schon wesentlich besser. Zumindest glaube ich das.

Am Abend kam meine Frau von ihrer Dienstreise zurück. Wir öffneten uns ein Bier und sassen lange auf dem Balkon. Diese Abende bei 18 Grad. Das ist das beste der Welt.

[Fr, 2.6.2023 – Tshirts]

Apropos Kugelbauch. Schon seit mehreren Tagen wird mir Tshirtwerbung in meine Timeline auf Insta gepült. Es sind Tshirts, die garantieren, das Beste aus echten Dadbods zu holen. Dadbod, das ist das was ich also habe, den Body eines Daddies. Die Marke wirbt damit, dass man die Arme heben kann, ohne dass die Wampe darunter rausrutscht. Ich könnte natürlich auch XL oder XXL kaufen, da rutscht auch nix darunter raus, weil sie lang genug sind, ich trage aber immer enge Tshirts, weil es nichts bringt, den Bauch zu kaschieren, ich habe keine Lust darauf einen Kartoffelsack zu tragen, ich zelebriere meinen Körper lieber als ihn zu verstecken, zumindest so lange es stilvoll ist, weil darum geht es ja immer, es geht um den Stil. Wenn mein haariger Bauch unterm Tshirt rausrutscht, dann ist das nur in gewissen Clubs von Vorteil. Aber nicht bei Edeka oder im Hundepark.

Heute bestellte ich also 3 Tshirts von der Marke, die mir ständig in die Timeline gespült wird. Ich verlinkte sie jetzt mal nicht, solange ich nicht weiss, ob das wirklich brauchbar ist. Sie Marke heisst True Classic. Tja. Ob das ein guter Name ist, weiss ich nicht, aber der Mann, der im Werbevideo die Arme hebt, ohne dass der Bauch darunter rauslugt, der hat mich überzeugt.

Neben „True Classic“ gibt es noch „Son of a Taylor“. Die werben mit einem ähnlichen Product. Die haben einen guten Namen, finde ich.

[Mi/Do, 1.6.2023 – Stroh, Kugelbauch]

Am Mittwochmorgen fuhr meine Frau zu einem beruflichen Termin ins Ausland. Als ich die Hündin nicht hatte, freute ich mich immer auf mein Strohwitwerleben. Vor Corona verreisten wir beide ständig und wir genossen diese Tage wenn eine von uns alleine zuhause war. Mit dem Tier hat sich das für mich geändert. Es ist nicht schlimm, aber man fühlt sich nicht mehr alleine. Ich fühle mich manchmal gerne alleine. Einfach aufstehen, unbekleidet herumlaufen auf nichts und niemanden zu achten, mein komplettes persönliches Programm abspulen.
Jetzt habe ich ein Tier, das mich ständig beobachtet. Manchmal habe ich das Gefühl ich müsse den Bauch einziehen wenn sie mich anstarrt.

Donnerstagfrüh gab es gleich berufliche Komplikationen, die ich klären musste. Ich hatte zuerst sehr schlecht geschlafen, meine Smartwatch zeigte 2h und 15min Schlaf an. So ungefähr fühlte ich mich auch. Ich sass von 8 bis 13Uhr in mehreren Calls, meine Augen waren rot. Aber es ging alles gut. Ich konnte mich jedoch nicht um den Tagebucheintrag kümmern. Ich bin damit etwas nachlässig geworden, ich bin mir nicht ganz sicher warum das so ist. Es hat sicherlich auch mit der neulich beschriebene Leere, die den Output aufraucht, zu tun, andererseits geht es mir wieder ein bisschen besser. Egal, nur so ein angefangener Gedanke.

Am Abend begann ich mit den Schwestern und der Mutter die Planungen für unsere Cornwall Reise. Eine der Schwestern hat offenbar panische Flugangst, das wusste ich gar nicht. Das verkompliziert alles ein wenig.
Später ging ich auf die letzte Runde mit der Hündin. Ich hatte Joghurt zu Abend gegessen, zwei grosse Becher, also fast einen ganzen Kilo. Mein Bauch war davon völlig aufgebläht. Eigentlich wollte ich in den Hundeauslauf gehen, aber mein Bauch bildete eine dermassen grosse Kugel, dass er ständig unter dem Tshirt herauslugte. So konnte ich unmöglich unter Leute gehen. Ich lief also etwas vornübergebeugt durch abgelegene Strassen des Kiezes.