Heute war ich dann schon sehr verkatert. Die Cocktails fliessen immer so runter. Immerhin trank ich sonst hauptsächlich Bier und keinen Wein. Dass der junge Mann von der Garderobe ständig mit einer Runde Shots aufs Haus vorbeikam, war auch nicht sehr förderlich. Meine Begleiter fanden den Mann sehr attraktiv und er schien auch nur unseren Tisch mit Wodka- oder Whisky-Shots zu beglücken. Wahrscheinlich war er schwul und hatte die schwulen Vibes an unserem Tisch mitbekommen. Auf die Frage, warum ausgerechnet der Herr der Garderobe mit uns Shots trinkt, kamen wir erst gar nicht. Erst heute schien das einzuleuchten. Er trank nämlich bei jeder Runde einen Shot mit uns mit. Das hält man nicht lange durch, wenn man das an jedem Tisch den ganzen Abend lang macht.
Wie es an Katertagen so ist, hat man immer genau dann spontane, anstrengende Meetings. Das ist ein Gesetz. Und man denkt den ganzen Tag daran, früh ins Bett zu gehen, nur um abends schliesslich hellwach zu sein und hunderttausend Dinge zu tun.
Am Abend waren wir auf ein dienstliches Dinner im Restaurant Berta an der Stresemannstrasse. Die Strasse, aber auch die Häuser in jener Gegend sehen ja eher unwirtlich aus. In einem dieser unwirtlichen Häuser gibt es jedoch eine grossartige Gastwirtschaft. Das Berta ist von einem israelischen Sternekoch. Berta hiess seine Berliner Grossmutter, die in den Dreissigerjahren nach Israel auswanderte. Eine grosse Wand in dem Lokal ist mit Schwarz-Weiss-Fotos von Frauen aus jener Zeit geschmückt. Ich weiss nicht, ob sie thematisch ausgewählt sind. Einige davon sind sicherlich seine Grossmutter, die anderen sind vermutlich Freundinnen oder Verwandte. Die Frauen darauf sind elegant, schön, sie wirken glücklich.
Die Speisen sind levantinisch-brandenburgisch und man isst sie, indem man sie teilt, als Mezes. Ich mochte alles, was es gab. Besonders angetan war ich von einem Auberginenmus-Creme-Brulé, die man sich als Aufstrich auf das Brot streichen konnte. Ich hätte in dem Mus baden können.
Wir assen sehr viel und tranken sehr viel. Zum Glück musste ich nicht für die Rechnung aufkommen.
# In der WordPress Admin-Oberfläche werden mir manchmal alte Beiträge vorgeschlagen. Heute waren es zwei Blogeinträge mit Auto-Bezug. Der erste Eintrag stammt aus dem August 2010 und handelt davon, wie ich mich entschied, den Führerschein zu machen. Der zweite ist von Oktober 2011 als ich gerade den Führerschein bekam und erste Ausflüge nach Brandenburg unternahm. Das liest sich alles sehr lustig und ich kann mich noch genau an die Angstgefühle erinnern, die mich damals auf jedem Meter Strasse begleiteten.
Gestern vor zwei Jahren zog die Hündin bei uns ein. Ich kann mir kaum noch vorstellen, wie es ohne sie war.
Als ich mit dem Rad in die Arbeit fuhr, stellte ich mir vor, wie es wäre, den Hundeanhänger angeschlossen zu haben. Das erzeugte ein sehr merkwürdiges Phantomgefühl. Ich schaute ständig hinter mir, fuhr vorsichtiger, langsamer und war wesentlich achtsamer, während ich über Kreuzungen fuhr. Und ständig dieses Gefühl, ein Auto käme aus dem Nichts geschossen und würde den Anhänger überfahren und den Hund darin zerquetschen.
Das sind gemischte Vorzeichen. Wahrscheinlich fahre ich am Freitag zum ersten Mal mit der Hündin im Anhänger ins Büro. Ich bin gespannt, ob das nur ein Phantomgefühl war.
Heute traf ich mich mit früheren Kollegen aus Immobilienscout Zeiten. Es ist schön, dass wir immer noch Kontakt pflegen. Ich arbeite dort seit 2011 nicht mehr. Wir treffen uns mehrmals pro Jahr in dieser Runde. Einer aus der Runde wohnt mittlerweile in den USA und importiert deutsche Dachaufbauten für Campingwagen, die er in den USA montiert und verkauft. Das ist ein sehr lukratives Geschäft. Einige Jahre vorher kaufte er Komposttoiletten direkt von einem Herstellen und verkaufte sie an Menschen weiter, die ein Häuschen im Grünen besitzen, aber ohne Anschluss an die Kanalisation dastehen. Ich bewundere es, wenn jemand so findig ist.
Wir sassen im BRLO am Gleisdreieck. Das BRLO sucht gerade einen COO. Die Stellenbeschreibung liest sich fast so, als wäre sie auf mich zugeschnitten. Zwar habe ich den (nie ernsthaft verfolgten) Traum, eine Brauerei zu gründen, aufgegeben, aber der Gedanke daran, COO einer Brauerei zu sein, kommt dem schon ziemlich nahe. Allerdings ist dieses Blog vollgepackt mit Einträgen, in denen ich mich negativ über das BRLO äussere. Wenn ich mich darauf bewerben würde, müsste ich zuerst alle diese Einträge löschen. Und das werde ich natürlich nicht tun.
# Gestern lief übrigens das SSL Zertifikat aus. In dieser Zeit war das Blog nur eingeschränkt brauchbar. Note to self, damit ich nächstes Jahr nicht so lange nach nicht vorhandener Dokumentation suchen muss: du musst keine neuen Zertifikate bestellen. Die Zertifikate sind im Kundencenter von Strato automatisch hinterlegt. Du musst sie dann nur noch in /etc/ssl/ kopieren und den Webserver neu reloaden.
Ich bin ja die Art von Mann, die „So!“ sagt und sich mit den Händen auf die Oberschenkel klatscht.
Meine Hündin reagiert auf dieses „So!“. Sie hebt den Kopf und schaut mich erwartungsvoll an. Wahrscheinlich sage ich das ständig. Im Laufe der Zeit hat sie vermutlich gelernt, dass dann gleich etwas geschieht. Ein Spaziergang, ein Gang in die Küche oder Streicheleinheiten. Auch wenn sie tief zu schlafen scheint, sobald ich „So!“ sage, hebt sie erwartungsvoll den Kopf und prüft, ob jetzt wirklich etwas passiert.
Heute testeten wir den Fahrradanhänger. Ich hatte den Wagen ein paar Tage im Hausflur stehen und lockte sie regelmässig mit Leckerlis. Sie geht mittlerweile mit dem ganzen Körper hinein, aber sie steigt sofort wieder heraus, sobald sie die Belohnung ergattert hat. Heute hatte ich im Innenhof alles aufgebaut und ans Fahrrad angeschlossen. Ich bekam sie weiterhin nur mit Köder in den Anhänger. Als sie drin war, verschloss ich den Reissverschluss, das mochte sie aber überhaupt nicht. Ich zog es dennoch einfach durch. Sie wird sich daran gewöhnen müssen. Also fuhren wir einmal die Strasse hinunter. Sie machte keine Geräusche. Unten am Eck der Strasse liess ich sie raus. Auf dem Rückweg fuhr ich auf dem Bürgersteig und machte sie neben mir her laufen. In der Hoffnung, dass sie versteht, was gerade geschehen war.
Aber so richtig weiss ich selber nicht, ob etwas geschehen war.
Seit Hertha in der zweiten Liga spielt, sind die Spiele am Freitagabend schon um 18:30 angesetzt. Daran muss ich mich noch gewöhnen. Ich war mit der Hündin im Büro, daher machte ich sehr früh Feierabend und fuhr mit ihr nach Hause. Um halb fünf machte ich mich also auf dem Weg ins Olympiastadion. Allerdings gab es aufgrund des Staatsbesuches von Selenskyj grosse Behinderungen beim Sbahnverkehr. Warum auch immer gerade bei der Sbahn. Vorhin war ich mit dem Auto vom Potsdamer Platz nach Friedrichshain gefahren und es gab keinerlei Staus. Ich hätte ja Strassenblockaden aufgrund der Eskorten erwartet, aber nein, es fielen alle Bahnen aus.
Und so kam ich erst gegen halb sechs im Westend an. Meine Dauerkarte hatte Bert. Er schrieb mir, er würde noch eine Weile am Rondell warten. Auf der Fahrt wurde ich aber trotzdem nervös. Immerhin hatte ich in der Bahn ein lustiges Gespräch mit einer alten Frau aus Spandau, die zufällig in die von Fussballfans überfüllte Bahn geraten war und mit einem, nunja, Herthafan. Die alte Frau war sehr gesprächig, so kauten wir uns durch einen wilden Themenmix aus Fussball, Corona, Ukrainekrieg und hindurch.
Am Stadion angekommen ging ich geradewegs zum Rondell, wo Bert mit meiner Karte wartete. Es waren noch viele andere da. Normalerweise sind eine Stunde vor Anpfiff alle schon in ihren Blocks. Obwohl niemand es eilig zu haben schien, ging ich trotzdem zum Stadiontor und trat ein.
Ich war seit dem 3. Dezember nicht mehr da. Zu meiner Freude wurde später das „Ich bin wieder hier“ gesungen, eine Stadionversion des Westernhagen-Liedes. Auch wenn das Lied sich auf Menschen bezieht, die Stadionverbot erhielten, sang ich, bis meine Stimmbänder versagten.
In der ersten Halbzeit schwärmten junge, vermummte Männer in der Kurve aus. In unserem Bereich kam einer herangekrochen und versteckte sich gebückt hinter mir. Es sah nach einer anstehenden Pyroshow aus. Ich gab ihm etwas Sichtschutz. Nach einigen Sekunden robbte er sich aber weiter durch die Ränge nach vorne. Ein paar Minuten später leuchtete die gesamte Kurve in hellen bengalischen Feuern auf.
Kurz vor der Pause führten wir 2:1 und dann gab es den obligatorischen Tennisball-Protest. Das Spiel endete mit einem befreienden 3:2.
Einer Freundin schrieb ich später: es war ein zauberhafter Abend. Die Tore, der Rauch, die Nachwuchsspieler, die so viel Spass machten und dieser seltsame Frieden, den wir momentan bei Hertha haben. Leider kann ich den Zauber heute nicht mehr ganz wiedergeben.
Am nächsten Tag hatte ich jedenfalls einen ordentlichen Kater. Möglicherweise war das Bier ein Teil des Zaubers.
Am Abend schauten wir „The Abyss“. Ich sah den Titel ein paar Mal in der Übersicht bei Netflix, aber diesmal sah ich, dass der Film in Kiruna spielt. Kiruna ist eine Stadt im schwedischen Lappland, hundert Kilometer nördlich vom Polarkreis. Ich wollte da schon oft hin, es hat sich aus logistischen Gründen aber nie ergeben. Momentan wird die Stadt um 4 Kilometer verschoben, da sich aufgrund des Eisenerz-Abbaus der Boden destabilisiert. Und davon handelt der Film. Davon, dass die Stadt in sich zusammenbricht.
Der Film war okay. Nichts besonderes. Aber manchmal schaue ich Filme einfach nur der Settings wegen.
Morgens regnete es. Der Frühstücksraum des Hotels liegt in einem kleinen Innenhof, der von drei grossen Glasfenstern überspannt wird und so zu einem Innenraum umgebaut wurde. Man schaut hinauf und der Regen prasselt herab.
Wir hatten heute einen Termin in Alkmaar. Alkmaar ist mit der Bahn gut zu erreichen, aber als ich sah, dass sich die Adresse in einem Gewerbegebiet etwas ausserhalb von Alkmaar befindet und wir mit Koffern etwa 15 Minuten durch den Regen zum Hauptbahnhof laufen hätten müssen, beschlossen wir, für den ganzen Weg ein Uber zu bestellen. Das würde zwar 75 Euro kosten, aber die Alternative war mir zu stressig. Ausserdem würden wir mit dem Laufen und der Umsteigerei wesentlich länger brauchen.
Der Uber Fahrer erzählte uns, dass es in Amsterdam eigentlich keine Taxis mehr gibt. Schlichtweg aus dem Grund, dass niemand mehr ein Taxi bucht. Immer wenn ich mit Taxifahrerinnen über das Thema spreche, kann ich nicht herausfinden, ob der Wechsel zu Uber oder Bolt eine gute Sache für sie ist, oder nicht. Es kommen immer viele Janeins und Jaabers. Am Ende bin ich nicht schlauer. Die Nachteile sind für mich aber offensichtlich: der Kilometerpreis ging von 3,70€ auf 1,10€ runter und alle Fahrerinnen müssen weiterhin die Taxiprüfung bestehen. Ich verstehe nicht, dass es aus dem Fahrgewerbe so wenig Protest gab. Die deutschen Taxizentralen liefen natürlich Sturm, aber das wirkte eher so, dass die Geschäftsführer alle ihr Geschäftsmodell und ihre Einkommen wegbrechen sahen. Von den Fahrerinnen schien mir immer wenig zu kommen, ist mein Eindruck.
Um halb 5 flog mein Flieger zurück nach Berlin. Als wir landeten und ich den Flugmodus wieder ausschalten wollte, merkte ich, dass das Telefon den ganzen Flug über Signale gesendet hatte.
Zuerst stand ich auf, dann ging ich zum Frühstück und war ziemlich enttäuscht, dass es kein Büffet gab, sondern nur ein bestellbares Frühstück mit Teller. Es gab keinen Käse. Es gab nur grosse Frühstücksteller (die jedoch klein ausfielen) mit Würsten und baked beans sowie Spiegeleiern. Oder es gab Haferbrei und solche Sachen. Es stand nicht einmal Käse auf der Karte. Ich fragte die Kellnerin, ob es denn nicht dazubestellbaren Käse gäbe. Sie verneinte. Sie sagte zwar, sie würde den Koch fragen, ob es Käse gäbe, aber sie bezweifelte, dass man Käse mit den angebotenen Frühstückstellern paaren könne. Ich bin kein Freund von solchen konservativ-ideologischen Paarungsdogmen. Dennoch blieb ich freundlich. Als mein Teller gebracht wurde, lag kein Käse darauf, sie kommentierte es aber auch nicht. Immerhin gab es fantastische, mit Fenchel verfeinerte Rinderwürstchen.
Den restlichen Tag kann ich eher nur protokollarisch wiedergeben: Ich spazierte ins Büro unseres Hauptsitzes, quatschte lange mit dem Geschäftsführer, danach fuhren er und ich zu einem Dienstleister nach Sloterdijk, wo wir einen neuen Vertrag aushandelten. Dort stiess ein Dienstleister aus Berlin dazu. Mit diesem Dienstleister fuhren wir zurück ins Büro, hatten ein Meeting und dann öffneten wir uns ein Feierabendbier.
Nach dem Bier ging ich mit dem Berliner Dienstleister ins Hotel, um seine Sachen abzulegen. Zwischenzeitlich hatte ein kurzes Telefonat mit einem lieben ehemaligen Mitarbeiter, der mich wegen eines App-Projektes sprechen wollte. Danach spazierten der Dienstleister und ich ins Rotlichtviertel zu einem Brauhaus, in das ich früher oft ging. Dort assen wir einen Burger, tranken drei oder vier Biere und auf dem Heimweg kehrten wir in „De Wildeman“ ein, wo ich eigentlich immer einkehre, um einzweidrei Biere zu trinken. Dort tranken wir eben zweidreivier Biere. Wir unterhielten uns blendend, aber da wir morgen sehr früh einen Termin haben, beschlossen wir gegen 23 Uhr ins Hotel zu gehen. Als wir das Hotel betraten, hatten wir jedoch spontan Lust auf einen Drink und so tranken wir da noch etwas an der Bar. Sie hatten zu meiner Freude das Hazy Jane von Brewdog. Aber irgendwann quatschte uns ein Mann, der neben uns am Tresen sass, an und laberte uns voll. Er war Israeli und lebte eigentlich in Dublin. Er schien mit etwas betrunken und war sehr redselig. Es war ihm ein Anliegen zu sagen, dass Iren Rassisten seien und er deswegen gerne in Amsterdam sei. Danach erklärte er mir, wie man die App meiner Firma zur Nummer eins auf den Weltmarkt machen kann. Das ermüdete mich sehr, deswegen ging ich aufs Zimmer und sprang unter die Dusche.
Gegen Mittag machte ich mich auf dem Weg zum Flughafen. Das war auch der Moment, an dem ich verstand, dass ich genau so gut morgen Mittag hätte fliegen können. Meine Termine in Amsterdam wurden dermassen herumgeschoben, dass ich erst morgen Nachmittag in den Niederlanden hätte aufschlagen müssen. Das fand ich sehr ärgerlich, weil ich überhaupt nicht in Reisestimmung war.
In Amsterdam fuhr ich direkt ins Hotel. Dort stand ich dann an der Rezeption und offenbar war kein Zimmer für mich reserviert. Wie ich nach Überprüfung meiner Unterlagen herausfand, wurde mir statt des Hoxton an der Herengracht das Hoxton Lloyd irgendwo JWD im Osten an den Oosterdoks gebucht. Da gibt es keine U-Bahn, keine Bars und auch sonst nichts, ich hätte mir für jede Bewegung ein Uber rufen müssen. Glücklicherweise liess sich mein Zimmer unkompliziert und ohne Stornierungskosten umbuchen, da beide Hotels derselben Kette angehören. So blieb ich in der Innenstadt und muss nicht für jede Kleinigkeit lange Wege auf mich nehmen.
Ich machte dennoch nicht viel. Ursprünglich hatte ich geplant, Antoon in Utrecht zu besuchen. Er und seine Frau haben ihr zweites Kind bekommen und er sprach vor wenigen Monaten noch eine sehr herzliche Einladung aus. Aber ich musste im Hotel noch ein paar Arbeitssachen erledigen, danach würde es zu spät werden. Utrecht ist zwar nur eine 35-minütige Bahnfahrt entfernt, aber. Genau, aber.
Dafür ging ich zu McDonalds und ass einen Burger. Kann man ja mal machen. Ich hatte keine Lust, mich in ein Restaurant zu setzen und dort alleine an die Decke zu starren. Trotzdem ging ich danach in einen Irish Pub und setzte mich an den Tresen. Warum fühlt sich das heutzutage so seltsam an, alleine am Tresen zu sitzen? Früher taten „wir“ das doch ständig, taten wir nicht? Heute fühlt man sich wie eine einsame, bemitleidenswerte Seele. Früher sass man einfach alleine am Tresen und schaute seinen Gedanken hinterher. Vielleicht habe aber auch nur ich mich verändert. Vielleicht sah das früher auch seltsam aus.
Ich trank jedenfalls ein Guiness. Ich habe bestimmt seit zehn Jahren kein Guiness mehr getrunken. Weil es mir so schmeckte, bestellte ich direkt ein zweites hinterher. Neben mir am Tresen sass ein österreichisches Paar mit ihrem Sohn. Sie sprachen österreichisch und ich tat, als würde ich es nicht verstehen. Ich hatte wirklich keine Lust, mich österreichischem Gegrantle auszusetzen. Ich werde fast selber zum Grantler wenn ich dieses langgezogene Waaaast und hoooost und wisoonedda höre. Das macht mir schlechte Laune. Fast alle Freunde aus meiner Jugend sind nach Wien gezogen. Wegen diesen Sprachsound besuche ich sie nicht mehr. Auch meine Frau wohnte in Wien. Ganze acht Jahre lang. Sie unterstützt meine Abneigung, das ist sehr wohltuend.
Mittlerweile ist der Fahrradanhänger für die Hündin angekommen. Ich habe ihn sofort in der Wohnung aufgebaut und für gut befunden. Allerdings habe ich noch nicht verstanden, wie ich den Anhänger mit dem Fahrrad verbinde. Es gibt dafür eine Kupplung, die ich am Fahrrad montieren muss. Das sieht nicht ganz einfach aus, deswegen verschiebe ich diese Arbeit aufs Wochenende, wenn ich wieder zurück bin.
Am Abend begann ich zu packen. Zur Sicherheit steckte ich das Nasenspray mit ein. Zwar verwende ich seit fast zwei Wochen keinen Nasenspray mehr, aber ich traue dem Braten noch nicht, ausserdem bin ich es noch gewöhnt, mich immer auf den Spray verlassen zu können. Ich kann mich doch nicht einfach ohne Spray auf die Reise begeben. Es wäre kalter Entzug.
In meinen Notizen steht noch eine Zeile, die geht so:
Was ich in Rovaniemi gerne gemacht hätte:
Das schrieb ich am Flughafen Rovaniemi in meine Textdatei, während wir vor diesem grossen Fenster mit Blick auf die Rollbahn auf den Rückflug warteten. Es gab sehr viele Dinge, die ich mir vorgenommen hatte, das nächste Mal zu tun. Aber ich muss durch irgendetwas abgelenkt worden sein. Die Liste blieb leer und jetzt weiss ich nicht mehr, was ich da aufschreiben wollte. Ich fühle mich jedenfalls mehrmals schlecht vorbereitet bzw. hatte ich oft das Gefühl, schlecht vorausgeplant zu haben. Es betraf vor allem Aktivitäten im Freien. Dabei meine ich gar nicht aufwendige Unternehmungen wie Snowmobil oder Skifahren. Jetzt, wo ich „Skifahren“ schreibe, merke ich, dass ich regelmässig ans Langlaufen dachte. Weil wir immer wieder Langlaufloipen überquerten. Manchmal kreuzten sie mitten im Wald unseren Weg. Ich komme ja aus einem kleinen Dorf, das an einem Skiliftsystem angeschlossen ist. Es gab auch einige Langlaufloipen. Da ich als Kind ein ausgesprochen aktiver Skifahrer war, verstand ich nie, warum Menschen es sich antun, sich auf Skiern schiebend fortzubewegen, wenn man auch von einem Berg herunterbrettern kann. Das schlimmste am Skifahren war immer, wenn man auf einer geraden Strecke ein Stück schieben musste. Wie spassbefreit musste man bitte sein, um so was zu einem Sport zu erheben. Die Langläuferinnen waren auch immer alte Menschen, vielleicht war das so etwas wie Reha.
Aber jetzt bin ich selber alt. Ich glaube, einen gewissen Spass darin zu erkennen. Ich wandere ja auch. Wandern fand ich als Kind furchtbar.
Aber gut. Wenn ich nächstes Mal nach Lappland fahre, dann werde ich das wahrscheinlich im Sommer tun. Keine Ahnung, was ich auf diese Liste schreiben wollte.
# Und sonst spielte heute Hertha gegen Fürth. Unser erster Sieg im neuen Jahr. Davor und danach putzten wir die Wohnung ziemlich gründlich. Dabei hörten wir Taylor Swift. Ich habe viel über sie gelesen und finde das Phänomen Taylor Swift wirklich sehr interessant. Die Musik erschliesst sich mir leider nicht richtig. Aber die Texte kommen mit einer gewissen Wucht daher. Klare, starke Zeilen. Meist über die Liebe. Unmissverständlich, nicht geheimnisvoll, sehr direkt, sehr klar. Aber ich nicht das Zielpublikum, weshalb die Wucht nicht auf mich einwirkt, ich erahne sie nur. Ich weiss aber nicht, ob das ihr Geheimnis ist.
Dann schalteten wir auf Mine um. Ihr neues Album wurde auf Spiegel Online so gut besprochen, dass ich neugierig auf sie geworden war. Ihre Lieder sind sehr unterschiedlich, sie greifen ein breites Spektrum auf, das mag ich. Sie scheint nicht festgelegt zu sein. Teilweise sind es harte Raps, manchmal klingt es wie rezitativ vorgesungene Lyrik, die von moderner Klassik untermalt wird. Ein bisschen intellektuell, auch schlecht gelaunt.
Was ich weniger mag, ist dieses verschämt klingende Deutsch. Das hört man in der zeitgenössischen deutschsprachigen Musik sehr oft. Dass die Texte so breiig vorgetragen werden. Als würde man der deutschen Sprache die Pünktlichkeit, die Ordnung und die Autoindustrie wegnehmen wollen. Dabei liegt die Stärke der deutschen Sprache gerade in ihrer klaren Betonung. Wie auch französisch. Man kann auf deutsch nicht so singen wie auf englisch oder spanisch. Ich empfinde das als verschämt. Vielleicht ist das aber auch ein Stilmittel.