Heute fuhren wir in die Stadt. Ich bestand darauf, das Tier mitzunehmen. Man muss als Hundehalterin wissen, dass Schweden nicht so hundefreundlich ist, wie beispielweise Deutschland. Man kann Hunde so gut wie nie in Geschäfte oder Malls mitnehmen, in Restaurants auch nicht, in kleineren Lokalen wie Cafes nur in Ausnahmefällen.
Mir war es egal, ich würde mit dem Tier einfach meine Runden drehen. Während meine Frau und ihre Mutter in ein paar Geschäfte gingen, setzte ich mich vor das Espresso House. Heute fand ich heraus, dass im Espresso House Hunde willkommen sind. Letztes Jahr im kühlen Mai sass ich mit einer zu dünnen Jacke auf den Tischen davor und fror. Es hatte mich aber niemand hereingebeten, ich dachte nur, Scheissland, dass man nirgendwo mit Hunde hineindarf. Jetzt weiss ich es besser.
Dann überfiel mich ein starkes Gefühl. Das Gefühl, etwas gegen meine Frisur unternehmen zu müssen. Auf der Oberseite des Kopfes hatte sich bereits eine seltsame Welle geformt. Zusätzlich zu meiner eingesetzten Verwilderung der letzten Tage, fühlte ich mich etwas zivilisationsfremd, wie ich da vor dem Espesso House sass.
Also googelte ich nach Friseuren in der Gegend. Etwa 200m von mir, in einer kleinen, etwas muffeligen Mall, gab es einen Frisurladen. Die Bewertungen waren okay, aber ich interessiere mich vor allem für die negativen Bewertungen, wenn man die ein bisschen kritisch selektiert, findet man ein gewisses aussagekräftiges Muster, sowas wie eine Essenz der Kritik. Und anhand dessen beschliesse ich immer, ob mich die entsprechenden negativen Dinge stören oder ob sie mir gleichgültig sind. Diese ausgewählte Friseurin hatte nur zwei 1-Sterne Bewertungen. Das waren zwei Beschwerden von Kunden, die verletzt wurden. Einmal ein kleiner Junge, der nach dem Friseurbesuch rote Streifen im Nacken hatte und ein anderer Kunde hatte geblutet. Das ist aber alles nichts, das mich abschreckt.
Ich rief an und wollte fragen, ob ich sofort kommen könne und ob es gestattet sei einen Hund mitzubringen. Ich fragte als erstes auf schwedisch, ob sie englisch spräche. Sie sagte: nein.
Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich kann mit Händen und Füssen einen gewünschten Haarschnitt beschreiben, aber ich wusste nicht wie ich telefonisch um einen Soforttermin fragen sollte. Von der Hundefrage will ich noch gar nicht anfangen. Also sagte ich: „oh, Okay, hm. Hej Da.“
‚Hej Da‘ mit dem Kringel heisst tschüss. Auch sie sagte: Hey da.
Das konnte ich so nicht sitzen lassen. Später traf ich meine Frau und übergab ihr den Hund. Ich hatte sie darüber unterrichtet, dass ich jetzt zum Haareschneiden müsse. Sie fand das gut.
Ich fand den Laden. Er war leer. Eine ältere, etwas konservativ gekleidete Frau kam aus einem Personalzimmer hervor. Ich sagte in sehr ungelenkem Schwedisch, dass ich der Anrufer von vorhin sei, der mit dem englisch. Sie lachte. Ich schaffte es zu fragen ob ich jetzt sofort einen Termin bekäme. Sie nickte. Und so sass ich kurz darauf vor dem Spiegel.
Sie war etwas grob. Sie stiess mit der schweren Rasiermaschine eigentlich ständig an meine Schädelknochen. Auch mit der Schere hantierte sie übermässig schnell und etwas grobmotorisch. Sie nahm ihr Fach unfassbar ernst. Sie musterte jeden zweiten Scherenschnitt von allen Seiten, achtete ständig auf die Symetrie, ihren Mund hatte sie zu einer konzentriert wirkenden Schnute verzogen und die Stirn zu einer kritisch prüfenden Faltenlandschaft aufgeworfen.
Ich liebe es, wenn Menschen ihre Kunst ernst nehmen. Sie hielt mit beiden Händen an meinem Kiefer immer wieder meinen Kopf fest, prüfte die Symetrie, dann schnipselte sie hier einen zehntel Milimeter weg und da einen halben Milimeter. Sie kniff die Augen zusammen und zog Augenbrauen hoch.
Irgendwann konnte ich mich nicht mehr einhalten. Als sie mich wieder mit beiden Händen an meinen Kiefern begutachtete, rief ich in meinem besten schwedisch: SKULPTUREN!
Sie schien sich über meinen Ausruf zu freuen. Als hätte ich ihr Handwerk, das sie so ernst nahm, verstanden.
Am Ende schien sie happy. Ich auch.
Sie sagte, das sei ein anderer Style als ich bisher hatte. Das war mir auch aufgefallen. Es schien mir, als sei sie überrascht darüber, fast als wäre es gar nicht ihre Absicht gewesen. Ich weiss nicht, ob das von ihrem Können zeugt, oder von ihrer Virtuosität.
Aber mit gefiel es.
Gegen vier Uhr fuhren wir zurück in den Wald. Dann kochten wir uns eine Shakshuka und gegen acht Uhr fuhr ich zum Flughafen in Göteborg um Schwiergvater und Schwager abzuholen.
So war das heute.
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Gestern vormittags gab es mehrere Wellen mit Sturzregen. Gegen 3 Uhr lichtete sich der Himmel und die Sonne brannte auf uns herab. Also assen wir eine Kleinigkeit und dann war es plötzlich 4 Uhr. Ich ergriff die Gelegenheit des stabilen Wetters und ging mit dem Kayak auf den Fluss. Ich fuhr 2 Kilometer flussaufwärts bis zum Wasserfall und dann wieder zurück. Das Faltkayak ist nicht ganz so stabil wie das richtige Kayak, das ich in Berlin gemietet hatte. Ich bin mir nicht sicher, ob ich darauf einen unruhigen Hund mitnehmen würde.
Aber wenn ich darauf ruhig sass und paddelte, war es sehr angenehm zu fahren.
Die Hündin fand es überhaupt nicht lustig, was ich da machte. Sie sollte mit meiner Frau am Ufer warten. Meine Frau hatte sie an einen alten Zaun festgebunden, damit sie nicht unbedachte Dinge täte. Sie war so aufgebracht davon, wie ich mit einem Schwimmkörper auf den Fluss hinaus schipperte, dass sie in der Aufregung den Zaun mitriss. Sie ist nur ein kleiner 14 Kilo Hund, für ihre Grösse fand ich das eine erstaunliche Leistung. Es schien als hätte sie sich selber darüber erschreckt und fast wäre sie mit dem Zaun über die Böschung in den Fluss gestürzt. Aber meine Frau wusste das mit einem schnellen Handgriff zu verhindern.
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