Mir ging es gestern wieder nicht gut. Als wäre ich wieder krank. Oder vielleicht immer noch krank. Im Laufe des Tages schlief ich dann viel, danach ging es mir wieder besser. So kam ich schliesslich nicht dazu, den Tagebucheintrag zu verfassen. Zugegebenermassen passiert aber auch nichts erzählenswertes, wenn man im Bett liegt. Zumindest nicht, wenn man dabei alleine ist.
Vor einem Monat hatte ich ja einen Bürostuhl bestellt. Heute fiel mir während eines Meetings dieser Stuhl wieder ein. Die Lieferzeit war mit 14 Tagen angegeben, deswegen rief ich bei der Hotline an und fragte nach dem Status. Die Frau am Telefon klärte mich auf, dass die Lieferzeit keine 14 Tage betragen würde, sondern 14 Wochen. Also dreieinhalb Monate.
In 14 Monaten ist Weihnachten. Das sagte ich so. Sie sagte: ja. Sie sagte auch, dass sich um Weihnachten herum die ganze Logistik in einem Engpass befände, es könne also gut sein, dass der Stuhl erst Anfang Januar käme.
Sie bot mir an, die Bestellung zu stornieren, ich bat aber um Bedenkzeit. Es hing schliesslich davon ab, ob ich einen anderen Stuhl sähe, der mir ausreichend gefällt. Es war ja schon schwierig diesen einen zu finden.
Nach einigem Herumgooglen fand ich einen ähnlichen, aber nicht ganz so schönen Stuhl, den ich nun stattdessen bestellte. Mit einer Lieferzeit von drei Tagen. Tagen, genau. Habe ich extra noch danach geschaut.
Am Abend gab es dann Action auf die ich überhaupt keine Lust hatte. Ich lief mit der Hündin zum späten Spaziergang durch meine Strasse, dann riss sie plötzlich an der Leine und wollte umkehren. Das unterband ich natürlich, aber sie zog dermassen fest an der Leine, dass ich neugierig wurde. Ich wollte wissen, was sie erschnüffelt hatte. Sie macht das öfter mal, wenn sie irgendeine interessante Rüdenmarkierung an einer Strassenlanterne riecht. Wenn sie an der Leine ist, dann ziehe ich sie aber immer mit, das ist die Regel. Heute war sie aber sehr von dem Geruch überzeugt, also liess ich es nach einiger Bedenkzeit geschehen. Ich war neugierig.
Ich kann mich nur noch ganz wage an Bildern erinnern. Sie schnüffelte sich an Bürgersteig und Hauswand entlang. Ich scante mit meinem Blick mit, ich sah nichts Auffälliges, nur die eine oder andere Verpackung hier und da und ein Stück türkisfarbenes Plastik. Einige Sekunden später hatte sie ihre Schnauze in einem grössere Öffnung neben einer Regenrinne gesteckt und frass ganz offensichtlich etwas. Ich riss sie sofort zu mir und öffnete ihr das Maul, griff ihr mit dem Finger unter die Zunge und in alle Ecken, in denen sie Futter verstecken kann, sie hatte es aber bereits geschluckt. Anfangs dachte ich, nunja, wieder ein Stück Döner, aber dann fiel mir auf, dass ich das türkisfarbene Stück Plastik nicht mehr sah.
Es war ein handtellergrosses Stück Plastik. Vielleicht gross wie ein halber Handteller. Vielleicht war es auch rosa, es sah aber nicht nach Lebensmittel aus, deswegen hatte ich es ignoriert. Es muss aber offensichtlich stark gerochen haben, sonst hätte sich meine Hündin nicht so sehr danach verzehrt. Aber Rattengift riecht ja nicht stark, mit Gift präparierte Köder allerdings schon.
Und damit fing die Panik an. Zuerst dachte ich: ruhig bleiben und beobachten. Aber das mit dem Ruhigbleiben klappte nicht wirklich. Ich rief meine Frau an, die sich gerade in Finland befindet, sie wurde auch panisch, sie schlug vor Frau Casino anruzufen, die kennt sich ja mit Hunden aus. In der Zwischenzeit lief ich in den Park. Frau Casino meinte, dass man sich nie sicher sein kann, türkisfarbene Sachen sind in der Regel nichts Gutes. Sie würde eher in Erwägung ziehen, in die Notfallpraxis zu fahren. Als ich im Park stand, sprach ich andere Umstehende an, was sie so tun würden. Die meisten würden ruhig bleiben und beobachten, aber ja, türkise Farbe klingt nicht gut.
Also stieg ich ins Auto und fuhr nach Biesdorf in die Notfallpraxis für Tiere.
Die Hündin war freudig erregt, so viel Action, so viele Leute und Gerüche von anderen Tieren, aber als sie den Fieberthermometer bekam, begann ihre Laune zu sinken. Als sie schliesslich eine Kotzspritze bekam, merkte sie schon, dass wir hier nicht auf einer Hundeparty waren. Nach der Spritze schloss man uns in einen kleinen Raum, der mit ein paar Papiertüchern und einer Plastikschüssel ausgelegt war. Sie sollte sich in die Schüssel übergeben und ich sollte gut darauf achten, dass nichts danebenginge.
Das grosse Kotzen begann dann auch ziemlich schnell. Zuerst rülpste sie, dann ging es in Schüben los. Es landete alles gut in die Schüssel.
Der Spuk dauerte etwa 30 Minuten, danach bekam sie wieder eine Spritze, aber diesmal gegen das Kotzen. Die Arzthelferin und ich studierten gemeinsam die übergebene Masse. Sie stocherte interessiert darin herum und klärte mich über den Inhalt auf. Neben Hundefutter und Gras befand sich eine ganze, unverdaute Salami darin. Das war wahrscheinlich das, was ich als handtellergrosse Fläche in Erinnerung hatte. Nicht türkis, aber immerhin salamirosa. Eine dieser billigen, hochverarbeiteten Salamis, kein Wunder, dass ich dachte, es sei Kunststoff.
Ob es ein Giftköder sei, könne sie nicht sagen. Üblicherweise erkenne man es schon, wenn etwas präpariert ist. Auf der Röntgenaufnahme sah es aus, als sei das Fleischstück aufgerollt gewesen, aber in der Schüssel war es schlichtweg eine ganze Salamischeibe. Der Fundort war aber seltsam. In dieser grossen Öffnung neben der Regenrinne, ein bisschen höhergelegt auf Sand oder so. Zumindest war es in meiner Erinnerung so. Da verirrt sich doch keine Salamischeibe hin.
Nun. 200 Euro später fuhren wir nach Hause.
Das Tier war nachher ziemlich apathisch. Es war spät geworden. Die Hündin stand lange verdattert mit hängendem Kopf im Hausflur und starrte vor sich hin. Ein sehr rührender Anblick. Ich streichelte sie lange. Ob sie verstanden hat, was da alles passiert ist, weiss ich nicht. Vermutlich wird sie auch nicht die Verbindung zu der leckeren Salami ziehen. Nächstesmal würde sie es wieder schlucken.
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