[Fr, 31.3.2023 – Besuchsdienst, Uber, Hummus, Märchenwald]

Ah, was ich gar nie erwähnte: ich suche schon seit längerer Zeit eine Organisation, die Besuchsdienste für alte Menschen vermittelt. Ich habe bald wieder mehr Zeit. Ich mag alte Menschen. Alte Menschen sind voller Geschichten. Ausserdem sind alte Menschen immer ein bisschen aussen vor.

Im Internet fand ich eine Initiative, die ich anschrieb. Unter der Woche erhielt ich eine Antwort. Die Antwort bestand aus einer langen Reihe an Fragen. Zu welchen Zeiten ich könne, ob ich auch Demenzkranke besuchen würde, ob ich Frauen oder Männer präferiere, welche Bezirke für mich infrage kämen usw. Ich antwortete, dass ich fast nur abends kann, also ab etwa 18 Uhr, dass ich keine Erfahrung mit Demenz hätte, aber wenn es aus deren Sicht unbedenklich sei, dann sei das für mich auch OK, und was das Geschlecht betrifft, so bevorzuge ich Frauen, aber wenn der Bedarf bei Männern grösser sein, dann gerne auch Männer.

Heute kam die Antwort. Wenn ich nur nach 18Uhr könne, gäbe es leider keinen Bedarf. Aber zwei demenzkranke Männer ab 16Uhr. Jetzt muss ich überlegen. Werde wahrscheinlich aber absagen. Diese Uhrzeit kann ab und zu funktionieren, ich kann es aber nicht garantieren.

Am Abend waren wir mit Freunden im Neni am Zoo verabredet. Ich war schon ewig nicht mehr da, ich glaube, das letzte Mal vor zehn Jahren, aber vielleicht habe ich auch das Zeitgefühl verloren, vielleicht ist es nur fünf Jahre her. Wir reden mit dem Taxifahrer über UBER. Er beginnt zu schimpfen. Er untermauert sein Schimpfen aber mit vielen Fakten. Er erzählt Anekdoten von Überfahrern, die am Steuer einschlafen, die nicht richtig fahren können und vor allem erwähnt er die vielen sexuellen Übergriffe, die mit Uberfahrern offenbar passieren. Das wusste ich nicht. Ich finde es vor allem bedenklich, dass eine einzige Firma den internationalen Fahrdienst zu kontrollieren beginnt. Für mich ist das keine gute Entwicklung. Auch wenn ich sonst immer jede Innovation sofort aufgreife, bei Fahrdiensten bin ich immer beim Taxi geblieben. Ich finde an Uber wenig innovativ, ausser, dass sie die Appbenutzung bei Fahrdiensten eingeführt haben.

Im Neni bestellen wir eine riesige Auswahl an Mezzes. Ich könnte mich ja in levantinischer Küche baden. Allerdings bin ich nicht unbedingt Fan von Hummus aus Roter Bete. Das Hummus aus Kichererbsen und Mangopuree finde ich allerdings gelungen.
Übrigens mag ich nachts die Sicht aus dem Neni, oder auch aus der Monkeybar nebenan. Weil man sich hier um 13. Stock am Rande des Tiergartens befindet schaut man gerade so über die Gipfel die Bäume hinaus auf das leuchtende Berlin auf der anderen Seite des Tiergartens, als wäre es eine weit entfernte Stadt. Alex, Brandenburger Tor, Reichstagskuppel, Charite, wie ein entferntes Versprechen hinter dem finsteren Wald, den es zuerst zu überwinden gilt, wie in den Märchen, wo die meisten Prinzen dann aber elend verenden.

Auf der hinteren Fensterseite hingegen, bäm, Kudamm. Ohne Wald dazwischen. Aber das ist natürlich auch super.

[Do, 30.3.2023 – Kühlschrank]

Gegen 1430Uhr kam der Kühlschrank. Ich hatte das Zeitfenster 17-20 Uhr angegeben und war deswegen nicht zuhause. Meinte Frau wollte das riesige Gerät nicht alleine in Empfang nehmen, da sie von zuhause aus arbeitete und bis 17Uhr in Meetings sass. Dann klingelte es aber um 1430 und eine Lawine an schwitzenden Männern überrollte sie. Das ist ziemlich überhaupt nicht ihr Ding.

Sogar die Hündin war aufgebracht, als die stöhnende Männer im Treppenhaus hörte. Obwohl sie gegenüber Pizzaboten, Postboten und Menschen überhaupt, immer sehr entspannt ist, brachte sie dieses bedrohlich klingende Gestöhne von Männern mit einem riesigen Teil auf dem Rücken total in Rage. Sie musste weggesperrt werden.

Ich kam dann erst um fünf Uhr.

Da der Kühlschrank zuerst 8 Stunden stehen muss, bevor man ihn einschalten darf und es dann nochmal mehrere Stunden dauert, bis er richtig funktioniert, verarbeiteten wir die Lebensmittel aus dem Tiefkühlfach zu einem Gericht. Was sich anfangs abenteuerlich anfühlte, war am Ende einfach Lachs mit Spinat und Haferreis. Wir hätten noch Brechbohnen dazugeben können, aber das schien uns nicht zu passen. Die Himbeeren würde ich morgen zum Frühstück essen und das viele Gin-Tonic-Eis ist ja eh nur Wasser.

[Mi, 29.3.2023 – Tattootermin, Linkspräferenz]

Heutefrüh hatte ich einen Tattootermin, weswegen der Eintrag vom Dienstag ausfiel. Ein Termin um halb zehn ist mit meiner gemütlichen Morgenroutine samt Hundemanagement wirklich herausfordernd. Dabei bin ich eher Frühsaufsteher. Aber ich liebe meine langsamen und langen Morgenstunden mit Kaffee und Internet, und nach einer Stunde mit dem Tier bin ich dann bereit für alle Aufgaben.

Wie ich bereits vor einigen Wochen erwähnte, ist diese Tätowiererin für mich neu. Wir geraten aber schnell ins Quatschen, wir reden hauptsächlich über die Arbeitswelt, sowohl meine wie ihre, nachdem ich ihr erzähle, dass ich bei einer Datingfirma arbeite, reden wir übers Dating. Sie datet vor allem mit Tinder, ist aber genervt davon, dass Leute auf Tinder immer so querfeldein daten. Wenn sie mit Menschen über Tinder Sex hatte, dann erfuhr sie später, dass dieselben Typen noch mit anderen Menschen schliefen, sich aber auch wieder mit ihr für Sex trafen. Das mag sie nicht so, sie nennt es Fleischmarkt. Zwar hat sie nichts dagegen, wenn Menschen mit vielen Menschen schlafen, aber wenn die Anziehung für ein zweites Mal reicht, dann hätte sie gerne mehr Exklusivität. Sie sagt aber auch, dass die Typen, die sie optisch gut findet, meist Arschlöcher sind.

Ich finde es ja schade, dass ich die Zeit der Datingapps nicht wirklich miterlebt habe. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das mit der Exklusivität nach ihren Vorstellungen gehandhabt hätte.
Wir redeten noch viel mehr übers Dating, aber es fehlt mir gerade der Drive, das in lesbarer Form aufzuschreiben.

Komplimente von Tätowiererinnen: du hast eine angenehme Haut zum Tätowieren, sie ist fest aber geschmeidig, nimmt alles auf und blutet nicht.
Darauf bilde ich mir jetzt etwas ein.

Nach zwei Stunden auf der Bare hatte ich Nackenschmerzen. Nach der dritten Stunde war es vorbei und mein Nacken steif.

Am Nachmittag wollte ich wissen, ob meine Hündin lieber das Trockenfutter aus Fisch mag, oder das Futter aus Geflügel. Dafür liess ich sie vor mir auf dem Boden sitzen. Ich liess sie an beiden Futterkörnern riechen, hier Fisch, hier Hühnchen, legte sie dann weit neben mir, eins links eins recht, wiederholte das mit dem Riechen mehrmals, hier Fisch, hier Hühnchen und legte sie wieder hin. Sie verfolgte meine Bewegungen sehr genau. Als ich sie wählen liess, wählte sie das Hühnchen an meiner Rechten.
Also wiederholte ich das Spiel, tauschte diesmal allerdings die Plätze des Futters. Hühnchen links, Fisch rechts. Dann nahm sie den Fisch, der diesmal an meiner Rechten lag. Ich tauschte erneut und sie nahm das Futter wieder von rechts. Sie hat vermutlich keine Futterpräferenz, sondern eine Linkspräferenz (aus ihrer Sicht).

Ich muss mal googlen wie man eine Futterpräferenz testen kann.

[Mo, 27.3.2023 – Schnee, Flusspegel, schwedisch lernen, Kühlschrankmöbel]

Es schneit.

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Ich werde jetzt schwedisch lernen. Da meine Frau und ich das Holzhaus im schwedischen Wald übernehmen, ist es ganz praktisch, wenn ich die Sprache einigermassen sprechen kann. Ich verstehe vieles, bin aber weit davon entfernt zu sagen, dass ich schwedisch verstehen würde. Momentan gibt es einen halben Aufstand in der Gemeinde, in der sich unser Häuschen befindet, weil irgendein böser Kapitalist ein Wasserkraftwerk bauen will, das den Fluss um zehn Zentimeter anheben würde und damit unser Flussufer im Frühjahr zweimal öfter überschwemmt werden würde, als dies bisher der Fall ist.
Genau. Ich habe jetzt Probleme ganz neuer Art: ein Flusspegel im schwedischen Nirgendwo.

Zuerst standen wir der ganzen Sache etwas gleichgültig gegenüber. Ein zehn Zentimeter höherer Flusspegel ist nicht die Hölle und ein Kraftwerk, das kein CO2 ausstösst, ist eigentlich ja auch keine schlechte Sache. Aber es summierten sich die negativen Kleinigkeiten, zum Einen ist es bereits sein zweiter Anlauf um das Kraftwerk zu bauen, inzwischen hat er viele Ländereien aufgekauft, damit es weniger Klägerinnen gibt, dann befindet sich die ganze Gegend in einem Naturschutzgebiet, über das er sich einfach hinwegsetzen will, und zum Schluss hat er allen Anrainern mit Flusszugang einen Schadenseratz von 500 schwedischen Kronen Schadensersatz zugessagt. Fünfhundert schwedische Kronen sind fünfzig Euro. Diesen fingierten Schadenersatz fanden wir so frech, dass wir uns auf die Seite der anderen geschlagen haben. Ausserdem sind das unsere potentiellen, zukünftigen Nachbarn, es ist ohnehin besser, sich mit denen gut zu stellen. Ich muss jetzt also Gesetztestexte verstehen, Nachrichtentexte lesen können, und sowieso, wenn da ein Holzhaus viele Monate im Jahr leer im Wald herumsteht, sollten wir dort einigermassen vernetzt sein.

Es leben dort aber kaum Menschen. Der Bauer, der den Aufstand anführt lebt drei Kilometer flussabwärts. Eine Frau, die uns schon einmal zu kontaktieren versucht hat, wohnt näher dran, etwa einen Kilometer flussaufwärts. Die anderen wohnen alle weiter weg. Ich freue mich aber schon sehr darüber, diese Menschen zu besuchen. Mich in deren Wohnzimmer zu setzen, einen Kaffee oder einen Tee zu bekommen und vielleicht gibt es sogar Smörgastbröd, oder diese mit Brot und Salatblättern gestapelten und in Majo sowie Zitronensaft getränkten Krabben. Nur quatschen kann ich noch nicht. Und die meisten älteren Menschen in der Gegend können kaum englisch, manchmal gehen Satzfetzen auf deutsch, aber wir sind hier schliesslich nicht in Stockholm oder Göteborg.

Daher habe ich jetzt Duolingo installiert. Zwar las ich viel schlechtes darüber, wie sehr die Gamification nervt aber irgendwo muss ich ja anfangen. Mit meiner Frau werde ich nicht schwedisch üben, das funktioniert in einer Beziehung nicht.

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Am Abend baute ich den Kühlschrankmöbel in der Küche ab. Wir haben einen neuen Kühlschrank gekauft, der alte ist jetzt ziemlich genau 14 Jahre alt und wir bemängeln schon seit Jahren, dass er zu klein ist. Der neue Kühlschrank ist aber dermassen gross, dass er nicht in das Ikea-Möbelteil hineinpasst, unter dem der Kühlschrank bisher stand. Weil der Möbel ziemlich ineinander verbaut ist, musste ich den gesamten oberen Teil abbauen. Keine Ahnung, was ich mit diesem Teil nachher anstellen werde. Meine Frau schlug mir vor, das Möbelteil einfach obendrauf zu bauen und eine entsprechende Verblendung zurechtzuschneiden und diese bündig anbringen. Ich mag es sehr, dass sie mir immer so viel Handwerklichkeit zutraut. Das macht sie immer, sie meint es ernst, sie traut es mir wirklich zu. Auch wenn die Dinge, die ich mache, nie wirklich schön werden und ehrlicherweise auch nur teilweise gelingen. Sie traut mir immer alles zu. Das rührt mich. Und ich sage immer: ich schaus mir mal an.

[So, 26.3.2023 – Sonntag, Urlaubspläne]

Ich liebe Zeitumstellung. Wirklich. Und ich hasse die immer wiederkehrenden Diskussionen in den Medien, in denen sie mir die Zeitumstellung wegnehmen wollen.

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An den Wahllokalen vorbeigegangen. Ich darf ja nicht wählen. Meine Hündin rannte in ein Wahllokal hinein. Sie weiss genau, in welchen Situationen ich nicht so harsch zu ihr bin. In fremden Innenräumen zumbeispiel. Da pflaume ich sie nicht zusammen, sondern versuche sie in einem freundlichen Ton zu holen. Das nutzt sie aus und schnüffelt herum. Zum Glück macht sie nie Blödsinn.

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Wir machten einen schönen, langen Spaziergang in der Frühlingssonne. Ab morgen wird es ja wieder kühler. Wir schmiedeten Pläne für Südtirol. Wir werden die Whiskybrennerei in Glurns besuchen und Freunde zum Essen einladen, ausserdem möchte ich mit der Hündin auf den Berg, zumindest auf das Weisshorn, das ist ja klein und schnell erreichbar und Anfang April sind die Berge und die Almen noch nicht so überlaufen, da kann ich sie auch frei laufen lassen, das macht sicherlich Spass. Wobei, mittlerweile ist sie dermassen entspannt und folgsam, dass ich sie trotzdem frei laufen lassen würde. Aber es ist weniger entspannt. Es gibt immer wieder Menschen, die panische Angst vor Hunden haben, auch vor einem mittelkleinen Tier wie meinem, das sind oft Menschen, die richtigen Stress machen und laut schimpfen.
Jedenfalls war es mir vorher nicht so bewusst, dass es Spass macht, das Tier in die Urlaubsplanung mit einzubeziehen. Aber mit ins Gardaland in die Achterbahn, da darf sie dann nicht mit, vermutlich auch nicht in die italienischen Restaurants, diesbezüglich ist Deutschland schon sehr hundefreundlich, das war mir vorher auch nicht bewusst.

[Sa, 25.3.2023 – an der Friedrichstrasse]

Seit langer Zeit wieder einmal Samstags in der Friedrichstrasse gewesen. Also in der Gegend um den Bahnhof herum, den Teil zwischen Oranienburger, Spree und den Linden. Früher war ich dort öfter, weil es immer Gründe gab, sich in der Gegend aufzuhalten. Ich mochte die Gegend. Die engen Strassen, die vielen Menschen, auch den überfüllten Bahnhof und die stinkende Unterführung, das Kulturkaufhaus.

Wir waren mit der Hündin dort. Meine Frau hatte zwei Erledigungen zu machen. Ich stand mit dem Tier meist auf der Strasse herum, wir schauten uns die Dinge an. Das machen wir oft. Wir setzten uns auch ins Dunkin Donut. Ich sah einmal eine Grafik auf Instagram, die die USA in zwei Teile aufteilte: das Starbucks-Amerika und das Dunkindonut-Amerika. Ich wusste gar nicht, dass Dunkin Donuts eine Kaffeekette ist, ich dachte, es sei eine Donut-Kette. In der Friedrichstrasse liegen Dunkin Donut und Starbucks genau gegegenüber. Da ich Starbucks kenne, ging ich mit der Hündin zu dem anderen Teil Amerikas. Es gab dort viele verschiedene Kaffees, in dem Stil wie man sie auch von Starbucks kennt. Und ausserdem gab es, genau, Donuts. Ich ass einen veganes Donut und trank eine iced irgendwas*ccino. War OK. Als meine Frau kam, wollte sie aber nicht bleiben.

Die Gegend war ausgestorben. Es war Mittagszeit, zwischen 11 und 1 Uhr. Grob geschätzt hielten sich dort vielleicht ein Drittel der Menge an Menschen auf, die es früher gab. War das vor Corona, oder war das noch früher? Ich habe das nicht verfolgt, zwar liest man regelmässig vom Sterben der Einkaufsstrassen, dass Amazon und Lieferando alles zerstören, aber da ich selber kaum noch offline einkaufe, kann ich nicht beurteilen, ob das ein steter Niedergang war. Anderereseits ist die Friedrichsstrasse ja nicht das, was man mit einer piefigen Einkaufsstrasse verbindet. Vielleicht ist es auch nur eine Momentaufnahme, es war seltsames Aprilwetter (im März), vielleicht halten mehrere Demos wieder alles auf. Dennoch fand ich es etwas gruselig, falls es die Zeitgeschichte ist, der man hier beim Abbrechen der Dinge zuschauen kann.

Wir hatten für heute keinen Plan. Also schauten wir zuhause einen Horrorfilm und bestellten uns etwas zu essen. Ich weiss, dass ich sehr müde werde, wenn ich zu Mittag viel esse und dann auf dem Sofa sitze und einen Film schaue. So kam es dann. Auch meine Frau wurde müde. Nach 60 Minuten pausten wir den Film und legten uns für eine Stunde ins Bett. Ganz ehrlich. Ich liebe das.

[Fr, 24.3.2023 – Stadt]

Immerhin eine Sache traue ich der künftigen Schwarz-Rot Koalition in Berlin zu: sie werden bauen. Grüne, Linke und Teile der SPD waren hier immer zu zaghaft, bloss nicht zu viel Beton. Eigentlich ist es seltsam, dass die Grünen gerade in den urbaneren Bereichen Berlins die meisten Stimmen erhalten, aber wenn es darum geht, Urbanität zu schaffen, dann denkt „man“ in seltsam spiessigen Vorstadt-Kategorien, nur um am Ende dann doch nichts Wirkliches zu wollen.

Wir haben im letzten Jahr 22 neue Mitarbeiter eingestellt. Heute fand der vorletzte eine Wohnung. Eigentlich hatte er bereits resigniert. Dreistellige Bewerberzahlen für eine Wohnung, sein ausländisch klingender Name ist dabei nicht von Vorteil. Aber dann wurde er 500 Bewerberinnen einfach ausgelost, weil der Vermieter offenbar überfordert war. Das Drama der Wohnungssuche, das alle Neuankömmlinge in Berlin durchlaufen. Entlegene Gegenden mit Busanschluss, Zwischenmiete in irgendwelchen überfüllten WGs, überteuerte Smartments. Um irgendwann in eine Wohnung für 1800€ auf 60 qm zu einziehen zu dürfen. Ein Mitarbeiter aus Algerien ist mit seiner Familie nach Oranienburg gezogen. Immerhin mit einem guten S-Bahn Anschluss. Der Brasilianer mit seiner Familie nach Fürstenwalde. Letzterer kommt gar nicht mehr ins Büro. Immerhin wird er schnell deutsch lernen, weil dort kaum jemand englisch spricht.
Aber auch diejenigen, die etwas gefunden haben, suchen trotzdem noch. Sie haben einfach das Erstbeste, das sich ihnen bot, genommen, um aus einer mehr oder weniger sicheren Basis heraus, etwas besseres zu finden.

Ey, baut dieses Scheissberlin endlich mal weiter, ich will Stadt, ich will hohe Häuser, neue Plätze, neue Strassen, neue Fahrradwege, neue U-Bahnen. Es kommen jedes Jahr 20000 neue Menschen nach Berlin. Und die meisten Leute wollen nicht in irgenwelchen Gartensiedlungen leben. Irgendwann passen die Leute nicht mehr in die überfüllten WGs oder in die überteuerten Smartments. Und irgendwann ist auch Brandenburg gentrifiziert.

[Do, 23.3.2023 – Staatenlenker im Prenzlauer Berg]

Den ganzen Tag an einer Präsentation gesessen. Dafür blieb ich zuhause. Ich kann nicht anders, als Präsentationen eine immense Zeitverschwendung zu finden. Ich versuche es immerhin einigermassen unterhaltsam zu gestalten, damit ich mich nicht ganz der Ödnis hingebe. So google ich lustige Bilder und baue so etwas wie eine Geschichte ein. Allerdings habe ich nie das Gefühl, dass das Publikum das besonders wertschätzt. Zumindest nicht für den Aufwand, den ich betreibe.

In der Präsentation muss ich auch etwas über iPhone Entwicklung sagen. Da fiel mir dieses Foto ein, das ich vor 13 Jahren geschossen hatte: mein erstes Smartphone, auf den ich einen kleinen Apfel stellte. Das ist immerhin mittelmässig lustig.
Während ich das Foto in die Präsentation einbaute, fiel mir wieder ein, wo das Foto geschossen wurde. Das war im Guglhof am Kollwitzplatz. Ich hatte Freunde zu Besuch, ich erzählte ihnen, dass im Guglhof einmal der ehemalige Bundeskanzler Schröder mit Putin gespeist hatte. Die Geschichte, dass die beiden Staatenlenker im Guglhof gesessen hatten, kannten alle und alle waren auch ein bisschen stolz darauf, im damals noch wesentlich weniger geputzten Prenzlauer Berg eine solche Glamourgeschichte erzählen zu können.

[Mi, 22.3.2023 – Tattoomotiv, Reise in die Arktis]

Zweittermin bei der neuen Tätowiererin gehabt. Heute zeigte sie mir die Entwürfe. Mir gefielen einige Details nicht, so wollte ich beispielsweise das Motiv schräg zweigeteilt haben, sie hatte es hingegen von oben nach unten zweigeteilt, das sieht irgendwie albern aus. Bei näherer Betrachtung fand sie es allerdings auch albern. Bis Montag wird sie den Entwurf überarbeitet haben. Am Mittwoch sind wir bereits für die Exekution verabredet.

Meine Freundin Doro hat sich am Samstag übrigens angeboten, auf unsere Hündin aufzupassen, wenn wir nach Spitsbergen fliegen wollen. Wir hatten ja grob Anfang Oktober angepeilt, falls wir bis dahin eine Sitterin finden. Wir hatten sie nicht einmal darum gefragt, sondern sie bot es einfach aus sich heraus an, nachdem wir beiläufig über die Einschränkungen bei Flugreisen redeten, wir waren ja unter Hundehalterinnen, da redet man über solche Sachen. Das kam sehr überraschend, weil wir eigentlich keine Freunde damit beladen wollten, aber sie ist sehr erfahren mit Hunden und sie kennen sich bereits, es ist eigentlich die idealste aller Lösungen. Jetzt wird diese lange ehrsehnte und mehrmals verschobene Reise endlich ein Stück realistischer.

Bin sonst gerade etwas uninspiriert. Aber das ist manchmal so.

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Ein sehr bewegender Text von Stefan Niggemeier über seinen 14 Jahre alten Hund.

[Mo/Di, 20./21.3.2023 – iranisches Neujahr, Magen/Darm Hündin]

Heute zierte eine kleine Blume in einem kleinen Topf mein Schreibtisch. Darauf stand „Happy Nouruz“. Vom Geschenkstil her, musste das einer meiner iranischen Mitarbeiter sein. Wenige Minuten später kam er vorbei und ich wollte (natürlich) wissen, was es damit auf sich hat. Nouruz ist der Name des Neujahrsfestes bzw des Frühlingsfestes. Der persische Raum folgt einem anderen Kalender als dem Gregorianischen. Der 21.3. ist unser 1.1. und markiert gleichzeitig den Frühlingsanfang bzw auch die Tag-/Nachtgleiche. Das finde ich sehr schön. Im Iran feiern sie auch Winter- sowie Sonnenwende bedeutsamer als wir in Europa, wo die Sonnenwende eigentlich wesentlich erlebbarer ist.

Ich muss mal googlen, warum in unserem Kalender der erste Januar der erste Januar ist, das wirkt so beliebig, aber das hat sicherlich etwas mit dem Tod Jesu Christi zu tun.

Ein weiterer Funfact: im persischen Kalender sind die Monate nach den Sternzeichen benannt, so beginnt das Jahr (heute) mit dem Monat Widder, dann Stier, dann Zwillinge usw. Für Esoteriker ist das natürlich mega. Muss man nicht berechnen ob jemand in Liebesfragen kompatibel ist, sondern man fragt einfach nach dem Geburtsmonat.

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Die Hündin hatte Durchfall. Das kannte ich bisher noch nicht. Durchfall kann man nicht in eine Kacktüte stecken, aber glücklicherweise war es schon dunkel, es fiel niemandem auf. Ausserdem schien es auch der Hündin unangenehm zu sein, sie verkroch sich dabei in eine Ecke bei einem Telekomkasten (Von Unionern rotweiss angesprüht).

Eine Stunde später übergab sie sich. Etwas schien nicht ganz in Ordnung mit ihr zu sein. Wir behielten sie im Auge.

Später am Abend, als wir alle drei schon schlafbereit lagen, verhielt sie sich merkwürdig. Sie stand aus ihrem Bettchen auf, kam rüber zu unserem Bett und starrte uns an. Sie hatte einen seltsamen Blick. Es war ein anderer Blick als sonst. Weil mir das sehr merkwürdig vorkam, stand auch ich auf und ging zu ihr, keine Ahnung was ich mir davon erwartete, aber zu ihr zu gehen um eine Reaktion auszulösen schien mir das Richtige. Daraufhin ging sie in den Flur und stellte sich mit dem Gesicht zur Eingangstür. Als würde sie etwas anzeigen. Wenn sie tatsächlich anzeigte, dass sie zu später Stunde auf die Strasse wollte, dann war Eile geboten. Ich schlüpfte sofort nackt in eine Hose und Jacke. Im Treppenhaus hatte sie es plötzlich sehr eilig, sie zog mich hinunter wie sie es sonst nie tat. Und dann draussen, wieder hinter dem rotweissen Telekomkasten, flutschte es wieder aus ihr heraus.

Dies fürs Protokoll.

Am nächsten Tag war alles wieder vorbei. Ich habe eine vage Ahnung woher das hätte kommen können. Zwei Tage vorher trank sie nämlich mehrmals aus einer alten Pfütze. Obwohl ich sie ständig davon wegjagte, kehrte sie immer wieder dahin zurück und trank daraus.
Unter uns Hundebesitzer gilt die Regel: frische Pfützen sind OK, alte Pfützen sind nicht OK. Diese Pfütze war sicherlich 5 Tage alt. Also nicht OK.

Am Dienstag kam ich nicht dazu, den Eintrag fertigzustellen. Ich ging mit der Hündin raus, dann hatte ich ein Meeting und dann noch ein und noch eins. Und noch eins und noch eins. Immerhin ist die Hündin wieder wohlauf. Wohlan.