[Fr, 7.2.2025 – Wieder Titel, Villains, Hundefell]

Nun habe ich mich für einen Titel der Novelle entschieden. Der Lektor fand den alten Titel nicht gut zum angedachten Cover passen. Die neue Kombination funktioniert besser. Zwar bin ich vom Titel noch nicht restlos begeistert, aber immerhin zu 85%. Alle anderen Titel erreichten höchstens 80% meiner geeichten, inneren Bewertungsmaschine.
Fast hätte ich „Bewertungskompass“ geschrieben. Auch ein schönes Wort.

Weil ich neuerdings öfter gefragt werde, wann das Buch nun veröffentlicht wird, kann ich sagen, dass ich es selber noch nicht ganz weiss. Der Lektor vermutet allerdings Anfang März. Es hängt an verschiedenen Dingen. Neben der U4 muss man auch sehen, wie der Probedruck ausfällt und dann wird vermutlich noch einmal probegedruckt. Usw. Anfang März dürfte aber realistisch sein.

In den letzten Tagen war ich etwas uninspiriert. Was man womöglich an der Frequenz der Einträge hier im Weblog bemerkt. Bis auf den gestrigen Text über meine Schulbildung. Der war auch für mich erkenntnisreich, zudem musste ich mich anstrengen, gewisse Details und Entscheidungen nachzuvollziehen bzw. vor mir auszubreiten. Dann sah ich auf einmal meine schulische Bildung vor mir in Textform entstehen. Es hat mich zwei Tage gekostet, den Text zu verfassen.

Und sonst unternahm ich lange Spaziergänge mit der Hündin und spielte tagsüber auf meinem neuen E-Piano. Dabei kann ich die erste Fuge aus dem Wohltemperierten Klavier fast wieder auswendig spielen. Die ersten 12 Takte gehen einwandfrei, danach wird es hakelig. Auf der Hundewiese reden wir fast nur noch über Trump und die AfD oder über Giorgia Meloni, Musk, Orban und die ganzen Villains, die gerade wie Lichtgestalten aufleuchten. Es ist alles düster. Ich ahne aber, dass mich die neuen Umstände wieder politisch aktivieren.

Gestern schnitt ich das vordere Drittel des Hundefells, heute machte ich in der Mitte weiter. Sie mag es nicht, wenn ich mit der Rasiermaschine an ihr herummache. Ich setze sie auf den Boden zwischen meinen Beinen und gebe ihr alle zweidrei Minuten ein Leckerli. Das macht sie widerwillig mit. Manchmal wird es ihr zu viel, vor allem, wenn ich an den Pfoten rasiere, dann befreit sie sich und rennt weg. Mit einem Leckerli kann ich sie aber wieder locken und schon sitzt sie wieder zwischen meinen Knien fest. Sie scheint sich zu ärgern, wie einfach sie auf den Trick hereinfällt. Sie vergisst es aber jedes Mal wieder. Morgen ist das hintere Drittel dran. Sie sieht in diesem Transformationsprozess nicht unbedingt gut aus. Aber glücklicherweise ist sie nicht eitel.

Morgen ist das Heimspiel gegen Kaiserslautern. Nach den vielen Heimniederlagen gehe ich davon aus, dass wir auch morgen wieder verlieren werden. Es trübt mir schon die Aussicht auf das Wochenende ein. Wenn ich aber wieder in der Kurve stehe, werde ich wieder an einen Kantersieg meiner Mannschaft glauben.

[Schulische Bildung]

Ich habe ja keine formelle Bildung. Normalerweise spielt meine Ausbildung in einem Bewerbungsverfahren keine Rolle. Es fragt niemand mehr nach meinem Studium, dafür bin ich in meinem Berufsumfeld schlichtweg zu erfahren. Oder zu alt. Je nachdem, wie man es betrachten will.

Bei meinem letzten Schulbesuch war ich 14 Jahre alt. Hätte ich das letzte Pflichtschuljahr nicht wiederholen müssen, dann wäre ich sogar schon mit 13 Jahren ausgeschult gewesen. In Südtirol gibt es fünf Jahre Volksschule und drei Jahre Mittelschule. Damit hat man das Pflichtpensum absolviert. Danach erlernt man einen Beruf, oder man geht auf das Gymnasium bzw. auf eine sogenannte Oberschule und macht die Matura, also das Abitur.

Nach der Pflichtschule hatte ich überhaupt keine Ahnung, was ich tun wollte. Mein bester Freund wurde Metzger, das war bei ihm schnell klar. Da ich in den Schulferien in der Küche eines Restaurants arbeitete, hätte ich sicherlich dort eine Ausbildung beginnen können. Mir war aber auch bewusst, dass ich nicht mein ganzes Leben lang von einem alkoholisierten Chefkoch herumkommandiert werden wollte. Ausserdem arbeiteten Köche immer dann, wenn andere Spass hatten. Dasselbe galt für den Beruf des Bäckers. Ich konnte es mir nicht vorstellen, einen solchen Beruf für den Rest meines Lebens auszuüben. Aber ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen, jeden Tag das selbe für den Rest des Lebens zu tun.

Die einzige Idee, die ich etwas ernsthafter in Betracht zog, war eine Konditorlehre. Aber davon riet man mir ab, weil man davon so dick werde, wie man an den beiden Dorfkonditoren sehen konnte. Für andere Berufe fehlte mir die Fantasie. In den zahlreichen Hotels wollte ich nicht arbeiten. Die Kinder der Hotelbesitzer gehörten nicht wirklich zu meinem sozialen Kreis. Die gingen nach der Mittelschule aufs Gymnasium, um später auf der Universität zu studieren. Es gab auch Bauernkinder, die aufs Gymnasium gingen. Ich weiss aber nicht, was die anders machten als ich.

Das Gymnasium war für mich keine ernsthafte Option. Zum einen hätte ich gar nicht gewusst, welches Gymnasium ich hätte besuchen sollen und auch meinen Eltern fehlte hierzu eine richtige Idee. Aber ich hatte nach diesen neun Schuljahren auch nicht viel Lust, weiterhin auf Schulbänken zu sitzen. Ausserdem hätte ich für das Gymnasium runter vom Berg in das zwei Stunden entfernte Bozen ziehen müssen.

Also schickte mich meine Mutter zu einer Berufsberaterin. Diese meinte, ich sei ja so kreativ, ich sollte einen Kreativberuf ausüben. Also begann ich eine Lehre in einer Druckerei. Eine Druckerei ist schliesslich ein kreativer Betrieb, immerhin werden dort Bücher und Kalender gedruckt. Und Todesanzeigen. Ich lernte den Beruf des Druckformherstellers und Montierers. Dort klebte ich Texte und Fotos für Todesanzeigen und Sterbebildchen auf durchsichtige Filmfolien und belichtete damit Druckplatten für den Offset-Druck. Ich habe keine Ahnung, wie genau ich in dem Beruf landete. Auch meine Eltern können den Weg dahin nicht mehr nachvollziehen. Aber ich hatte ein Einkommen. Das Einkommen war mir immer das Wichtigste.

Die Druckerei war ein kleiner Betrieb in der Altstadt von Bozen. Nebenher besuchte ich zwei Monate im Jahr die begleitende Berufsschule. Ich sass jetzt also doch in Bozen, wo ich eigentlich nicht hin wollte und ich drückte wieder die Schulbank, wenn auch nur wenige Wochen im Jahr.

Den Beruf gibt es heute allerdings nicht mehr. Haben alles die Roboter und Computer übernommen.

Das erste Jahr in Bozen wohnte ich in einem katholischen Heim. In grossen Schlafzimmern, zusammen mit anderen Jugendlichen aus entlegenen Tälern. Nach Bozen zu ziehen, erwies sich für mich natürlich als Glücksfall. Die gewonnenen Freiheiten erkannte ich sofort. Da meine Familie nach einem Jahr aber in die Nähe von Bozen zog, genauer gesagt in das Dorf meines Vaters, ein Bergdorf im weiteren Umland von Bozen, und das Heim zu teuer war, um langfristig zu bewohnen, musste ich ab dem zweiten Jahr jeden Tag mit dem Bus zum neuen Wohnort meiner Eltern fahren. Jeden Tag hinauf und hinunter. Eine Stunde pro Richtung. Abends um 20:05 fuhr der letzte Bus zurück ins Dorf. Verpasste ich diesen, musste ich per Anhalter nach Hause. Da ich immer mehr Freude an der städtischen Abendgestaltung fand, verpasste ich den letzten Bus immer öfter.

Das alles fand ich zunehmend furchtbarer, bis sich meine Lebensvorstellungen radikalisierten und ich Konflikte mit meinen Eltern provozierte, worauf ich mit 18 das elterliche Haus verliess. Ein Freund von mir aus dem entfernten Vinschgau absolvierte gerade in Bozen den Zivildienst. Meistens schlief er bei Bekannten in der Stadt. Weil ich auch eine Bleibe suchte, zogen wir zusammen in seinen schwarzen Ford Fiesta ein, den wir auf der Brache des Ex-Monopolios abstellten. Das war ein illegaler, aber gut genutzter Parkplatz, auf dem nicht nur wir beide die Nächte im Auto verbrachten.

Weil sich dieser Lebensstil nur schwer mit der Ausbildung in der Druckerei verbinden liess, kündigte ich zwei Monate später meine Lehrstelle und zog für einen Sommer nach Berlin. Danach verbrachte ich ein Jahr wieder in Südtirol und Norditalien, hauptsächlich in Padova und Milano und arbeitete als Saisonarbeiter auf den Apfelwiesen, wovon ich mehr oder weniger leben konnte. In jener Zeit wollte ich aber nur weg aus den Alpen. Ich schmiedete Pläne für Berlin, für London, vielleicht Paris. Viele Menschen, mit denen ich in jener Zeit in Bozen befreundet war, gingen zur Schule, lernten auf das Abitur hin und zogen danach für ein Studium nach Wien oder nach Bologna. Da begann ich langsam die Weichen zu bemerken, die mich von den Pfaden meiner Freunde trennen würden.

Ich ging zuerst nach Wien, weil die meisten meiner Freunde dort landeten, Wien fand ich aber furchtbar und so zog ich schliesslich in die Niederlande, wo ich jemanden flüchtig kannte und deswegen eine Andockstation hatte. Von jener Zeit handelt auch die Novelle.

Aber ich wollte hier ja von meiner Schulbildung schreiben. In den Niederlanden schrieb ich mich nämlich in die Hoogeschool van Utrecht ein, wo ich Geografie studieren wollte. Ich wusste, dass ich ohne Abitur nicht studieren konnte, aber ich schrieb mich einfach ein und schickte meinen höchsten Abschluss mit, um zu sehen, was passiert. Ich traute mir das Studium auf alle Fälle zu. Schliesslich hatte ich Nietzsche gelesen und mindestens 5% davon verstanden. Mein höchster Abschluss war die popelige „Mittelschule“. In Utrecht verwechselten sie vermutlich „Mittelschule“ mit „Middelbare School“. Bei Middelbare School handelt es sich in den Niederlanden aber um ein Gymnasium oder Lyzeum. Sie waren also der Annahme, dass ich ein Abitur in der Tasche stecken hatte.

Und so studierte ich plötzlich Geografie.

Das ging natürlich nicht lange gut. Nach drei Monaten flog der Schwindel auf. Anstatt mich rauszuwerfen, bot man mir allerdings eine Aufnahmeprüfung an. Die Prüfung legte ich aber nicht mehr ab. Zum einen gab es gerade Stress wegen des Hauses, das wir besetzt hielten und frühmorgens arbeitete ich bei Ikea, wo ich die Fächer mit Waren füllte. Das passte zeitlich alles nicht so gut zusammen.

Bei meinem Bewerbungsgespräch von neulich wurde ich jedenfalls gefragt, wie es mit meinem Studium aussähe. Die Angaben dazu würden im Lebenslauf fehlen. Auf diese Frage war ich gar nicht vorbereitet, weil sie mir nie gestellt wird. Ich sagte, damals bei uns in dem Dolomitendorf sei ein Studium nicht unbedingt eine Option gewesen. Als ich das sagte, kam ich mir vor wie ein alter Bergbauer, der als Kind Barfuss 10 Kilometer über Berghänge zur Schule lief.

[Di, 4.2.2025 – Titel, U4, Pankow, Meze]

Die Arbeit an der Novelle befindet sich in den letzten Zügen. Die Grafikerin arbeitet gerade an den sogenannten Schusterjungen (halbe Zeile verrutscht auf den Anfang der nächsten Seite) und den Hurenkindern (Seite endet mit halber Zeile). Ich wusste nicht, dass das so ein Frickelwerk ist. Die Arbeit am Buchumschlag hat sie bereits begonnen, aber sie braucht natürlich noch einen Titel, auf den ich mich allerdings noch nicht festlegen konnte. Ich habe eine ganze Liste an Titeln, die ich vermutlich am Freitag mit dem Lektor abgleichen werde. Wir einigten uns darauf, dass jeder von uns mit einer Liste kommt und über die wir dann bei einem Kaffee brainstormen. Ein Titel, den wir beide auf die Liste gesetzt haben, ist: „Scheiss Gespenster“.
Das ist ein Satz aus der Geschichte. Ich fürchte lediglich, dass dieser Titel eine falsche Fährte legt. Eine Gespenstergeschichte ist sie schliesslich nur nebenher. Andererseits: Why not? Details kann ich ja auf dem Buchrücken geraderücken.

Der Buchrücken nennt sich in Fachsprache U4. Für die U4 werde ich in späteren Auflagen Zitate sammeln. In der ersten Version erstelle ich eine kurze Zusammenfassung der Geschichte, wo ich von den Gespenstern ablenken kann. Wir besetzten eben ein altes Spukhaus. Es ist in Wirklichkeit aber eine Abenteuergeschichte und auch ein Milieuporträt. In dem Haus geschahen allerdings seltsame, gruselige Dinge. Aber wir glaubten nicht an Gespenster. Scheiss Gespenster eben. Draussen waren die freundlichen Nachbarn und oft auch die Polizei. Und geräumt wurden wir auch. Aber wir kamen immer wieder. Das ist die Geschichte.

Huch. Vielleicht schreibe ich auch genau diese neun letzten Sätze auf die U4.

Ich erzähle hier einfach vom Prozess der Buchentstehung, okay? Vielleicht wird am Ende alles anders, aber ich teile meine Überlegungen. Vor allem für mich selbst, aber eben mit Publikum. Das funktioniert für mich prima.

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Am Dienstagnachmittag ging ich mit meiner Fussballfreundin spazieren. Seit ihrer Krebs-OP hatten wir uns nur einmal im Stadion und einmal mit ihren Kindern getroffen. Heute konnten wir aber ausgiebiger darüber reden. Es geht ihr ausgezeichnet. Dabei spazierten wir vom Mauerpark hinauf bis zur grossen Fussgängerbrücke über die Ringbahngleise hinweg, wo wir den Weg weiter verfolgten, auf dem etwas verwilderten Grünstreifen zwischen Bahngleisen und dem nördlichen Prenzlauer Berg. Später streiften wir die Kleingartenanlagen und danach an der Rückseite des Tiroler Viertels in Pankow. Immer am Bahndamm entlang bis ganz zum S-Bahnhof Pankow. Dort endete der Weg ziemlich abrupt auf dem Dach eines Gewerbegebäudes. Es gab auch keine Möglichkeit, auf die laute Strasse hinabzusteigen, also mussten wir ein ganzes Stück zurücklaufen.

Während man spaziert, plätschern die Gedanken.

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Am Abend traf ich mich mit meiner Freundin Isa aus Hamburg. Wir waren vor zwanzig Jahren in Hamburg befreundet. Damals lasen wir gemeinsam auf Bühnen, schrieben Weblogs und hatten überhaupt viel Spass im Hamburger Kulturleben. Als ich vor 17 Jahren nach Berlin zog, verloren wir etwas den Kontakt. Wir sahen uns letztes Mal bei der Buchvorstellung ihres Romans „Der Pfau“ in 2017, mit dem sie einen richtig grossen Erfolg feierte und die Bestsellerlisten anführte. Seitdem nenne ich sie Bestsellerautorin. Das klingt ironisch, das meine ich aber nicht so. Es freute mich sehr.

Wir bestellten Hummus und ein paar Meze und unterhielten uns lange über den Kulturbetrieb, über die Liebe, sowie über frühere Weggefährten und Menschen, die wir kennen. Und überhaupt fanden wir, dass wir uns öfter sehen sollten.

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[So, 2.2.2025 – Wurst, Käse, Knödel]

Ich lud spontan ein paar Freunde für Samstag zu mir nach Hause ein. Dafür bereitete ich am Freitag Südtiroler Käseknödel vor, die ich am Samstag dann nur noch ins heisse Wasser werfen brauchte. Ausserdem bereitete ich Pasta e Fagioli vor. Ich schrieb schon einmal über Pasta e Fagioli, das war in meiner Jugend eines der Elektolyte-Speisen nach einer wilden Partynacht. Wenn man vom Konzert oder der Disko nach Hause kam und noch etwas ass. Früher machten wir das oft: wir machten eine Spaghettata mitten in der Nacht oder assen eben Pasta e Fagioli. In Südtirol stand damals in den meisten Haushalten immer ein Topf Pasta e Fagioli herum. Ich weiss nicht, warum und ob ich mir das bloss einbilde. Aber ich ass früher dermassen oft nachts Pasta e Fagioli, dass ich es mir nicht anders vorstellen kann. Pasta e Fagioli besteht eigentlich nur aus verschiedenen Bohnen, die lange im eigenen Sud kochen und dann mit willkürlicher Pasta ergänzt werden. Eine salzige, braune Masse mit Nudeln.

Isst man das nach einer langen Nacht mit viel Alkohol, wird der Bauch schön schwer und man fällt in einen tiefen Schlaf. Und am nächsten Tag hat man keine Kopfschmerzen. So die Legende.

Weil ich Angst hatte, am Samstag keinen Alkohol zu vertragen, trank ich schon am Vorabend, während ich die Knödel machte. Ich habe mich seit Anfang Januar auf Diät gesetzt und zu jeder guten Diät gehört es auch, keinen Alkohol zu trinken. Ich hatte nur ein oder zwei Ausnahmen gemacht. Wenn man aber nach längerer Zeit wieder etwas trinkt, hat der Körper die Toleranz verloren und ich fürchtete, am Samstag nach zwei Bieren umzukippen. Also trank ich mich am Freitag ein bisschen warm. Es gibt wenige Dinge, die so schön sind, wie abends in der Küche zu stehen, Musik zu hören und leicht einen Sitzen zu haben. Ich kann die hohe Rate an Alkoholikerinnen im Gastgewerbe verstehen.

Als ich 13 und 14 Jahre alt war, arbeitete ich in den Schulferien als Hilfskoch. Wenn wir Schulferien hatten, war das Dorf schliesslich immer voller Touristen, die entweder zum Skifahren oder zum Wandern kamen. Der cholerische Chefkoch tanzte immer gegen 9 Uhr an und roch da schon nach Bier. Der erste Koch trank immer im Keller an seinem Spind, wo er einen Vorrat mit kleinen Flaschen unterhielt. Die jüngen Köche tranken aber ganz offen. Ich, das Küken, durfte auch schon, ich durfte aber nur Bier und nicht jeden Tag, aber eigentlich immer an Wochenenden, und wenn ich durfte, schauten alle zu und machten sich lustig.

Am Samstag fuhr ich jedenfalls noch zu Centro Italia an der Greifswalder, um Mortadella und Salami zu kaufen und zu Kuchenrausch in die Wühlischstrasse, wo ich eine Torte bestellt hatte. Es fühlte sich ungemein erwachsen an, eine Geburtstagstorte zu kaufen. Meine letzte Geburtstagstorte hatte ich wahrscheinlich als Teenager bekommen. Meine Frau bestückte sie am Abend mit 50 Kerzen. Diese pustete ich alle in einem Atemzug aus. Es war mir wichtig, diese in einem Zug auszupusten. Bloss keine Gebrechlichkeit aufkommen lassen. Ab fünfzig ist das nicht mehr lustig.

Von den Unmengen an Wurst, Käse, Torte und Knödel schliefen wir natürlich unheimlich schlecht und wir verbrachten den ganzen nächsten Tag in einer Art Futterkoma. Wobei noch reichlich Essen übrig geblieben war, das wir verzehrten, um die seltsame Säure in unserem Körper auszugleichen.

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Ich bin sehr einfach zu beschenken:

[Do, 30.1.2025 – Steigbügelhalter, Welpen, Zimmer]

Die Staatsbürgerschaft werde ich wohl nicht mehr rechtzeitig zur Wahl erhalten. Schon nur dafür soll Lindner bis zum Ende der Tage in einer mit e-fuels beheizten Bio-Hölle schmoren. Die Wahlen waren der Hauptgrund, mir die deutsche Staatsbürgerschaft zuzulegen. Jetzt muss ich wieder 4 Jahren warten, um mein Privileg als vollständiger Bürger auszukosten. Falls es dann noch Wahlen gibt.

Ich bin mir nicht ganz sicher, was des Merzes Move, mit der AfD das Asylrecht verschärft zu haben, für langfristige Auswirkungen hat. Dass der Move eine hässliche Fratze gezeigt hat, ist eine Sache. Ob es die AfD wirklich stärkt, weiss ich hingegen nicht zu sagen. Es werden aber wieder die Bürgerlichen sein, die dem Faschismus die Steigbügel halten.

Mit Merz ist das auch immer so eine Sache, dass man nie das Gefühl hat, er wisse, was er tut. Er stolpert von Unfall zu Fettnäpfchen und ist dabei immer so vorhersehbar und entlarvend.
Immerhin ist das ganze Land jetzt aufgebracht.

Mittwochabend traf ich mich mit einer Fanclubfreundin und ihrem Freund bei Fressnapf. Sie werden sich jetzt einen Golden Retriever zulegen und suchen deswegen nach Utensilien. Sie bat mich, sie dabei zu beraten, wobei sie mit Hunden bereits erfahren ist. Ihr Freund aber nicht. Der hatte bisher nie Interesse an Tieren, seit er sich jetzt aber dazu entschlossen hat, ein Welpen grosszuziehen, geht er total darin auf. Er liest sich in alles ein, hört Podcasts und schaut Youtube Videos zum Thema. Mich amüsiert das. Schliesslich erkenne ich mich darin wieder. Ich wollte ursprünglich ja auch keinen Hund. Bis ich mich der Hundeliebe auslieferte.

Tja.

Was ist sonst noch Erwähnenswertes passiert? Die Grafikerin hat ein vorläufiges Buchcover entworfen, das mir gut gefällt. Es zeigt mein damaliges Zimmer. Es ist nicht ein Zimmer aus dem besetzten Haus, von dem die Geschichte handelt, sondern mein Zimmer aus dem Haus, in dem ich wohnte. Auf dem Foto (siehe unten) sind viele Klischees vereinigt: ein Brecheisen, holländische Holzschuhe, ein kaputtes Stück Boden, eine leere Flasche Wein, eine vertrocknete Zimmerpflanze, CD’s auf einem vollbesprühten Salontisch und viel Unordnung.

Am späten Nachmittag fuhr ich wieder nach Teltow für ein weiteres Gespräch mit der Firma, bei der ich eine Stelle antreten möchte. Letztes Mal gab es noch Unklarheiten. Aber ich bin das gewohnt. Bei Positionen im Management will man sich sicher sein. Ich werde auch noch mit Vorständen des Konzernes sprechen müssen. Es zieht sich.

[Di, 28.1.2025 – Geburtstag, Klavier, Pizza]

Weil ich Geburtstag hatte, bereitete heute meine Frau das Frühstück zu. Normalerweise bin ich der Frühaufsteher und kümmere mich deswegen um die gesamte Morgenlogistik. Einmal einfach liegen bleiben und warten, bis die ganze Wohnung nach Frühstück duftet, ist daher schon schön. Aber das geht jetzt ja nicht, wir haben jetzt ja die Hündin, mit der ich morgens immer mindestens eine Stunde auf dem Weg bin. So nahm meine Frau heute die Zeit meines Spaziergangs, um alles vorzubereiten.

Sie schenkte mir ein E-Piano. Das wollte ich schon lange, aber ich drückte mich immer vor dem hohen Preis. Zudem habe ich nicht wirklich einen guten Ort in meinem Arbeitszimmer, wo ich das Piano dauerhaft hinstellen könnte. Nach langer Überlegung entschied ich mich jedoch, es einfach über das Hundebett zu stellen, bzw das Hundebett darunter. Wenn die Hündin dort liegen will, während ich spiele, dann habe ich immerhin warme Füsse, oder ich kann mich mit den Zehen ins Fell des Tieres einkraulen. Nach dem Frühstück baute ich es gleich auf und lud mir Noten von Bach und Max Richter herunter. Ich werde mit dem „Präludium I“ aus dem „Wohltemperierten Clavier“ wieder meine Finger in Übung bringen und je nach Stimmung auch „Departure“ von Max Richter. Das Präludium konnte ich einmal wirklich gut, aber es ist schon 16 oder 17 Jahre her, dass ich es spielte, ich fange wieder völlig von vorne an. „Departure“ ist die eindringliche Sonate aus der Serie „The Leftovers“. Die wollte ich immer schon einmal spielen können. Sie ist vermeintlich einfach, aber da man den Hauptpart mit der linken Hand spielt, ist es für mich ungeübten Amateur sehr schwierig zu erlernen.

Warum ich überhaupt Klavierspielen kann? Ich kann es nicht wirklich gut. Als Kind hatte ich eine Obsession für klassische und frühromantische Musik. Niemand verstand, wie das passieren konnte. Schliesslich komme ich aus einem bildungsfernen Elternhaus. Meine Eltern sind weder musikalisch noch kulturell interessiert. Als wir einmal bei unserem Nachbarn, den Doktor, zu Besuch waren, legte er Beethoven auf einem Plattenspieler auf. Offenbar erstarrte ich damals vor dem Plattenspieler zu einer unansprechbaren Säule aus Natriumchlorid. So etwas hatte ich vermutlich noch nie gehört. Der Doktor wusste wohl, was er in diesen kleinen Jungen ausgelöst hatte, und so schenkte er mir ein paar Tage später ein Boxset der neun Symphonien von Beethoven. Und später legte er noch Schallplatten mit Opernchören und Ouvertüren von Verdi und Puccini dazu.
Ich war damals sechs oder sieben Jahre alt. Ich hörte danach jeden Tag und den ganzen Tag lang diese Musik. Nach einiger Zeit und neuen Schallplatten wollte ich schliesslich Pianist werden. Meine Eltern wussten nicht so recht, was sie damit anfangen sollten, aber der Schullehrer, der selber Klavier und Klarinette spielte, empfahl ihnen, das zu fördern. So bekam ich irgendwann ein Klavier. Allerdings übte ich nicht gerne. Ich musste wochenlang und monatelang Terzen und Quinten üben. Nach einigen Jahren entwickelte ich meine Klavierkünste kaum weiter und so gab ich den Unterricht wieder auf.

Ich kann mir allerdings Musikstücke selber beibringen. Vor etwa zwanzig Jahren, als ich in Madrid lebte, kaufte ich mir ein billiges Keyboard, weil ich wieder Lust hatte, ein bisschen zu spielen. Da ich Noten lesen konnte, studierte ich manchmal Stücke ein. Vorzugsweise von Bach oder Mozart. Weil ich aber nicht gut bin, brauche ich dafür ewig. Ich arbeite mich Takt für Takt voran und nach einigen Wochen kann ich ein relativ komplexes Stück spielen. Als ich nach Berlin zog, verkaufte ich das Keyboard wieder, weil ich andere Schwerpunkte in meinem Leben hatte. Seit einigen Jahren drängt sich aber wieder diese Lust am Musikspielen in mir auf. Diese Freude erfüllte mir heute meine Frau. Das war ein schönes Geburtstagsgeschenk.

Am Nachmittag gingen wir ins Due Forni Pizza essen und Bier trinken. Ich liebe das Due Forni am Nachmittag. Ich liebe es auch am Abend, aber ich liebe es noch mehr am Nachmittag, wenn dieser riesige Raum fast leer ist. Und ey, ihr könnt mir mit euren neumodischen Pizze alla Napolitana kommen wie ihr wollt, für mich gibt es keine bessere Pizza als die im Due Forni. Früher sagte ich oft, es sei die beste Pizzeria nördlich der Alpen, aber neuerdings bin ich der Überzeugung, dass es sogar südlich der Alpen keine besseren Pizze gibt. Und ich möchte behaupten, dass ich an jedem Ort, den ich auf dieser Welt besuch habe, schon einmal Pizza ass. Sogar in einem Einkaufszentrum in einer mittelgrossen Stadt in Nordwest Schottland und auch in Lappland. Sogar auf Spitzbergen in der Hocharktis. Wobei ich diese drei nicht unbedingt weiterempfehlen möchte.

Danach setzten wir uns ins Kaschk am Rosa-Luxemburg-Platz, diese durch BRLO betriebene Bierbar in dem schwarzen, fensterlosen Bau an der Ecke zur Torstrasse. Mittlerweile habe ich meine Meinung zu den BRLO Bieren geändert. Sie haben offenbar ihre Rezeptur angepasst, vor allem das Pale Ale und das rosane IPA sind wirklich gut geworden. Nicht das German IPA, das hat so eine unausgewogene Härte, aber das mit den rosanen Buchstaben ist super. Überteuert sind sie dennoch, aber daran wird sich wenig ändern.

Mensch, ich habe wirklich gerne Geburtstag. Es mag kindisch sein, aber ich liebe es, an einem Tag Geschenke und Glückwünsche zu kriegen und dabei irgendwas zu unternehmen, das mir gefällt. Sei es auch nur in einer etwas schäbigen Pizzeria Pizza zu essen und Bier zu trinken. Und einen im Tee zu haben, bevor die Sonne untergeht.

Danke für die Glückwünsche auf den verschiedenen Kanälen.

[Mo, 27.1.2025 – neue Autorin, Textsatz, Fotos]

Im Hundepark mischte sich heute eine junge Frau ins Gespräch ein. Ich stand gerade mit einem jungen Pärchen auf der Wiese. Mit der Frau aus dem Pärchen rede ich sehr oft, sie weiss von meiner Arbeit an der Novelle, deswegen fragte sie mich nach dem der aktuellen Entwicklung. Die junge Frau, die sich einmischte, bekam das mit und sie sagte, sie sei ja auch Autorin und im März erscheine ihr erster Roman. Ich gratulierte ihr und wir plauderten in der Viererrunde eine Weile über Literatur.
Ich kenne die Frau schon länger. Wir reden nicht oft miteinander, aber wir grüssen uns und ab und zu tauschen wir ein paar Sätze über unsere Hunde aus, wenn wir uns begegnen. Vor einem Jahr hatten wir einmal ein längeres, persönliches Gespräch, das fand ich aber sehr anstrengend. Sie weiss immer alles besser und sie kann ununterbrechbar reden. Ich fand sie nicht unsympathisch, nur anstrengend, deswegen suchte ich nie den Austausch mit ihr.

Wegen des Bücher-Themas blieb sie heute allerdings bei uns hängen und als das Pärchen ging, blieben nur wir beide übrig. Also schlug ich vor, eine kleine Runde zu drehen, dann ist meine Hündin beschäftigt und ich kann zuhören, ohne interagieren zu müssen.

Die junge Frau ist vierzig Jahre alt und ist jetzt endlich Autorin, wie sie sagte. Sie hatte oft gezweifelt, ob sie Autorin sein wolle, aber jetzt ist sie schon überzeugt davon. Sie sagte auch, sie möchte so schreiben können wie Peter Stamm. Ob ich denn Peter Stamm kenne. Ja, natürlich kenne ich den. Waas? Sie war begeistert davon, dass ich den kenne, den kennt nämlich fast niemand ausserhalb der Literaturblase. Ich zeigte mich verwundert, schliesslich ist er ja ein Bestsellerautor, aber sie meinte, er sei ein Genie, aber man kenne ihn nur innerhalb der Szene und das, obwohl er in 41 Sprachen übersetzt worden sei. In ihrem Buch wird auch stehen, dass Peter Stamm ihr grosses Vorbild sei. Sie hat ihn auch bereits persönlich kennengelernt, weil sie in einer Buchhandlung arbeitet und sie dort eine seiner Lesungen organisierte. Einige Zeit später schrieb sie ihm eine E-Mail mit Fragen zu Poetik und ihrem Wunsch, Autorin zu werden. Er antwortete ihr etwas verspätet und anfangs auch ein bisschen distanziert, aber je öfter sie sich schrieben, desto freundlicher gab er sich. Sie sagte, sie schreibe ihm allerdings mehr als er ihr antworte, aber das sei okay, das hatte sie ihm auch so geschrieben. Er müsse ihr nicht immer antworten, sie wisse ja, er hat viel zu tun und sei so viel in der Welt unterwegs. Sie hätte ein Agreement mit ihm, dass er allerdings antworte, wenn er das Gefühl habe, dass es wichtig sei. Sie verriet mir, dass sie zuhause eine Weltkarte hat, auf der sie Pins einsteckt. Die Pins markieren die Orte, von denen aus er ihr eine Email geschrieben hat.

Ich finde, das kann man sich alles gar nicht ausdenken.

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Gestern Abend kam der Textentwurf der Grafikerin. Das Buch wird nun doch 140 Seiten haben. 137, um genau zu sein. Ich las den Text einmal im Schnelldurchgang durch, um auf eventuelle Setzfehler zu überprüfen. Da ich immer noch keinen Titel habe, auch nicht annähernd, empfahl mir der Lektor, bei der Durchsicht des Textes, Notizen aus den Wortfetzen zu machen, die mir währenddessen entgegenkommen. So hatte er das nämlich auch gemacht. Er will mir bei der Titelsuche helfen. Ich wusste nicht, dass die Titelsuche so schwierig sein würde. Die von ihm empfohlene Methode war durchaus erfolgreich. Am Abend hatte ich schliesslich 29 Titel, die mir zu 80% gefallen. Nicht achtzig Prozent der Titel gefallen mir, sondern alle Titel gefallen mir zu achtzig Prozent.

Danach bat ich meine Frau, Autorenfotos zu schiessen. Ich stellte mich an die Küchenwand und machte Gesichter. Ein paar sind ganz okay geworden. Ein bisschen steif vielleicht. Morgen gehe ich Pizza essen. Ich werde meine Frau fragen, mich über den Tisch hinweg zu fotografieren. Mit Pizza und Bier. Das sind immer die besten Fotos von mir. Als sei ich an meinem Happy Place.

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Wie geht es dir heute?

[So, 26.1.2025 – Heimspiel, Vasektomie, Zucchini Rollatini]

Eigentlich wollte ich am Samstag auf die grosse Demo gehen, da meine Frau jedoch noch auf Reise und ich mit der Hündin alleine war, blieb ich zu Hause. Am Abend war das Spiel gegen den Hamburger SV, dafür hatte sich die Nachbarin netterweise bereit erklärt, das haarige Tier zu sich aufzunehmen. Meine Frau würde erst gegen Mitternacht zurück sein und ich auch, die Hündin wäre sonst sieben Stunden alleine gewesen, das mag ich ihr nicht antun.

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In der Kurve war wieder alles voll. Es wird jedes Jahr voller und enger. Neulich hatten wir im Fanclub beschlossen, mindestens zwei Stunden vor Anpfiff unten im Block zu stehen, weil es mittlerweile nicht mehr möglich ist, dass einzelne Personen Dutzende Plätze reservieren. Bei diesen grossen Spielen wie gegen den HSV werden zudem zahlreiche Menschen in die Kurve geschmuggelt, es ist immer ein Gedrängel. Wenn ich es jetzt ganz nüchtern betrachte, stehe ich 2 Stunden ohne Fussball im Block und 1,5 Stunden mit Fussball. Glücklicherweise muss ich es nicht nüchtern betrachten, weil ich jetzt auf 1-Liter-Becher Bier umgeschwenkt bin, anstatt immer an den 0,5 Liter Bechern zu nuckeln.

An allen Plätzen waren blaue sowie weisse Papierfahnen hinterlegt. Zum Anpfiff, während wir die Vereinshymne singen, sollten alle die an dem Platz vorgesehene Fahne hochhalten. Im Gesamtbild ergab das einen Apfelbaum. Es sollte den Apfelbaum darstellen, den der verstorbene Präsident Kay Bernstein pflanzte. Heute jährte sich sein Todestag zum ersten Mal. Der Apfelbaum war sein Symbol für Hoffnung und für einen neuen Weg nach den turbulenten Jahren mit Milliarden von zwielichtigen Gestalten.
Nachdem wir die Fahnen hochhielten, wurde ein riesiges Banner vom Oberring nach unten gezogen. Es stellte ein kleines Mädchen vor einem Apfelbaum dar. Es sitzt auf einem Stuhl, vor ihr ein Korb mit Äpfeln, an der Lehne hängt die sogenannte Präsidentenjacke, die er bei der historischen Wahl trug. Rechts im Hintergrund das Olympiastadion.

Symbolik.

Siehe Bilder.

Meiner Nachbarin kamen die Tränen. Aber sie weint immer, wenn man über Kay redet.

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Die Geschichte des Spiels:

  • Hertha ist die aktivere Mannschaft
  • Der HSV schiesst zwei Kontertore gegen uns
  • Nach sechzig Minuten kommt unser langzeitverletzter Hoffnungsträger und Beautyking Reese ins Spiel und leitet zwei Tore für uns ein
  • Kurz vor Schluss fangen wir noch ein blödes Kontertor

Und so verloren wir. Es half auch nichts, dass ich „Hertha BSC heisst unser Verein“ lauter sang als sonst.

Neben mir steht neuerdings immer eine junge 23-jährige Niedersächsin. Sie hat sich als Achtjährige in Hertha verliebt und ist vor zwei Jahren in die Stadt gezogen um ihrem Verein nahe zu sein. Vorher musste immer der Vater sie zu den Heimspielen nach Berlin bringen. Jetzt ist sie autonom und steht bei jedem Heimspiel in der Kurve, zudem fährt sie zu jedem Auswärtsspiel mit Leuten aus unserem Fanclub mit. Sie ist superlieb und lustig, aber sie ist auch unheimlich frech. Es ist nichts Neues, dass Frauen frech zu mir sind. Irgendwie scheine ich das in vielen Frauen auszulösen. Heute machte sie sich ständig über mich lustig, dass ich beim Klatschen aus dem Takt falle. Ausserdem behauptete sie, dass ich auch gesanglich hinterherhänge. Ich sagte ihr, ich wisse, was ich tue, ich sei schliesslich Schlagzeuger. Damit verstummte sie. Das ist zwar gelogen, aber als Schlagzeuger musste ich ja wissen, was ich tue.

Nach dem Spiel hingen wir noch lange am Rondell, gegen halb 12 hatte sich der Ansturm auf die S-Bahnen etwas gelegt, also machte ich mich auf den Heimweg. Wir sassen dann zu viert in einer Sitzgruppe. Einer der Freunde hatte eine seltsame Hose an, deswegen sprach ich ihn darauf an und er meinte, er hätte sich gerade einer Vasektomie unterzogen und müsse daher noch zwei Wochen lang etwas vorsichtiger sein. Wir alle fanden das unheimlich interessant. Er hatte sich aus nachvollziehbaren Gründen dazu entschlossen. Zum einen schluckt seine Frau seit Jahrzehnten Hormone, um ungeplante Schwangerschaften zu verhindern und andererseits hätten sie ohnehin schon zwei Kinder, die Familienplanung sei nun abgeschlossen. Ausserdem: Er will mit 50 kein Vater mehr werden.

Wir löcherten ihn mit Fragen. Über Schmerzen, übers Masturbieren, über seine Gefühle. Ein Mix aus Neugierde, Respekt und Belustigung. Er erzählte bereitwillig und auch amüsiert darüber. Das Thema liess uns die ganze Fahrt nicht mehr los. Auch nicht, nachdem sich am Alex unsere Wege trennten. Ich fuhr da nur noch mit einem Freund auf der u5 weiter nach Osten. Wir fragten uns auch, ob sich an der Qualität des Spermas etwas verändert. Aber was bedeutet Qualität bei Sperma schon genau? Die Textur? Der Geruch, der Geschmack? Wenn man danach googelt, findet man viele Antworten, aber nicht, ob sich an der Qualität des Spermas etwas verändert. Ausgenommen natürlich, dass es nicht mehr befruchten kann.

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Heute hatte meine Frau Geburtstag. Letztes Jahr um diese Zeit waren wir in Rovaniemi bei minus 23 Grad. Sie wurde fünfzig. Wir denken gerne an jene Reise zurück. Übermorgen werde ich fünfzig. Ich überlegte das ganze Jahr, was ich zu meinem Fünfzigsten Geburtstag machen will. Entweder verreisen oder eine grosse Party. Weil ich das ganze Jahr lang keine Entscheidung traf, gehen wir wahrscheinlich Pizza essen und Bier trinken. Meine Frau findet das super.
Für ihren eigenen Geburtstag zog sie es heute vor, Horrorfilme zu schauen und zu kochen. Sie hatte ein aufwendiges Gericht ausgesucht, das uns drei Stunden lang in der Küche binden würde. Es heisst „Zucchini Rollatini„. Den Grossteil der Zeit verbringt man damit, Zucchini in papierdünne Scheiben zu schneiden, diese zu trocknen, auszulegen und wieder aufzurollen.

Die Speise war sehr gut, aber sagen wir so: der Aufwand ist den Ertrag nicht ganz wert. Jedoch hatten wir Champagner und gutes Bier und so war der Tag immerhin unterhaltsam.

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[Fr, 24.1.2025 – Textbild, Guillemets, die Schriftdeutschigkeit deutscher Serienproduktionen]

Frühmorgens brachte ich meine Frau mit dem Auto zum Ostkreuz. Von dort aus kommt sie gut und schnell mit dem FEX zum Flughafen. Mit den Öffis und Gepäck zum Ostkreuz zu gelangen, ist von uns aus hingegen sehr umständlich. Zwei Mal umsteigen und viele Treppen. Mit dem Auto ist es eine entspannte, neunminütige Fahrt.

Als ich zurückkam, war es noch zu früh, um mit der Hündin rauszugehen, auch zu früh um zu frühstücken, und zu früh um irgendwas Gescheites zu tun, aber zu spät, um noch einmal ins Bett zu gehen. Also ging ich mit der Hündin raus. Hunde mögen Dunkelheit aber generell nur mittelmässig. Meine Hündin bellt in der Dunkelheit irrationale Gefahren an, wie Mülleimer und unbekannte Gegenstände auf dem Bürgersteig. Sie bellt eigentlich selten, aber in einer dunklen Stadt sehr oft.

Also drehten wir schnell wieder um, nachdem sie ihre Blase geleert hatte.

Eine Stunde später kam das Tageslicht und einer der Hundefreunde schrieb mich an, ob ich noch rausginge. Das nahm ich zum Anlass, wieder rauszugehen. Der kurze Spaziergang von vorhin würde nicht ausreichen, die Hündin wird dann im Laufe des Vormittages unruhig. Momentan rennt sie gerne. Drei Monate nach der Läufigkeit kommt ihre Energie zurück. Das war immer schon so. In drei Monaten ist sie aber wieder läufig, dann fangen wir von vorne an.

Und sonstso: Heute hörte ich während des Salatschnipselns die letzten Episoden von „Plus Ultra“, der neue Podcast über den Dreissigjährigen Krieg. Endlich verstehe ich mehr oder weniger die Zusammenhänge. Die erste Staffel dieses Podcasts erzählt lediglich, wie es zu dem Konflikt kam, der letztendlich ein Drittel der Bevölkerung Europas umbrachte. What a Shitshow. Ich kann die sieben Folgen hier natürlich nicht zusammenfassen, aber den Podcast will ich wärmstens empfehlen. Zumindest jenen Menschen, die sich für Geschichte interessieren. Und es ist nicht schwierig, Parallelen zu unserer Zeit zu ziehen. Was allerdings nicht die Laune hebt.
Der Podcast wird übrigens von den Hosts des Podcasts „Geschichten aus der Geschichte“ produziert.

Am Nachmittag schickte mir die Grafikerin drei Entwürfe, wie das Textbild des Buches aussehen könnte. Es geht um Zeilenabstände, Zeilenumbrüche, Absätze und >Guillemets<. Sie favorisierte einen bestimmten Entwurf. Dem stimmte ich zu. Ich muss aber auch sagen, dass ich wenig Meinung dazu habe. Die Grafikerin wird schon wissen, was sie tut. Die Guillemets, also die französischen Anführungszeichen, finde ich allerdings super. Ich schreibe so selten Dialoge in wörtlicher Rede. In der Novelle regte der Lektor an, in einigen bestimmten Passagen die wörtliche Rede einzuführen. Mit diesen französischen Anführungszeichen sieht das optisch gleich viel besser aus.

Weil meine Frau nicht zu Hause ist, beschloss ich etwas zu schauen, worauf sie nie Lust hat. Meistens sind das Sci-Fi Sachen oder auch deutsche Produktionen. Sie sagt immer, das könne ich ja mal schauen, wenn ich alleine bin. Wenn ich alleine bin, habe ich aber selten Lust etwas zu schauen. Heute war das anders. Ich hatte die Wahl aus „Dune“, „Alien Romulus“ oder „Achtsam morden“ mit Tom Schilling. Da „Dune“ und „Alien“ zu neu sind und noch Geld kosten, entschied ich mich für „Achtsam morden“. Ich versuche mich deutschen Produktionen immer unvoreingenommen zu nähern, was ich jedoch nie restlos schaffe, ich bin deutschen Produktionen gegenüber wesentlich kritischer und strenge mich deswegen sehr an, mir ein objektives Bild zu machen. Was aber sofort auffällt: die Dialoge! Alles ist so ausbuchstabiert. Und die Pointen auch immer so erklärend ausgelegt, dass jeder Onkel sie versteht. Ausserdem stört mich irgendetwas am Tempo. Es will eine rasante schwarze Komödie sein, aber das Schauspiel und die Inszenierung kommen dem vorgegebenen Tempo nicht recht hinterher. Irgendwie leiert die Erzählung. Es liegt zum Teil auch an den Dialogen, die immer den einen Satz zu viel enthalten und irgendwie unauthentisch sind, zu schriftdeutschig, so redet man halt nicht, es liegt aber auch am Tempo der Schauspielerinnen, wie sie sich durch das Set bewegen. Ich kann es noch nicht ganz festmachen. Nach einigen Folgen stört der Umstand weniger, weil man der Geschichte folgt, aber. Ja, aber.

[Do, 23.1.2025 – Testimonials, Unbehagen, Regen, Nuuk]

Die Rechtschreibprüfung in meinem LibreOffice ist total buggy. Ich verbrachte den gesamten Mittwochnachmittag, um die finale Version des Manuskriptes fertigzustellen. Dabei wollte ich nur einmal alle Wörter durchchecken. Weil der Text viele niederländische Begriffe enthält, werden in der Übersicht nämlich viele Fehler angezeigt, das wollte ich einmal bereinigen. Das Programm stürzte aber ständig ab. Zwischendrin speichern half mir manchmal als Überbrückung, aber es crashte trotzdem immer dann, wann ich gerade nichts gespeichert hatte. Und schon musste ich wieder von vorne beginnen. Am Ende war ich dann fürchterlich schlecht gelaunt.

Die Grafikerin goss den Text in Form. Ohne Seitenumbrüche der Kapitel hat der Text 125 Seiten. Vermutlich werden es also 130. Etwas weniger als gedacht, ich sprach immer von 140. Über Nacht las die Grafikerin zum ersten Mal den Text. Die Geschichte hielt sie offenbar bis vier Uhr morgens wach, so sehr hatte die Geschichte sie in ihren Bann gezogen. Sie sagte, das passiere selten. Allerdings seien die Vorkommnisse darin auch unbehaglich. Vielleicht nehme ich diese Erfahrung als Testimonial für die Rückseite des Buches. Ich habe ja noch keine Zitate über mich oder den Text gesammelt. Oder ich füge ausgewählte Kommentare ein, die unter dem ursprünglichen Text abgesetzt wurden. Die Geschichte erschien ja zuerst vor fast 20 Jahren ja hier im Blog. Macht euch aber bitte keine Mühe, den damaligen Blogtext zu lesen, das war sehr schlampig geschrieben und besteht auch nur aus umgerechnet 15 Buchseiten oder so. Das ist bis auf den Inhalt ein ganz anderer Text. Die aussagekräftigsten Kommentare gingen jedenfalls so:

  • (Holt sich dänische Kekse und süßen Tee, macht es sich damit auf dem Sofa bequem.) Mehr davon, ganz wunderbar, ich bin bereit. – Die Kaltmamsell
  • seufzt fettkatzig – Lu
  • Wenn ich jetzt gleich nicht schlafen kann, weiß ich auch, warum. – Frau Arboretum
  • sollte das mal aufgeführt werden, hätt ich gern die rolle der clumsy (der hund) – Lu

Oder eine Freundin schrieb auf Facebook: „[…] lese ich aktuell ständig Texte von Dir, und das macht mich diffus fröhlich.“ Diffuse Fröhlichkeit. Das ist bestimmt eine gute Sache. Es war aber nicht auf diese Geschichte bezogen.

Diese unseriösen Testimonals finde ich durchaus charmant. Die Geschichte scheint jedenfalls Auswirkungen auf den Schlaf zu haben. Es gibt mehrere gruselige Momente, das war mir vordergründig gar nicht bewusst. Der Lektor sagte hingegen, es sei eine lustige und warme Geschichte. Dass manche Menschen es lustig und manche jedoch unbehaglich finden, kann ein gutes Zeichen sein. Vielleicht ist das ein gutes Testimonial. „Manche Menschen finden den Text lustig und manche unbehaglich. – unbekannter Kritiker, unbekannte Zeitung“

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Am Nachmittag besuchte ich eine Freundin. Sie hat sich von der Krebs-OP gut erholt und heute bekam sie sogar die Nachricht, dass keine weiteren Eingriffe nötig sind. Weder Chemo noch Bestrahlung. Eigentlich wollten wir spazieren, aber bei 1 Grad Plus und eisigem Regen beschlossen wir, bei ihr zu Hause zu bleiben und Kaffee zu trinken, dabei wurde meine Hündin von den Kindern mit Aufmerksamkeit und Leckerlis überschüttet, so waren wir alle happy.

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Auch der September kommt näher. Wir werden nach Island und nach Grönland fliegen. Es wird ein eher kurzer und ungewöhnlicher Besuch. Meine Frau muss in Reykjavík an einem Kongress teilnehmen und sie hegt schon lange den Wunsch, nach Grönland zu reisen. So nehmen wir den Islandaufenthalt als Anlass, für ein paar Tage nach Grönland zu fliegen. Bis nach Nuuk sind das lediglich zwei Flugstunden und gar nicht so teuer. Ich reise also mit und besuche tagsüber alleine das Land und nach ein paar Tagen fliegen wir weiter auf die Eisinsel.

Heute buchte ich das Hotel in der Hauptstadt Nuuk. Nuuk ist gar nicht so klein, es hat 19000 Einwohner, das ist wesentlich grösser als Longyearbyen auf Spitzbergen. Ein Hotel in Nuuk gebucht zu haben ist ein schönes Gefühl. Die Emailbestätigung fand ich dermassen aufregend, dass ich sie ich überall auf Socialmedia postete. Nuuk und ich haben jetzt eine in Stein und Bookingdotcom gemeisselte Connection.