Morgens früh übergab ich die Hündin der Dogwalkerin und fuhr dann mit der Bahn zum Flughafen. Dort traf ich meinen Kollegen, mit dem ich in dem Flieger stieg und wegflog. In Amsterdam fuhren wir direkt ins Büro und besprachen uns mit den Kollegen. Morgen würden wir eine lange und lange geplante Präsentation über Securitythemen geben. Danach gingen wir ins Hotel und direkt anschliessend weiter nach Amsterdam Zuid-West. Dort hatten wir einen Tisch im Blauw reserviert. Das gilt als das beste Indonesische Restaurant ausserhalb Indonesiens. Zum Blauw gibt es einen etwas älteren Text hier im Blog. Oder vielleicht eher einen Text über das nicht-Blauw.
Dummerweise liegt das Restaurant etwas ausserhalb, man läuft vom Dam aus etwa eine Stunde. Man muss also umständlich mit der Tram hinfahren, oder man nimmt sich ein Fahrrad, oder eben ein Taxi. Allerdings kann man dafür durch den schönen Vondelpark spazieren. Zumindest wenn man Zeit hat. Wir wählten den Weg zu Fuss durch den Park. Wir hatten viel zu besprechen. Das Essen war dennoch phantastisch. Weil wir mit dem Besprechen nicht mehr fertig wurden, fuhren wir mit einem Uber zurück in die Stadt und gingen ins Hoxton, wo wir noch Bier und Whisky tranken.
Morgen fahre ich wieder nach Amsterdam. Dabei wurde die Planung umgeworfen, statt am Nachmittag zu fliegen, muss ich bereits um 9:45 am BER sein. Mein Kollege hat den Runway für uns gebucht, damit kommen wir schneller durch die Security. Die Security ist ja immer noch der Flaschenhals in Schönefeld. Ich weiss ja genau, was da das Problem ist, es ist die Art, wie die Rollbänder für den Sicherheitscheck angelegt sind. Wie sie im neuen Schönefeld gebaut wurden, kann eigentlich immer nur eine Person gleichzeitig Taschen und Jacken entleeren und sich für den Check bereitmachen. Alle anderen müssen warten. Erst wenn die vordere Person durchgewunken wird, kann die nächste Person ihre Sachen in die Wannen auf den Rollband auspacken. Dadurch dauert alles dreimal oder viermal so lang.
Es ist ein gutes Gefühl, ganz genau verstanden zu haben, warum die Welt nicht funktioniert.
Der frühe Termin bringt meine persönliche Planung durcheinander. Wir müssen eine Lösung für die Hündin finden. Ich denke mir mehrere Szenarien aus, zB sie in die Firma zu bringen und jemanden in mein Büro zu setzen, sie hat ja mehrere Menschen im Büro, die sie mag. Meine Frau würde am Abend in mein Büro fahren und sie abholen. Aber das ist natürlich alles nicht ideal. Die Nachbarin und Freundin von gegenüber hat eine Katze, das verträgt sich nicht. Die Nachbarin vom Nebenhaus ist gerade im Urlaub in den USA. Die Nachbarn mit denen wir Tür an Tür wohnen, kennen wir noch nicht gut genug, bzw die sind gerade auch nicht da, kommt mir vor. Deswegen schrieb ich auch die Dogwalkerin an, ob sie noch einen Platz auf ihrer Hunderunde vom Dienstag haben würde. Ja, sagte sie. Hatte sie. So einfach ist das manchmal.
Am Abend packen. Ich hasse packen. Aber das sagte ich schon. Ich schob das Packen bis 22Uhr, dann steckte ich einfach alles schnell ein.
Die Billyregale stellte ich dann für 30Euro auf Kleinanzeigen.de. Zuerst meldeten sich verschiedene Menschen, die nur Teile davon haben wollten, ich wollte aber nur das Gesamtpaket loswerden. Schliesslich meldete sich eine Frau, die würde es heute Abend abholen. Die Frau schrieb knappe, sehr zielgerichtete Sätze. Ich habe öfter schon Möbel über Kleinenzeigen angeboten. Immer, wenn eine Frau sich mit deutschem Namen meldete und dabei kurze Sätze schrieb, kamen schliesslich zwei oder drei kräftige und wortkarge, männliche Osteuropäer. Zumindest wenn ich Möbel anbot oder Elektrowaren. Sie sehen immer wie Schlägertypen aus. Immer. Und lächeln nie. Nie.
Am Nachmittag war die Mitgliederersammlung von Hertha BSC. Der wichtige Teil war die Nachwahl für das Präsidium. Sie dauerte wieder tausend Stunden. Immerhin wurden zwei meiner Favoriten gewählt.
Am Abend kamen dann zwei glatzköpfige Osteuropäer und holten das Billysystem ab. Einer beäugte die Regale, bemängelte die Hinterseite, die sich gelöst hatte, ich sagte, das sei normal wenn sich der Schrank bewegt. Muss man einfach wieder festnageln. Er sagte OK und liess den anderen 30 Euro an mich aushändigen. Dann schleppten sie die Teile runter. Kein Hallo kein Tschüss. Ich glaube diese Typen kann man aus dem Katalog bestellen.
Am Freitag ist nicht viel geschehen. Nur Arbeitsbezogenes. Und darüber berichte ich ja nicht.
Der Samstag hingegen begann mit einem Anruf von Ikea, dass sie gegen 11 Uhr das Regal bringen würden. Wir wollten das langjährige Billyregal durch ein kleineres, tiefes Kallax Regal ersetzen. Ich habe nicht genau verstanden warum meine Frau das machen will, aber ihre Ideen sind in der Regel gut und wenn es das Ziel ist, unsere Bücherschränke zu reduzieren, dann findet sie bei mir immer Anklang. Mir sind Bücherschränke mittlerweile zuwider. Es sind Staubfänger und altmodische Angebergegenstände, ausserdem sorgen sie für eine unruhige Oberfläche an den Wänden.
Wir haben nur noch zweieinhalb größere Buchregale, diesmal war das Regal im Wohnzimmer an der Reihe. Zuerst räumten wir alle Bücher aus und verteilten sie auf Ablageflächen in der Wohnung. Die Bücher waren grösstenteils doppelt gereiht. Vorne die schönen Bücher, die hässlichen oder peinlichen dahinter. Es kamen immer mehr Bücher zum Vorschein, das Wohnzimmer, der Flur und Teile der Küche waren danach kaum noch benutzbar. Alles lag voll mit Büchern.
Es kam viel Staub ans Tageslicht, aber auch lange vergessene Bücher, u.a. die niederländische Version von Hugo Claus‘ „De Geruchten“, ich las damals noch auf niederländisch. Ich dachte immer, Hugo Claus hätte den Nobelpreis für Literatur gewonnen, eine kurze Googlesuche ergab aber, dass dem nicht so ist. Dann fand ich auch das verschollen geglaubte Exemplar von Stephen Kings „Es“. Dieses Buch taucht lustigerweise sehr oft in diesem Blog auf. Vor allem, weil ich es vor 13 Jahren las und danach in regelmässigen Abständen vom verschollenen Buch „Es“ schrieb.
Wir nahmen uns vor, viele Bücher auszusortieren. Das war eine Bedingung von mir. Zwar sind die Kallax Regale tiefer, also kann man die Bücher auch dreifach reihen, aber mir war wichtig, dass wir auch aussortieren. Mir fällt das leichter als meiner Frau. Meine Frau rettet ständig meine Bücher. Ihre eigenen sowieso. Ihre Bücher haben aber öfter einen Wert als meine, sie besitzt richtig alte, englische und schwedische Bücher, die oft mit Widmungen ihrer Grosseltern versehen sind.
Irgendwann zückte sie das Telefon und zeigte mir eine App namens Momox. Momox ist eine Firma, die gebrauchte Bücher, DVDs, Cds und Spiele aufkauft. Mit der App scant man schlichtweg die Strichcodes, dann wird einem der Einkaufswert angezeigt. Das fanden wir aussergewöhnlich spannend und wir scannten einfach mal wild drauflos.
Bei einem Wert von 0 kaufen sie es nicht. Uwe Tellkamp hatte Wert „0“. Immerhin die gebundene Ausgabe des Turms. Auch Judith Hermann hatte 0. Thomas Glavinic auch, undsoweiter.
Die erste Preiskategorie schien mir 15 Cent zu sein. Ich glaube die 15 Cent sind der Einstiegspreis, bei dem ein gewisses Interesse ermittelt wurde, man sich aber nicht viel Gewinn erwartet. Darunter fallen gar nicht so viele, wie man erwarten würde, aber immerhin viele Bücher von Paul Auster, Murakami, Coetzee und ähnliche Bücher aus dieser Kategorie. Auch John von Düffel, zumindest die gebundenen Versionen.
Sachbücher sind hingegen sehr populär. Für die erhält man oft zwischen 5 und 9 Euro. Bücher über Architektur oder Geschichte. Aber auch die Erstausgaben von Rainald Goetz. Für „Dekonspiratione“, „Rave“ oder „Irre“ wird jeweils 9 Euro geboten. Aber die verkaufe ich natürlich nicht.
So begannen wir zunächst nach Buchwert zu sortieren. Architektur der Nachkriegszeit, Design, Innenarchitektur, Ernährung, Geschichte. Diejenigen die uns was bedeuten, behielten wir, diejenigen, die einen Wert hatten, legten wir auf den Momox Stapel, und diejenige, die keines von beiden hatten, kamen weg.
Später machten wir weiter mit Romanen, die man mal gelesen hat aber nicht mehr weiter in Erinnerung geblieben sind. Diese Kategorie fiel mir sehr leicht.
Seltsamerweise gibt es doch noch viele Bücher, von denen ich mich nicht trennen kann, beispielsweise das irische Tagebuch von Flenn O’Brien oder auch alle Bücher von Agota Kristof. Im ersten Jahr unserer Beziehung lasen meine Frau und ich einander die ersten drei ihrer Bücher vor. Das war eine sehr eindringliche Zeit mit drei sehr eindringlichen Büchern.
Auch von Thomas Pletzingers Bestattung eines Hundes kann ich mich nicht trennen. Ich hatte zuerst seine Reportage über den Basketbalclub Alba gelesen und ausserordentlich gut gefunden, daraufhin kaufte ich seinen Roman „Bestattung eines Hundes“. Zwei Wochen später lernte ich ihn zufällig auf einer Lesung von Isa Bogdan kennen und wir hatten noch ein langes und anregendes Gespräch, das wir später mit Isa und anderen in einer Aftershow-Kneipe fortführten. Als ich ihn heute googelte, sah ich, dass er kaum noch Texte veröffentlicht. Das ist sehr schade.
Und dann gibt es natürlich die ungelesenen Bücher, die mir einen grossen Penis verleihen, wenn ich sie im Regal stehen habe, wie zB Ulysses von James Joyce (zehn Seiten gelesen), Thomas Mann, Hans Fallada. Oder auch die Blechtrommel von Grass. Wobei ich Mann und Grass vielleicht noch weggebe. Momox gibt 15 Cent dafür.
Den Grossteil der aussortierten Bücher müssen wir nach wie vor selber entsorgen, weil sich Momox nicht dafür interessiert. Vielleicht bringt es was, sie in einem Karton auf die Strasse zu stellen. Das sieht man hier im Kiez ja ständig und die Kartons werden immer schnell geleert.
Der Momox Stapel hat mittlerweile einen Wert von 93 Euro. Und wir sind noch lange nicht fertig.
Am Nachmittag schlossen wir ein Mitglied aus unserem Fanclub aus. Weil das Mitglied sich antisemitisch auf Social Media äusserte. Wir hätten nicht gedacht, dass das in unserem Fanclub einmal geschehen würde. Es gab bereits vor einem Jahr ein Gespräch mit dem Mitglied, weil es sich bereits damals so äusserste. Damals hatte das Mitglied kein Einsehen, hörte aber mit den Äusserungen auf und deswegen versandete es wieder. Jetzt mit dem Angriff der Hamas brach alles wieder auf.
Es ist nicht der klassische westliche Antisemitismus von rechts, sondern die Free Palestine Fraktion. Sie kommt aus der linksradikalen Ecke. Ich kenne das aus meiner Jugend, ich hatte auch immer Sympathien für die unterdrückten, steinewerfenden Palästinenser, die vom bösen israelischen Staat mit Panzern beschossen wurden. Die Geschichte verfängt, und die Erzählung des illegitimen Staates Israel lugt gleich um die Ecke hervor. Die Themen vermischen sich, und das ist das gefährliche daran.
Wir liessen die Äusserungen von offiziellen Organisationen für uns einordnen, was dann recht eindeutig ausfiel. Das ganze Prozedere nahm viele Leute aus meinem Fanclub ziemlich mit.
Abends ging ich mit Kollegen zum Israeli. Das war Zufall. Als ich den ersten Schluck vom Bier nahm, bemerkte ich den Zufall erst. Ich fands lustig.
Wir assen gebackenen Blumenkohl und Sabich. Das Hummus teilten wir uns. Ich könnte das immer essen.
Durch meine Gleitsichtbrille fühlt sich die Welt ein bisschen wie aus einem Aquarium heraus an. Das fiel mir besonders in Spitzbergen auf. Erst als ich eine Stunde ohne Brille herumlief, näherte ich mich der Realität. Vorher betrachtete ich alles aus einer gewissen Distanz, wie aus ein Aquarium eben. Ohne Brille sehe ich die Realität nicht mehr ganz scharf, aber ich erfasse davon mehr, also das Raumgefühl, die Perspektive ist weiter.
Vermutlich gewöhnt man sich daran. Es wird ja nicht so sein, dass Menschen mit Brille realitätsfremd werden.
Am Abend las ich T’s Text. Ich schaltete in LibreOffice den Korrekturmodus an, um Änderungen, Korrekturen und Vorschläge mit einzuarbeiten. Ich fremdle etwas mit dem neuen Korrekturmodus in LibreOffice/OpenOffice. Zum einen erkennt man die Änderungen im Text optisch nicht mehr gut, da die Korrekturfarbe hell-orange ist und am Schriftbildrand gibt es für Änderungen keine Möglichkeit mehr, die Änderung abzulehnen oder zu akzeptieren. Man erledigt das jetzt irgendwie in einem Batchmodus, aber verstanden habe ich das noch nicht. Es kann sein, dass das die Zukunft des Lektorats ist, aber für mich fühlt es sich sehr falsch an.
In diesem Zuge ist mir auch aufgefallen, dass OpenOffice nur noch träge weiterentwickelt wird und dem abtrünnigen LibreOffice hinterherhinkt. Nach dem langen Streit um die Lizensierung und den Namensrechten um OpenOffice finde ich das beachtlich, dass man da keine bessere Lösung findet. LibreOffice empfinde ich übrigens als einen doofen Namen, das „Libre“ weiss doch niemand, wie es ausgesprochen gehört, ausser im frankophonen Kulturkreis. Librö, Lyber, Lieber. Es fühlt sich ungelenk an. Man sollten sich bemühen, das vormalige „OpenOffice“ zurückzubekommen. Ich hätte auch OffenOffice gut gefunden. Das klingt fast wie ein Wortspiel und OpenOffice wurde ursprünglich ja von einer deutschen Firma in Hamburg entwickelt, damals als es noch StarOffice hiess, bis es durch SUN aufgekauft wurde, es wäre also auch eine Ode an die Wurzeln des Programms. Aber man kommt natürlich nicht auf die Idee, deutsche Wörter in internationalem Kontext zu verwenden.
Liest sich ein bisschen jammerig. Ist nicht so gemeint.
Ich hatte ein Meeting um 09:30. Für die anderen beiden Teilnehmer schien die Uhrzeit normal zu sein. Ich hatte seit Jahren kein Meeting mehr vor 11 Uhr. So fühlte es sich jedenfalls an, aber es stimmt natürlich nicht. Wegen der frühen Uhrzeit blieb ich gleich zuhause. Danach sass ich durchgehend in Meetings bis 17 Uhr.
Heute wäre Podcastaufnahmetag gewesen, weil meine Frau aber einen langen beruflichen Abendtermin hatte, sass ich heute mit der Hündin fest. Auf dem Olympiagelände darf man nämlich keine Hunde mitnehmen und die Geschäftststelle ist ja Teil dieses Geländes. Das ist eine Vorschrift des Senats, dem das Olympiagelände gehört. Aber Inis, Sabine und Saskia kriegen das auch ohne mich hin. Es ist für sie zwar weniger stressig wenn ich dabei bin, weil sie sich dann nicht um die Technik kümmern müssen, aber sie wissen, wie es geht, letztendlich muss man nur einen Soundcheck machen und darauf achten, dass die Anzeigebalken immer ein bisschen ausschlagen. Ich würde nach der Aufnahme die Audiodateien erhalten und sie dann zuhause zu einer Folge zusammenschneiden.
Als ich am frühen Abend mit der Hündin spazieren ging, sah ich eine Nachricht von T auf meinem Telefon. Wir wollten uns bereits vor einigen Wochen treffen, er hätte gerne über ein Textprojekt gesprochen, aber aus terminlichen Gründen war es nicht zu einerm Treffen gekommen. Ich antwortete ihm, dass ich heute spontan Zeit hätte, also trafen wir uns kurzfristig auf ein Bierchen im Brewdog.
Wir kennen uns eigentlich kaum. T is ein Herthafan um die 60 mit einem sehr aussergewöhnlichen Leben. Er war mal Mitglied in meinem Fanclub, hat sich dann aber aus verschiedenen Gründen, die ich hier nicht öffentlich ausbreiten möchte, dazu entschlossen, wieder auszutreten. Dennoch sind wir in Kontakt geblieben, weil ich ihn, nunja, mag. Er läuft schon seit längerer Zeit mit einer semifiktiven, autobiographischen Geschichte herum, die er in Teilen bereits auf Papier gebracht hat. Ich empfehle, die Arbeit an so einem langen Text immer durch andere Menschen begleiten zu lassen, vor allem, wenn man noch nicht viel Erfahrung mit Textarbeit hat. Man kann sich beispielsweise einer Schreibgruppe anschliessen, in der man die Texte der jeweils anderen bespricht. Mir hat das immer sehr geholfen, vor allem in handwerklicher Hinsicht und wir wissen alle, dass das Schreiben fast ausschliesslich Handwerk ist. Es hat mir auch sehr geholfen, mich von Passagen zu trennen, von denen ich mich alleine nicht trennen konnte.
Wir reden über die Neunzigerjahre, über Lebensläufe, Lebensentwürfe, er erzählt mir von Punk in Westberlin der Achtzigerjahre. Es ist ein netter Abend. Meine Hündin liegt unter dem Tisch und schläft.
Ich biete ihm an, die ersten beiden fertigen Kapitel zu lesen und Feedback zu geben. So verbleiben wir dann erstmal.
Gegen halb zehn Uhr gehe ich nach Hause, füttere sehr verspätet mein Tier und dann erhalte ich die Nachricht, dass die Podcastaufnahme im Kasten und downloadbereit ist. Also setze ich mich ans Schneiden. Leider ist die Qualität der Aufnahme in weiten Teilen sehr schlecht, einige Stimmen sind kaum hörbar, ich muss daher viel an den einzelnen Spuren arbeiten. Gegen Mitternacht bin ich aber fertig und bringe die Folge online.
Heute dann Twitter gelöscht. Nicht, dass ich auf Twitter je sonderlich aktiv gewesen wäre, aber die Platform stösst mich immer mehr ab. Ich achte sehr darauf, mich nicht in einer Blase zu befinden, die Massnahmen seit der Übernahme von Elon Musk haben aber nur alle möglichen, anonymen und destruktiven Kettenhunde losgelassen. Das hat nur noch wenig mit dem zu tun, was ich unter freier Meinungsäusserung verstehe.
Sonst war heute wieder der erste Arbeitstag nach dem Urlaub. Mental war ich noch nicht ganz da. Der Stapel an Themen ist schon wieder gross.
Abends las ich dafür mit einiger Verspätung die Texte von der Arktisreise ein. Das sind 47 Minuten Sprachaufnahme. Danach hatte ich lange keine Lust mehr zu reden. Kann man jetzt unten bei den einzelnen Einträgen, oder auch im Podcastplayer nachholen.
Beim Einsprechen der Einträge fiel mir auch auf, dass ich offenbar nie die vielen Kinderwagen erwähnte. Ganz Longyearbyen ist voll mit Kinderwägen. Oft auch auf einsamen Strecken, bei denen ich nur an Eisbären denken könnte. Zum Beispiel auch auf dieser einsamen Strecke im Schnee, die wir uns damals nicht getraut hatten zu laufen. Da spazierte einfach ein unbewaffneter Papa, seelenruhig mit seinem Kinderagen durch die Landschaft. Wollte ich nur gesagt haben.
Auf der morgendlichen Hunderunde das Frauchen von Paula getroffen. Es ist eine Frau etwa in meinem Alter, unsere beiden Hündinnen verstehen sich gut. Sie und ihr Mann kommen aus Israel. Als sie sich nähert begrüssen wir uns, ich frage sie, wie es ihr ginge, mit der Nachrichtenlage seit gestern. Sie sagt, sie könne gerade an nichts anderes denken, es sei furchtbar, sie sei froh, mit dem Hund aus dem Haus zu können um auf andere Gedanken zu kommen. Immerhin seien ihre beiden Familien nicht in Gefahr. Ich frage, ob wir über etwas anderes reden sollen, dann sagt sie: ja bitte. Dann reden wir aus Spass über das Wetter. Das funktioniert nur so mittelmässig. Wir reden auf englisch. Früher sprach sie oft deutsch, aber ihr deutsch ist sehr holprig, irgendwann schalteten wir immer auf englisch um. Mittlerweile reden wir von vorneherein englisch. Heute hat sie ihre beiden Töchter dabei. Die eine ist sieben oder acht, die andere ist sicherlich unter fünf. Die Ältere hat einen Zeichenblock dabei und zeichnet meine Hündin. Sie zeichnet auch die anderen Hunde auf der Wiese. Die Töchter reden deutsch wie berliner Gören. Das finde ich bei Eltern von ausländischen Menschen immer so lustig. Auch die Tochter eines iranischen Mitarbeiters. Als sie vor zwei Jahren nach Deutschland kamen, fand die fünfjährige Tochter keinen Anschluss bei anderen Kindern, weil sie kein deutsch sprach. Ein Jahr später traf ich sie im Büro wieder und sie klagte in perfektem und akzentfreiem deutsch darüber, dass sie ihrem Vater immer alles übersetzen müsse.
Ich glaube der Trick ist schlichtweg, dass Kinder sich keinen Kopf um Grammatik und Satzbau machen, sie reden einfach drauflos und machen die ganze Zeit Fehler aber durch das Drauflosreden machen sie irgendwann einfach alles richtig. Erwachsene Menschen trauen sich erst zu reden, wenn sie meinen, dass sie alles richtig beherrschen. Das ist natürlich quatsch. Und die Leute haben so Angst vor Artikeln. Das ist so unfassbar. Ich sage immer, dass sie sich keine Gedanken um Artikel machen sollen. Einfach den falschen Artikel verwenden, ein bisschen wie Lottospielen, man weiss immer was gemeint ist.
Aber Erwachsene und Fehler.
Ich verstehe die Lage in Israel immer noch nicht genau. Ich verstehe nicht, warum man es mit 9/11 vergleicht und es Zeitenwende nennt. Mir war als würde sich Israel vielen Staaten angenähert haben. Ich muss das noch weiterlesen.
Am Abend dann die ersten Hochrechnungen der Wahlen aus Bayern und Hessen. Die AFD ist überall zweistärkste Kraft.
Heute der erste routinierte Tag: aufstehen, mit der Hündin raus, zurück, frühstücken, Horrorfilm geschaut, dann ein Käsebrötchen mit Paprika gegessen und die ganze Zeit das Bedürfnis gehabt zu schlafen. Bei Horrorfilmen sind ja immer die ersten 20 Minuten die Besten. Die Nichtsahnenheit der Leute. Das Dahinplätschern des normalen Lebens. Wir haben vorher natürlich gelesen, dass da Horrorfilm drauf steht. Aber wenn das Monster kommt, wird es meistens langweilig.
Und plötzlich war Abend. Pesto gekocht, eine lustige Serie über eine Welt voller Superheldinnen geschaut. Extraordinary auf Disney+. Die Grundlage der Geschichte geht so: mit dem Erreichen der Volljährigkeit bekommen die meisten Menschen eine Superkraft. Mal nützlicher, mal weniger nützlich. Nur Jen ist Spätzünderin. Sie ist 25 Jahre alt und hat immer noch keine Superkräfte. Sie findet das nicht so schlimm, nur ein bisschen vielleicht, aber alle um sie herum finden es schlimm. Dann stellt sich heraus, dass ihre Katze eigentlich ein Mensch ist, der sich in eine Katze verwandeln kann. Er weiss aber nicht, wer er ist und wie man Mensch ist, dafür war er schlichtweg zu lange eine Katze. Undsoweiter.