Lesung in Berlin

Frau Modeste und Frau Wortschnittchen rufen „Essen, trinken, glücklich sein!
Auch ich wurde wieder zum Vorlesen eingeladen, diesmal um einen Text über Völlerei Liederlichkeit Trunksucht Essen vorzutragen. Ich fühle mich geehrt und freue mich sehr. Auf Berlin, auf die Berliner und auf vieles und gutes Essen. Und Trinken.
Kommt ihr auch?

Details zum Abend im Blog zur Lesung.

1. April
19.30 Uhr
Café Babel
Käthe-Niederkirchner Str. 2
10407 Berlin

Gedankenverloren an der grünen Ampel stehen.
Von einem Schüler angesprochen werden.
„Hey es ist grün, Sie dürfen laufen“

Dann sich fragen ob das ein guter oder ein schlechter Tag sein wird.

zum Thema "wunderbar"

Ich verstehe zwar nicht den Nutzen von Mindestenshaltbar.net, aber ich mag die Leute von Knallgrau. Weil sie Gutes tun, weil es Wiener sind und weil sie uns vielleicht den Weltfrieden bringen.
Deshalb gibt es seit heute auch von mir eine Geschichte dort drüben. Lesen sie weiter, wie dem Helden das Wunder blüht.
(ein alter Tagebucheintrag in neuem Mantel)

Sogar seit fünfzehn Jahren wiedermal ein scharfes ß geschrieben. Gleich zweiundzwanzig Mal.

Streuobst – 100% Direktsaft

Streuobst.... brrrr....

Streuobst, welch ein lieblich Wort für Apfelsaftäpfel. Wenn ich so zurückdenke, in meiner langen und steil nach unten führenden Karriere als Äpfelpflücker, wie wir immer sagten, morgen gingen wir Apfelsaft pflücken, weil das immer ein wenig, öh, besonders war.
Äpfelpflücken geht immer in zwei Durchgängen: erst pflückt man eine Woche lang Äpfel von den Bäumen, lässt die Faulen fallen, lässt auch die Angefressenen fallen, die Kleinen, die Hässlichen, die Farblosen, lässt auch die fallen in die man zwischendurch mal reinbeisst um etwas gegen den trockenen Mund zu unternehmen, man lässt auch die Äpfel fallen die man den Kollegen hinterherschmeisst, eigentlich ist die ganze Äpfelpflückerei eine ganze Fallenlasserei. Eine Karriere die nach unten führt eben. Steil. Wenn man mit dem Fallenlassen fertig ist, dann fängt der zweite Durchgang an: Apfelsaftplücken. So nannten wir das.
Wie Äpfel, die eine ganze Woche lang angeschlagen und angefressen im Gras unter dem Baum gelegen haben, aussehen, ist wohl nicht schwierig vorzustellen. Jolly die Spanierin, bekam immer Fieberblasen bei den komischen zweiköpfigen Würmern mit den grossen schielenden Augen. Kein Wunder, die schleppten immer eine fiebrige Schleimspur hinter sich her als seien es Nacktschnecken. Nur waren sie um einiges schneller als Schnecken und wirbelten wie verrücktgeworden mit dem Doppelkopf weit aus dem Apfel heraus wenn man den Apfel vom Boden hob um ihn in den Korb zu stecken. Sie hatten Scheren vorne an den Köpfen, die gingen auf und zu und auf und zu, die wollten töten, die Viecher.
Oft verfolgten mich die Würmer bis in die Träume, da lag ich erst noch seelenruhig in den Fängen einer Frau, die mich begehrte, mich gar in Fesseln legte, und als ich mich nicht mehr bewegen konnte, fing sie plötzlich an zu schielen, ihre Augen wurden gross und schwarz, ein ekliger Schleim floss ihr aus den Mundwinkeln, und schliesslich brach ihr Kopf entzwei und heraus kamen zwei Köpfe, mit Scheren. John aus Brixton nannte sie immer „Shrimps from Hell“. Ich habe danach viele Jahre in englischsprachigen Küchen verbringen müssen, um Shrimps nicht mehr mit diesen Apfelmonstern in Verbindung zu bringen. Nein, geliebt habe ich diese Viecher bei Gott nicht. Aber wurscht, alles rein in den Tschaggl, im Saft sieht man das nicht mehr.

Überdies gewöhnt man sich daran. Gleich wie man sich daran gewöhnt, Äpfel anzufassen, Äpfel, die da so hübsch im Gras herumliegen, von oben grünlich in der Sonne glänzen, doch sobald man sie ein wenig zu hart anfasst, man nur noch eine dunkelbraune, glitschige Masse zwischen den Fingern entgleiten sieht. Egal, alles rein in den Tschaggl, im Saft sieht man das nicht mehr.

Im Saft sieht man dann auch nicht mehr die anderen Würmer, die Würmer ohne den Scheren, die mit den roten Augen. Die sind lustig. Marek der Tscheche fand heraus, dass man die Rotäugigen mit Spucke verführen konnte. Die waren nämlich scheu, zogen sich immer in den Apfel zurück und das wollten wir natürlich nicht. Wenn man in das Wurmloch spuckte, krochen sie sofort wieder heraus, machte grosse rote Augen und gierten nach mehr. Was haben wir gelacht. Leider auch rein, in den Tschaggl damit.

Wenn bis zum Apfelsaftpflücken mehr als eine Woche vergeht, dann kriechen dort so kleine, weisse Dinger in den braunen Stellen des Apfels herum, viel zu klein um erkennen zu können ob es nun Fliegenkinder sind oder vielleicht doch nur kleine Scherenmonster. Im Katzenfutter würde ich sie Maden nennen, aber wie man die in Äpfeln nennt, weiss ich nicht. Egal wie die heissen, rein in den Tschaggl damit.

Rein in den Tschaggl auch mit den Äpfeln in der Pfütze, mit den Zertretenen, mit den vom Traktor Kaputtgefahrenen. Schnecke? Rein in den Tschaggl.

Seht es mir aber bitte nach, wenn ich statt 100% Direktsaft, 100% Drecksaft lese. Ich kann ja lachen. Das muss ein Freudscher sein.

mequibay

Ich muss zugeben, dass ich noch nie grosses Talent für Überschriften besessen habe. Trotz dieses Mankos habe ich jedoch einen sehr grossen und tollen Monitor zu verschenken. Mag jemand?

21Zoll, SONY, schon etwas älter, hat aber bisher einwandfrei funktioniert. Seit letzter Woche steht bei mir ein dünner Flachbildschirm auf dem Schreibtisch, des Platzes wegen und deshalb will ich ihn jetzt loswerden. Und ich habe keine Lust das Ding auf irgendeiner Börse zu verscherbeln. Lieber drücke ich ihn einem netten Blogger oder Bloggerinchen oder anderen Internetzumtriebigen in die Hände.

Für Selbstabholer, versteht sich.
Per Mail.

Versuch einer Kurzbio

Ein von mir sehr geschätzter Literaturverein (mehr dazu zu einem späteren Zeitpunkt) braucht eine Kurzbio von mir. Oh, nichts einfacher als das. Dachte ich:

Mek Wito, war Kuhhirte, Apfelpflücker, Hausbesetzer, wollte immer Löwendompteur werden. Er arbeitet heute in einem Büro.
1975 in den Dolomiten geboren, hat sonst nicht viel gemacht, ausser nicht zu studieren, nichts zu lernen und mit 14 die Schule zu verlassen. Als Kind fing seine Leidenschaft zum Schreiben schon an, als er lange Helden- und Gruselgeschichten schrieb, diese mit einem Umschlag und Zeichnungen vorsah und sie Mitschülern und seiner Lieblingslehrerin schenkte. Als er merkte, dass die letzten Helden schon lange den Löwen verfüttert waren, schrieb er, hoch enttäuscht, nur noch Gruselgeschichten. Bis er anfing sich selbst davor zu gruseln. Mit 19 veröffentlichte er einen Band mit Kurzgeschichten, Gedichten und Zeichnungen im Eigenverlag und finanzierte sich damit seinen kostspieligen Durst.
Nach langem Herumirren zwischen Milano, Padova, Berlin, Wien, Venedig, Paris und Zürich landete er in den Niederlanden wo er lange Jahre verblieb und versuchte sich zu festigen. Seine Häuser wurden ständig geräumt, was ihm heute noch als Ausrede für seinen unausgeglichenen Lebenslauf dient. In den Niederlanden publizierte er quer durch die subkulturelle Landschaft hindurch verschiedene Texte in verschiedenen (meist kurzlebigen) Blättern. Über mehrere Jahre hinweg schrieb er eine wöchentliche Kolumne über lokalrevolutionären Tratsch im subversiven Wochenblatt „Springstof“. Jahre später zog er nach Madrid und in jener Zeit fing er nach langjähriger deutschsprachiger Abstinenz, an, ein deutsches Weblog zu führen. Madrid wurde ihm irgendwann zu heiss und so zog dann nach Hamburg (Edit: Berlin), wo er heute lebt. In seinem Weblog schreibt er über Basilikumzucht oder über die Liebe. Je nach Resignation.

Dafür engagiere ich wohl besser jemand anders.

ein verregneter Sommer

(Erschienen in der Anthologie nr.2 von Kaffee.Satz.Lesen im Mairisch Verlag, Hamburg)

I.
Es plätscherte draussen schon seit vielen Tagen, als ich plötzlich und unangekündigt meinen Unmut verlor, in jener Nacht in der es auf einmal dämmerte, nachdem ich zweimal zu tief in ihre verregneten Augen geschaut hatte und schon weinselig dahinnieselte, noch der festen Überzeugung, ich liesse das mit der Liebe jetzt mal sein und widmete mich den richtigen Dingen, für ein standfestes Bein, die Lacher auf meiner Seite und ein anständiges Rückgrat auf meinem Arsch. Stattdessen verschob ich mein Wunschdenken auf Weihnachten zweitausendirgendwas, als ich sie auf ihre roten Lippen küsste.

II.
Wir verbrachten die Tage in grau. Für mich war sie Regen. Die grosse Schwingtür zum Balkon stand oft offen, während es draussen regnete, die Gardinen wehten im Wind, und sie sass inmitten meines grossen Zimmers auf dem Boden, den Rock ausgebreitet, barfuss, und zeichnete. Sie sprach nie viel, auch nicht, wenn wir alleine waren. Sie mochte diese Gewissheit, mich da zu haben, dass ich auf dem Sofa sass und schrieb, dass ich sie hin und wieder danach fragte, ob sie einen Tee wolle, wobei sie immer nickte, oder wenn wir stundenlang im Bett lagen, nackt, an die Decke starrten, während es draussen plätscherte, sie mit ihrem Kopf auf meinem Bauch lag und gedankenverloren meinen Penis streichelte wie ihr eigenes Haar und ihn dann in den Mund nahm. Bis ich kam. Und danach verträumt lachte, weil das alles war, was sie wollte, als sei ihr kleines Glück erfüllt. Dieses verregnete Beisammensein ohne viele Worte, bei dem Sex oft spielerisch naiv wurde. Auch wenn sie mich anrief, sprach sie von der Sehnsucht, ihren Kopf auf meinen Bauch zu legen, mir zuzuhören wie ich eine Melodie summe, ihren Kopf streichelnd aus dem Fenster schaue, und dabei einzuschlafen.
Sie besuchte mich fast jedes Wochenende, unsere Städte lagen drei Stunden voneinander entfernt. In den Tagen dazwischen schrieben wir uns Mails, Dutzende täglich. Sie war glücklich darüber, in meinem Bett schlafen zu können, ihre Alpträume verschwänden, wenn sie bei mir schliefe, ihre Alpträume, die sie immer quälten, sie nachts oft mehrmals aus dem Schlaf rissen. Wenn es ganz besonders schlimme waren, rief sie mich an und wir redeten lange, über ferne Länder, über lustige Menschen, die wir kannten, und meistens sagte sie, sie wolle ihren Kopf auf meinen Bauch legen und manchmal schlief sie damit ein. Nur “Gute Nacht” sagen, das durfte ich nie, weil ich sie dann alleine gelassen hätte, in ihrem dunklen Zimmer, in weiter Ferne.
Tagsüber wollte ich, dass sie mir von ihren Träumen schrieb; alles aufschreiben sollte sie, nicht vergessen was sie nächtens plage, nie davor weglaufen, als hätte ich Ahnung davon. Jeden Vormittag kam erst ihre Guten-Morgen-Mail und eine halbe Stunde später ihr Alptraum. Immer geordnet, als sei es ab jetzt ihre tägliche Aufgabe, wie das Zähneputzen, mit der Betreffzeile “mein heutiger Alptraum”. Und oft folgten darauf im dreissig-Minuten-Takt eine oder zwei, manchmal gar drei oder vier weitere, mit der selben Überschrift. Anfangs antwortete ich oft auf ihre Schilderungen der schlechten Träume, versuchte mich damit auseinanderzusetzen, natürlich ohne Erfolg. Aber das schien sie nicht zu kümmern, sie schrieb und schrieb, und es schien ihr Freude zu bereiten diese Mails für mich zu schreiben, als täte sie es gar nicht für sich selbst, sondern als ob sie sich in dieser Rolle gefiele, diese Aufgabe zu erledigen.
Nach sieben Wochen brach sie die Routine. In der Betreffzeile der ersten Mail am Morgen stand: “Kein Alptraum heute?”. Kein weiterer Text. Ich weiss noch, wie unpassend ich das Fragezeichen fand, als sei sie erstmal verwundert gewesen und müsse erst lange darüber nachdenken, bevor sie sich freuen könne. Die Alpträume kehrten dann auch am zweiten Tag nicht zurück und auch nicht am dritten Tag. Am vierten Tag schrieb sie, jetzt seien sie weg.
Meine Freunde mochten sie. Auch wenn sie nie ein besonderes Verhältnis zu jemandem aufbaute. Sie nahm keinen Platz ein, machte sich schmal, verhinderte jegliche Unannehmlichkeit, indem sie in den Ecken sass, wenig sprach, um nichts Falsches zu sagen und doch den Eindruck erwecdkte, unentwegt an allem teilzunehmen. Und immer wurde sie ausdrücklich eingeladen, wenn es eine Feier gab, oder wenn Freunde auf der Bühne spielten, “nimm SIE auch mit”, weil sie so selbstverständlich dazugehörte, so plötzlich, als sei sie schon immer da gewesen, und doch ging es immer über mich, immer sollte ICH sie einladen, nie wäre jemand auf den Gedanken gekommen, sie selbst anzurufen, obwohl sie mit den Frauen die Nummern ausgetauscht hatte, weil man sich wiedermal sprechen wollte, die Neue, sie war doch so nett, sie sollte dabei sein, und sie kam immer, sie war glücklich, mit mir auf Konzerten den Klängen zu lauschen, in dunklen Ecken den Menschen und gefärbten Lichtern auf der Bühne zuzusehen, die Hüfte im Rhythmus zu wiegen und im Rotweinnebel zu versinken.

III.
Als wir einmal betrunken waren, in einer Nacht mit argentinischem Tango auf einem dieser antiken roten Sofas sassen und mich eine fatalistische Laune ergriff, weil eben alles so vergänglich war, und weil ich plötzlich wusste, dass ich sie nicht wirklich liebte, sondern nur dem Regen in ihren Augen verfallen war, da sagte ich es ihr, unüberlegt und dahingeworfen zwischen Aschenbecher und Martini, dass ich sie nicht lieben könne, dass sie mich trotz ihrer langen Beine und ihrer sinnlichen Lippen eigentlich unglücklich mache. In wenigen kargen Sätzen nur, als hätte sie das ohnehin wissen müssen, wegen der Art, in der wir uns liebten, wie wir die Tage verfliessen liessen, wie unverbindlich und vergänglich unsere Worte immer waren.
Und so hob ich mein Glas und prostete im Stillen auf das verschwundene Glück in die Leere hinein, weil das mit dem Glück ja eh immer so eine Sache ist, die gerade bei Schönwetter wieder abzieht, und mir nicht gegönnt war und mich dabei fröhlich machte, als würde ich gerne darüber lachen.
Sie veränderte ihre Haltung nicht, führte das Glas Martini langsam zu ihrem Mund und sah weiterhin den tanzenden Paaren zu.
Als ich mich, innerlich noch prostend, in meiner schwermütigen, fröhlichen Rotweinmelancholie zu ihr umdrehte, konnte ich förmlich sehen wie ihre Augen plötzlich anschwollen und ihr Gesicht in einer Flut von Tränen ertrank. Ich erschrak, wie ich sie so vor mir sah, wie ihr ganzes Glück, das sie zu haben glaubte, in ihren Augen zerbrach und den Mascara samt ihrem unbeschwerten Zeichnen bei mir Zuhause, aus ihrem Gesicht schwemmte, als sei ein Gewitter losgebrochen. Ich wollte nach meinen gesprochenen Worten schnappen, sie zurückholen. Doch als ich danach griff, hielt ich bloss ihren Körper, der willenlos geworden war und sich gegen nichts mehr wehrte, in den Händen. Sie war untröstlich, wendete ihr Gesicht von mir ab und ich bereute meine Worte.
Doch warum eigentlich? – Weil ich die Worte besser hätte wählen können? Weil ich auf einen anderen Augenblick hätte warten sollen, weil wir zu viel getrunken hatten und ich sie nicht traurig machen wollte? – Weil es die Wahrheit war.
Ich nahm sie mit raus, weg von den Scherben, hinaus in den Regen, zog sie an den nächtlichen Grachten entlang, ich redete nicht, weil es dann doch nichts gab, was ich hätte zurückziehen können, hätte sollen, lief nur neben ihr her, während sie stampfend voranschritt, mit gesenktem Kopf, vor Wut, vor Tränen, mir alle dreissig Meter mit beiden Fäusten an die Brust schlug, auf den Rücken, wie ich halt gerade stand. Auf den Brücken hielt sie manchmal an, schaute in das Wasser, spuckte ihren Blicken hinterher, sagte dann nichts. Nichts, ausser lautem Schluchzen. Und ich schaute ihren Blicken nach.
Nach etlichen Brücken und Grachten und Gassen kamen wir uns dann wieder näher, hielten einander irgendwann wieder die Hände, wärmten einander.
Und lagen später nebeneinander im Bett, nackt, weil wir immer nackt im Bett lagen, starrten an die Decke, als ob alles, was man sich nicht zu sagen hatte, dort oben verschwinden würde, in den Zwischenräumen der Löwen und Rosen im Stuck. Ich streichelte ihre Brust, küsste ihre linke Warze, sie lächelte, und weinte, ich sagte bloss, sie solle das alles nicht so schwer sehen, dass Liebe bloss vergänglich sei, in ein paar Tagen, Wochen, könnten wir wieder an den Grachten spazieren, ohne Schmerzen, weil sie sich vielleicht in jemanden verguckt hatte, der sie eher lieben würde als ich es je tun könne. Sie nickte und wir hielten einander fest, als wäre alles wieder gut, und morgen wäre alles, wie es nun mal sein würde. Sie drehte sich um, mir den Rücken zugewandt, drückte sich an mich heran und so lagen wir eine ganze Weile und hörten einander beim Atmen zu, obwohl es eher ihr Herzklopfen war, das ich an ihrer Brust spürte, dem ich lauschte.
Dann zog sie ihre rechte Pobacke hoch, griff nach meinem Penis und legte ihn dazwischen. Ich hatte gleich eine Erektion und hielt mich an ihrem Hüftknochen fest. Sie presste ihren Hintern in meinen Schoss.
An einem regnerischen Tag hatte sie mir mal gesagt, dass sie Flieder mochte, Flieder, wegen der ganzen weissen oder roten Punkte in all dem wilden Grün, weil es eigentlich bloss ein Strauch sei, der sich fühle wie eine wunderschöne Blume und ein grosser Baum zugleich, und trotzdem nicht zu wissen scheine, wofür er sich nun entscheiden solle. Flieder mache sie immer glücklich. Ich drückte sie mit der Brust nach unten aufs Bett, legte mich auf sie und drang in sie ein.
Einen Flieder würde ich ihr pflanzen, für ihren Garten, der in Wirklichkeit lediglich ein winziger, zubetonierter Innenhof war, den sie halt Garten nannte, weil sie Basilikum und Rosmarin in einer Vase wachsen liess und man sich bei Schönwetter darin sonnen konnte. Ja, einen Flieder würde ich ihr kaufen. Das Gesicht leicht zur Seite geneigt stöhnte sie mir leise zu, ich solle meinen Penis hinten rein tun, in den Anus, weil das nicht so weh tue: das erregte mich und ich zögerte keinen Augenblick, suchte behutsam nach der richtigen Öffnung und drang schliesslich dort ein, wobei ich mich wieder über sie hinweg legte, meine Arme unter ihr hindurch, sie fest an meinen Körper drückte, und dann überflog mich dieser Gedanke, wie komisch das doch sei, dass es sie hinten weniger schmerze als vorne, welch eine verblüffende Sexyness sie manchmal in wenigen Worten zu Tage legen konnte, wie gerne ich eigentlich mit ihr schlief, und ich ihr das deshalb sagte, im Rausch des Aktes –
“Du erregst mich so sehr.”
“Ich weiss, warum genau?”
“Wie du mich von hinten haben willst.”
“Vorne geniesse ich zu viel von dir. Das ertrage ich nicht.”
Ich glaube, ich verstand es nicht sofort. Ich keuchte noch etwas und erschlaffte dann augenblicklich.
Sie weinte.
Mir war zum Heulen.

IV.
Das nächste Wochenende sagte ich ab, ich könne sie nicht empfangen, ich sei anderweitig verpflichtet. An der Bar, diesen merkwürdigen Schatten in meiner Brust wegzuspülen. Am Tag darauf kam morgens eine E-Mail. In der Betreffzeile stand “Mein heutiger Alptraum”. Ich drückte auf den Antwortknopf und verharrte lange Minuten mit den Fingern an der Tastatur, bekam aber keine einzige Taste eingedrückt. Da liess ich die Antwort ausbleiben.
Wir telefonierten ab und an. Ich wies sie ständig ab. Ich könne an jenem Wochenende nicht, an jenem auch nicht. Dann stand sie eine Woche später vor meiner Wohnungstür. Ich liess sie herein, sie setzte sich auf das Sofa und zündete sich eine Zigarette an, nervös zitternd, schaute zu Boden. Draussen regnete es. Erst als ich sie fragte, wie es ihr denn so gehe, hob sie zögernd ihre Stimme und wollte wissen, was sie falsch gemacht habe, fragte aber nicht, als ob ich ihr eine Antwort darauf geben solle, sondern leise und mit aufkommender Feuchtigkeit in ihren Augen, als wolle sie nur hören, dass ich sie sehr wohl immer noch liebte, als solle ich sagen, ich wolle es noch einmal versuchen, es sei bloss eine Laune von mir gewesen.
Aber meine Erklärungen trafen weder sie noch den Punkt, weil meine Erklärungen den Regen beschrieben, den sie immer mit sich herumtrug, diese grauen Tage, die ich immer so liebte, für die ich sie so hasste, weil am Ende immer nichts übrig blieb – von mir. Sie stand auf, umarmte mich, ich erwiderte die Umarmung, entwand mich kurz darauf wieder und setzte mich auf das Sofa.
Sie blieb dort stehen und weinte, griff sich mit einer Hand ins Gesicht zog ihr Kleid aus, und das bisschen das sie noch darunter trug, ohne, dass ich es wirklich merkte. Und so stand sie da, mitten in meinem Zimmer, nackt, und sah mich an, als solle ich sie nehmen, als sei sie ganz die Meine, ich müsse sie nur wollen.
Ich hielt es nicht mehr aus. Und bat sie, zu gehen.
Der kleine Fliederstrauch, den ich ihr zwei Monate später hatte schicken lassen, kam zurück. Die Karte, die daran baumelte, war zwar rot, liess mich aber nichts Erfreuliches ahnen. Ich liess einige Stunden verstreichen, bevor ich sie las und erfuhr, dass “ich” ihr Alptraum sei.
Danach öffnete ich die Balkontüren, in der Hoffnung, der Regen hätte endlich aufgehört.