[„Sehnsucht“ – wie wir tätowierten]

Ausserdem traf ich in Meran meinen Jugendfreund Haimo. Er war zu Besuch und wir redeten über meine erste Tätowierung. Ich war damals sechzehn oder siebzehn Jahre alt. Haimo war etwas älter als ich und hatte sich in London von Punks ein Tattoo stechen lassen. Daraufhin hatte er unserem gemeinsamen Freund Hello das Wort „Hass“ auf den Oberarm gestochen. Ich fand Tätowierungen gut und bat ihn deswegen, mir das Wort „Sehnsucht“ auf den Oberarm zu tätowieren. Das war in ’91 oder ’92, es gab damals in Südtirol noch keine Tattoostudios. Für eine Tätowierung musste man entweder nach Verona oder nach Innsbruck fahren. Als Druckerlehrling hatte ich ein sehr schmales Budget. Das meiste Geld ging für Bus, Zigaretten und Alkohol auf. Immerhin durfte ich noch bei meinen Eltern wohnen und essen. Zumindest wenn ich den letzten Bus um acht Uhr auf den Berg hinauf erwischte. Was mir oft nicht glückte.

Tätowierungen konnte man auch selber stechen, dafür wollte ich kein Geld ausgeben. Man braucht nur schwarze Tusche und eine Nadel. Mit der Nadel sticht man so lange in die Haut, bis die Fläche ausgefüllt ist.
Haimo wusste, wie das geht.

Wir haben beide noch vage und teils übereinstimmende Erinnerungen daran, wie die Tätowierung entstand. Es war spätnachts in der Sparkassenstrasse in Bozen und wir sassen in Sabines Ente, also einer 2CV von Citroën. Eigentlich sollten wir beide bei Sabine schlafen, aber es gab eine Unstimmigkeit (meine Erinnerung), also wichen wir in die Ente aus, die in der Sparkassenstrasse geparkt war und er dafür den Schlüssel besass. Ich hatte schon seit einigen Tagen Sicherheitsnadel und Tusche dabei, weil ich nur auf einen ruhigen Moment wartete, an dem er mich tätowieren konnte. Als wir in der Ente sassen, waren wir beide sehr betrunken, aber noch nicht müde genug, um zu schlafen, und so sagte ich ihm, dass es jetzt an der Zeit sei. Ich hatte auch Faden dabei, weil ich gehört hatte, dass man die Nadel mit einem Faden umwickeln soll, damit sich die Tusche besser festsaugt. Dann fing er an.

Das Wort „Sehnsucht“ ist sehr lang, also musste er weit vorne ansetzen. Hygienische Massnahmen gab es keine. Die Tusche würde die Wunde schliesslich ausfüllen. Es war dunkel und es dauerte ewig. Beim dritten Buchstaben waren wir beide müde, also hörten wir auf. Ich zog den Pullover über und schlief ein. So lief ich ein paar Wochen mit einem „Seh“ auf dem Oberarm herum. Es bildeten sich Krusten und Teile entzündeten sich. Der Grund dafür war mir nicht ganz bewusst, Krusten und Entzündungen gehören bei Wunden ja dazu. Wie bei Lippenherpes oder so.
Der untere Teil des „h“ krustete so sehr, dass sich das Gewebe stark vernarbte und es in späteren Versuchen keine Tusche mehr aufnahm. So blieb der Buchstabe ein wenig blass.

Weil wir nicht so schnell eine neue Möglichkeit fanden, das Werk zu beenden, arbeitete ich selber daran weiter. Schliesslich wusste ich jetzt, wie es geht. Aber schon beim zweiten „S“ in „Sehnsucht“ wurde es schwierig, weil es sich bereits auf der hinteren Seite des Armes befand und ich nicht mehr gut sehen konnte, was ich da vor mich hin stach. Also bat ich verschiedene Leute, daran weiterzustechen. Es dauerte sicherlich ein halbes Jahr, bis das Ganze fertig war.

In Haimos Erinnerung stammten die letzten drei Buchstaben von ihm. Er sagt, das sei sein Stil gewesen. Aber ich weiss noch sehr gut, dass er mit „Seh“ anfing und nicht mit „ucht“.

Fast zehn Jahre später, als ich in den Niederlanden lebte, lernte ich einen jungen Polen kennen, der für einige Monate im besetzten Haus am Utrechter Ganzenmarkt wohnte. Er logierte im Gästezimmer, das war ein notdürftig eingerichteter Raum mit zwei Matratzen und einer Steckdose. Der Raum mass vielleicht 5 Quadratmeter an Grundfläche und wenn ich mich richtig erinnere, konnte man darin nicht stehen. Während ich das so aufschreibe, dann kommt mir vor, ich erzähle Märchen, aber der Raum war über eine wacklige Bretterkonstruktion erreichbar, die man von der Treppe aus hinübergebaut hatte. Da das Haus vor der Besetzung und dem Brand ein Matratzenlager gewesen ist, vermute ich, dass es sich früher um ein Versorgungsraum gehandelt haben musste. Immerhin besass der Raum ein Fenster. Aber keine Tür. Stattdessen hing eine schwere Decke im Türrahmen.

Ich kann mich nicht an hygienische Bedingungen erinnern. Im Gästezimmer am Ganzenmarkt wohnten ständig andere Leute. Allerdings halte ich es für unwahrscheinlich, dass jemand den Raum aus hygienischer Perspektive pflegte. Gäste hausierten dort üblicherweise in Schlafsäcken, die Matratzen dienten nur als weicher Untergrund.
Der junge Pole wollte professioneller Tattoo Artist werden und besass eine professionelle Maschine. Als ich ihn am Tresen im ACU kennenlernte, fanden wir schnell zu einem Termin. Er sollte mir das Tattoo etwas nachschärfen. Vor allem die Ränder mit ordentlichen Linien versehen. Und vielleicht hier und da die eine oder andere Serife hinzufügen.
So sassen wir dann in dem staubigen Gästezimmer am Ganzenmarkt und er besserte mein „Sehnsucht“ ein wenig aus. Ich bin mir nicht sicher, ob mir das Ergebnis gefiel, aber immerhin waren die Ränder jetzt weniger ausgefranst. Ich war da bereits 28 oder 29 Jahre alt. Das Konzept Hygiene war mir immer noch nicht ganz geläufig.

Aber so geht die Geschichte mit meiner ersten Tätowierung.

[Mi, 10.4.2024 – weinende Bulldogge, Schauspielerinnen, Sanifair Gutscheine]

Im Wartezimmer der Tierärztin traf ich heute eine riesige Bulldogge, die weinte. Als ich mich zwischen den anderen Wartenden setzte, fühlte ich mich etwas unwohl. Solchen Bulldoggen merkt man ihre Kraft an, und auch wenn ich es besser weiss, kann ich mich nicht ganz davon befreien, sie im ersten Moment als bedrohlich zu empfinden. Die beiden jungen Frauen, die mit dem Tier im Zimmer sassen, waren sehr dünn und ich bin mir sicher, dass sie sich beim Versuch, den Hund entgegen seinen Willen festzuhalten, sämtliche Gelenke dislozieren würden.
Das Tier lag aber auf dem Boden und weinte. Dieses Bild war so süss, dass ich nicht wusste, wo hin mit mir.

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Ich habe noch einige Notizen von der Fahrt nach Südtirol. Die eine Notiz heisst „M Schweighöfer Klo“. Das notierte ich mir, weil wir auf einer Raststätte in Sachsen-Anhalt eine kurze Pause einlegten. Meine Frau ging ein paar Schritte mit der Hündin und ich kümmerte mich um den Tankvorgang.
Weil wir nicht sofort weiterfahren würden, bestellte ich uns einen Kaffee und stellte mich an einen der Stehtische. Da sah ich Matthias Schweighöfer mit seinem Sohn an der Kasse anstehen.

Eine Existenz als Schauspielerin stelle ich mir ungemein deprimierend vor. Das, was dich berühmt macht, ist dein Gesicht. Das Gesicht ist dieser exponierte Körperteil, an dem dich die ganze Welt identifiziert. Als Schauspielerin bist nicht unbedingt jemand, die klug ist oder geniale Musik komponiert oder schöne Geschichten schreibt, sondern du verkörperst einfach nur andere Menschen. Immer andere Menschen als dich selbst. Deine Kunst ist es also, unauthentisch zu sein. Dafür wirst du als Schauspielerin geliebt. Die Leute lieben dich als Kommissar oder als Mörder oder als Superheld, aber nicht als dich selbst. Bei diesem Gedanken würde ich sofort Drogen nehmen.

Ich bilde mir ein, dass man Schauspielerinnen förmlich anmerkt, wie sie sich in der Öffentlichkeit unwohl fühlen. Alle kennen nur dein Gesicht, man ist nie inkognito. Dann stehst du plötzlich in der Öffentlichkeit als du selbst. Keine Lage Tatort liegt mehr über dir, keine Lage Superheld, Staranwalt, Mörder, Antiheld. Nur du selbst. Und alle Blicke im Raum folgen dir, die Kassiererin reagiert verzückt, der Nachbar an der Zapfsäule.

Als meine Frau hereinkam, sagte ich, ich müsse aufs Klo gehen, aber in jenem Moment ging Matthias Schweighöfer in Richtung Toiletten. Also blieb ich stehen. Ich wollte nicht auch noch neben ihm ins Pissbecken starren.

Meine Frau sagte: Er verschwendet seinen Sanifair Gutschein.
Da hatte sie recht. Man geht zuerst aufs Klo und zahlt erst nachher, wo man seinen 50 Cent Gutschein einlöst. Eine kluge Frau. Auch ich hatte die richtige Reihenfolge vergessen.

[Mo, 8.4.2024 – die SoFis und Reisen]

Es gab heute ein paar Sachen, die ich für meine Ex-Arbeit erledigte. Lustigerweise finde ich das überhaupt nicht schlimm. Zum einen bin ich das ja noch gewohnt und es sind nur kleine Themen. Ausserdem trage ich keine Verantwortung mehr, insofern ist es nicht mit Stress verbunden. Aber ich finde es auch belustigend zu sehen, wie sie merken, was für ein Batzen an schweren Themen jetzt auf deren Schultern liegt. Man kann es noch nicht Schadenfreude nennen, aber belustigend ist es schon.

Von der Sonnenfinsteris in Nordamerika bekam ich nicht viel mit. Seit ich nicht mehr auf Twitter bin, gehen gewisse Themen an mir vorbei. Auf BlueSky ist meine Blase noch sehr deutsch. Aber auch auf Insta wurde mir nichts in die Stories gespült.
Die nächste Sonnenfinsternis auf europäischem Boden wird es im August in zwei Jahren geben. Zu sehen ist diese in Reykjavik und in Spanien. Aber auch auf Malta. Wir waren vor 8 Jahren in Malta und fanden die Insel cool. Damals war April und die Hitze war bereits unerträglich. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie heiss es dort im August ist.

Zwei Jahre später gibt es eine Sonnenfinsternis am 26.1. auf Madeira. Das ist der Geburtstag meiner Frau. Wir fahren zu unseren Geburtstagen ja oft weg. Meistens auf Inseln. In Madeira verbrachten wir unsere Geburtstage vor etwa neun Jahren. Das war eine sehr schöne Reise zu einer erstaunlichen Insel inmitten des Atlantiks. Ich schrieb das meiner Frau. Nach Madeira wollten wir beide irgendwann wieder. Ich schlug aber nicht ernsthaft eine Reise zur Sonnenfinsternis vor. Einer Sonnenfinsternis hinterherfahren. Das ist überhaupt nicht unser Ding.

Sie antwortete, wie ich erwartet hatte. Das ist beruhigend zu wissen.

In 2044 wird es auf Spitzbergen eine Sonnenfinsternis geben. Dafür würde ich vermutlich eine Ausnahme machen. Da bin ich 69 Jahre alt. Oder tot.

Zur Sonnenfinsternis in 1999 schrieb ich vor einigen Jahren einmal einen kurzen Text. Über die Frauen, die damals in unseren Laden kamen.

[So, 7.4.2024 – Kleidung, Hochsommer, Pullober]

Meine Frau las das Ruth Klüger Buch ohne mich zu Ende. Sie verriet mir das auf meine Nachfrage hin, wann wir weiterlesen würden. Sie sagte, sie habe es bereits zu Ende gelesen. Als sei das normal. Ich fühlte mich betrogen.

Und plötzlich ist T-Shirt Wetter. Bereits auf meiner morgendlichen Gassirunde um acht Uhr trage ich T-Shirt und eine kurze Hose. Vor zwei Wochen kleidete ich mich auf dieser Runde noch mit einer gefütterte Jacke, die ich als winterlich einstufen würde. Plötzlich patzbumm, ist Hochsommer.

Apropos T-Shirts. Die Nazis nannten T-shirts T-Hemden. Neonazis und völkische Leute tun das immer noch. Als Kind trug ich ein Kleidungsstück, das man in Südtirol allgemein „Pullober“ nannte. Irgendwann lernte ich natürlich, dass man das Pullover schreibt, aber erst in meinen Zwanzigerjahren legte ich den Link zu „to Pull something over“. Bin ich in Südtirol, dann sage ich immer noch Pullober, sobald ich mit Deutschen rede, wird das zum Pullover.


Was ich erst kürzlich lernte: Sweater. Meine Kindheit war davon geprägt, dass meine Mutter mir hinterherschimpfte, ich solle mir einen Schbetter anziehen, ansonsten würde ich mir die Nieren erkälten. Ein Schbetter war ein Pullober mit einem Reissverschluss. Wenn ich nach dem Unterschied zwischen Pullover und Sweater google, dann wird diese Distinktion mit dem Reissverschluss nicht gelegt. Laut Internet ist ein Pullover eher aus feinem Strick, während es sich bei einem Sweater um ein etwas dickeres und bequemeres Kleidungsstück handelt. Vielleicht meinte meine Mutter auch nie einen Pullober mit Reissverschluss, sondern einfach etwas Warmes wegen meinen Nieren.
Ich bat meine Schwestern um Aufklärung. Sie müssen immerhin ähnlich sozialisiert sein, wie ich. Sie schreiben das Wort ohne „b“, also Schwetter, statt Schbetter und für sie ist das auch ein vorne offenes Kleidungsstück. Der Reissverschluss ist allerdings nicht zwingend. Es können auch Knöpfe angebracht sein.

Was das jetzt mit T-Hemden zu tun hat, weiss ich auch nicht, aber ich musste an Pullober denken.

[Fr/Sa, 6.4.2024 – Holzarbeit, Gehör, Gleisdreieckpark]

Und Handwerken möchte ich lernen. Also den Umgang mit Holz, einfaches Tischlern. Früher, als ich Häuser besetzte, hatte ich viel mit Holz zu tun. Ich konnte grobe Sache bauen, z.B Barrikaden. Ich konnte Bretter an Fensterrahmen verschrauben, simple Scharniervorrichtungen, um das Treppenhaus verschliessen zu können und solche Sachen eben. Auch einen simplen Tresen hatte ich einmal gebaut. Auf diesem Tresen konnte man sogar tanzen. Das konnte ich deswegen so gut, weil ich immer schwere Materialien verwendete und lieber immer drei Schrauben zu viel ins Holz versenkte.

Grobes konnte ich. Aber schön war das alles nicht.

Wegen unseres hölzernen Waldhäuschens in Schweden möchte ich ein besseres Verständnis für Holzarbeit erlernen. Das Haus braucht regelmässige Reparaturen. Ein Türrahmen muss demnächst ersetzt werden, einzelne Bretter auch. Wir sind immer auf Handwerker angewiesen. Ich glaube, ich kann das meiste selber erledigen. Ausserdem möchte ich einen kleinen Pavillon am Wasser bauen und einen schwimmenden Steg. Und vielleicht eine kleine Sauna. Für den Steg habe ich bereits eine grobe Idee. Das Wissen dazu habe ich mir auch Youtube zusammengescharrt. Sobald ich aber einmal eine Säge und einen Hammer in der Hand halte, ist das erlernte Wissen aus dem Netz nicht immer ausreichend. Deswegen werden meine Frau und ich ein paar Kurse besuchen.

Dann fuhr ich mit der Hündin Fahrrad. Das heisst: Ich fuhr Fahrrad und sie rannte neben mir her. Mir machten das heute zum dritten Mal. Diesmal allerdings nicht nur einmal die Strasse hoch, sondern eine lange Runde. Das finde ich so toll und sie findet das auch so toll und ich finde es toll, dass sie das toll findet und sie findet es toll, dass ich undsoweiter.
Wir machen das ohne Leine. Ich fahre auf dem Bürgersteig (jaja) und sie rennt neben mir her. Sie bleibt stehen, wenn eine Strasse beginnt und folgt aufmerksam meinen Anweisungen. Ich weiss wirklich nicht, wer sie so gut erzogen hat, wir waren es nicht. Danach hatte ich wieder Verliebtsgefühle für sie.

Nach zwei Viertelstunden war sie allerdings platt und lag den ganzen Tag ausgestreckt auf dem Boden wie eine Flunder.

Im Park traf ich auch die Hundehalterin mit dem Gehörimplantat. Wir hatten einander lange nicht gesehen und unterhielten uns eine ganze Weile über unsere Hunde, aber auch über ihre Hörimplantate. Sie ist sehr schwerhörig. Ihre Hörfähigkeit ist schon seit dem Kindesalter stark beeinträchtigt. Ihre Aussprache klingt bei manchen Wörtern leicht breiig. Breiig, ich bin mir nicht sicher, ob man das so sagen kann, ich meine diese etwas schleppende Aussprache von gehörlosen Menschen. Mir fällt kein besseres Adjektiv ein. Ich weiss gar nicht, woher diese Aussprache kommt. Es ist bei ihr auch nur ganz leicht, bei einigen Wörtern. Sähe man das Implantat nicht, würde man es möglicherweise nicht bemerken.

Ich hatte mich vor einem Jahr sehr für ihr Hörimplantat interessiert, da ich mir gerade Knochenschall Kopfhörer gekauft hatte, die vom Prinzip her ja den Schall auf die gleiche Weise zum Hörorgan transportieren. Weil meine Frau schlecht hört und meine eigenen Ohren im hohen Alter vielleicht auch nicht mehr richtig funktionieren, wollte ich einfach wissen, ob sie glücklich damit ist. Die Frage war möglicherweise etwas indiskret. Sie schien sich aber dennoch darüber zu freuen, mir Auskunft zu dem Thema zu geben.
Heute fiel mir zum ersten Mal auf, dass sie nur auf der rechten Seite das Implantat trug. Hinterm linken Ohr war hingegen ein ganz gewöhnliches Hörgerät geklemmt. Weil mich auch das interessierte, sprach ich sie darauf an. Sie sagte auf dem linken Ohr können sie noch minimal hören, da reiche ein Hörgerät gerade noch aus.
Sie sagte aber, dass sie von der Qualität des Implantats enttäuscht sei, es klinge äusserst roboterhaft. Wenn sie irgendwann auch ihr linkes Ohr auf ein Implantat umstellen muss, dann würde sie das sehr bedauern. Musik könne man damit eigentlich nicht mehr geniessen.

Am späten Nachmittag dann das Spiel in Paderborn. Hertha spielte selten so schlecht wie heute und gewann in der neunzigsten Minute mit 3:2. Nach solchen Spielen könnte Scham aufkommen, deswegen schaltete ich den Fernseher aus, als die Paderborner interviewed wurden. Dafür feierte ich den Sieg mit meinen Freunden im Chat.

Dann Samstag. 23 Grad in Berlin. In Longyearbyen hat es minus 23. März und April sind auf Spitzbergen die richtig kalten Monate.
Wir waren mit unseren Freunden aus Minden im Gleisdreieckpark verabdredet. Man kann sich gar nicht vorstellen, dass die Gegend bis vor einigen Jahren noch eine riesige Brache war. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie es dort vorher aussah, die Gegend fand für mich einfach nicht statt.
Ich finde den Park richtig gut gelungen. Er ist optisch schön, er ist clever gegliedert und er liegt mitten in Wohngebieten, anders als der eher abgewandte Tiergarten. Und mit den eisernen Bahnviadukten ist er zudem erstaunlich instagrammable. Das klingt etwas abfällig, das meine ich aber keineswegs so. Ich finde Instagrammabilität durchaus gut. Das bedeutet ja nur, dass es optisch etwas her gibt. Deswegen lieben wir ja alle die Berge und die Küsten und den Eiffelturm und Manhattan. Weil man es anschaut und schön findet.

Leider ist er völlig überlaufen ist. Wie eigentlich immer alles Gute in Berlin. Es ist immer überlaufen. So ist das halt.

[Do, 4.4.2024 – Aufschieberitis, Ruth Klüger, Einstürzende Neubauten]

Ganz aufgehört zu arbeiten habe ich natürlich noch nicht. Zum einen stehe ich noch für Nachfragen zur Verfügung und ich habe noch zweidrei Dinge (zwei, um genau zu sein), die ich noch beenden wollte. Eine kleine Sache und eine grössere Sache. Die kleine Sache erledigte ich heute. Die grössere Sache mache ich vielleicht morgen. Zumindest will ich mich eine Stunde dieser Sache widmen. Jeden Tag eine Stunde. Dann bin ich vermutlich in einer Woche damit fertig.

Apropos aufschieben. Mein Einbürgerungsprojekt stagniert. Als es keine freien Termine für den Test gab, schaute ich noch ein paar Mal in den Terminkalender rein. Weil aber kurzfristig keine neuen Termine vergeben wurden, hörte ich bald wieder damit auf. Jetzt habe ich Zeit, mich wieder darum zu kümmern.
Auch wollte ich heute mit den Steuern beginnen. Das habe ich allerdings verschoben. Es kamen andere Dinge dazwischen. Zum einen brachte ich mein Fahrrad in die Werkstatt und ich ging auf einen sehr langen Spaziergang mit der Hündin, danach war plötzlich Abend und ich bereitete meiner Frau und mir das Abendessen zu. Danach schauten wir einen Film.

In den Tagen vor der Fahrt nach Südtirol las mir meine Frau aus Ruth Klügers „Unterwegs verloren“ vor. Memoiren aus ihrem Leben als Frau, als Literaturwissenschaftlerin und als Jüdin in Österreich, Deutschland und den USA. Es war ein Leben mit vielen Antagonismen. Das Buch hat dennoch einen belustigten Tonfall, man merkt ihr die fröhliche Streitlust an. Vielleicht lesen wir morgen weiter.

Am Abend buchte ich Tickets für Einstürzende Neubauten. Dass sie in 2020 ein Album veröffentlichten, ist komplett an mir vorbeigegangen. Dazu muss man wissen, dass ich Fan der Band bin. Seit meiner Jugend. Vermutlich war ich sechzehn Jahre alt, als ich die Band zum ersten Mal hörte. Ich war auch zahlender Unterstützer ihrer Supporter-Crowdfunding Pionierarbeit ab 2001, war als Supporter ganz nah an der Entstehung der damaligen Alben dran, hatte Zugang zu Exklusivmaterial, live Bandproben etc. und ich bin auch seit 2019 zahlender Supporter für ihr neues Albumprojekt. Ich bin geduldig, ich wartete einfach auf das neue Album. Wenn es fertig ist, dann ist es fertig.

Dass das Album bereits in 2020 veröffentlicht wurde, entging mir aber völlig. Ich kann mich nur erinnern, dass Corona kam und das Jubiläumskonzert im April 2020 abgesagt wurde. Danach habe ich wohl meine Mails nicht richtig gelesen.

Weil ich mich schon auf der Eventim Seite befand, sah ich, dass auch Nick Cave mit den Bad Seeds im September spielt und so buchte ich auch zwei Tickets dafür. Nick Cave spielt in der „Uber Arena“. So heisst sie jetzt, die ehemalige „o2 Arena“, äh, „Mercedes Benz Arena“. Und die „Verti Music Hall“ direkt daneben heisst jetzt „Uber Eats Hall“. Es ist alles so banal.

[Mi, 3.4.2024 – erster Tag ohne Arbeit]

Es ist heute mein erster Tag ohne Arbeit. Meine Frau verliess das Haus und die Hündin ging mit der Dogwalkerin mit. Und ich? Ich legte mich wieder ins Bett. Ich starrte ein wenig an die Decke und versuchte zu dösen. Doch dann griff ich zum Telefon und spielte Plants vs. Zombies. Derzeit spiele ich in der sogenannten Jade Liga und räume viele Preise ab.

Ich werde jetzt sehen, was ich in den nächsten Wochen unternehme. Natürlich werde ich nicht jeden Vormittag schlafen. Ich habe mich aber dagegen entschieden, sofort nach einem neuen Job zu suchen. Spätestens in einem Jahr brauche ich eine neue Anstellung. Oder ein neues Einkommen. Ich habe ein bisschen Zeit. In der Zwischenzeit freut sich meine Frau auf eine saubere Wohnung. Ich hätte jetzt ja viel Zeit, mich alleine um den Haushalt zu kümmern. Das ist eine nette Idee, von der ich aber nicht sehr begeistert bin. Meine losen Pläne sehen ganz anders aus. Ich möchte zur Sonnenwende am 21. Juni am Polarkreis stehen. Ob ich das mit der Hündin mache, weiss ich noch nicht. Sie fände es bestimmt toll. Ob sie aber mit mir am Polarkreis steht oder mit mir durch den Park läuft, ist ihr ziemlich egal. Die Fahrt zum Polarkreis dauert etwas mehr als 24 Stunden, wenn ich die Gegend nördlich von Lulea anpeile. Mit der Hündin will ich nicht mehr als 6 Stunden am Stück fahren. Lieber weniger. Laut dieser Rechnung bin ich vier volle Tage unterwegs. Und dann muss ich diese vier Tage auch wieder zurück. Mit dem Zug dauert die Strecke einen Tag und sechs Stunden. Das ist dann eine Direktverbindung mit nur wenig Zeit zum Umsteigen. Das macht man also auch nicht in der angegebenen Zeit. Ich könnte sie auch einfach zu Hause lassen, nach Kiruna fliegen und mir dort ein Auto mieten. Seit ich aber die Hündin habe, will ich alles mit ihr zusammen machen. Das ist natürlich Quatsch. Und ich bin froh, keine Kinder zu haben, ich wäre ein furchtbar obsessiver Vater.

Ich werde aber noch andere Dinge tun. Wieder nach Südtirol fliegen, diesmal aber mit etwas mehr Ruhe und vielleicht weniger Drama. Ich werde auch für längere Zeit nach Schweden fahren. Dort einige Reparaturen am Haus vornehmen und einen schwimmenden Steg bauen. Im Netz fand ich einige spannenden Bauanleitungen dazu. Ich werde mir auch Zeit mit dem Finanzberater nehmen, es gibt nämlich ein paar Sachen, die ich nicht verstehe. Ausserdem werde ich eine Novelle zu Ende schreiben. Mit der Novelle beginne ich schon in den nächsten Tagen. Sie ist im Grundgerüst fertig, aber sie braucht eine grundlegende Überarbeitung. Überhaupt werde ich mich wieder mehr dem Schreiben widmen. Nebenher werde ich mir Gedanken machen, wie es beruflich bei mir weiter geht. Ich wäre auch bereit, etwas vollständig anderes zu tun. Ein kleines Hotel betreiben zum Beispiel, ich wäre ein hervorragender Hotelchef. Ein bisschen mit Gästen quatschen, darauf achten, dass alles stimmt, dass das Einkommen stimmt, die Qualität der Zimmer, die Arbeit mit den Klempnern organisieren, mich um das Personal kümmern, Emails beantworten, mich mit den Ämtern streiten, Sonderwünsche ermöglichen, Probleme lösen, die Getränke an der Hotelbar kuratieren undsoweiter. Genau mein Ding. Und ich sässe nicht mehr so viel an einem Schreibtisch.
Wahrscheinlich werde ich aber einfach wieder eine Internetfirma leiten.

[Di, 2.4.2024 – Achensee, Mussolini, FJS, AfD-Land]

Am Montag fuhren wir zurück. Da ich diese lange Fahrt von Meran nach Berlin so hasse, entschieden wir uns dafür, auch die Rückfahrt in zwei Etappen aufzuteilen. Verglichen dazu finde ich die Fahrt nach Schweden wesentlich angenehmer, obwohl sie genau gleich lange dauert. Aber durch die beiden Fähren erhält man zur richtigen Zeit die benötigten Pausen. Auf der Rostockfähre dauert die Pause mit Wartezeit sogar 2,5 Stunden. Zwischen Meran und Berlin ist es hingegen einfach eine lange Asphaltpiste. Und jede Pause bedeutet Zeitverlust.

Wegen der Aufteilung der Reise verbringe ich den Montagvormittag noch mit meinem Vater und der Familie meiner grossen Schwester. Wir trinken Kaffee und reden über Berlin, über Italien und über Skandinavien. Danach begleitet mich mein Vater auf einen Spaziergang mit der Hündin. Er regnet. Es regnet schon das ganze Wochenende lang. Alle reden vom schlechten Wetter. Dass man bei dem Wetter nichts unternehmen könne. Ich finde das albern und weise darauf hin, dass es in Meran ab nächsten Monat bis September durchgehend über dreissig Grad messen wird. Das sei in Wahrheit schlechtes Wetter.

Auf der Fahrt zurück nach Berlin reihen wir uns in die Blechmassen ein, die den Rückweg über die Alpen eingeschlagen haben. Die Autobahn ist von Bozen bis nach München verstopft. Irgendwo nach Innsbruck empfiehlt Googlemaps uns eine Abkürzung über die Landstrasse. Der Weg soll uns einen Zeitvorteil von 30 Minuten verschaffen. Es ist die Ausfahrt Zillertal und Achensee. Dann fällt mir das Wort Achensee ein. Das kam auch in den Erzählungen meiner Schwester vor, die gestern von ihren Erkenntnissen aus der Ahnenforschung berichtete. Offenbar ist mein Urgrossvater nach dem Tod meiner Urgrossmutter nach Achensee gezogen.

Das ist eine wirklich sehr schöne Gegend. Ein lang gezogener See zwischen hohen Bergen. Es erinnert lustigerweise an Norwegen. Die Landschaft ist wesentlich dramatischer als das nicht weit entfernte Tegernsee auf der bayrischen Seite des Tales.

Mein Urgrossvater war offenbar nach Achensee gezogen, weil er unter Mussolini die Optionskarte zog. Hitler und Mussolini hatten bekanntermassen ein Abkommen vereinbart, dass Südtirol bei Italien verbleibt, damit sollten alle deutsch- und ladinischsprachigen Südtiroler ins Deutsche Reich auswandern. Diejenigen, die bleiben wollten, mussten ihre Namen italianisieren lassen sowie wurde es untersagt, die deutsche Sprache zu verwenden. Mein Urgrossvater zog laut Überlieferung die Option, um seinen Kindern die Ländereien zu überlassen.

Unter Mussolini hätte ich Marco Piva geheissen. Viele Menschen liessen sich nach dem Krieg wieder zurückbenennen. Einige aber auch nicht. Piva klingt sehr unseriös, ich hätte mich Rückbenannt.

Wir fahren bis nach Enkering. Das ist ein kleiner Ort in der Nähe des Altmühltals. Wir quartieren uns in einem kleinen, familienbetriebenen Hotel ein. Es hängen verschiedene Bilder von Franz Josef Strauss. Ich weiss nicht, ob das ironisch ist, bzw ob es harmlos ist oder ob es eine Verherrlichung ist. Wenn man böse sein will, kann man FJS ja durchaus mit Trump vergleichen. Es würde mich nicht wundern, wenn es in bayrischen Dörfern idealisierte Gefühle für so einen Mann wie Strauss gibt. Im Frühstücksraum hängt auch ein Bild von einem Baum und einem Wildschwein. Darunter steht: „Was kümmert es die deutsche Eiche, welches Schwein sich an ihr reibt.“
Weil direkt daneben auch FJS hängt, liest sich der Spruch zuerst sehr nationalistisch. Aber man kann es auch so lesen, dass dieses Land auch gut mit fremden Menschen umgehen kann. (Kunstpause). Nah. Weiss nicht.

Am Dienstag fahren wir auf der verstopften Autobahn weiter. Irgendwo bei Halle steht der Verkehr still. Und die erwartete Ankunftszeit verschiebt sich um mehr als eine Stunde nach hinten. Google schlägt uns eine Landstrasse vor, auf der wir 30 Minuten gewinnen würden. Wir nehmen das Angebot an. Aber nach zehn Minuten verschiebt sich auch auf der Landstrasse wieder die Ankunftszeit nach hinten. Google hat wohl nicht nur uns über die Schleichroute informiert. Dafür fahren wir durch malerisch verlassene Dörfer in Sachsen Anhalt. So sieht es also aus, dieses AfD-Land.

[so, 31.3.2024 – Osterfrühstück, Grabstätten, Chirurg, THC]

Morgen Osterfrühstück bei meiner grösseren Schwester. Meine Mutter ist da, die drei Kinder und mein Schwager. Ich sitze an jener Seite des Tisches, an der es den Käse und den Schinken gibt. Man macht sich über mich lustig, dass ich morgens herzhaft speise und nicht süss. Ich nehme es hin. Wenn es Käse gibt, bin ich unempfindlich. Meine Schwester macht neuerdings in Ahnenforschung. Sie zeigt mir den Stammbaum und verschiedene Dokumente. z. B. eine fotografierte Kopie des gefälschten Testaments meines Urgrossvaters.
Neue Erkenntnisse gibt es nicht, meine Vorfahren sind weiterhin Bauern. Keine berühmte oder feingeistige Menschen. Aber ich werde den verlinkten Blogtext um einige Personen erweitern müssen.

Wir reden über Grabstätten. Meine Schwester möchte in Südtirol begraben werden. Ihre Präferenz ist sehr deutlich. Sie könne sich vorstellen, im Dorf meiner Mutter unter der Erde zu liegen. Meine Mutter hat hingegen tausende Gedanken zu ihrer letzten Ruhestätte. Ein paar Teile hier und ein paar Teile da im Laufe des Gespräches spitzt es sich aber darauf zu, dass sie neben ihrer Mutter aufbewahrt werden möchte. Da sie aber eine Einäscherung vorzieht, darf sie nicht im Familiengrab untergebracht werden, sondern in jenem neumodischen Teil des Friedhofes, in dem die Urnen aufbewahrt werden. Ausserdem sind ihr auf dem Friedhof des Dorfes die Grabsteine zu klobig, sie möchte etwas Bescheideneres, der Stein sollte halb so gross sein, wie die Regeln es vorgeben. Es wird schwierig. Danach hat sie wieder andere Ideeen. Meine Schwester und ich bitten sie, einen verbindlichen Wunsch niederzuschreiben, damit wir genau wissen, wie wir nach ihrem Tod vorzugehen haben. Wenn sie das nicht tut, begraben wir sie nämlich neben ihrer verhassten Schwester. Sie erschrickt von dieser Drohung, danach kann sie aber darüber lachen.

Im Krankenhaus wird meine Mutter nicht müde, von einem Chirurgen zu erzählen. Meine Mutter ist schon seit zwei Jahren auffallend vergesslich. Die Vergesslichkeit war anfangs noch lustig, mittlerweile aber nicht mehr. Vor allem im Hinblick, dass sie alleine wohnt und körperlich noch fit ist wie eine Gämse.
Der Chirurg heisst Urban und stammt aus dem Dorf meines Vaters. Ich kenne ihn nicht gut. Als wir ins Dorf meines Vaters zogen, war ich bereits 15 Jahre alt und ich hasste dieses Dorf vom ersten Tag an bis heute, ich hatte mich nie um ein Sozialleben in jenem Dorf bemüht. Ein paar Freunde machte ich dennoch.

Der Vater des Chirurgen Urban arbeitete damals in irgendeinem Labor. Nun geschah es, dass ich einmal von den Carabinieri in Auer mit 1,2g Haschisch erwischt wurde. Das war sehr schlechtes, gestrecktes Haschisch. Das Haschisch wurde in das Labor des Vaters geschickt. Monate später erhielt ich ein Schriftstück per Post, in dem der THC-Gehalt der Rauchware aufgelistet wurde. Das Dokument enthielt die Unterschrift dieses Mannes. Seitdem schauten mich der zukünftige Chirurg, sein Bruder und sein Vater immer mit argwöhnischen Blicken an.

Das ist die einzige Assoziation, die ich zu ihm habe. Meine Mutter wiederholt mehrmals am Tag, dass „übrigens“ der Urban hier arbeiten würde. Ich bin froh, dass ich ihn in diesen Tagen nicht begegnete.

Abends ging ich mit meinem Vater und dem Freund meiner kleinen Schwester ins Försterbräu an der Freiheitsstrasse. Ich ass ein Carbonara Risotto und trank Forstbier. Es war ein netter Abend unter Männern. Natürlich redeten wir über meine kleine Schwester.

[Sa, 30.3.2024 – Käse, Pizza al verde, Spielstatistiken]

Natürlich habe ich hier nicht die Ruhe und den Raum alles aufzuschreiben. Zusammengefasst gehen die Tage so: Ich gehe mit der Hündin spazieren, ich fahre ins Krankenhaus und abends esse ich Pizza mit Bier.
Das grosse Käseregal im Interspar Supermarkt an der Romstrasse. Ich postete davon ein kurzes Video als Story auf Insta. Ich schrieb dazu, dass ich mich heute Nacht hier einsperren lassen werde. Italien und Käse. Ich las, dass kein anderes Land eine so vielfältige Käsekultur besitzt. Das weiss ich erst seit wenigen Jahren, als mir die riesigen Käseabteilungen auffielen. Ich könnte in Käse baden. Wäre ich ein Wal, würde ich durch einen Ozean aus Käse schwimmen wollen und mit meinem riesigen Maul geschmolzenen Käse in mich aufnehmen. Aber es ist besser so wie es ist. Ich würde noch runder, als ich es ohnehin schon bin.

Heute Abend schauten wir Hertha gegen Nürnberg. Mein grösster Neffe ist begeisterter Fussballfan. Im Unterschied zu mir, ist er Fan des Fussballs im Allgemeinen und nicht Fan eines einzelnen, finanziell angeschlagenen, mittelmässigen Zweitligisten. Er wartet mit einem erstaunlichen statistischen Wissen auf, so kann er das Alter, Torquote und andere Zahlen sämtlicher Spieler nennen, und wenn er sich nicht sicher ist, schaut er in seinen Fussball-Apps nach. Es macht Spass, während des Spieles mit ihm zu plaudern. Über Spielsysteme, über Trainer und überhaupt. Er ist jetzt 16 Jahre alt, ich unterhalte mich nicht mehr mit einem Kind.

Der neueste Schrei ist übrigens Pizza al verde. Also grüne Pizza. Das ist Pizza, die ohne Tomatensauce, aber dafür mit einer gewürzten Spinatsauce zubereitet ist. Man kann alle verfügbaren Pizze entweder als alla bianca (ohne Sauce), rossa (mit Tomatensauce) oder eben verde bestellen. Meine Frau bestellt ihre Pizza natürlich in rot. Ich überlege diesmal etwas länger, schliesslich ist mir bewusst geworden, dass ich mit meiner Neugierde oft danebengreife. Als der Kellner kommt, kann ich dann doch nicht widerstehen und bestelle meine Pizza in grün.
Ich bin dann sehr positiv angetan. Spinatsauce passt besser zu Pizza als die säuerlichen Tomatensaucen.