Kein Telefon, kein Internet, keinen Kühlschrank, keinen Herd und keine Zeit. Dafür habe ich unausgepackte Kartons. Nur tröstet das nicht.
Autor: mpf
die letzten Stationen
Diese Abschiede. Dieses Ablaufen der letzten Stationen, zum letzten Mal ins Büro, zum letzten Mal den Rechner hochfahren. Diese Abschiede. Wie hell das Raucherzimmer eigentlich ist. Und dann, beim Abtauchen der Sonne hinterm Michel, plötzlich merken, dass ich in den beiden Jahren immer vergessen habe, diesen Sonnenuntergang zu fotografieren, diesen roten Feuerball, den man dort oben im zwölften Stock in der Hamburger Kirchturmsilhouette versinken sieht. Ich tröste mich damit, dass es ohnehin nur kitschig ist.
—
Diese Abschiede. Von den Kollegen, die man mochte, immer wieder das „man sieht sich mal“ wiederholen. Dann diese verblüffende Tragik bei denjenigen, zu denen man sagt, man sehe sich nicht mehr. Und mit einem langen und nachdenklichen Lächeln beiderseits hängenbleibt, bei dem man nicht genau weiß, ob man sich nun freuen solle oder ob diese Nachdenklichkeit letztendlich nicht plötzlich eine merkwürdige Art von Wehmut geworden ist. Und noch ein ernstgemeintes „Mach’s gut“ nachwerfen.
—
Michelina die sich über die Blumen freut, Franco über den Wein. Franco hat mir meine Lieblingspasta gekocht. Wie unentspannt ich meine Zeitung lese, während ich auf das Essen warte.
Und danach dieses schöne, übertriebene und erwartete: „Wir werden dich vermissen.“ Und ich solle vorbeikommen, wenn ich mal in Hamburg sei, Franco würde mir Pasta Norcina kochen.
—
Die letzten Stationen. Es lieber verschweigen. Der Abschied von meiner Kioskfrau bekäme eine zu schwere Bedeutung. Sie würde mir nicht mit derselben Langeweile, die ich an ihr so sehr mochte, den Tabak über den Tresen schieben. Sie würde vielleicht lächeln. Der Gedanke daran lässt mich erschauern.
—
Abschied von Flicker [hr hr]
take me home, Flickeur
Ein bisschen spät, und schade, dass es – mich eingeschlossen – erst jetzt aufregt wo die Zensur auch auf europäischen Bildschirmen prangt, aber trotzdem.
Wenn man in Chefetagen, aus Angst vor sinkenden Umsätzen, staatliche Zensur unterstützt und wie in China, Menschenrechte verletzt, dann ist es mir ein Leichtes, zu sinkenden Umsätzen beizutragen. mek_wito on Flickr is deleted. Klick. Wäre schön diese URL in der Top10 von Technorati zu sehen.
Ich bin da nicht so. Take me home, Yahoo.
Und wann ist Cisco dran?
es geht um die Kunst
Der Sinn dieser Ausschreibung entzieht sich zwar meinem Verständnis, aber es geht letztendlich um die Lieterathur und deshalb wünsche ich mir eine Literatin2007 mit dunklen Haaren. Wenn möglich mit so ner Bibliothekarinnenbrille. Die mit dem dicken Rand. Ich bin mir sicher, dass hier nicht nur überaus intelligente Menschen mitlesen, sondern auch dunkelhaarige Frauen mit solchen Brillen. Bitte bewerben.
gräulichstlich
Habe ich gerade wirklich „Juti!“ gesagt?
Ich habe gerade wirklich „Juti!“ gesagt.
[statistik]
Gubitzstraße
Eine kleine, junge Frau Ende zwanzig öffnet mir die Tür und begrüßt mich. Aus der Wohnung riecht es nach abgestandener Luft. Ich grüße freundlich zurück und betrete den Flur. Sie sagt mit einer heiteren Frustration, dass ich heute schon der Sechste sei: schon anstrengend, diese Besichtigungen, man käme ja zu gar nichts mehr. Sie redet zu laut und hat einen getrockneten Joghurtfleck im linken Mundwinkel. Ihre Bluse ist um einen Knopf zu weit geöffnet und hat dabei doch die Grenze von dezent verführerisch zu ordinär überschritten, als wären es ganze drei Knöpfe an der Zahl. Vielleicht liegt es auch am dicken Busen, der allzu lüstern aus dem Ausschnitt quillt. Überhaupt ist alles üppig an ihr. Ein wenig stelle ich mir jene Frauen so vor, die den ganzen Tag faul auf dem Bett liegen und sich füttern lassen. Und dabei laut lachen, während ihnen die Fleischsoße aus den Mundwinkeln rinnt. Ich weiß nicht, ob es solche Frauen gibt, vermutlich nicht. Oder vielleicht ist es der Geruch in der Wohnung, der sie ordinär erscheinen lässt. Ich weiß es nicht, beschließe aber, nicht den Ausschnitt zu mustern, sondern sie um eine Führung zu bitten. Sie sagt ein geschäftiges „Aber ja!“, und watschelt den Flur hoch zur ersten Tür links.
Die Küche ist ein dreckiges Loch. Auf dem Boden schimmern mehrere Flecken im Sonnenlicht. Die Flecken waren vor dem Austrocknen einmal Rinnsale. Das erkenne ich an der länglichen, geschwungenen Form. Staub hat sich darin gefangen, es muss daher wohl süß sein. O-Saft, denke ich. Ohne Fruchtfleisch, das würde man nämlich sehen. Sie trägt einen knielangen Sommerrock und läuft barfuß auf dem getrockneten O-Saft herum. Es scheint sie nicht zu stören. Ich sehe ein, dass es durchaus anregend sein kann, wenn es unter den Fußsohlen klebt.
Immerhin kocht sie. Fünfzig Prozent des Mülls auf dem Boden, auf der Ablage, der Arbeitsfläche, der Waschmaschine und in den Zwischenräumen auf dem Gasherd bestehen aus biologisch abbaubarem Abfall. Menschen, die kochen, kriegen von mir immer ein paar Punkte.
Sie zählt die Dinge auf, die sie mitnehmen will, und die Dinge, die sie auf Wunsch stehen lassen würde. Die Waschmaschine würde sie zum Beispiel dalassen. Ich frage mich, ob sie damit auch den Müll meint, der die Waschmaschine von vorne und von oben bedeckt und mit ihr in einer harmonischen Vereinigung eingegangen zu sein scheint.
Ich stehe am Kücheneingang, lasse meinen Blick durch die Küche wandern und sage, dass sie es schön habe hier. Sie strahlt irgendwie, sagt, sie könne sich das aber nicht mehr leisten, das mit dem Arbeiten, das würde nichts mehr, jetzt versuche sie zu sparen, mal schauen, ob das helfe.
„Und nun das Wohnzimmer“, fährt sie fort und watschelt an mir vorbei, weiter den Flur hoch zur nächsten Tür. Im Gehen wedelt sie mit der rechten Hand in die Luft und erklärt, dass sie das Wohnzimmer nie benutzt habe.
Sie lügt. Das Wohnzimmer nutzt sie sehr wohl – als Rumpelkammer. Es hat ein Fenster.
Vor dem Betreten des Schlafzimmers warnt sie mich lachend, dass es nicht aufgeräumt sei. Ich müsse einfach meine Augen schließen. Eine charmante Auslegung des Wortes Besichtigung.
Prenzlauer Allee
Schöne Wohnung, hell, und ich kann die S-Bahn hören. Nehm ich. Vertrag unterschrieben.
[…]
Es wäre ein guter Zeitpunkt von der Buchpremiere zu berichten, weil es sonst ja niemand getan hat, da kommt das Protokollführerpflichtgefühl in mir hoch. Die Aliens werden nie erfahren wie es gewesen ist, wenn sie bei uns landen.
Natürlich war die Premiere gut. Aber ich kann nicht davon berichten. Das heißt ich könnte bis zur Hälfte berichten, aber da müsste ich erstmal über mich selbst erzählen, und das ist mir ein bisschen peinlich. Dafür kam nach mir Pe, die sehr gut war und eine tolle Frisur hat und nach Pe las Parka der unrasiert noch viel besser aussieht als mit Stoppeln und am Ende der ersten Runde setzte sich die Kunstfigur hinter Guido Alfs ans Mikrophon. Ich bin jetzt Guidos Fan. Er kämmt seine Haare nach hinten. Ich mag das. Ich möchte mein Haar auch so tragen, aber es steht mir nicht. Jetzt bleibt mir nichts anderes übrig als ihn anzuhimmeln.
Ich werde jedoch nicht auf diesen ersten Teil der Lesung eingehen weil ich den zweiten Teil schlichtweg ver- habe und mir Unvollständigkeiten zuwider sind. Zuwider zumindest wenn sie mir passen.
Als die Pause kam verquatschte vertiefte ich mich draußen an der frischen Luft in ein Gespräch. Und das Schlimmste ist, ich weiß gar nicht mehr mit wem. Als mir dann irgendwann auffiel, dass alle Menschen wieder zurück in den Saal verschwunden waren um dem Poodle, der Mlle Händel und Ronnie Vuine zuzuhören, war schon alles zu spät. Es ist mir immer äußerst unangenehm Lesungen zu stören.
Und alles was nach der Lesung geschah, gehört nicht ins Protokoll.
…
so.
[Das Wort das man nach einem langen und anstrengenden Wochenende ausspricht, wenn man bei Ankunft zuhause die Koffer auf den Boden, und sichselbst ins Sofa fallen lässt und dabei nicht genau weiß ob man mit dem so eine Last fallen lassen will, oder in ausgelassener Pose den Dingen die nun kommen werden, allem voran die noch gefalteten Kartons, die Stirn bieten will.]
…
Wir beissen ganz sicher nicht (glaube ich). Aber wir lesen euch was vor (glaube ich auch). Übermorgen in der Brotfabrik in Berlin.
(Buchpremiere! Klingt mal anders als Lesung. Premiere klingt nach Schnaps. Was durchaus gut ist.)
trautes Heim, Glück allein [Statistik]
Danziger Straße.
Ich will in der Danziger wohnen. Wollte ich immer schon. Obwohl provisionsfrei, empfängt mich ein Makler. Einer von der Sorte Seifenblase. Er redet den Lärm schön und die fehlende Sonne. Ich mag die Wohnung trotzdem sehr, der Lärm stört mich nicht, aber schlafen würde ich gerne nach hinten raus. Beim Schlafen möchte ich den Lärm lediglich indirekt hören. Sozusagen. Was jedoch mangels eines fehlenden Zimmers nach hinten ein bisschen umständlich werden könnte. Der Makler sagt, wenn man die Fenster schließe, dann sei der Lärm wie verschluckt. Er schließt die Fenster und ich warte auf das Schlucken. Selbstredend vergeblich.
Irgendwie stört mich der Lärm trotzdem nicht, doch finde ich die Miete zu hoch. Ich frage den Makler, wie nun weiter zu verfahren sei. Er zeigt mir Formulare, die ich ihm bei Interesse einfach zufaxen solle. Er fügt hinzu, dass die Wohnung zwar provisionsfrei sei, aber wenn ich wolle – gegen eine Maklerprovision würde er sich natürlich nicht wehren. Und lächelt dabei wie eine Seifenblase. Oder zumindest würden Seifenblasen so lächeln, wenn sie Makler wären.
Ich überlege kurz, dem Makler zu sagen, ich würde ihm Provision bezahlen, wenn er beim Besitzer die Miete um fünfzig Euro drücken könne. Der Lärm, der Lärm, Sie wissen schon. Aber ich lasse es sein. Ich weiß nicht, wem ich das Geld weniger gönne; lächelnden Maklern oder wuchernden Vermietern.
Schonhauser Allee.
Ein Loch.
Gaudystraße.
Eigentlich auch ein Loch. Aber ein hübsches Loch. Julietta findet, das Loch passe irgendwie zu mir. Sie vermeidet dabei das Wort „Loch“ und umgeht dies mit der Beschreibung, die Wohnung sei ein bisschen dunkel und mürrisch, aber irgendwie charmant. Ich denke lange darüber nach, was sie wohl mit mürrisch meinen könnte, wenn sie über Wohnungen redet. Etwas in mir drin sagt mir, dass das schon in Ordnung sei.
Die Wohnung wurde als renoviert angepriesen. Frau Staller von der Hausverwaltung, eine 50-jährige, biedere und nur im ersten Moment freundlich wirkende Dame, entdeckt die leckende Wasserleitung unter der Spüle – rein zufällig – mit routiniertem Entsetzen. Sie mag es nicht, wenn man sie auf den unrenovierten Zustand der Wohnung hinweist. Sie wird ungastlich.
Schliemannstraße.
Ein Loch ohnegleichen.
Stargarder Straße.
Eine hübsche Wohnung auf der Hinterseite des Hinterhauses. Der Hausmeister, ein 45-jähriger freundlicher Mann, öffnet die Tür und bittet mich herein. Es ist Sonntag und er trägt einen Blaumann. Dienstbeflissen, denke ich. Er zeigt mir die Wohnung und redet ununterbrochen, von den Mietern, von der Schule, vor der ich keine Angst zu haben bräuchte, da der Schulhof mit den spielenden Kindern letztes Jahr auf die andere Seite des Gebäudes verlegt worden sei. Es sei hier schön ruhig, so versichert er mir. Ich weiß nicht, ob ich Ruhe brauche, nicke aber. Dann schwärmt er vom neuen Grün im Innenhof, wie sauber das jetzt alles sei, schön angelegt, endlich die großen Bäume weg, dafür jetzt diese hübschen kleinen Büsche, die man quadratisch schneiden kann. Wie frisieren sei das, fügt er hinzu, und ich glaube, kurz ein Flackern der künstlerischen Begeisterung in seinen Augen leuchten zu sehen. Dann erzählt er, dass man ihm diese Wohnung auch schon angeboten habe, er sie aber letztendlich ablehnen musste, da er als Hausmeister einen Blick auf den Hof haben müsse, haben wolle. Es könne ja nicht sein, dass er nicht wisse, was da so abgehe.
Ich beschließe, die schöne, ruhige Wohnung eine schöne, ruhige Wohnung sein zu lassen, und gehe zu meinem nächsten Termin.
Stubbenkammerstraße.
Die Anzeige sagt: TRAUMHAFTE WOHNUNG FÜR INDIVIDUALISTEN IN TRENDIGEM SZENEKIEZ.
Ich beschließe, nicht hinzugehen.
Schönhauser Allee.
Die Anzeige sagt 115 Quadratmeter für 320 €. Zwei Nettokaltmieten für den Makler. Ich beschließe, den Makler auf seinem Loch sitzen zu lassen.
Wolliner Straße
Vormieter sucht Nachmieter. Hübsches und helles Ding, nahe an der ehemaligen Mauer. Ich wollte immer schon nahe an der ehemaligen Mauer wohnen. Ich muss in Berlin immer wissen, wo die Mauer früher stand und ob ich mich gerade im ehemaligen Osten befinde oder im Westen. Sonst fühle ich mich unglücklich. Berlin und die Geschichte mit der Mauer sind für mich wichtig. Zudem dachte ich mir, es sei ein toller Moment, wenn mich meine Mutter besuchen kommt und ich ihr sagen kann: „Siehe da, Mama, hier am Ende der Straße stand die Mauer, da ab dem Kirschbaum.“ Das ist so statisch, das mag ich.
Die Wohnung ist ein bißchen klein vielleicht, aber ich bin sofort verliebt. Der Vormieter erklärt mir die Wohnung, er hat so gut wie alles selbst gebaut und spricht ein sehr eckiges „Icke“ wenn er betont, was alles von ihm stammt. Die Dusche, das Podest, die Küche, die Regale, alles Icke. Und wie doll das auf den Mietpreis drücke. Ich gebe zu, dass ich lieber einem Vormieter fettes Geld für Abstand in die Hand drücke als Maklern dasselbe Geld für die Vermittlung. Mündige Mieter sind das A und das O der Revolution. Ich strahle die ganze Zeit über, ich wolle die Wohnung, sage, wie toll das alles sei, werfe auch einige „tolls“ dazwischen, wenn sie gar nicht passen.
Wir reden auch übers Viertel, ich erzähle, wie es früher hier aussah, wenige Jahre nach der Wende. Und er erzählt mir, wie es nachher war.
Er wird mit der Zeit immer ernster, beginnt gar, auf Abstand zu gehen. Dann gesteht er mir, er trete ein wenig gegen die Verwestlichung seines Kiezes ein. Das sei ja alles nix, wie das geworden sei hier. Und sagt das mit einem verächtlichen Unterton. Ich bin begeistert. Ich sage, ich sei sogar gegen die Verwestlichung der ganzen Welt! Doch ich sehe ein, dass wir die Verwestlichung aus zwei unterschiedlichen Perspektiven betrachten, und nachdem ich die Treppen nach unten laufe, weiß ich schon, dass es mir auch wenig hilft, aus dem kleineren Westen, dem Süden, zu kommen.