[Sa, 12.7.2025 – Phantomliebe, und unter alten Bloggerfreundinnen]

Meine Frau und ihr Bruder fuhren heute nach Schweden. Meine Schwiegereltern nehmen am Sonntag das Flugzeug. Die Hündin fuhr heute mit meiner Frau mit. Es ist für mich total ungewohnt, das Tier nicht bei mir zu haben. Sie entfernt sich selten mehr als 5 Meter von mir. Manchmal habe ich das Gefühl, von einem zweiten Schatten verfolgt zu werden. Jetzt, wo sie weg ist, erlebe ich Phantomzustände. Wenn ich aufstehe – sei es vom Stuhl oder vom Bett –, schaue ich, ob ich nicht auf sie trete. Ich sitze zudem immer noch etwas verkrampft am Schreibtisch, weil ich es so gewohnt bin, dass sie zwischen meinen Füßen liegt, und immer ist da jemand, die auf mein Verhalten achtet. Gehe ich in die Küche? Gehe ich nur aufs Klo? Gehen wir raus? Gehen wir spielen? Wenn ich vom Schreibtisch aufstehe, steht sie sofort mit mir auf. Weil jetzt irgendwas passieren wird.

Aber jetzt stehe ich auf und sie ist nicht da. Ein bisschen bin ich dann auch erleichtert, ich muss mich nur um mich selbst kümmern, niemand da, der reagiert. Es bin nur noch ich. Ich verstehe mittlerweile, was Eltern meinen, wenn sie sagen, sie hätten kinderfrei.

Ich habe ihr Halsband auch mit zwei Ringen und einer Plakette ausgestattet. Unwissentlich verursacht ihr Halsband deswegen bei jeder Bewegung Geräusche von klirrendem Metall. Das ließ ich so, weil es ungemein praktisch ist, wenn wir uns in der Stadt bewegen. Ich kontrolliere sie per Gehör, ich weiß immer, wo sie sich befindet, ich bekomme es immer mit, wenn sie stehenbleibt (kacken, pinkeln, Döner, Pommes oder einfach nur schnüffeln), oder ob sie trabt oder rennt.

Als meine Frau in Schweden ankam, fragte ich als Erstes: „Hat sich das Tier gefreut?“

Jetzt, wo sie weg ist, höre ich sie ständig. Ein leises Klirren oder ein leises Stöhnen (sie stöhnt oft), manchmal auch ein Tapsen. Es ist wie Phantomschmerz, aber ohne den Schmerz, eine Art Phantomliebe.

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Am Abend war ich bei Frau Casino auf ihrer Geburtstagsparty. Sie ist 60 geworden. Ein super Alter. Sie hatte in ihre schöne Altbauwohnung in P’Berg geladen. Wir saßen unter mehreren alten Bloggerfreundinnen zusammen und stellten fest, dass wir uns alle vor etwa 20 Jahren kennengelernt hatten, die meisten über die „Blogmich05“, an der ich damals allerdings nicht teilgenommen hatte, da ich noch in Hamburg wohnte und nicht kommen konnte. Frau Casino lernte ich ein Jahr später kennen, auf der „Blogmich06“, was aber eine wesentlich kleinere Veranstaltung war. Da kannten wir einander aber schon lange über unsere Blogs. Frau Modeste hatte ich hingegen schon ein Jahr früher kennengelernt, auch weil wir einanders Blogs lasen. Sie war einmal in Hamburg auf Besuch und so trafen wir uns. Sie trug damals eine auffällige Kette mit großen, eckigen Steinen. Frau Modeste trägt aber meist auffällige Ketten. In den letzten Jahren meistens perlenbesetzt. Heute hatte sie sich eine lange Perlenkette um den Hals und unter die Schulter gelegt. Ich fand diese Wickelung einer Perlenkette ganz vortrefflich. Klassisch unkonventionell, ohne unkonventionell zu wirken. Gaga Nielsen war auch da, die sich ganz entzückt von meinen Augenbrauen zeigte. Sie wollte nicht glauben, dass ich sie mir nicht färbte. Ich hatte Schwierigkeiten, sie vom Gegenteil zu überzeugen. Gleich zu Beginn sah ich auch Frau Gedankenträger, die neuerdings in vier Sätzen auf Mastodon so schön schrieb, warum ihr die Hitze gefällt. Weil sie innerlich ruhig wird. Dieses Gefühl, das bei mir zwanzig Grad tiefer liegt. Seitdem kann ich nicht mehr ungeniert die Hitze hassen.

Wir müssen jedenfalls wieder öfter Geburtstage feiern.

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[Fr, 11.7.2025 – Anrudern, Rollstuhl]

Vormittags war ich mit der Nachbarin und der TravellingLady spontan in die Rummelsburger Bucht gefahren. Wir wollten anrudern, also das erste Mal in der Saison mit unseren Kayaks ins Wasser stechen. Die Traveling Lady hatte ihren kleinen Hund dabei, dem sie eine Schwimmweste angelegt hatte. Ich ließ die Hündin hingegen zuhause. Zum einen, weil ich keine Schwimmweste für sie hatte und sie bisher noch nie in meinem Kayak saß. Weil mein Kayak kleiner ist als das der Traveling Lady, ist es auch etwas wackeliger. Ich habe nur das „Inlet“ der Faltkayakmarke „Oru“, sie hingegen hat das größere „Beach LT“ derselben Marke, das zudem mehr Gewicht transportieren kann.

Die Nachbarin hat diese Probleme nicht, da sie ein aufblasbares Kayak fährt. Das ist technisch etwas ganz anderes, das ist wesentlich stabiler im Wasser, allerdings auch aufwändiger im Auf- und Abbau.

Es ist das erste Mal, dass ich in der Rummelsburger Bucht unterwegs bin. Ich hatte von den Bootburgen nur gehört und sie von Weitem gesehen, als ich auf Sommerpartys mit größeren Booten auf der Spree schipperte. Das ganze Gebiet zwischen Bucht und Alt-Stralau und am nordöstlichen Ufer entlang bis fast zum Kraftwerk wird von zahlreichen, zusammengebundenen und -gezimmerten Bootsgruppen eingenommen, die dort scheinbar fest vor Anker liegen und wie Piratenburgen aus Waterworld wirken. Das ist manchmal ungemein ästhetisch. Wie Hausbesetzen auf dem Wasser. Aber in der Vorstellung sicherlich romantischer als in der Realität.

Zurück am Ufer werde ich von einem fremden Mann angesprochen, dass mein Kayak keinen Namen habe. Etwas ratlos schaue ich die Traveling Lady an. Ihr Kayak trägt tatsächlich einen Namen. In weißer, permanenter Farbe steht geschrieben „Traveling Lady“. Offenbar wird man auf der Havel durchaus von den Behörden nach dem Namen des Bootes gefragt, auch wenn es ein harmloses Faltkayak aus durchsichtigem Plastik ist.

Ich antwortete dem Mann, mein Kayak hieße „Traveling Lady“. Das fand er einen guten Namen. Die Traveling Lady fand das auch.

Gegen 13:30 Uhr hatte ich für meine Schwiegereltern, die gerade bei uns logieren, einen Tisch beim Griechen reserviert. Ich kam gerade rechtzeitig an. Meine Schwiegermutter ist nicht mehr gut zu Fuß unterwegs, deswegen mietete ich letzten Montag einen Rollstuhl für sie, damit wir ein bisschen flexibler sind. Die meiste Zeit verbringt sie zwar ohnehin zuhause, aber so konnten wir wenigstens zwei Mal etwas essen und trinken gehen. Was mir sofort auffiel: Wenn man als Mann eine alte Frau im Rollstuhl schiebt, wird man auf der Straße ständig von anhimmelnden Blicken fremder Frauen angeleuchtet. Das ist eine gute Sache. Kann ich jedem Mann auf Partnersuche empfehlen. Vielleicht sogar als Hilfe bei der Berufswahl.

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[Do, 10.7.2025 – Ebook, Hörbook, Book und Mark Twain]

Bei Amazon hatte ich mein Ebook offenbar als Kinderbuch eingestellt, bzw als Buch für Menschen unter 18. Als ich das gestern entdeckte, nahm ich die Altersbegrenzung sofort raus, und schon gab es innerhalb eines Tages gleich drei neue Leserinnen. Was wirklich viel ist, wenn man bedenkt, dass es sonst ungefähr einmal pro Woche gelesen wurde. Bisher verdiente ich bei Amazon in drei Monaten fast einen Euro. Yayy. Daran wird auch die aufgehobene Altersbegrenzung kaum etwas ändern. Dennoch interessant. Ich finde diesen ganzen Prozess ja generell interessant.

Am Samstag entfällt die Bindung an Amazon, dann stelle ich die Novelle auch als Epub auf Tolino und anderen Plattformen zur Verfügung. Ich werds noch separata nkündigen und verlinken. Dann verdiene ich vielleicht noch einen weiteren Euro. Oder anderthalb.

Währenddessen begann ich gestern, die Novelle als Hörbuch einzulesen. Dabei vergaß ich, wie leicht ich mich beim Vorlesen verhasple. Hier im Blog geschieht das ständig, aber hier stört es nicht besonders, weil es Miniaturen sind und nicht lang genug sind, als dass man sich in einer langen Geschichte befindet, in die man eintaucht und nicht durch unprofessionelle Haspler herausgerissen werden möchte. Zumindest bilde ich mir ein, dass das im Blog nicht stört, um meine eigene Schlampigkeit zu rechtfertigen. Wenn ich aber ein Hörbuch produziere, habe ich schon einen anderen Anspruch an die Qualität. Ich strenge mich sehr an, nicht zu nuscheln, lese langsamer und betonter und jetzt gilt es noch, das Verhaspeln abzustellen, bzw. es sofort rauszunehmen und sofort neu aufzunehmen. Ich lese allerdings nur 20 Seiten pro Tag. Um die Stimme und den Lesefluss frisch zu halten. Interessanterweise klinge ich jeden Tag ein bisschen anders. Ich muss mich also zuerst für ein paar Minuten einhören, um wieder in die Stimmung hineinzukommen, in die der Text am Vortag aufgenommen wurde.

Wenn ich richtig gerechnet habe, wird das gesamte Hörbuch zwei Stunden dauern. Das kommt mir allerdings wenig vor. Möglicherweise habe ich mich nur verrechnet. Allerdings muss ich mich noch aufschlauen, wie man die Veröffentlichung eines Hörbuches angeht. Das ist nochmal ein ganz eigener Vertriebsweg. Kann man alles im Internet nachlesen, ich muss es nur noch verstehen. Finde ich alles ungemein spannend.

Am Vormittag traf ich Andreas Baum, einen der beiden Gründer der Edition Schelf, weil er mir noch drei Retoure zurückgeben musste. Wir redeten über Vertriebswege, Lektorat, Agenturen, Rezensionen, Elke Heidenreich, Werbung, Auflagen. Einmal eine Bestandsaufnahme des gesamten Literaturbetriebs im Schnelldurchlauf.

Danach spazierte ich mit der Hündin hinunter zum Hackeschen Markt zum Büro einer Freundin. Sie und ihre Anwaltskollegen expandieren mit ihren Büroräumlichkeiten in den Innenhof hinein. Sie brauchen Beratung bezüglich der IT-Verkabelung, also schaute ich es mir an und erklärte, was noch zu tun sei. Ich werde ein paar meiner ehemaligen Admins anschreiben, ob jemand Zeit hat, einen kleinen Auftrag zu übernehmen. Ich vergesse immer wieder, dass es in Berlin schöne Innenhöfe und richtig alte Häuser gibt. Vor allem in der Gegend um den Hackeschen Markt herum ist noch einiges erhalten. Mit alten Häusern meine ich Gebäude von vor der Gründerzeit, diese niedrigen Gebäude aus der Zeit um 1850 herum oder sogar von noch früher. Diese romantischen Stadtstrukturen, die man sonst nur aus den unversehrten Städten wie Paris oder Wien kennt, oder Prag meinetwegen. Aber kaum aus Deutschland. Zumindest nur selten aus den großen Städten. Ich wollts nur erwähnen. Diese Räumlichkeiten in dem Hinterhof hätte ich sofort als Wohnraum bezogen, wenn er mir zur Verfügung stünde. In Berlin gibt es sonst ja hauptsächlich Gründerzeit. Die großen, fünfstöckigen Kisten. Ja, besser als gar nichts, aber auch wieder sehr uniform. Mark Twain schrieb in 1891 über das Berlin der Gründerzeit, dass überall die alten Häuser abgerissen würden und stattdessen diese monotonen, modernen Kisten hingestellt würden. Also die Häuser, die wir heute als Altbauten kennen. Fand ich schon lustig.

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[Di, 8.7.2025 – wieder Chor]

Weil ich mich ja wieder einem Chor anschließen will, schrieb ich im März eine Email an einen Kammerchor in Friedrichshain. Ich bin nicht besonders wählerisch, Hauptsache, der Chor befindet sich einigermaßen in der Umgebung und das Repertoire sollte sich in den Epochen zwischen Barock und Frühklassik befinden. Wenn Verdi und spannende zeitgenössische Klassik eingestreut werden, finde ich das prinzipiell auch in Ordnung. Da ich drei Monate lang keine Antwort erhielt, schrieb ich Anfang Juni erneut. Es folgte jedoch wieder keine Antwort, deswegen kontaktierte ich den Chor heute via Instagram. Dort antwortete man mir innerhalb weniger Minuten. Email ist echt tot.

Den Chor wählte ich aus, weil die Mitglieder Bach und Mendelssohn im Repertoire führen. Außerdem proben sie bei mir um die Ecke, das ist das Beste überhaupt. Der Chor ist der Samariterkirche in der Rigaer Straße angebunden. Dort proben sie und führen sie ihr Programm auf. Ich wusste gar nicht, dass es in der Rigaer eine Kirche gibt. Weiß Gott das überhaupt? Ich kann mir nicht vorstellen, dass der das durchgewunken hat.

Die Frau, die mir schrieb, war sehr nett. Ich könne nach den Ferien einsteigen. Sie geben jetzt noch zwei Konzerte, ich könnte ja vorbeikommen und mir ein Bild des Chores machen. Sie singen am kommenden Sonntag beim Gottesdienst oder die Woche darauf am Mittwoch, als normales Konzert. Der Sonntag würde passen. Allerdings feiert am Vorabend eine gute Freundin ihren Geburtstag. Gottesdienste finden immer früh am Morgen statt, ich ahne meine Aufnahmefähigkeit an jenem Sonntagmorgen. Aber wenn ich hingehe: Was soll ich da überhaupt anziehen? Ich war schon seit Jahrzehnten nicht mehr bei einer Messe. Kurze Hosen sind vermutlich verboten, aber darf man Tätowierungen bloßlegen? Muss man einen Kragen tragen? Bei der Hitze? Wobei: Kirchen sind immer die besttemperierten Orte der Welt. Kein Wunder, dass man unseren Gott in den Wüsten des östlichen Mittelmeers erfunden hat. Dort baute man diese Steinkirchen, in denen Menschen sich runterkühlen konnten. Der Glaube kam dann ganz von selbst. Wenn mir hier jemand eine Klimaanlage hinstellt, dann bin ich auch bereit, sie anzubeten.

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[Mo, 7.7.2025 – Lachsauftrag]

Gestern kamen meine Schwiegereltern. Vor einiger Zeit bemerkte ich, dass mir die Zubereitung von Lachs zugeschoben wird. Es heißt, mein gebratener Lachs sei immer so gut. An dieser Stelle muss ich erwähnen, nie ein besonderer Fan von Fischen gewesen zu sein, vor allem nicht von Lachs, der noch stärker nach Fisch riecht als andere Fische. Ich empfand den Geruch immer eher als unangenehm, zwar kann ich es essen, aber ich musste mich auf einen großzügigen Toleranzpegel begeben. Da meine Frau aber gerne Lachs isst, habe ich den Toleranzpegel generell auf eine etwas höhere Ebene gebracht. Manchmal freue ich mich mittlerweile sogar auf ein Brötchen mit geräuchertem Lachs und Zwiebel. So kann das gehen.

Nun brät meine Frau total ungerne. Sie kann gut kochen und sie kann auch gut mit Pfannen umgehen, aber sie brät nicht gerne. Der Rauch, die Fettspritzer, die Action. Weil sie gerne gebratenen Lachs isst und mich immer mit dessen Zubereitung beauftragte, was ich – dienstbeflissen, wie ich bin – befolgte, brut ich eben Lachs. So oft, dass ich mittlerweile ohne Anleitung Lachs braten kann. Sie sagte immer „Mmm“ und „Ooh“ und „Leeecker“. Jetzt denken alle, dass ich gut Lachs braten kann. Sogar ich glaube das. Und so bin ich plötzlich Lachsbeauftragter.

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[So, 6.7.2025 – Tagespensum und rauspressen]


Es erstaunt mich, wie sehr mir ein simples Schreibprogramm wie FocusWriter dabei hilft, das Romanprojekt stringent weiterzuführen. Ich kannte diese Konsequenz bei mir bisher gar nicht, mal abgesehen von der Arbeit an der Novelle. Dabei liegt es gar nicht am Programm an sich, sondern an der aus dem Programm gewonnenen Erkenntnis, eine Routine entwickelt zu haben. Für mich ist FocusWriter ideal, aus den Gründen, die ich hier schon einmal aufschrieb. Das Hintergrundbild, die Ruhe, aber eben auch die Statistik, die mir sagt, ob ich das Tagespensum bereits erreicht habe. Denn darum geht es beim Schreiben und wahrscheinlich bei jedem kreativen Output oder Output überhaupt: produziere Output! Du musst es einfach tun, und das, was herauskommt, ist eigentlich immer mehr oder weniger gut. Manchmal weniger, aber schwächere Abschnitte kann man immer noch später bearbeiten oder auch löschen, aber das Wichtigste ist schlichtweg, es rauszulassen, es rauszupressen. Wenn Focuswriter mir sagt, dass ich erst 750 Wörter geschrieben habe und bis Mitternacht noch 250 Wörter schreiben muss, dann muss ich die irgendwie aus mir herauspressen. Früher habe ich immer auf den kreativen Flow gewartet, dann schaute ich im Browser ein bisschen nach anderen Sachen und kam schließlich nie auf ein Pensum. Alle drei Romanprojekte verliefen sich irgendwann, weil ich auf den kreativen Flow wartete. Das Herauspressen ist lustigerweise auch ein total kreativer Prozess, zumindest bei mir. Ich zwinge mich nur zum ersten Satz oder zum Gedankengang, der bringt dann den Flow in Gang. Es ist eher wie mit einem Motorrad: Wenn man den Motor ankurbelt, ein Kraftakt, danach rattert der Kolben. Keine Ahnung, ob wirklich ein Kolben im Motor rattert, aber das Ergebnis ist immer erstaunlich gut. Ähnlich ging das auch mit der Arbeit an der Novelle. Indem ich hier im Blog das Tagespensum dokumentierte. Und vielen Dank an die Leute, die mich darauf hinwiesen, wenn ich mal zwei Tage lang kein Tagespensum erwähnte.

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[Sa, 5.7.2025 – ehemals schöner Wohnen, Lakonien]

Früher wurden wir von Menschen mit Kindern ja immer um unsere Wohnung beneidet. Wir lebten vergleichsweise geschmackvoll, besaßen wenig Gegenstände auf viel Raum, die Dinge waren unversehrt, vor allem die schönen, geölten Dielenböden und die weißlackierten Küchendielen. Den weißen Boden fand ich immer so schön, dass ich manchmal körperliche Gefühle bei dem Anblick bekam. Seit die Hündin bei uns wohnt, habe ich aber das Gefühl, dass vier Kleinkinder bei uns wohnen. Vor allem riecht es wahrscheinlich immer nach nassem Hund. Wir riechen es nicht mehr. Das ist ja so. Den eigenen Wohnungsgeruch nimmt man nicht mehr wahr. Ich weiß aber, wie meine Hündin riecht, wenn ich meine Nase in ihr Fell stecke. Es ist ein fürchterlicher Gestank, den ich aber wirklich liebe. Es ist meine Hündin, das ist ganz schwer zu erklären, Menschen mit stinkenden Kindern kennen das Gefühl vielleicht. Und ich weiß erst recht, wie ihre beiden Bettchen riechen. Die kann man nur schwer waschen. Außerdem duscht sie ja nie, wie ein Teenager eben, bestimmt stinkt die ganze Wohnung nach ihr. Besucherinnen frage ich deswegen immer vorsichtig, ob die Wohnung nach Hund rieche. Die Frage wird immer verneint, natürlich, ich bin ja nur von freundlichen Menschen umgeben, die Wahrheit kriegt man nie ins Gesicht geklatscht.

Aber die Böden sind hin. Die geölten Dielen haben tiefe Furchen und der weiße Lack sieht von den vielen Kratzern mittlerweile grau aus. Die Aussage „Wie schön ihr wohnt!“ habe ich schon lange nicht mehr gehört. Neulich kauften wir dickes Fettwachs für Holz, mit dem man Dielen pflegen kann. Haben wir heute alles in die tiefen Kratzer eingewichst.

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Zwei neue Rezensionen zur Novelle:

Ich mochte besonders Sprache die ganz Nah am Menschen ist – dem Gesprochenen, Gelebten, vielleicht auch dem Verdrängten. Da sind keine großen Posen, kein Pathos, und doch steckt in vielem etwas Poetisches.“ – Jan Montag

Zentral beim Lesen war für mich ein atmosphärisches Bild einer Lebensweise, die mich berührt hat: neugierig, unerschrocken, irgendwie schwerelos in ihrer Selbstverständlichkeit. Es ist weniger das, was erzählt wird, als wie – ein Lebensgefühl, das ich nicht in Worte einfachen kann und das trotzdem zwischen den Zeilen nachhallt.“ – Frau Novemberregen auf Goodreads.

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Übrigens, weil es oft heißt, die Novelle sei „lakonisch“: Das Wort kommt von den Spartanern. Habe ich gerade herausgefunden. Weil Sparta in Lakonien liegt, nennt man das lakonisch. Spartaner waren karg. Vermutlich waren die Spartaner auch spartanisch. Eine spartanische Novelle würde aber niemand lesen.

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[Do, 3.7.2025 – Kühle, Senfgelb, Muskel]

Den Mittwoch konnte ich jedenfalls relativ kühl gestalten, die Kartonteile hielten die Wärme aus der Küche raus und damit auch mehr oder weniger aus der Wohnung. Einmal ging ich gezwungenermaßen mit der Hündin auf die Pipirunde. Das war aber auch ihr zu viel. Abends um 21 Uhr wiederholten wir den Vorgang bei immer noch 32 Grad. Und sonst hatte ich es geschafft, das Schlafzimmer auf 27 Grad zu halten. Mit dem Ventilator, den ich auch auf meine Oberschenkel gerichtet hatte, kam ich immerhin zu einigen kurzen Schlafphasen. Um drei Uhr stand ich auf, weil mittlerweile auch Berlin auf 25 Grad heruntergekühlt war. Also öffnete ich das Schlafzimmerfenster und das Wohnzimmerfenster. Damit fühlte ich einen leichten, etwas kühleren Luftzug. Danach schlief ich durch bis 5. Da schien mir wieder die Sonne ins Gesicht. Es ist alles nicht einfach. Aber es ging besser als gedacht.

Der heutige Donnerstag verfing sich jedenfalls wieder in angenehmeren Temperaturen. Ich stellte Fotos meines senfgelben Bürostuhls auf Facebook und Instagram ein, mit dem Hinweis, dass er zum Verschenken sei. Innerhalb von nur wenigen Minuten meldete sich eine Bekannte, die ihn haben wollte, und wie der Zufall so will, war ihr Sohn gerade mit dem Auto in der Gegend, um ein anderes Möbelstück für sich selber abzuholen. Zwischen dem Fotoshooting und der Abholung lagen etwa anderthalb Stunden. Ich liebe solche Schnellschüsse. Dazwischen war ich sogar noch im Fitnessstudio. Heute übernahm ich mich allerdings ein wenig, das merkte ich erst am Abend, nachdem ich mich mit einem ehemaligen Mitarbeiter auf einen Drink im Golgatha Biergarten verabredet hatte. Er erzählte mir alle neuen Tratschgeschichten aus der Firma und wir redeten über Sex, dabei werde ich immer ein bisschen neidisch, wenn ich mit schwulen Männern über Sex rede bzw. wenn schwule Männer mit mir über Sex reden. Ich höre da schließlich nur zu und stelle dumme Fragen. Je länger ich beneide, desto stärker kommt aber auch das Gefühl auf, wie anstrengend das alles ist. Auf dem Rückweg mit dem Fahrrad fing ich jedoch an, die Überanstrengung zu spüren. Ich hatte heute vor allem Schulterpartien und Oberschenkel trainiert und bei allen Übungen die Gewichte, die Wiederholungen und die Frequenz erhöht. Meine Oberschenkel brannten und fühlten sich gleichzeitig verbrannt an. Ausgelaugt, kraftlos. Ebenso ging es mir mit den Schulterpartien. Als ich zuhause ankam, konnte ich mich kaum noch am Lenker abstützen, so kraftlos war ich geworden.

Alles für die Fitness.

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[Di, 1.7.2025 – Ingenierskunst]

Also verklebte ich das große Küchenfenster mit dem Karton meines neuen Bürostuhls. Vier passend zurechtgeschnittene Teile, die sich schnell anbringen und abnehmen lassen. Mit Klebestreifen zwar, aber es ist ja keine fixe Installation, sondern ein Notnagel/Notklebestreifen für die ganz heißen Tage. Ich glaube, es half. Da ich wusste, dass meine Frau meine Ingenieurskunst nicht schätzen würde, schickte ich ihr ein Foto davon per Messenger, damit sie am Abend, wenn sie nach Hause kommt, nicht von der imposanten Erscheinung der Installation erschlagen wird. Salami-Taktik. Ihre Antwort kam unverzüglich und enthielt nicht viele positive Emotionen. Aber ich halte es nicht aus. Wenn sie schon keine Gardinen in der Küche will, dann muss sie an Höllentagen meine Sonnenschutztechnik ertragen.

Um 15 Uhr hatte ich einen Vorstellungstermin und fuhr deshalb mit langer Hose und einem schwarzen Hemd nach Mitte. Um nicht zu viel zu schwitzen, verzichtete ich auf das Fahrrad und fuhr stattdessen mit einem Elektroscooter, auf dem man immer so steif drauf aussieht. Es maß bereits 32 Grad. Ich stand regungslos wie eine Napoleonstatue auf dem Scooter und die körperliche Anstrengung zu minimieren. Es funktionierte mittelmäßig gut.

Zurück zu Hause waren die Kartonpaneele vom Fenster abgefallen. Die Wohnung schien mir dennoch nicht so aufgeheizt wie erwartet.

Tja, nun.

Den Rest des Nachmittags saß ich dann wie eine Paul-Auster-Statue an meinem Schreibtisch und schrieb weiter an dem Text. Dabei aß ich nur Äpfel. Das Abendessen strich ich und nahm dafür ein paar Radieschen zu mir. Das funktionierte prima. Um Mitternacht war die Temperatur auch wieder auf 25 Grad gesunken. Damit kann ich schlafen.

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[Mo, 30.6.2025 – Das Monster Mitte der Woche, Bärbel]

Ich fürchte mich vor Mittwoch. Jedes Mal, wenn ich die Wetterseite öffne, dann steht in der Mitte der Woche diese 37. Diese 37 Grad, die wie eine finster dreinschauende, rote Kröte dort in der Mitte des Kalenders sitzt und sich über mich ausbreiten wird, über mich und über Berlin, man wird ihr nicht entkommen können, nur bei Edeka, wenn man durch den Klimafilter geht, vielleicht sollte ich mich am Mittwoch bei Edeka einquartieren, ich werde wieder nicht schlafen können, sie wird mich wieder lähmen, die Hitze, ich werde sie nicht von mir abschaben können, sie ist eine dicke, träge Lage, spürbare Luft, eine Suppe eher, eine gasförmige Suppe, die meine Füße anschwellen lässt, ich habe keine Ahnung, wo sie die Öffnungen in mir dafür findet, mein Arsch klebt auf ihr, meine Achselhöhlen, aber am schlimmsten vielleicht die Oberschenkel, nein, auch die Unterschenkel und die Füße. Und alles. Ich werde an der Matratze kleben, ich werde am Sessel kleben, ich werde jegliche Oberflächen vermeiden, ich werde mich entkleiden, Lage für Lage, bis ich halt die Haut nicht mehr abschaben kann.

Alkohol. Bloß kein Alkohol.

Heute wagte ich noch drei Biere. Ich war bei „Für immer Bärbel“, dieser neuen Lesebühne in Weissensee. Dort werde ich auch am 24. November mit Isabel Bogdan lesen. Heute lasen Isobel Markus und mein Lektor Klaus Ungerer. Die Organisatoren heißen Daniel Klaus und Klaus Esterluss. Da ich ja Markus heiße, merkt ihr das Muster, ja? Isobel kennt auch Isabel und man fand, wir sollten heiraten, unter der Bedingung, dass ich ihren Nachnamen annähme. Markus Markus. Fast wie Klaus & Klaus. Nur ohne das Und-Zeichen. Und einer Person weniger. Sicherlich Fame.

Was auch schön war: Mit dem Fahrrad an der Kindlbrauerei in Weissensee vorbeigefahren. Es zieht dort dieser brotige Duft von köchelndem Malz durch die Straße.

Aber am Mittwoch bloß kein Alkohol. Früher traf ich mich an Hitzetagen oft draußen, aß Pizza und trank Bier. Damals wusste ich wenig darüber, dass Pizza und Bier mich praktisch in einen Ofen verwandeln. Das waren immer die Nächte, in denen ich kein Auge schließen konnte. Wegen der mangelnden Selbstbeobachtungsgabe merkte ich das nie. Ich gab die Schuld immer jemand anderem, dem Sommer, der Hitze. Seit ich gelernt habe, die Schuld zuerst bei mir zu suchen, haben sich meine Hassgefühle für Hitze aber nicht verändert. Allerdings hasse ich die Hitze jetzt schuldbeladen. Blödes Gefühl.

Vielleicht esse ich am Mittwoch einfach nichts, den ganzen Tag lang, und ich sollte an dem großen Küchenfenster irgendwas anbringen, ich könnte Karton verkleben, großflächig. Das Altpapier wurde diese Woche noch nicht abgeholt, der große Karton meines Bürostuhls sollte noch darin liegen. Meine Gedanken schon delirieren.

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