Nach der Nasen-OP hatte ich Angst davor, dass sich an der Durchlüftung meiner Nase nicht geändert haben würde. Die OP verschlimmerte den Zustand nämlich.
Ich nehme ja seit Jahren alle paar Stunden Nasenspray, damit ich normal sprechen kann und mit geschlossenem Mund atmen kann. Vor allem nachts.
Ich hatte erwartet, dass sich durch die Operation alles lösen würde. Stattdessen wurde es nach der OP schlimmer. Seitdem musste ich mindestens einmal alle zwei Stunden sprühen. Besonders nachts war das frustrierend, da mein Schlaf ohnehin nicht der beste ist.
Weil ich mittlerweile schon so viele Jahre sprühe, nehme ich den Spray auch prophylaktisch. Zum Beispiel, wenn ich ins Bett gehe. Auch wenn meine Nase zum Zeitpunkt des Schlafengehens noch offen ist, sprühe ich natürlich, damit ich erst mal zwei oder mehrere Stunden Ruhe habe. Das nennt man wohl Sucht. Sucht mit weiser Voraussicht.
Am Donnerstagabend vor dem Zubettgehen griff ich also wieder zum Fläschchen, mir fiel aber ein, dass der letzte Griff zum Fläschchen schon eine Weile her war. Da war ich noch im Büro. Das waren mehr als sechs Stunden. Aber meine Nase war frei wie nach einem frischen Sprühstoss.
Das freute mich, ich wollte es aber nicht riskieren, in einer Stunde wegen meines verstopften Rüssels wach zu werden. Also verabreichte ich mir eine Dosis.
Am nächsten Morgen um 7 Uhr war mein Geruchsorgan immer noch frei. Wahrscheinlich dauerte es einfach diese zwei Wochen, bis sich die Schleimhäute nach der OP wieder beruhigten und jetzt hat sich alles zurechtgelegt und -gezogen, wie es die Intention war. Ich verstand, dass das dieser langersehnte Moment sein könnte, auf den ich so viele Jahre gehofft hatte. Ich beschloss, nicht zu sprühen, nahm das Fläschchen dennoch mit auf die Gassirunde. Aber von Stunde zu Stunde wurde mir bewusst, dass meine Nase geöffnet blieb.
Kurz nach Mittag schrieb ich eine Nachricht: ich habe schon seit 13 Stunden nicht mehr gesprüht.
Das ist bisher so geblieben.
Ich trage das Fläschchen zwar immer noch mit mir herum, aber ich vergesse es mittlerweile. Früher hatte ich immer ein panisches Gefühl, wenn ich es nicht bei mir trug. Ich fuhr schon mehrmals deswegen von der Kneipe nach Hause oder in die Apotheke. Einmal kehrte ich vom Weg ins Stadion um und schaute das Spiel zu Hause. Ohne Fläschchen geriet ich in Panik.
Diese Abhängigkeit scheint jetzt vorbei zu sein. Ich freue mich alle paar Stunden darüber und sage zu meiner Frau ständig: ich kann es gar nicht fassen. Meine Nase ist immer noch frei.
In ein paar Tagen werde ich versuchen, ohne Spray aus dem Haus zu gehen.
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Am Nachmittag fuhren wir zur Demo gegen Rechtsextremismus und die AfD. Mehr als 150.000 waren vor Ort. Wir fuhren mit der U-Bahn. Die U-Bahnen waren gut gefüllte gelbe Sardinendosen, aber wir passten noch hinein.
Die Demo war dann kein Demonstrationszug, wie es in 2018 die grosse Unteilbar-Demo war, sondern eine Kundgebung vor Ort mit mehreren Rednerpulten und Musikeinlagen.
Früher, als ich selbst noch Barrikaden anzündete, interessierte ich mich sehr für Protestformen, mittlerweile störe ich mich an den meisten Arten. Natürlich vor allem an angezündeten Barrikaden. Aber auch Rednerpulte sind eine davon. Ich finde, wenn man viele Leute bewegen will, dann ist es wesentlich wichtiger, dass etwas passiert. Wie blöd es auch klingen mag: Menschen sollen Spass haben. Menschen sollen gerne zur Demo kommen. Menschen sollen sich als Teil von etwas fühlen.
Heute hatte ich das Gefühl, dass die meisten Menschen etwas verloren in der Gegend herumstanden, nicht genau verstanden, was los ist. Man hört die Reden zwar, weil aber so viele Menschen anwesend waren, wusste man nicht, woher die Stimmen kamen. Zudem verstand ich auch den Inhalt der Reden nicht, bzw. ich verstand nur jedes zweite Wort. Ich empfand es eher als anstrengend.
Viele Teilnehmerinnen verliessen die Demo bereits ab 14Uhr. Wobei ich fairerweise sagen muss, dass gleichzeitig viele Menschen erst zu jener Zeit kamen. Immerhin hielten sich auch weit ausserhalb der Demo, Unter den Linden, so viele Menschen auf der Strasse auf, dass sie gesperrt war.
Die Unteilbar-Demo fand ich hingegen richtig gut. Das war ein Demonstrationzug mit verschiedenen Wagen auf denen Musik gespielt wurde und wo kurze politische Ansagen gemacht wurden. Wir waren immer in Bewegung, konnten Musik wechseln, wie es uns passte. Man war eine Wucht an Menschen, die zeigten, dass wir mehr sind als die Rechten und dass wir dabei Spass haben.
Ich brauche auf einer Demo keine Reden, wir alle wissen, warum wir da sind, wir wollen Präsenz zeigen, dass wir mehr sind, dass wir zusammengehören, dass wir alle noch da sind und es uns ein Anliegen ist. Das ist es, was diese Zeiten brauchen.
Ich fürchte, dass der Zulauf abebben wird, wenn solche Zusammenkünfte irritierend sind. Vielleicht empfinde aber auch nur ich so.
Auch traf ich noch die Menschen von meinem Fanclub. Wir hatten eigentlich einen Treffpunkt vereinbart, aber da meine Frau und ich zu spät waren, fanden wir sie nicht sofort wieder. Ich bat einen Freund per Whatsapp, mir den Standort zu teilen, das Mobilfunknetz war aber völlig überlastet. Die Nachricht fand erst ihr Ziel, als wir ein paar Stunden später am Alex einfuhren.
Wir trafen sie dennoch zufällig. Meine Freunde hielten ein Schild mit der Hertha Fahne hoch, auf der stand: „Liberté, Egalité, BSC“