[Fr/Sa/So, 28-30.10.2022 – Kein freier Tag, Reisetag, Ankunft]

Nach den etwas verrückten zwei Tagen in Amsterdam wollte ich mir eigentlich einen freien Freitag gönnen. Morgens schaute ich dann in den Kalender und sah, dass ich mehrere Termine hatte, die ich nicht guten Gewissens absagen konnte. Und so arbeitete ich eigentlich den ganzen Freitag hindurch.

Überhaupt war mein Plan ein ganz anderer. Der Plan war so: meine Frau würde am Freitag in Bayern auf einem Kongress sein, ich würde gegen Freitagmittag mit der Hündin auf der Rückbank losfahren und in der Nähe von Augsburg übernachten. Am Samstagfrüh würde ich meine Frau von ihrem Hotel abholen und wir würden über den Reschenpass nach Südtirol fahren.

So viel zum Plan.

Da meine Frau erkrankte, fiel ihre Dienstreise aus und weil mir die Amsterdamreise und die Freitagstermine dazwischengegrätscht waren, änderte sich der ganze Plan.
Innerlich hing ich immer noch daran fest, am Freitagnachmittag bzw -Abend zu fahren. Zumindest ein Stück bis nach Franken, das teilt die lange Autofahrt in verdaubare Häppchen. Aber ich war immer noch etwas zittrig von der Aktion in Amsterdam und meine Frau war leidlich, also liess ich es sein und wir gingen ins Bett.

Am Samstagfrüh stiegen wir dann ins Auto und fuhren in den Süden. Es ist eine lange Fahrt. Es gab Momente, die mir schwer fielen. Vor allem auf der Strecke zwischen München und Kufstein hing meine Konzentration in den Seilen. Ab Innsbruck ging es wieder besser.

Als wir ankamen, traf ich meine Nichte, meine Neffen und meine Mutter. Und alle wollten mein Tier kennenlernen. So viel Aufmerksamkeit war die Hündin nicht gewohnt. Danach kamen alle Kinder mit zu meiner Mutter, wo ich gastieren werde, und wir schliefen auch alle dort. Auf Sofas undsoweiter
Ihre Eltern, also meine Schwester und ihr Mann, waren auf einer Spontanreise zum Gardasee gefahren, aber die Kinder hatten keine Lust und blieben lieber bei Oma und ich rede mir gerne ein, dass sie sich auf mich freuten.

Den nächsten Tag verbrachte ich mit den Kids. Morgens gingen wir mit der Hündin auf einen langen Spaziergang, dort trafen wir Olivia mit ihrer Hündin. Das lustige daran ist, dass meine Frau und ich mit Olivia und ihrem Mann am nächsten Tag bei verabredet bin. Und wir machen uns schon seit Wochen Gedanken darüber, ob sich unsere Hunde vertragen. Heute trafen sie sich unerwartet und spontan im Hundeauslauf und verstanden sich auf Anhieb. Auf neutralem Boden geht das meistens gut.

Die Jungs wollten danach mit mir zu Mediamarkt. Wir machen das immer. Ein bisschen in Mediamarkt herumhängen und Elektornikzeug anfassen und probieren. Die beiden sind 13 und 14 Jahre alt und Elektonik ist EVERYTHING. Da haben sie in mir einen grossen Freund. Wir kauften Steam-Gutscheine, weil wir miteinander online zocken wollen, sobald ich wieder zurück in Berlin bin.

Es ist ein bisschen lieblos, wie ich das hier aufschreibe. Ich bin hier sehr eingebunden, ich bin mir nicht sicher, wie gut ich in den nächsten Tagen Tagebuchschreiben kann. Wenn ich Dinge aufschreiben will, dann sitzt eigentlich ständig jemand neben mir und will reden. Ich muss dann immer sagen, dass ich arbeiten muss. Weil Arbeit, oh, Arbeit, das ist immer wichtig. Darf ich nur niemanden auf den Bildschirm schauen lassen, sonst sehen sie, dass ich über sie schreibe.

[Mi/Do 26./27.10.2022 – Spontanaktion nach Amsterdam]

Ja, gestern gab es keinen Eintrag. Wir hatten die halbe Nacht wieder technische Probleme auf der Abreit gehabt, als wir am Vormittag das Problem besprachen, hatte ich die Schnauze voll, also packten wir unsere Sachen, ich holte mein Auto und wir fuhren zu dritt nach Amsterdam ins Rechenzentrum. Wir kamen gegen acht Uhr abends an und begannen mit den Reparaturen. Der Plan war, das Ding zu fixen, etwa 2 Stunden, und dann würden wir wieder in das Auto einsteigen und zurück nach Berlin fahren. Ich war der einzige mit einem Führerschein, aber mit Roter Dosenbrause dürfte das womöglich zu schaffen sein, wenn wir wirklich in zwei Stunden fertig sind, wären wir um 6 Uhr morgens wieder in Berlin.

Wir wurden aber nicht in zwei Stunden fertig. Die Reparatur war wesentlich komplexer als gedacht. Gegen 3 Uhr morgens wurden wir erratischer, unsere Fehler häuften sich, wir beschlossen, uns ein Hotel zu suchen. Ein Ibis Hotel am Flughafen hatte noch offen und drei Zimmer für uns. Um vier Uhr legte ich meinen Kopf ins Kissen und schlief sofort ein.

Eigentlich hatte wir das Problem zu 90% behoben. Für die restlichen 10% bräuchten wir eine Hardwarekomponente und etwas Planung. Wir waren mit dem Plan ins Bett gegangen, dass wir am nächsten Morgen wieder nach Berlin fahren würden, auf die Hardwarekomponenten warten, um in einigen Wochen wieder zurück nach Amsterdam zu kehren.
Am Frühstücktisch besprachen die beiden Jungs aber eine geniale, alternative Lösung. So fuhren wir ins Rechenzentrum zurück und lösten das Problem wie besprochen.

Am frühen Nachmittag war alles repariert, wir waren happy, und fuhren zurück in den Osten. Gegen 22 Uhr war ich zuhause. Von den paar Stunden Schlaf, dem brummenden Rechenzentrum und den 16 Stunden Autofahrt vibrierte mein ganzer Körper, war ich weit von Müdigkeit entfernt. Als mein Kopf dann aber ins Kissen fiel, war ich sofort weg.

Auch wenn sich die ganze Aktion sehr stressig anfühlt, war es dennoch eine kurzweilige und unterhaltsame Fahrt. Wir quatschten viel, hielten einander bei Laune. Man fühlt sich in so einer Situation wie die Feuerwehr. Draussen sind die Bedingungen zum Kotzen, aber wir biegen das Ding jetzt um.

So und jetzt nehmen wir uns mal zwei extra freie Tage.

[Dienstag, 25.10.2022 – Was die Smartwatch wohl sagt]

Ich glaube, ich hätte heute sicherlich etwas zu berichten, aber da wir wieder ernste technische Probleme auf der Arbeit hatten, geht die Erinnerung in Nebel auf.

Ein Versuch der Rekonstruktion:

Ich ging ins Büro, organisierte Meetings zu den Ausfällen, gegen 3 Uhr hatten wir wieder einen kurzen Ausfall, dann schien alles behoben, gegen sieben ging ich nach Hause, um halb neun gab es wieder einen Ausfall, also arbeiteten wir und um halb 12 funktionierte alles wieder. Zu dem Zeitpunkt beschlossen wir, bis ein Uhr zu warten, da wir um ein Uhr immer Auffälligkeiten im Monitor sehen können. Um ein Uhr geschah aber nichts, also legten wir uns alle schlafen. Aber nach so einem Tag ist es schwer, sich wieder herunterzufahren. Bin gespannt, was meine Smartwatch zum Schlafverhalten sagt.

[Montag, 24.10.2022 – Iranische Molke, Wacholderwhisky]

Einer der iranischen Kolleginnen kochte heute iranisches Essen. Einen Eintopf mit Spinat und Kichererbsen. Auch noch anderes grünes Gemüse, aber ich kann mich nicht mehr erinnern, welches das war. Darüber streut man gebratene Zwiebel und getrockneten Knoblauch. Traditionell gibt man Schafsmilch-Molke in das Gericht.
Die Molke meines Kollegen befindet sich in einem Joghurtbehälter und trägt den Namen Whey. Whey kennt man ja vor allem als Nahrungsergänzunspulver für Bodybuilder. Jetzt wo ich das alles nachgeschlagen habe, weiss ich, dass das Pulver faktisch getrocknete und substrahierte Molke ist.

Anyway. Diese Molke des Kollegen war reduzierte und fermentierte Molke aus Schafsmilch und ist ein erstaunliches Lebensmittel. Gewöhnungsbedrüftig und intensiv, aber gut. Es ist natürlich als Beigabe in Flüssigkeit gedacht oder mit Milch verdünnt als Brotauftrich.

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Als ich am Samstag den finnischen Gin für die Gastgeberin der Gartenparty kaufte, blieb ich in Dr. Kochans Laden für Schnapskultur noch eine Weile hängen. Ich wollte schon öfter in diesen Laden gehen, da die Immanuelkirchstrasse aber nie so richtig auf meinen Routen liegt, schaffte ich es nie, den Besuch einzuplanen. Diesmal wurde ich aber gezwungen, weil es diesen Gin nur dort gab und ich wollte genau diesen einen Gin.

In dem Laden fand ich dann einen schwedischen Whisky. Das Besondere an diesem Whisky war, dass die Gerste auf eine besondere Art gemälzt wurde. In gewissen Teilen Schottlands, vor allem auf Islay, beendet man den Mälzprozess mit Torfrauch. Weil es halt überall Torf gibt und man es daher traitionell zum Heizen oder Konservieren von Speisen verwendet. Das erstaunliche daran ist, dass der Torfgeruch die Destillation und die jahrelange Lagerung übersteht und damit auch den Charakter des Whiskys im Wesentlichen prägt.

In Schweden sind Torfbestände rar (zumindest glaube ich das), dafür wurden beim Räuchern von Speisen traditionell Wacholdersträuche verwendet. Meine Frühstückswurst in Schweden ist eine Wurst, die über Wacholdersträucherrauch haltbar gemacht wurde. Das ist eine wirklich sehr gute Wurst.

Dann hielt ich diese Flasche in der Hand. Das Etikett sagt aus, dass es sich hier um ein Experiment handelt. Es wurde versucht, die Gerste mit Wacholdersträucherrauch mälzten, um so den schwedischen Geist im Whisky einzufangen. Oder weniger poetisch ausgedrückt: ein Whisky, der riechen würde wie meine Frühstückswurst in Schweden. Den musste ich haben.

Heute also probiert. Der Whisky ist mit seinen vermutlich 4 Jahren noch ein bisschen zu jung, daher etwas hart. Aber dieser Wacholderrauch ist sehr angenehm, fruchtig sogar. Ich kann mir gut vorstellen, dass das als 12jähriger ein richtig guter Whisky wird. Mal abwarten, wenn in ein paar Jahren die neuen Abfüllungen kommen.

[Sonntag, 23.10.2022 – kränklich, Heimsieg]

Ich kränkelte heute. Gegen Mittag beschloss ich, nicht ins Stadion zu gehen. Ich mag nicht krank werden, nächste Woche wird anstrengend und am Freitag fahre ich nach Südtirol. Besser ruhig bleiben. Nach dem Spiel wollte ich einem Fanclubfreund meine Dauerkarte übergeben, die er dann zwei Wochen später beim Spiel gegen Bayern verwenden kann. Weil ich heute aber nicht zum Spiel gehen würde, verabredeten wir uns beim Gassigehen und er würde mit meiner Karte einfach noch jemanden mit einschleusen.

Ich hatte eine dicke Jacke übergezogen, aber draussen waren es 19 Grad, das hatte ich gar nicht auf dem Schirm. Irgendwie dachte ich, der Tag sei frühwinterlich. Das lag wohl daran, dass ich kränkelte. Ich trug also diese viel zu warme Jacke und ich schwitzte schon beim Denken.

Was tat ich den Rest des Tages? Sehr wenig.

Am späten Nachmittag schaute ich das Spiel gegen Schalke. Eines unserer schwächeren Spiele, aber wir gewannen diesmal endlich zuhause. Man sah die gute Stimmung auf den Rängen. Und bei den lauschigen Temperaturen. Bereut habe ich es schon. Es ging mir am Abend auch schon etwas besser.

[Samstag, 22.10.2022 – Manuskript, Rainer S, Gartenparty in Mahlsdorf]

Meine Exfreundin aus den Niederlanden schickte mir heute die ersten 50 Seiten ihres Manuskriptes. Sie schreibt gerade an einem teilweise autobiographischen Roman, der von ihrer Zeit in Zimbabwe erzählt. Sie sieht sich nicht als Schriftstellerin, sie veröffentlich aber regelmässig Bastel- und Workshop-Bücher für Kinder. Allerdings läuft sie schon seit Jahren mit dieser Geschichte aus Afrika herum und nun scheint sie den richtigen Ton dafür gefunden zu haben.

Mich freut das sehr für sie. Auch ich komme in der Geschichte vor, sie überlässt es aber mir, ob ich bei meinem richtigen Namen genannt werden will.

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Rainer Schaller ist vermutlich tot. Sein Privatflugzeug ist mit ihm an Bord, in der Karibik verschwunden. Mittlerweile hat man Trümmerteile und nicht identifizierte Leichen gefunden. Rainer Schaller kenne ich persönlich, weil ich in 2012 bei McFit arbeitete und damals für den Rollout der IT in Italien und Spanien zuständig war.

Ich kannte ihn nur in beruflichem Kontext. Damals gab es wieder einen Prozess gegen seine Person wegen der Katastrophe auf der Love Parade in Duisburg. Keine Ahnung wie er damit umging, dass eine von ihm organisierte Veranstaltung zu 21 Toten führte. Mich würde so etwas fertig machen. Er war in meinen Monaten bei McFit aber immer nur professionell, nett.

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Am Nachmittag gingen wir auf eine Geburtstagsfeier einer Freundin nach Mahlsdorf. Die Feier war als Gartenparty angelegt, wir konnten also das Tier mitnehmen, auch weil noch andere Hunde da sein würden.

Wir fuhren mit meiner Freundin Doro im Auto. Mahlsdorf ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht besonders gut zu erreichen. Wir bräuchten mehr als eine Stunde, mit dem Auto hingehen sind es dreissig Minuten. Ich fahre aber ungerne mit dem Auto zu einer Feier, ich trinke nämlich nicht wenn ich fahre, allerdings gehe ich auch nicht auf eine Party, wenn ich nichts trinke. Das erste und letzte Mal, an dem ich mit einem Auto zu einer Feier fuhr, war auf einer Hochzeit in Sardinien. Da ich es nicht gewohnt bin, auf Feiern keinen Alkohol zu trinken, vergass ich das Trinken vollends und bekam furchtbare Kopfschmerzen deswegen. Auch Tabletten und nachträgliche Wassermengen schafften es nicht den Schmerz zu besänftigen.
Soviel zu meiner Erfahrung mit rauschlosen Nächten.

Doro fuhr mit dem Auto und bot sich an uns mitzunehmen.

Auch Anne war da. Sie war den ganzen Weg von PBerg nach Mahlsdorf geradelt. Anne war übrigens auch auf jener Hochzeit in Sardinien zugegen. Lustiger Zufall, dass diese beide Umstände völlig kontextlos in einem einzigen Tagebucheintrag untergebracht sind. Dabei hatte ich jene Sardinienfahrt 2016 gar nicht im Blog erwähnt. Das hatte damals Gründe.

Die Feier ist sehr liebevoll ausgerichtet. Der grosse Garten mit Lichterketten und Herbstthemen geschmückt. Am hinteren Ende des Gartens brennt ein Feuer. Drumherum sind feste Strohballen ausgelegt, auf denen es sich ganz vortrefflich sitzt. Es gibt ein selbstgebrautes Coffee Porter und phantastische, vegetarische Speisen, ausserdem ein superfette Torte, von der mir nachher der ganze Mund klebt. Die beiden Gastgeberinnen sind Bloggerinnen von früher, wir kennen uns schon lange. Sie lieben Skandinavien und Hunde. Der Ehemann braut Bier und kennt sich mit Whisky aus. Wir haben also immer viele Themen.

Als Geschenk bringen wir einen finnischen Gin mit, in dem arktischen Preisselbeeren verarbeitet sind. Das passt thematisch zu unserer Freundschaft.

Auf der Rückfahrt hängt ein leichter Nebel über der Stadt. Die Lichter verwischen. Doro spricht mich darauf an, dass ich meine Hündin immer als ‚das Tier‘ bezeichne. Ich weiss, dass das etwas seltsam klingt. Ich empfinde so viel Liebe für dieses Tier, dass ich sie aus Selbstschutz als Tier bezeichne. Das gibt mir ein wenig Distanz wenn ich über sie schreibe. Vielleicht muss ich das aber ändern.

[Freitag, 21.10.2022 – Iran, Ukraine usw.]

Wir haben auch drei Mitarbeiterinnen aus dem Iran in meiner Firma. Gespräche über die gegenwärtige Situation in deren Land ist schwierig. Sie sind deprimiert. Alle drei beklagen, dass es bei den Protesten keine Führung gibt, dass es niemanden gibt, der die Mullahs stürzen und von denen übernehmen könne. Alle drei sind innerhalb der letzten 8 Monate aus dem Iran geflohen, alles ist noch sehr frisch, ihr Kopf ist noch in Persien.
Wie fundiert die Einschätzung ist, weiss ich nicht.

Wir haben auch Kolleginnen aus Russland und der Ukraine bei uns. Man redet wenig darüber. Es ist alles so eindeutig und derprimierend. Ab und zu spreche ich das Thema an, es findet aber nie ein Austausch darüber statt. Was die Russen allerdings einheitlich sagen: Deutschland schätzt Putin immer falsch ein. Putin sei nur militärisch zu besiegen.

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Eigentlich wollte ich meine Frau und das Tier zu Feierabend auf einen Aperitiv treffen. Es ist Freitag, es war wieder eine harte Woche. Aber dann, um kurz vor vier, gibt es wieder Probleme auf unserer Platform in der Firma. Ich kam erst spät nach Hause. Es ist gerade sehr ärgerlich.

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Das ist das Tier. Ich meine, dass ich hier noch nie ein Tierfoto gepostet habe.

[Donnerstag, 20.10.2022 – Psychogramm, AI, künstliche Face- und Dickpics]

So viel Text der sich in diesem Blog über die Jahre hinweg ansammelt. Aufgrund der Subjektivität des Textberges wird man in ein paar Jahren mit der sogenannten AI ein detailiertes Psychogramm über mich erstellen lassen können. Davor habe ich ein bisschen Angst. Vor allem wegen der Tagebucheinträge, diese sind allesamt unlektoriert und unkorrigiert, es is also mehr oder weniger Rohmaterial meiner Psyche. Aber bei so viel unlektoriertem Text kommen ja auch die unschönen Seiten mit raus, die vielen kleinen Eitelkeiten, die vielen kleinen Überheblichkeiten, die ich sonst gut zu verbergen weiss, bei dieser selbstreferenziellen Textmenge lässt sich viel wegfiltern, aber die kleinen Eitelkeiten nicht, kleine Überheblichkeiten auch nicht und all die kleinen, miesen Charaktereigenschaften rutschen immer hindurch, aber man sieht sie erst, wenn man länger darin liest.

Ich schaffe es nur die grossen Themen rauszufiltern, zB die privaten Themen, die ich nicht im Internet haben will, der Filter ist etwas grobmaschig. Vielleicht doch einmal ein anonymes Zweitblog, aber die paar Versuche hielten nie lange durch.

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Apropos AI. Heute besprachen wir Betrugsfälle im Internet und einer der Entwickler zeigt uns wie man per AI schon künstliche Gesichter automatisiert erstellen lassen kann -> This person does not exist. Jedes dieser Gesichter (mit Reload kann man neue Bilder erzeugen) gibt es nicht. Es kommt Grusel über mich.

Das gleiche gibt es übrigens für Schwanzbilder -> This dick does not exist (NSFW). Fanden wir alle lustig. Aber bei den Penissen gibt es noch ein paar Bugs, wie man sehen kann.

[Mittwoch, 19.10.2022 – Rosl, Leben]

Gestern spät am Abend schrieb mir meine Mutter, dass es meiner Tante Rosl nicht besonders gut geht und sie vielleicht nicht mehr lange lebt.
Heute früh starb sie dann.

Rosl ist einer der Tanten, die ich in meiner Ahnengalerie beschrieben habe. Eigentlich hatte ich keine wirkliche Beziehung zu ihr. Ich besuchte sie manchmal noch im Altersheim, aber sie wusste schon seit einigen Jahren nicht mehr, wer ich bin. Seit zwei Jahren erkannte sie auch meine Mutter nicht mehr. Meine Mutter war die letzte, die sie noch hatte.

Eigentlich sollte mich ihr Tod nicht besonders berühren, sie war alt und vegetierte schon seit Jahren, für sie war es vermutlich eher eine Erleichterung, mindestens aber egal. Was mich aber dennoch den ganzen Tag schon deprimiert, ist der Gedanke daran, dass ein Leben zu Ende gegangen ist, das eigentlich ein Scheissleben gewesen ist. Sicherlich hat sie auch wenig daraus gemacht, sie hätte es ändern können, andererseits hatte sie aber auch nicht die Instrumente, etwas aus ihrem Leben zu machen. Und vielleicht hat sie es auch nicht gewollt. Oder nicht gewusst.

Deprimiert mich trotzdem.

Und es erinnert mich daran, leben zu müssen. Ich lebe gerne und ich versuche mit den mit zur Verfügung stehenden Instrumenten gerne zu leben und letztendlich geht es wohl darum gerne zu leben, oder? Das schliesst natürlich Schwierigkeiten und Löcher mit ein, aber ich möchte am Ende dieses meines Lebens ungerne ein Gefühl haben, nicht gerne gelebt zu haben. Mit zunehmendem Alter merke ich, dass mir das stets wichtiger wird, die Dinge gerne zu machen. Das kann auch ein Problem sein, ich liebe Probleme. Aber es gibt Dinge, die ich nicht gerne mache. Manchmal muss ich solche Dinge machen, aber ich versuche sie zu vermeiden.

Das Klingt jetzt alles wie eine Kalenderphilosophie, aber es beschäftigt mich heute. Gerne leben.

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Nach der Arbeit traf ich mich mit meiner Fussballfreundin Sabine im Brlo. Ich weiss, ich habe schon oft geschrieben, dass ich das Brlo nicht mag, aber es ist unfassbar einfach, sich dort zu treffen.
Wir blieben draussen, es war zwar kühl, aber noch nicht kalt, wir setzten uns an einen dieser Stehtische, neben uns ging eine Wintersonne unter und verschwand in Schöneberg.

Wir redeten über das Älterwerden. Im weiteren Sinne auch darüber, gerne zu leben.