[Sa, 10.8.2024 – Hetzgedanken, Recruiter, Glühwürmchen]

Es war eine furchtbare Nacht. Ich lag stundenlang wach und musste an meine gärende Filmjölk denken. Es waren Hetzgedanken, ich hatte Angst, Fehler beim Ansetzen gemacht zu haben, diese Hamsterradgedanken, man kommt im Halbschlaf nicht davon weg. Irgendwann stand ich auf, lief in der Wohnung auf und ab, lehnte mich aus dem Fenster und schaute auf die Strasse. Dann ging es besser. Hetzgedanken über Filmjölk. Kann man niemandem erzählen, so lächerlich ist das.

Am Nachmittag kam die Absage eines der gestern erwähnten Beratungsunternehmen. Eine Absagemail an einem Samstag. Das sieht im Hinblick auf Work/Life Balance nicht gut aus.
Die Recruiter haben vielleicht nach mir recherchiert und dieses Blog gefunden und dann gelesen, dass ich etwas abfällig über sie schrieb. Vielleicht hätte ich nach noch mehr Gehalt fragen sollen, dann hätte ich immerhin ein besseres Gefühl wegen der Unverschämtheit.

Am Abend spielte Hertha in Hamburg gegen den HSV. Wir wissen immer noch nicht, wie gut unsere Mannschaft ist. Letzte Woche zeigten sich gegen einen vermeintlich unterklassigen Gegner sehr viele Schwächen. Gegen den HSV, der wie wir in die erste Liga aufsteigen will, fürchteten wir eine deprimierende Niederlage. Es kamm jedoch zu einem unterhaltsamen, ausgeglichenen Spiel, das wir mit 1:1 beendeten. Am Ende der Saison müssen wir einen der ersten drei Plätze erreichen, idealerweise die ersten zwei, sonst wird es aus finanzieller Sicht sehr düster.
Der HSV ist in dieser Sicht sicherlich ein Gradmesser. Trotz des Ausgleichs wirkten wir aber nicht sehr souverän und nicht immer auf Augenhöhe. Gut, uns fehlten gestern drei sehr wichtige Spieler, zwei davon werden uns noch länger fehlen, aber es kann eben auch daran scheitern, dass uns die wichtigen Spieler zu lange fehlen. Wenn ich an die letzte Aufstiegssaison mit Ronny und Ramos denke, wie wir die ganze Saison über die Liga dominierten, war das eine ganz andere Qualität. Damals verloren wir von 37 Spielen nur zwei. Bisher haben wir von zwei Spielen bereits eines verloren. Und im Spiel von gestern haben wir erst kurz vor Schluss den Kopf aus der Schlinge gezogen.

Aber ich bin halt Fan. Ich bin nur ein Glühwürmchen. Draussen ist es dunkel. Ich kreise ums immer gleiche Licht herum. Ich weiss nicht genau, was ich mache.

[Fr, 9.8.2024 – Jobs, Milch, Filmjölk]

Es gibt zurzeit nur mässig interessante Jobangebote. Ich bewerbe mich trotzdem drauf. Auch grosse amerikanische Beratungsunternehmen suchen Kandidaten, auf die mein Profil durchaus passen würde. Allerdings bewöge ich mich damit beruflich in eine etwas andere Richtung. Ich bewerbe mich trotzdem und schmeisse bei der Angabe eines Gehaltswunsches ein unverschämt hohes Gehalt ein. Wenn die das wirklich zahlen, dann mache ich auch den Job. So bin ich wirklich. Ist mir doch egal, ich kann alles.

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Man erinnert sich vielleicht, dass ich im Mai über Filmjölk schrieb, eine Art Dickmilch oder Joghurt, die in Schweden und anderen nordischen Ländern weit verbreitet ist. Sie wird wie Joghurt mit Bakterienkulturen hergestellt. Allerdings hat Filmjölk hat einen wesentlich säuerlicheren, erfrischenden Geschmack, der mir sehr zusagt. Sie schmeckt eher wie Kefir, hat dabei aber die Konsistenz von Joghurt.

Was die meisten Menschen nicht wissen: Ich bin ein Kalb in einem Menschenkörper. Ich konsumiere täglich so viel Milcherzeugnisse wie eine fünfköpfige Familie. Das war als Kind schon so. Ich könnte mich ausschliesslich von Milch, Joghurt, Molke, Käse, Buttermilch, Kefir, Ricotta und allen verfügbaren Käsesorten ernähren. Wenn es die Gesundheit zulassen würde. Mittlerweile habe ich Kuhmilch durch Hafermilch ersetzt, weil sie mir zum einen besser schmeckt und zweitens finde ich den Kühen die Milch abzuzweigen und den Kälbern dafür einen künstlichen Ersatz zu geben, schlichtweg falsch, zumindest in diesem industriellen Ausmass. Beim Joghurt bin ich allerdings von den nach Karton schmeckenden Sojaghurts wieder auf Joghurt mit Milchbasis zurückgekehrt.

Als ich in Hamburg lebte, teilte ich die Wohnung jahrelang mit einem Stamm Kefirknollen, die ich in Milch blubbern liess und die daraus fermentierte Milch, immer mit Muesli verspeiste. Jeden Tag einen halben Liter. Die Knollen reinigte und pflegte ich wie kleine Babies. Mit dem Umzug nach Berlin gab ich sie aber auf.

Ab und zu machte ich selber Joghurt. Joghurt braucht eine höhere Temperatur, die man einfacher mit einer Joghurtmaschine erzielt. Aber die kleinen Becherchen nervten mich. Ich esse 500ml zum Frühstück. Die kleinen Becherchen sind Kinderspielzeug. Also doch wieder kaufen.

Ich will damit nur sagen: Ich probiere gerne Dinge aus.

Ich kenne Filmjölk nun seit einigen Jahren, ich schenkte ihr bisher aber keine Beachtung. Bis zu diesem Jahr, wo mir Joghurt nach den vielen Jahren plötzlich zu süss schmeckte. Das ist immer so. Nach einiger Zeit braucht man einen Wechsel. Bei unserem ersten Schwedenbesuch im Mai trank meine Frau Filmjölk und dann wusste ich, dass das genau der Geschmack war, der mir momentan am Joghurt fehlte. In den darauf folgenden Skandinavienwochen trank ich die schwedischen Nationaldepots an Filmjölk leer.

Zurück in Berlin stellte ich mich gezwungenermassen wieder auf Joghurt um. Mein Nachbar Sven erzählte mir allerdings, dass man im Denns Biomarkt Filmjölk unter dem Namen „Schwedenmilch“ kaufen kann. Das gab es dort tatsächlich und sie schmeckt wie im Urlaub. Filmjölk wird in Deutschland aber nicht grossflächig getrunken, bei Denns werden sie in einem braunen 500ml Liebhaberfläschchen für 2 Euro irgendwas und Biosiegel angeboten. Es wirkt wie aus der „Special Interest“ Ecke in Videoläden. In Schweden hingegen steht Filmjölk in Tetrapacks von verschiedenen Marken zwischen Milch und Joghurt in den Supermarktregalen.

Gestern googelte ich, ob man Filmjölk auch selber herstellen kann. Und tja. Das ist wirklich sehr einfach. Man stellt es wie Joghurt her, aber noch einfacher, da man sie auf Zimmertemperatur fermentieren lassen kann. Man gibt einen Esslöffel Filmjölk in einen Liter Milch und lässt diese 24 Stunden stehen.

Das tat ich heute schliesslich. Jetzt habe ich Filmjölk für den täglichen Gebrauch. Und ich bin glücklich.

[Do, 8.8.2024 – Bürobesuch, Modigliani, Potsdam, wieder Liepnitzsee]

Gestern war ich im Büro. Meine Tiefgaragenkarte und den Transponder abgeben. Was als Kurzbesuch geplant war, dauerte drei Stunden. Ich blieb in vielen Tratschgeschichten hängen, für guten Tratsch bin ich immer zu haben und es gab gestern so viel davon. Lustigerweise sucht die Firma nun doch einen Ersatz für mich. Man dachte, die Stellen des CEO und CTO kombinieren zu können, aber der Nachfolger des CEO will sich nicht mit CTO Themen auseinandersetzen müssen, also wird man sich jetzt wieder auf die Suche begeben.

Die Hündin fand den Besuch super. Sie ging alle ihre Menschenfreunde aufsuchen. Leider war Salman, von dem sie immer Kopfmassagen bekam, nicht da. Aber Ilya, der seine Hände immer von ihren Zähnen bearbeiten lässt, war da. Nächste Woche findet die Sommerparty auf einem Boot auf der Havel statt. Ich wurde eingeladen. Auch der ehemalige CEO ist eingeladen. Vielleicht gehe ich hin. Der Eigentümer und der neue Geschäftsführer werden nicht da sein. Es könnte also durchaus lustig sein.

Den Bürobesuch hatte ich mit einem Besuch der Reifenwerkstatt zusammengelegt. Ich muss immer noch von Winter- auf Sommerreifen umrüsten. Ja, es ist August, ich weiss. Bald ist Oktober. Das hat Gründe, die zu kompliziert sind, sie aufzuschreiben. Auch würde ich durch das Aufschreiben vermutlich herausfinden, dass die Idee doch etwas schwachsinnig war und das muss ich mir nicht antun. Aufgrund eines Problemes mit Schrauben bekamen sie den Reifenwechsel nicht zeitlich hin. Es stünde erst morgen früh zur Abholung bereit.

Also fuhr mit der Regionalbahn nach Potsdam. Dort war ich mit meiner Frau verabredet, da wir die Sonderausstellung von Modigliani im Museum Barberini besichtigen wollten, bevor sie schliesst.

Ich liebe Porträtkunst. Modigliani malte vor allem Freunde und Bekannte. Das fand ich so schön. Er malte seinen Vermieter, seinen Galeristen, Bedienstete, Freunde, die ihn besuchten. Viele Frauen mit kurzen Haaren. Er verzerrte die Gesichter, machte sie lang, meist die Hälse, die Augen immer mandelförmig gezogen, oft verblindet, keine Irisse.
Das Porträt von Frida Kahlo’s Mann macht mir gute Laune. Es ist seltsam unseriös. Ich möchte es in der Wohnung hängen haben.

Die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg in Paris muss für Künstler eine magische Zeit gewesen sein. Auch eine arme Zeit, aber eben auch magisch. Man war die Avantgarde, man änderte die Dinge, man brach die Traditionen auf, man schuf die Dinge, Frauen zogen Hosen an und schnitten sich die Haare ab, zeitgenössische Kunst war mit Bedeutung aufgeladen und alle waren sie da, Picasso, Mattisse und eine unendliche Liste von Namen.

Seine Verlobte ist 19 Jahre alt, als er sie kennenlernt. Sie bekommen ein Kind. Mit 22 ist sie wieder schwanger. Dann stirbt Modigliani an Tuberkulose. Zwei Tage später nimmt sie sich hochschwanger das Leben.

Uff.

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Ich war übrigens seit 17 Jahren nicht mehr in Potsdam. Damals war ich gerade nach Berlin gezogen und meine damalige Freundin und ich wollten uns dieses barocke Potsdam ansehen. Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich am Bahnhof von der Tram zurückschreckte und mit vollem Gewicht einer amerikanischen Frau auf den oberen Teil des Fusses trat. Dort, wo man richtig viel Schaden anrichten kann. Die Frau schrie. Ich entschuldigte mich sofort und sie nahm die Entschuldigung an. Im Vorbeifahren sah ich allerdings von der Tram aus, dass sie ihren Schuh ausgezogen hatte. Vielleicht habe ich ihr Leben ruiniert. Ich werde es jedenfalls nicht erfahren.

Noch bemerkenswerter fand ich damals die hässliche Piefigkeit Potsdams. Man kam vom Hauptbahnhof über diese Brücke, dahinter eine grosse Baustelle, das Ufer war lieblos, zugewachsen, links das Mercure in einem grauen Plattenbau und die Leute grau in grau. Wie halt so vieles damals grau in grau getaucht war. Kein schönes grau, kein Anthrazit, sondern ein staubiges grau.

Jetzt läuft man über die Brücke und sieht zuerst natürlich das wiedererbaute Schloss, den Markt, rechts moderne, kleinteilige Häuser am Ufer, man möchte fast sagen in Bauhaus-Barock-Stil erbaut, am Ufer sitzen Menschen oder fahren mit Booten auf dem Wasser. Sogar das Mercure hat etwas von dem Glanz abbekommen.

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Heute Vormittag fuhren meine Frau und ich zum Liepnitzsee. Mir hatte es dort letzte Woche so gut gefallen, dass ich sie bat mitzukommen. Zuerst musste ich das Auto holen und danach fuhren wir raus. Es sollte nur ein kurzer Besuch werden. Eine Stunde am Ufer spazieren. Ich wollte eventuell auch ins Wasser springen, deswegen zog ich mir die Schwimmhose an. Die Luft war mir aber noch nicht warm genug, am Vormittag mass es lediglich 19 Grad, deshalb warf ich Stöckchen ins Wasser, damit die Hündin wenigstens etwas vom See abbekam.

[Di, 6.8.2024 – Korrektur, Biertrinkengehenbubble, rotes Halstuch]

Am Montag war ich mit einer Freundin verabredet. Sie ist eine der wenigen Leserinnen dieses Blogs, die ich auch persönlich kenne. Mittlerweile liest aus meinem Freundeskreis kaum noch jemand mit. Was ich durchaus gut finde. Es lässt mich befreiter aufschreiben.

Sie hatte den Eintrag von letztem Donnerstag anders verstanden, als ich ihn meinte. Der Eintrag handelte von meinem Abend mit Freundin M, wo wir über die Liebe sprachen und ich mich etwas überheblich über den Bekannten ausliess, der nun zum vierten Mal eine neue Ehe eingehen wird. Meine Abfälligkeit bezog sich allerdings nicht darauf, dass er seine Partnerin oft wechselt. Häufig wechselnde Partnerschaften oder wenn Menschen einen promiskuitiven Lebensstil pflegen, finde ich prinzipiell eine gute Sache, ich bezog mich hingegen darauf, dass er bisher drei Mal den Nestbau von vorne begann und nun mit seiner neuen jungen Frau vermutlich ein viertes Mal das ganze Programm mit dem Schwur der ewigen Treue und der Zeugung von Nachwuchs angehen wird. Natürlich kenne ich seine Beweggründe nicht, aber was ich im Laufe meines Lebens gelernt habe, sind die verschiedenen Stadien der Liebe, wovon das erste halbe Jahr sicherlich das aufregendste ist, weil alles in einem drin brennt. Diesen Gefühlscocktail kann man allerdings nicht immer aufrechterhalten. Mein Urteil bezog sich darauf. Ich glaube schlichtweg, dass er immer noch an die ewige rosarote Wolke glaubt. Aber was weiss ich schon. Überheblich ist es dennoch von mir.

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Heute fuhr ich wieder in den Wedding zum Eschenbräu. Ich war dort mit Freunden aus dem Fanclub verabredet. Wir redeten nicht über Hertha. Tun wir eigentlich eh nie. Es war ein neues Mitglied dabei, ein Mann in meinem Alter, der sagte, er sei KFZ Mechaniker. Natürlich kenne ich KFZ Mechaniker, ich kenne Handwerker, Maurer usw, aber Menschen mit einem richtigen handwerklichen Beruf finden in meiner Berliner Biertrinkengehen-Bubble schlichtweg nicht statt, daher konnte ich meine Verwunderung leider nicht sonderlich gut verbergen. In meiner Berliner Blase sitzen wir alle am Computer und werden jedes Jahr älter und unbeweglicher. Mehr oder weniger. Daher fand ich es ungemein spannend, über seine Arbeit zu reden. Aber er sagte gleich eingangs, dass er lieber einem anderen Gewerk nachgehen möchte, etwas, womit man bauen kann. Also die Arbeit von Tischlern, Maurern oder auch Arbeit an verschiedenen Leitungen, Wasser, Gas, Elektrizität. Das konnte ich total nachvollziehen. Mir geht es in Schweden so, nur habe ich sicherlich wesentlich weniger handwerkliches Geschick. In Schweden will ich die ganze Zeit etwas bauen, aber ich kann wirklich gar nichts. Für jeden Handgriff muss ich Max zurate ziehen.

Eine der Freundinnen trug ein rotes Halstuch. In meiner bisherigen Firma hatte ich auch einen Mitarbeiter, der auf schwulen Veranstaltungen immer ein rotes Halstuch trägt, um seine sexuelle Vorliebe nach aussen hin zu kennzeichnen. Das ist superpraktisch, es ist zielgerichtet und man vermeidet Missverständnisse. Der Mitarbeiter ist auch ein lieber Freund geworden und er erzählte mir immer ausgiebig von seinen Wochenenden. Aber seit ich ihn kenne, bringe ich rote Halstücher unweigerlich mit Fisting in Verbindung.
Meine Freundin stand schon und verabschiedete sich, so fragte ich beiläufig, ob sie wisse, was ein rotes Halstuch bedeute. Sie verneinte, aber ich wollte es in jenem Moment nicht ausbuchstabieren, deswegen empfahl ich nur, es zu Hause zu googlen. Plötzlich wollten alle wissen, was rote Halstücher bedeuten und so redeten wir danach übers Fisten von Männern.

Das Problem ist, dass rote Halstücher wirklich cool aussehen, ich glaube, das haben die Franzosen als modisches Gimmick erfunden, oder vielleicht waren es die Italiener oder die Mexikaner. Oder die Cowboys.

[Sa, 5.8.2024 – Heimspiel, AltersWG, Sommerregen]

Am Samstag begann die neue Saison mit einem Heimspiel im Olympiastadion. Es war eine erstaunlich kurze Pause, was womöglich mit meinen drei Reisen nach Skandinavien zusammenhängt.
Hertha eröffnete die Saison mit einer lähmenden und enttäuschenden Niederlage gegen Paderborn, die eine vorsichtige Euphorie sofort wieder einfror. Andererseits ist es eben der Anfang der Saison. Ein neuer Trainer, neue Spieler, die Mannschaft und der Trainerstab müssen sich noch finden, einspielen, ausserdem sind die beiden vielleicht wichtigsten Spieler verletzt – das wird schon. Die Saison ist noch lang.

In der zweiten Hälfte rollte unser Fanclub wieder eine Tapete aus. Mit der Botschaft sollte einem Freund und grossen Fan gedenken, der unter der Woche verstarb. Ich war diesmal nicht in der Vorbereitung und der Durchführung involviert. Die Initiative ging vom befreundeten Fanclub „1892 Hilft“ aus, die teils sehr eng mit dem Verstorbenen verbunden waren. Da unser Fanclub so gross ist und einen grösseren Bereich in der Kurve belegt, hatten wir mit André, dem Gründer von „1892 Hilft“ besprochen, die Tapete bei uns aufzubewahren und schliesslich auch hochzuhalten. Sein eigener Fanclub ist kleiner und die Mitglieder im Stadion verstreut. Was daher rührt, dass sein Fanclub weniger eine klassische Fangruppe, sondern eine soziale Initiative ist, die sich vor allem ausserhalb der Spieltage und ausserhalb des Stadions engagiert, indem sie u.a. Obdachlose unterstützt.

Bei mir kam die Meldung des Todes ziemlich überraschend an, jedoch wussten die meisten, dass er bereits Ende Januar einen heftigen Schlaganfall erlitt, an dessen Folgen er nun verstarb. André, der ihn besser kannte, stand neben mir im Block. Da ich mich selbst im besten Schlaganfall-Alter befinde und auch mit den nötigen Risikofaktoren ausgestattet bin, lösen solche Nachrichten horrorartiges Unbehagen in mir aus. Dass der Schlaganfall so heftig war, liess mir keine Ruhe. Deswegen fragte ich ihn, ob er wisse, was genau geschehen sei, wenn ein Schlaganfall so stark sei, dann bedeutete es, dass er vermutlich lange unerkannt geblieben war. Ich will wissen, ob ich mich vor so etwas schützen kann, je schneller ein Schlaganfall entdeckt wird, desto besser stehen die Chancen auf einen leichten Verlauf.

Bei unserem Freund sei es wohl zu Hause passiert. Und man hatte ihn erst nach zwei Tagen gefunden. Horror. Zwei Tage auf dem Boden liegen und wissen, dass jede Sekunde zählt.

Im Alter ziehe ich in eine WG.

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Die S-Bahn war auf der Ost-West-Strecke aufgrund von Bauarbeiten planmässig gesperrt, und auf dem Nordring hatte es einen Brandanschlag gegen NATO und dem Kapitalismus (Seufz) gegeben. Ich musste also Westkreuz umsteigen und über den Südring nach Hause fahren. Die Bahnen und Bahnsteige waren natürlich komplett überfüllt. Zu allem Überfluss landeten Dutzende Fans des BFC Dynamo am Westkreuz, die gerade vom Auswärtsspiel gegen den SV Babelsberg kamen. BFC Fans sehen immer wie Schlägertypen aus. Als sie ausstiegen und Hunderte Herthafans sahen, begannen sie „Scheiss Union (und niemals vergessen)“ zu singen, was wiederum auf fruchtbaren Boden zu fallen schien und plötzlich bebte der ganze Bahnhof vor „Scheiss Union“.
Dieser Schlachtruf ist sehr umstritten. In der Kurve gehört er mittlerweile zum schlechten Ton und wird daher nicht mehr gerufen. Ich persönlich mag es nicht, andere Vereine zu diffamieren. Aber das hat im Fussball leider Tradition.

Ich setzte mich in eine Vierergruppe von drei BFC-Fans. Eine war die Mutter, die anderen beiden die Söhne. Die waren aber ganz nett. Die Mutter arbeitete sogar beim BFC, wir kamen ins Gespräch und wir redeten über ihren Vereine. Über den BFC Dynamo muss man wissen, dass das der FC Bayern der DDR-Liga war, wenn auch von der Stasi finanziert, aber eben der grosse Club der DDR. Nach dem Mauerfall ging es aber nur noch abwärts und mittlerweile ist es ein finsteres Loch für Rechtsradikale und Gewalttäter geworden. So zumindest das Image.

Sie erzählte mir über den verpassten Aufstieg in die dritte Liga, über den Umzug zurück ins Sportforum Hohenschönhausen. Wie schön das wieder sei. Wie nach Hause kommen. So ist halt jeder Verein auch Heimat.

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Der Sommerregen heute. Morgens zog ich die Regenjacke über und die Gummistiefel an. Dann stapften die Hündin und ich durch das hohe Grass und den Pfützen. Das nasse Gras an meinen Waden. Sommerregen. Ich glaube, das ist einer meiner Happy Places.

[Do, 1.8.2024 – Trevor Noah, Stadträume]

Abends waren wir bei Trevor Noah in der Uber Arena. Ich tat mich anfangs schwer, die Show lustig zu finden. Wenn amerikanische Comedians über Radfahrer ranten, dann finde ich es nur theoretisch lustig, naja, das Fahrrad ist in Europa halt ein Verkehrsmittel und nicht ein Freizeitgerät, die Leute wollen von A nach B kommen. Ich beschwere mich ja auch nicht über Autofahrer, dass sie hupen, wenn ich auf der Strasse spaziere. Aber auch die anfängliche Fixierung auf nationale Klischees. Die Franzosen sind so und die Engländer sind so und die Deutschen so, etc. Nationale Klischees finde ich dermassen störend, dass ich sogar Länderspiele beim Fussball weitgehend meide.

Da Trevor Noah aber sehr klug und lustig ist, wurde die Veranstaltung danach natürlich super. Sein Repertoire nahm auf viele zeitgenössische Themen Bezug. Auf die Olympischen Spiele, die rechtsextremen Randale in England usw., was erstaunlich ist, weil Comedy Shows üblicherweise ja sehr einstudiert sind. Er hingegen wirkte immer, als würde er sich gerade Anekdoten aus den Fingern saugen, die er auf dem Weg nach Berlin erlebt hat. Das stimmt natürlich nicht, weil den Witz, wie er in einer Kölner Bäckerei Brot bestellte, den kannte ich auch von Youtube. Aber wie er sich zehn Minuten lang über die Wasserqualität der Pariser Seine lustig macht, oder wie er über englische Faschos ranted, das muss er rein zeitgeschichtlich ja erst vor wenigen Tagen ersonnen haben. Das macht wohl auch gute Comedians aus.

Ich kann dem ganzen Gelände der Arena durchaus etwas abgewinnen. Es ist sehr amerikanisch und ich finde, es passt sich in diesem undefinierten, uneinheitlichen und damit auch vielfältigen Berlin ganz hervorragend ein. Diese seltsamen Kontraste aus Oberbaumbrücke, Warschauer Strasse, Friedrichshain, Spree, Zalando, die neuen Hochhäuser und eben das Anschutz-Gelände mit der Uber Arena, dahinter das Berghain und das Ostplattenmeer. Auf dem Platz die Springbrunnen, die grossen LED Bildschirme, Werbung, es erinnert mich ans „LA Live“ in Los Angeles, wenn auch kleiner und architektonisch weniger spektakulär, und das LA Live spielt mittlerweile ja in der Kategorie eines Stadtzentrums mit. Als ich 2016 in Los Angeles war, gingen wir ins LA Live zum Essen und Trinken, wie man anderswo sagt, dass man „in die Stadt geht“, geht man in Los Angeles ins LA Live, schliesslich gibt es dort Parkplätze und neben Parkplätzen alles, was man zur Unterhaltung braucht, Geschäfte, Kinos, Bars, Restaurants, Konzerthallen, Sportveranstaltungen. Aus der europäischen Perspektive sieht das vielleicht künstlich aus, und man macht sich gerne über diese oberflächliche Glitzerwelt lustig, weil EUROPA, da ist ja immer alles so ECHT und ALT, was natürlich Unsinn ist. Das Anschutz Gelände, oder wie nennt man das jetzt eigentlich, Uber Gelände, Zalando City, ich weiss es nicht, jedenfalls scheint die Gegend jene stadtplanerischen Visionen zu erfüllen, die man sich in den Neunzigern vom Potsdamer Platz erhoffte, seit das Kino am Potsdamer Platz geschlossen hat, ist die Gegend aber ziemlich gestorben, nun eröffnet dort die dritte Food Court für Mitarbeiterinnen der Deutschen Bahn, es gibt kaum noch Gründe, sich in die Ecke zu verirren.
Oder auch die Friedrichstrasse, die an Samstagen so tot ist, dass man apokalyptische Filme drehen könnte. Auch darüber gab es neulich einen Artikel im Tagesspiegel, dort wurde der sterbende Einzelhandel als Schuldiger ausgemacht, weswegen man nun die Hoffnung darauf setzt, dass die Zentral- und Landesbibliothek ins ehemalige Galerie Lafayette einzieht. Aber ich bezweifle, dass es sich bessert, ich habe immer das Gefühl, dass es dort an Wohnungen fehlt, wenn man es nüchtern betrachtet, funktionieren doch nur jene Gegenden, in denen auch die Menschen leben, das ist weder in der Friedrichstrasse noch am Potsdamer Platz der Fall, beide Orte sind abends oder nachts ja immer tot, mittlerweile sogar tagsüber, während die Schönhauser oder die Warschauer oder auch der Kudamm, Hermannplatz und solche Orte ständig vom Leben durchgepustet werden. Vielleicht sollte man dort einfach Büroräume in Wohnungen umwidmen. Wohnungen brauchen wir eh. Aber das kann man ja nicht einfach so anordnen.

Die Gegend an der Uber Arena scheint aber mit der Spree, der Music Hall, den vielen Konzerten und den Spielen von Alba und den Eisbären wesentlich besser zu funktionieren. Vielleicht profitiert das Anschutzgelände von der Diversität im Angebot. Neben dem Spreetourismus, die Nähe zu den Kiezen auf beiden Seiten der Spree, dann die Abendveranstaltungen in Musik und Sport und sicherlich auch von den Zalandobüros, bei denen jetzt Arbeitsplätze von Amazon dazukommen, das dürfte immerhin die Tageszeiten beleben.

Ich finde das jedenfalls alles sehr spannend.

[Mi, 31.7.2024 – Liepnitzsee, Liebesmodelle]

Ich war mit Erik von der Hundewiese verabredet. Er hat diese Woche noch Urlaub und nichts vor, also beschlossen wir, mit den Hunden an den Liepnitzsee zu fahren. Es wird heute 31 Grad warm werden. Mittwochmorgens würde es noch nicht so voll sein, eventuell könne man auch mit den Hunden ins Wasser.

Beide unsere Hündinnen sind aber eher wasserscheu. Sie gehen nur ins Wasser, wenn wir sie dazu auffordern, oder wir eben mit hinein gehen. Wenn sie dann im Wasser sind, haben sie natürlich einen riesigen Spass. Sobald ich aber aufhörte zu spielen, kamen sie wieder ans Ufer.

Der See misst einen Umfang von 8 Kilometer. Wir liefen aber nicht die ganze Runde, sondern beschlossen, bei Kilometer 6 die Fähre zu nehmen. Mitten im Liepnitzsee liegt nämlich eine Insel. Auf dieser Insel gibt es einen schönen Kiefernwald mit Bungalows und mehreren Sandstränden. Ausserdem eine Gaststätte. Wir fuhren also mit der Fähre auf die Insel und assen einen Kartoffelsalat. Danach fuhren wir mit der Fähre auf die andere Seite, wo wir auch bald zu unserem Auto kamen.

Erik und seine Frau sind nicht mehr zusammen, sie haben aber eine gemeinsame Tochter. Die Tochter wohnt mit dem kleinen Hund in Friedrichshain. Er und seine Frau teilen sich hingehen eine Wohnung in Neukölln, wo sie abwechselnd wohnen. Das funktioniert offenbar super. Eine Woche ist er auf der Hundewiese und eine Woche seine Ex-Frau. Ich kenne auch die Frau, aber mit ihm habe ich den intensiveren Kontakt.

Ich habe jedenfalls eine grosse Faszination für Lebensmodelle.

Am Abend traf ich mich mit meiner Freundin M. Ich erzählte ihr von dem Bekannten, der mit drei Frauen 5 Kinder hat und nun zum vierten Mal heiraten wird. Ich weiss nicht, wie alt seine neue Freundin ist, es würde mich aber nicht wundern, wenn er zum vierten Mal mit dem Nestbau beginnt. Zum vierten Mal ewige Liebe schwören.
Ich kenne ihn nicht besonders gut, ich weiss auch nicht, wie er dieses Lebensmodell erklären würde, mir würden solche Schmetterlinge im Bauch aber Angst machen. Vielleicht bin ich zu abgeklärt und untersage mir wilde, brennende Gefühle, ich bilde mir ein, Liebe verstanden zu haben und sie zwar einigermassen interessant zu finden, aber Hormone machen eben noch lange keine Liebe.

Wir redeten über die Liebe. Es macht immer Spass, mit M über die Liebe zu reden. Wenn sie und ich über Liebe reden, reden wir immer wie zwei 100-Jährige, die alles über die Liebe wissen und mit gütigem Blick auf hormongeschwängerte Glühwürmchen herunterblicken.

[Di, 30.7.2024 – CV, Rekord, Eschenbräu]

Der Ernst des Lebens fing damit an, dass ich meinen eigenen Rekord bei Plants vs Zombies schlug. Danach fing ich an, meinen CV zu übersetzen. Am Abend wäre ich mit einem Mitglied der Voltpartei verabredet gewesen, um das Onboarding weiterzuführen, aber der Termin fand aus gesundheitlichen Gründen nicht statt.

Am Dienstag schickte ich zwei deutschsprachige Bewerbungen raus. Mit der Übersetzung bin ich noch nicht zufrieden. Aber es gibt einige interessante Stellenausschreibungen.

Gegen halb drei Uhr fuhr ich in den Wedding. Dort war ich mit Benny verabredet, nachdem sich unser Drink am Tag vor meinem Urlaub verschoben hatte.
Wir setzten uns in den Garten des Eschenbräu und redeten über die Dinge. Über den Tod, über das Älterwerden, über Hertha und über Griechenland.

Klingt jetzt alles sehr belanglos. Ist es aber nicht.

[So, 28.7.2024 – der Ernst des Lebens]

Die letzten beiden Tage: Fahrt ging gut. Jetzt zurück in Berlin sind wir beide unfassbar müde. Als müssten wir uns vom Urlaub erholen.

Ab morgen fängt der Ernst des Lebens wieder an. Ab dem ersten April fing ich an, loszulassen. Let go, let go, let go. Es funktionierte nicht sofort. Dieses Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden, erzeugt eine eigenartige Leere, andererseits auch ein wildes Gefühl des Kontrollverlusts, das mich an einen Rausch erinnert. Spätestens seit Mitte Mai lebte ich in einer ziemlichen Schwerelosigkeit. Ich verschob alles, worauf ich keine Lust hatte, auf die Zeit nach meinen drei Skandinavienreisen. Ich liess los, liess los, liess los. Das war ein gutes Gefühl.

Interessant fand ich auch, herauszufinden, welche vermeintlich angenehmen Sachen ich verschob und um welche offensichtlich anstrengende Angelegenheiten ich mich mit Freude kümmerte. Ein Muster habe ich noch nicht ganz erkannt, ich habe aber eine Ahnung.

Jetzt ist aber die dritte Reise vorbei, ich habe immer gesagt, ich sei ab Anfang August wieder da. Und nun muss ich mich um alle verschobenen Dinge kümmern. Da sind erstaunlich viele Mails und Whatsapp Nachrichten dabei. Die meisten Nachrichten stehen im beruflichen Kontext, aber es sind auch Themen aus dem privaten Bereich. Ich habe aber gerade keine Lust, das aufzuarbeiten oder zu psychologisieren, aber irgendwann sollte ich das wohl tun, die Erkenntnis hilft mir irgendwann sicherlich, wenn mein Selbstmanagement nicht mehr funktioniert.

So.

Morgen fängt also der Ernst des Lebens wieder an.

[Fr, 26.7.2024 – letzter Tag, Bienen, Krabbensalat]

Da ist er wieder, der letzte Tag. Der Tag, an dem man eigentlich nur die Rückreise vorbereitet. Morgens filmte ich immerhin ein zweites Mal den Morgenspaziergang, diesmal allerdings nicht in Zeitraffer, sonder als vollständiges Video. In Berlin werde ich schauen, ob sich daraus etwas Gutes machen lässt.

Am Vormittag kam auch der Elektriker, um die Brunnenpumpe zu reparieren. Es gab seit zwei Wochen ein nicht weiter schlimmes Problem mit der Wasserzufuhr. Er fixte es in 10 Minuten. Danach fuhren meine Frau und ihre Eltern in die Stadt und ich blieb alleine zurück. Gegen Mittag kam der Förster, um nach den Bienen zu schauen. Er und seine Frau haben bei uns am Waldrand nämlich vier Bienenstöcke aufgestellt. Wegen der beiden grossen Linden, die neben dem Haus stehen. Lindenblüten machen guten Honig.
Er war wieder sehr redselig und blieb eine ganze Stunde bei mir. Mich freute es. Er erzählte mir von seiner früheren Arbeit als Förster und wie er in seinem Job auch junge Straftäter wieder resozialisierte. Das war seine liebste Arbeit. Allerdings arbeitete er auch in Nordschweden in einer Stahlfabrik, die riesige Ketten für Ölplattformen herstellte. Also Elemente, die so gross waren wie ein Eisenwagenwagon. Die fertigen Ketten wurden dann 2 bis 3 Kilometer lang. Als er da arbeitete, wurde auch Max geboren. Max sei ein echter Norrlander, sagte er. Aber die Frau war Alkoholikerin und Narzisstisch, das war nicht gut für Max. Und auch nicht für ihn.
Wir redeten auch über Holz und über schwimmende Stege und natürlich über Bienen. Dieses Jahr sei die Blütephase sehr kurz gewesen, sie hätten schon begonnen, den Zucker zu verzehren. Sie sammeln nichts mehr. Ab jetzt warten sie nur noch auf den Winter. Die meisten werden im Herbst sterben und die wenigen, die übrig bleiben, bilden im Frühjahr die neue Kolonie. Es gab erstaunlich viel darüber zu erzählen. Ich ahne, warum es in Berlin so viele Hobbyimker gibt.

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Am Abend assen wir Krabbensalat und dann packten wir alles ins Auto. Morgen früh raus.