[Fr, 12.7.2024 – Abwasser, Heu, geile Probleme]

[Alles abwasserrelatierte habe ich gelöscht]

Heute rechnete ich das geschnittene Gras zusammen. Max hatte Anfang des Monats ums Haus herum das Gras gemäht. In den vergangenen Jahren tat das immer ein Verein aus dem nächsten Dorf gegen ein kleines Entgelt. Das war ein Resozialisierungsprogramm für straffällige Jugendliche. Die Initiative gibt es aber nicht mehr, also bot sich Max an, es für uns zu mähen. Bei solchen grossen Flächen braucht man einen Hochgrasmäher. Wenn ich da mit meinem kleinen tragbaren Akkumäher, der eigentlich kein Mäher, sondern ein Trimmer für Ecken im Garten gedacht ist, komme, brauche ich drei oder vier Tage für die ganze Fläche und danach habe ich einen steifen Rücken. Max hat hingegen Zugang zu richtigem Werkzeug. Erst wenn einmal das hohe Gras gekürzt ist, kann man es mit einem gewöhnlichen Rasenmäher auf vier Rädern kürzen. So einen Rasenmäher wollte ich mir auch zulegen, aber das hat diesen Sommer keine Prio.
Allerdings hatte Max‘ Hochgrasmäher keinen Auffangbeutel für Gras, weswegen jetzt überall Heu verstreut liegt. Also muss es händisch zusammengerechent werden. Gerechnet, gerechent, gerecht. Keine Ahnung, wie man das nennt.

Mir gefallen diese Problem auf dem Land ja sehr. Es sind körperliche Probleme, die sich prinzipiell leicht lösen lassen. Wege, Birken, Toiletten, überschwemmende Flüsse, Heu. Ich denke gerne über sowas nach, um gute Lösungen zu finden. Okay, auf die Überschwemmungen könnte ich verzichten, aber zu easy soll es ja auch nicht sein.

[Do, 11.7.2024 – Birke und Wege und der beste Ort zum Sterben]

Auf dem Waldweg aus dem Südwesten ist letzte Woche eine Birke umgestürzt und versperrt jetzt den Weg. Der Weg aus dem Südwesten ist der gute Weg. Über meine Auseinandersetzung mit den beiden Zuwegen habe ich hier bereits zur Genüge geschrieben. Alle fahren immer den guten Weg, auch wenn der gute Weg wesentlich länger ist. Im Winter tritt der Fluss aber regelmässig über die Ufer und flutet weite Teile des guten Weges. Deswegen ist es mir wichtig, dass wir den schlechten Weg im Norden besser instandhalten. Dass eine Birke uns aber von der Aussenwelt abschneiden könnte, kam bisher gar nicht in meiner Betrachtung vor. Das ist nun als zusätzlicher, wichtiger Punkt hinzugekommen, um beide Wege zu ertüchtigen.

Niemand wusste, wie gross der Schaden war. Der umgefallene Baum wurde von meinem Schwiegervater vor einigen Tagen entdeckt. Er drehte aber um und fuhr den weiten Weg zurück, um auf den anderen Weg aus nördlicher Richtung zu fahren. Seitdem hatte sich nichts getan.
Ich war zunächst optimistisch. Die Birke liesse sich vielleicht mit einem dicken Seil vom Weg wegschleppen. Meine Frau und ich liefen deswegen den Weg hinaus durch den Wald bis zu dem umgefallenen Baum, um uns ein Bild der Lage zu machen. Es war leider eine sehr grosse und schwere Birke. Ohne Traktor und Gerätschaft würde man sie nicht entfernen können. Ein Problem, das hinzukam war die Lage des Baumes. Er lag nämlich nicht mehr auf unserem Grundstück, sondern etwa fünf Meter weiter, auf dem Gebiet von Svea Skog, die schwedische Waldgesellschaft. Da wir aber die einzigen sind, die diesen Weg benutzten, hat Svea Skog sicherlich keinerlei Interesse, den Baum zügig zu beseitigen.

Man hätte einen Förster beautragen können, was um die 500€ kosten würde, aber das fand ich aus mehreren Gründen quatsch. Die Birke könne ich mit einer Motorsäge auch selber heruntersägen. Ich kann mit Motorsägen wirklich gut umgehen. Als Jugendlicher putzte ich mit meinem Vater jeden Sommer Waldstücke aus. Das bedeutete, markierte Bäume zu entästen, die Stämme in Stücke zu zersägen und sie auf die Strasse herunterzuarbeiten, damit sie auf einen Anhänger wegtransportiert werden können. Das wäre für mich kein Problem. Ich bräuchte lediglich eine Motorsäge mit Verbrennermotor. Wir haben nur eine elektrische Motorsäge, mit der ich vor dem Haus kleine Baumstämme kürze oder dicke Äste zusammensäge, aber die Birke liegt fast einen Kilometer entfernt, dafür bräuchte man ein sehr langes Stromkabel.

Aber wir entschieden uns die Waldgesellschaft in Stockholm anzurufen und denen zu melden, dass ein Baum aus deren Wald unseren Weg versperren würde. Die Verwaltung in Stockholm brachte uns mit dem lokalen Waldarbeiter in Kontakt, der, wie sich herausstellte, der Pächter unserer Wiesen war, also der Bauer mit den Stieren, der etwa 5 Kilometer flussabwärts wohnt. Er sagte uns, er würde sich heute noch darum kümmern.
Und so geschah das dann auch.
Sehr unkompliziert.

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Heute mähte ich wieder Schneisen. Ich verbrachte wieder viel Zeit mit meinem akkubetriebenen Handmäher. Ich inspiziere immer noch Uferstellen. Wir haben fast einen Kilometer Flussufer und ich finde die Stelle, die wir als Badestelle verwenden, die unattraktivste Stelle des ganzen Ufers. Sie ist für Menschen leicht erreichbar, das ist aber der einzige Vorteil. Das Ufer ist an jener Stelle so steil, dass man sich mit einer Holztreppe behelfen muss, um aus dem Wasser zurück ins Trockene zu kommen, ausserdem befindet sich die Stelle an der Aussenseite einer Mäander, also dort, wo die Strömung stärker ist. Die Stelle gefällt mir aber auch optisch nicht. Sie befindet sich am Rand einer offenen Wiese. Dort gibt es keine Bäume oder allgemein schön geformte geologische Strukturen. Es ist nur eine schnöde gerade Wiese, dann kommt ein steiles Ufer und patzbumm Wasser. Und wenn die Sonne herunterbrennt, ist man ihr ausgesetzt.

Einige interessante und romantische Stellen hatte ich bereits im Mai gefunden und provisorisch freigemäht, aber ab Mitte Juni setzt starkes Wachstum von Schilf und Gräsern ein, heute war von den freigemähten Stellen nichts mehr zu sehen. Ich muss das nächstes Jahr im Frühling anders vorbereiten. Vielleicht muss ich Paletten auslegen, oder Bohlen. Aber als permanente Lösung wird das auch nicht funktionieren, wenn der Flusspegel im Winter steigt und alles wegreisst. Vor sechs oder sieben Jahren hatten wir einmal im Spätsommer vergessen, die Treppe aus dem Wasser zu holen. Im nächsten Jahr fanden wir die Treppe am Waldrand, etwa 300 Meter vom Fluss entfernt, wieder.

Weiter Flussaufwärts gibt es noch zwei kleine Buchten. Ich versuchte mich heute bis dahin vorzukämpfen. Aber mittlerweile ist alles so hoch und dicht bewachsen, dass ich mit meinem Mähgerät einen halben Tag bräuchte, um bis zum Wasser vorzudringen. Und dann bin ich erst beim Wasser. Ich müsste dann immer noch eine kleine Plattform bauen, damit man dort stehen und sitzen kann. Ich mache das ja nicht nur um das Wasser zu erreichen, ich glaube mittlerweile, dass ich eine Obsession mit Wasserstellen habe.

Wasserstellen. Das sind die schönsten Orte der Welt. Küsten, Buchten, Flüsse. Wasserstellen. Ufer. Irgendwann möchte ich einmal am Wasser leben. Auf einem Steg sitzen und dem Wasser hinterherschauen. Bis ich sterbe. Oder so.

Das fiel mir erst heute auf. Nachdem ich zum wiederholten Male gefragt wurde, was ich denn ständig da unten mit dem Mähgerät mache. Ich sagte bisher immer, dass ich eine bessere Badestelle suche. Jetzt glaube ich aber: ich suche aber nur den besten Ort zum sterben.

[Mi, 10.7.2024 – Reise, Podcast, Goldberg]

Heute fuhr ich die Strecke Berlin – Borås zum fünften Mal in sechs Wochen. In den letzten Jahren bin ich sie bereits so oft gefahren, dass ich mittlerweile oft schon weiss, wie die Landschaft hinter einer Kurve aussieht. Ich stelle mir vor, dass sich eine Strecke im Laufe der Jahrzehnte im Hirn immer weiter abspeichert, immer vollständiger wird wie ein riesiges Puzzle. Wenn man tausend Jahre alt werden könnte, würden die Lücken im Puzzle irgendwann alle geschlossen sein und man könnte die Strecke mit geschlossenen Augen befahren. Dummerweise wird das Gehirn ab 90 lückenhaft und reisst die eingesetzten Puzzlestücke wieder raus. Tausend Jahre alt zu werden ist kaum erstrebenswert.

Wenn ich diese Reise alleine antrete, beginne ich immer mit einem Podcast. Autofahrten sind wie gemacht für Podcasts. Man hat ein sehr aufnahmefähiges Hirn, die Augen und der Körper sind aber beschäftigt. Der Ohrkanal und das Hirn hingegen nicht. Die Reise beginne ich also immer mit einem anspruchsvollen Podcast. Heute hörte ich die Folgen über die Goldbergvariationen. Neulich verlinkte ich eine Folge in den Kommentaren, ich hatte aber auf die Schnelle nicht beide Folgen gefunden. Jetzt weiss ich auch, warum: nur die letzte Folge trägt den Namen „Goldbergvariationen“ im Titel, die erste Folge behandelt die Goldbergvariationen aber auch. Sie wurde aber nicht danach benannt. Also um alles richtig aneinanderzureihen:

Der Podcast heisst „Klavierpodcast“ mit Igor Levit und Anselm Cybinski. Der Podcast besteht aus zwei Staffeln. Die erste behandelt vor allem Beethoven in 32 Folgen. Die zweite Staffel handelt von Variationen im Allgemeinen. Der Ausgangspunkt sind Bachs Goldbergvariationen. Diese werden in der ersten und in der achtzehnten Folge besprochen. Wenn man sich nur für die Goldbergvariationen interessiert, kann man natürlich auch nur jene beiden Folgen anhören, es empfiehlt sich aber, die ganze Staffel anzuhören, weil die Themen alle miteinander verwoben sind. Der Podcast ist sehr zugänglich, die beiden scheinen am Klavier zu sitzen und während sie sich über Variationen unterhalten, spielt Igor Levit immer wieder Beispiele vor, damit man das Besprochene besser versteht.

Nach zwei Stunden Input ist meine Aufnahmefähigkeit aber strapaziert. Ich weiss nicht, wie wir das früher in der Schule gemacht haben. Kurz vor Rostock schaltete ich auf Musik um. Musik liefert Input und regt gleichzeitig gedanklichen Output an. Durch Dänemark hindurch blieb ich erst mal bei Musik, irgendwann vor Kopenhagen hörte ich aber „Sternengeschichten“, das sind astronomische Miniaturen vom Asteroiden-Spezialisten Florian Freistätter. Das hörte ich bis zur Fähre nach Helsingborg. Ab Helsingborg hörte ich wieder Musik, zuerst Hiphop, danach Black Metal, je weiter ich kam, desto lauter schaltete ich die Musik, irgendwann wurde es unerträglich und ich schaltete alles aus. Kein Input/Output mehr. Nur noch Output.

Die Reisen folgen immer einem ähnlichen Muster wie diesem.

[Di, 9.7.2024 – rote Augen, Umplanung]

Die Bewerbung war nix. Manchmal kommt keine Chemie auf. Der Geschäftsführer war ein ausgesprochener Overperformer Anfang vierzig, der in allen Themen involviert ist, ich ahne, wie es dort um die Firmenkultur bestellt ist. Auch wenn die Personalerin nicht müde wurde, mir zu erzählen, dass die Firma eigentlich wie eine Familie sei. Es ist ihr erster Job. Sie ist die Stelle letzten Dezember angetreten. Sie ist sehr überzeugt.

Auch glaube ich, keine gute Performance hingelegt zu haben. Zum einen sass ich etwas müde und mit roten Augen am Tisch und ich kam auch so gut wie nicht zu Wort. Ob es an mir lag oder ob der Geschäftsführer auch ein schlechtes Gefühl hatte und einfach nur ein Programm abspulte, ist schwer zu sagen. Nachdem ich den Wortschwall 20 Minuten über mich ergehen hatte lassen, sagte ich aber auch, dass sie eigentlich keinen CTO brauchen, sondern einen guten Scrum Master. Das fand er einen guten Einwurf von mir, ist aber für jemanden, der sich auf die CTO Stelle bewirbt, keine sehr kluge Aussage. Aber es ist mir egal, ich will nicht für etwas eingestellt werden, das nicht passend ist. Im nächsten Monolog erklärte er mir allerdings, wie er sich die CTO Rolle vorstelle und warum er doch lieber einen CTO sucht und nicht eine juniorigere Person. Seine Erklärung klang schlüssig. Nach zwei Stunden war ich wieder draussen. Mein Headhunter hatte mich gebeten, ihn gleich anzurufen. Ich teilte ihm mit, dass das wahrscheinlich nix wird. Weder von meiner Seite noch von deren Seite. Zwar seien wir mit offenem Ausgang auseinandergegangen, ich würde mir Gedanken machen und er betonte, ich hätte auch die Möglichkeit mit weiteren Mitarbeitern zu reden, aber das war eher Formsache.

Im Laufe des Tages wurde mir aber klar, dass ich diesen Job nicht will.

Am Abend würde ich mit Benny ausgehen, daher bereitete ich meine Reise vor. Ich packte und räumte das Auto um. Auch tauschte ich einen meiner Scheibenwischer aus. Und ich checkte das Öl. Ich fühlte mich sehr erwachsen, während ich das tat.

Danach sagte Benny ab. Er ist krank. Da ich mit meinen brennenden Augen auch nicht das beste Gefühl hatte, kam mir das eigentlich ganz gut gelegen. Da ich mit Benny vermutlich Alkohol trinken werde, hatte ich meine Abfahrt nach Schweden extra auf den Donnerstag verlegt. Mittwoch würde ich besser ruhen. Jetzt machte es aber keinen Sinn, einen weiteren Tag in Berlin zu bleiben, also beschloss ich, schon am Mittwoch aufzubrechen. Ich brachte also die Wohnung auf Hochglanz, buchte die Fähre und machte mich reisefertig.

[Mo, 8.7.2024 – Phantomschmerzen, Hängetag 2, Seitan]

Es ist so ungewohnt, die Hündin nicht bei mir zu haben. Wenn ich meinen Bürostuhl bewege, fürchte ich immer, über ihre Pfoten zu fahren, wenn ich nachts aufs Klo gehe, achte ich darauf, nicht auf sie zu treten, den Kühlschrank öffne ich leise, damit sie nicht glaubt, es gäbe etwas für sie, wenn ich nachts Reels auf Insta öffne und das Audio Krach macht, dann erschrecke ich mich mehr für sie, als dass ich selber erschrecke.

Jetzt ist sie weg. Meine Reaktionen bleiben aber. Dann fällt mir immer ein: Achso. Sie ist ja gar nicht da. Abstellen kann ich es nicht. Dafür müsste sicherlich etwas Zeit vergehen. Ich merke jetzt erst, wie doof das mit dem Stuhl ist. Ich sitze immer verkrampft, so kann man die Rollen gar nicht richtig nutzen. Vielleicht nehme ich die Rollen besser ab.

Heute hing ich einen zweiten Hängetag hintendran. Keine Verabredung, keine Aufgaben, keinen Plan. Ich habe ein sehr starkes Bedürfnis runterzukommen. Niemanden sehen, mich langweilen, hängen. Die letzten Wochen waren anstrengend. Bei Plants vs. Zombies schlage ich momentan alle meine Rekorde. Abends ging ich zu Edeka. Weil meine Augen so brannten, war der Einkauf unangenehm, ich schaute fast ständig nach unten. Es muss an der hellen Sonne gelegen haben, weil in der Wohnung geht es meinen Augen mittlerweile besser. Auch schaffte ich es relativ unkompliziert, meinen Augen die Salbe zu verabreichen. Ich hoffe, das Brennen ebbt ab. Morgen habe ich ein Bewerbungsgespräch, es wäre ganz nett, wenn ich nicht mit zwei roten Ampelleuchten im Gesicht auftauche.
Überhaupt: mich körperlich wohlfühlen. Das ist die Voraussetzung für ein gutes Auftreten. Ich testete die Hemden. Ich kleide mich in den letzten drei oder vier Jahren eher sportlich, Hemden gehören dummerweise seitdem nicht mehr zu meinem täglichen Outfit. Was ich sehr schade finde, andererseits will ich das gerade auch nicht ändern, mein Bauch sieht in engen Tshirts besser aus als in engen Hemden, wo die Knöpfe zahlreiche 8-er formen. Für ein Bewerbungsgespräch ziehe ich aber besser ein Hemd an. Und lange Hosen. Lange Hosen. Morgen wird es 32 Grad messen. Lange Hosen und lange Hemdärmel bei 32 Grad. Nach dem Gespräch werde ich Spiegeleier auf meinem Bauchvorsprung zubereiten können.

Blöde Metapher. Dass Spiegeleier immer herhalten müssen, wenn etwas auf einem Provisorium gebraten werden soll. Motorhauben, Steinplatten und jetzt auch Bäuche. Ich könnte genau so gut Seitanwürstchen auf meinem Bauch zubereiten.

[So, 7.7.2024 – Tag fast alleine]

Am Morgen reisten meine Schwiegereltern ab. Gestern war bereits meine Frau mit der Hündin nach Schweden gefahren.

Jetzt hatte ich einen Tag alleine. Ohne Besuch, ohne Hund, ohne Frau. Sogar ohne Lieferandoboten.

Bisschen geschrieben, bisschen gezockt, wieder versucht, die NAS ans Laufen zu kriegen, oft im Bett gelegen und Plants vs. Zombies auf dem Handy gespielt. Dabei führe ich wieder die Jade-Liga an, zum dritten Mal in Folge. Am Montagabend werde ich daher wieder viele Edelsteine und Minzen sowie Goldmünzen erhalten, um meine Pflanzen zu stärken.

Meiner Gesundheit geht es gerade nicht gut. Ich habe ein entzündetes Auge und Kopfweh. Beide Augen brennen. Ich habe das manchmal in unregelmässigen Abständen, ich weiss aber noch nicht, woher das kommt. Einmal hatte ich das Kissen in Verdacht. Milben oder so. Der Verdacht bestätigte sich aber nicht. Wenn man im Internet darüber liest, dann ist es vermutlich eine Bindehautentzündung. Weil das immer wieder einmal passiert, habe ich zwei Augenmittel, einmal Tropfen und eine Creme. Ich kann mir aber nichts selber ins Auge tröpfeln, schon gar keine Cremen. Das macht immer meine Frau für mich. Jetzt ist sie aber nicht da, ich werde es wohl lernen müssen.

[Fr, 6.7.2024 – Goldbergvariationen]

Den Tag verbrachte ich vor allem mit Arbeit an dem Hausbesetzertext. Meine Frau war ihren letzten Tag im Büro, morgen wird sie bereits nach Schweden fahren. Meine Schwiegereltern haben ihren Flug erst übermorgen. Solange kümmere ich mich um sie. Auch rief mich mein Headhunter an. Er hätte einen Job für mich, so organisierte er für mich ein Bewerbungsgespräch am Dienstag. Am Dienstagabend treffe ich noch einen Freund auf ein paar Drinks. Am Mittwoch fahre ich dann nach Schweden weiter, oder vielleicht am Donnerstag. Es kommt darauf an, wie viel ich am Dienstag trinke.

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Mit Amelie in Hamburg redete ich auch über die Goldberg Variationen von Bach. Sie ist Pianistin und hat bei klassischer Musik bzw Barock ein sehr umfassendes Wissen. Wir kamen darauf, weil wir über Klaviere redeten. Dass ich wieder mit dem Spielen beginnen wolle, dann erzählte ich ihr davon, dass ich mir die erste Fuge von Bachs Wohltemperierten Klavier selbst beigebracht hatte, indem ich einfach Note für Note einstudierte. Ich kann nämlich nicht gut Klavier spielen, aber ich hatte als Kind zwei Jahre Unterricht bekommen und besitze einiges theoretisches Wissen über das Klavierspiel. Zum Üben war ich aber immer zu faul. Ich hatte einen Mozartfimmel und wollte so gut spielen können wie die Pianisten auf den Schallplatten, weil mir das aber nicht schnell genug gelang, verlor ich bald das Interesse und fixierte meine Obsession auf Schallplatten und Kassetten. Da meine bildungs- und musikfernen Eltern meine unerwartete Obsession für klassische Musik durchaus unterstützenswert fanden, kauften sie mir ein günstiges Klavier, auf dem ich zwar wenig übte, aber oft Akkorde spielte, zu denen ich dann sang. Das machte ich noch viele Jahre nachdem ich längst keinen Unterricht mehr erhielt. Ich spielte Akkorde, zu denen ich sang. Das kann ich immer noch.

Amelie hingegen ist eine richtig gute Pianistin. Und weil wir über Bachs Wohltemperiertes Klavier sprachen, kamen wir zu Bachs Goldberg Variationen. Ich meinte immer, ich wüsste viel über Bach. Ich besitze viele Aufnahmen zahlreicher Kantaten und Fugen. In diesem Blog gibt es sogar eine Kategorie namens „Motetten“, weil ich äusserst gerne Motetten sang. Als ich in Hamburg wohnte, war ich Teil eines Kammerchors, in dem wir häufig Motetten und Kantaten von Bach interpretierten, von unserem „Magnificat“ gibt es sogar eine Audio CD in einer fantastischen Qualität.

Aber die Goldberg Variationen kannte ich nicht. Ich kannte zwar den Namen. Es gibt verschieden Aufnahmen der Goldberg Variationen auf Youtube und Spotify. Ich dachte allerdings immer, es handle sich um einen Musiker namens Goldberg, der Stücke aus Bachs Werk neu interpretiere. Deswegen interessierte mich das nie. Bach will ich nur im Original. Nicht von Narzissten, die sein Werk verwursten,

Nun.

Jetzt weiss ich, dass das ein eigenständiges Werk von JS Bach ist, das sogar als eines der bedeutendsten Werke des Barocks gilt. Kann man niemandem sagen, dass ich das nicht wusste. Amelie empfahl mir einen Podcast, der sich eingehend mit dem Werk beschäftigt. Nächste Woche fahre ich wieder nach Schweden. Es ist eine lange Fahrt, ich werde alleine im Auto sitzen. Danach werde ich alles über die Goldberg Variationen wissen.

[Do, 4.7.2024 – Vitello Tonnato, Bargeld]

Zu Mittag traf ich den CEO meiner ehemaligen Firma zum Lunch. Zwar wurde er vor mir gekündigt, aber er muss immer noch ins Büro, bis ein Nachfolger gefunden und eingearbeitet ist. Der Nachfolger ist mittlerweile gefunden, er hat am 1. Juli angefangen und soll beide unsere Themen übernehmen. Also CEO und CTO in einem sein. Das wird sicherlich lustig. Er weigert sich aber bereits am dritten Tag, gewisse Themen zu verantworten. Ausserdem raucht er in seinem Büro. Das kommt bei den Mitarbeiterinnen seltsam an. Ich kann mich einer gewissen Schadenfreude nicht erwehren, möglicherweise sehen wir beide den Neuen aber auch nur aus einer sehr kantigen Perspektive. Es ist besser, loszulassen.

Wir sassen im Essenza am Potsdamer Platz. Ich bestellte ein Vitello Tonnato als Vorspeise. Als ich das erste Mal in meinem Leben Vitello Tonnato ass, war ich dreizehn oder vierzehn Jahre alt, ich arbeitete damals zwei Sommer lang über den Ferien als Gehilfe des Hilfskochs in einem Restaurant in Corvara. Zwei Monate lang, sieben Tage die Woche, bei einem etwa 14-stündigen Arbeitstag in einem unheimlich stressigen Umfeld. Der Job hatte allerdings zwei Vorteile: Zum einen durfte ich Alkohol trinken wie die grossen Köche und mittags konnte ich so gut wie jeden Tag Vitello Tonnato essen. Vitello Tonnato löste Glücksgefühle in mir aus. Ich hätte mich damals von Käse, Vitello Tonnato und Tiramisú ernähren können. Gleichwohl wusste ich, dass Vitello Tonnato durchaus etwas Exklusives ist, das ich zu Hause sicherlich nicht jeden Tag zur Pastasciutta aufgetischt bekommen würde. Deshalb nutzte ich die beiden Sommer in jenem Restaurant richtig gut aus.

Anfangs wusste ich gar nicht, was das ist. Vitello Tonnato heisst wörtlich übersetzt „Gethunfischtes Kalb“. Ich dachte, das sei eine Wortschöpfung wie „Kalter Hund“. Erst nach einiger Zeit verstand ich, dass es sich tatsächlich um Kalbfleisch mit Thunfischpure handelt. Natürlich mit Kapern, Brühe und Majonnaise verfeinert, aber der Name bezog sich auf die beiden Tiere in der Speise.
Kalb mit Thunfisch, das klang für mich ähnlich inkompatibel wie AC/DC und Iron Maiden. Aber auf der Zunge entfaltete es sich wie eine grüne Weide in der Frühlingssonne.

Gestern schmeckte es mässig gut. Für meinen Geschmack war das Thunfischpure etwas salzlos. Ausserdem war es in der Menge zu wenig. Ich mag es, wenn der Vitello im Tonno badet.

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Weil mein Vater auf der Reise nur Bargeld bei sich trug, zahlte ich den Grossteil auf unserem Trip. Zurück in Berlin sollte ich alle Kosten zusammenzählen und so glich er den Fehlbetrag in Bargeld aus. Jetzt laufe ich mit grossen Bargeldmengen durch die Gegend. Ich bin das gar nicht mehr gewohnt. Berlin ist da ja zweigeteilt. Es gibt die Läden, in denen Bargeld verpönt ist und jene Läden, in denen Kartenzahlung als der Untergang der Zivilisation gilt.

Ich trage nur noch selten Bargeld mit mir herum. Ich habe das Zahlen mit Karte sofort geliebt. Am besten wurde es vor wenigen Jahren mit der Einführung von Google Pay und der Möglichkeit, mit dem Telefon zu zahlen. Nie wieder klimpernde und ausbeulende Münzen in den Hosentaschen. Ich hätte mir in den Jahrzehnten davor sicherlich eine Brieftasche zulegen können, aber Brieftaschen fand ich noch schlimmer als Bargeld. Das Geld lag bei mir immer lose in der Hose. Bei näherer Betrachtung wundert es mich, dass ich nie Geld verloren habe.

Jedenfalls habe ich jetzt tausend Euro in Bargeld. Und wieder klimpern Münzen beim Gehen in meiner Tasche. Ich hasse es. Aber immerhin kann ich jetzt wieder mal Bettlern die eine oder andere Münze geben.

[Di, 2.7.2024 – Hamburg 2]

Ich blieb lange im Bett liegen. Checkout war erst um 12 Uhr. Eine sagenhafte Zeit. Um 11:51 machte ich mich auf dem Weg zur Lobby, um mich aus dem Hotel abzumelden. Der Flieger meiner Schwiegereltern würde erst nach 16 Uhr landen, ich hatte also viel Zeit. Diese nutzte ich vor allem, um meinen alten Kiez zu besuchen. Ich wohnte 4 Jahre lang im oberen Teil der Bernstorffstrasse, nahe der Schanze. Im kleinen Haus mit der Nummer 166. Ich kenne noch die Postleitzahl 22767, zwei-zwei-simm-sechs-simm, Zahlen sind ja immer ein rhythmisches Konstrukt. Am Klingelschild las ich, dass von den damaligen Bewohnerinnen niemand mehr da wohnte. Natürlich. Über der Strasse hing ein grosses Banner, das das Bernstorffstrassenfest ankündigte. Daran erinnere ich mich gerne. Das Strassenfest war immer lustig. Einmal schrieb ich in 2005 in einem etwas aufgeregten Blogeintrag darüber. Wie ich Vinyl und Bücher auf der dortigen Flohmarkt verkaufte und den Schlüsselnotdienst rufen musste. Der Text ist durchaus lustig, er liest sich aber seltsam altmodisch, wie ich mich über Genderklischees belustige, indem ich mich selber etwas auf die Schippe nehme, aber dennoch den stolzen Mann spiele. Das war damals lustig. Heute weniger. Vielleicht lag es an der Zeit. Es ist schliesslich zwanzig Jahre her. Wie sich die Wahrnehmung auch ändert. Ich fürchte, dass in den Tiefen dieses Blogs viele ähnlich altmodische, dem Zeitgeist entsprechende Dinge liegen, die mir inzwischen unangenehm sind. Besser nicht zu viel reinschauen.

Auch wurde der Hauptverteiler der Telekom in ein Hotel umgebaut. Ich frage mich, was man mit der Telekomtechnik gemacht hat. Ich war damals ungemein stolz, so nah an einen Hauptverteiler zu wohnen. Das war zu jener Zeit nicht unwichtig, als es mit der immer noch neuen DSL Technologie vorteilhaft war, eine kurze Kupferleitung zum Hauptverteiler zu haben. Ich arbeitete damals bei Hansenet, dem lokalen DSL Anbieter. Dort sah ich, dass meine Kupferleitung nur 147m lang war, damit hatte ich eine fantastisch saubere Leitung. Der Hauptverteiler befand sich in dem roten Backsteingebäude an der Ecke Stresemann- und Juliusstrasse. Ein grosser, fensterloser, mit Technik vollgestellter Bau.

Und tja. Da wohnen jetzt Touristen drin. Ich habe keine Ahnung, was man mit der Technik gemacht hat. Möglicherweise braucht man heute weniger Raum dafür.

Die ersten Monate wohnten wir im Eckhaus der Hein Hoyer / Simon von Utrecht Strasse. In den Seitenstrassen der Reeperbahn war es damals wesentlich abgefuckter als heute. Beim Verlassen unseres Hauses stiegen wir oft über schlafende Obdachlose und überall fand man Spritzbesteck. Ganz St. Pauli hat sich ziemlich rausgeputzt. Ich glaube, ich meine das positiv. Es scheint mir, als wäre es immer noch eine okaye Mischung. Und die Mischung ist ja immer wichtig. Wenn es kippt, dann kippt es. In der Hein Hoyer Strasse ist heute mehr los, früher waren da nur Copyshops, Massagesalons und schummrige Reisebüros sowie Eckkneipen. Heute sind Restaurants und Cafés hinzugekommen. Das gab es damals nicht. Dafür musste man schon ein Stück gehen. zB zur Trattoria Remo’s am Paulinenplatz. Die gibt es immer noch. Dort hat mir einmal eine Taube ins Essen geschissen. Die Aussentische waren alle an der Wand aufgereiht und irgendwo in dieser Mauer wohnte eine Taube. Tage später sah ich noch Taubenschiss an jener Stelle. Damals verstand ich den Sinn von Markisen. Komischerweise hat der Laden immer noch keine Markisen.

Hamburg hat etwas sehr Freudvolles. Ich habe es noch nicht richtig erfasst. Es fehlt dieser Stadt dieser ganze Ost-Mief, der in Berlin immer schlimmer und immer bedeutungsvoller wird. Diese graue, braune, immer grösser werdende AfD-Miesepetrigkeit, die sich vom Osten her ins Berlin voranfrisst. Auch die grünen- und SPD-Bezirke haben mittlerweile eine beachtliche AfD-Quote, ich bilde mir ein, das überall zu spüren. In Hamburg spüre ich nichts davon. Ich weiss, es ist alles subjektiv und ich kann es, ausser an der sehr niedrigen hamburger AfD-Quote, auch an keinen Fakten festmachen, aber es herrscht eine Geschäftigkeit überall in der Stadt, eine Offenheit, da kommt vielleicht die Kultur des Handels hervor, ich weiss es nicht. Ähnlich empfinde ich die Stimmung auch in Amsterdam, aber dort noch wesentlich stärker.

Hamburg ist allerdings auch wesentlich deutscher als Berlin. Graffitys bzw Sprüche an Wänden sind auf deutsch. Sticker auch. Das sieht man in Berlin kaum noch. Hier ist es meist auf englisch. Auf einen Telekomkasten in der Susannenstrasse wurde gesprüht: „Lass uns hier stehen und knutschen“. In Berlin würde stehen: „Lets lie down here and fuck“. Frei übersetzt.

Auch besuchte ich meinen früheren Buchladen am Schulterblatt. Dort hing ich eine Weile rum. Ich las in Mariana Lekys letztem Erzählband. Die Texte sind sehr kurz, oft nur vier oder fünf Seiten lang. Ich konnte mich aber nicht recht dafür begeistern. Auch wenn ich sie wirklich gerne mögen möchte, ihre Texte sind sehr zeitgenössisch und, wie soll ich sagen, modern. Ich kann die lobenden Kritiken immer gut nachvollziehen, damals hatte ich Liebesperlen gelesen und hatte auch den Roman „Die Herrenausstatterin“ angefangen, aber ihre Figuren interessieren mich nie. So stand ich da im Buchladen, las die ersten vier Geschichten und dachte wieder: die Figuren interessieren mich nicht.

Tja. So ist das manchmal.

Gegen drei Uhr fuhr ich zum Flughafen und holte meine Schwiegereltern ab. Ich war in den vier Jahren Hamburg nie am Flughafen. Eigentlich seltsam. Aber damals flog ich ja nicht. Ich kann mich erinnern, dass ich von Madrid aus mit dem Zug nach Hamburg kam. Zuerst den Nachtzug von Madrid nach Paris. Dann in Paris gefrühstückt und weiter nach Köln, wo ich in den Zug nach Hamburg umstieg. Das waren siebenundzwanzig Stunden. Pro Richtung. Und ich fuhr die Strecke vielleicht zehn Mal.

Dafür kenne ich den Hauptbahnhof ziemlich gut.

[Mo, 1.7.2024 – Hamburg]

Heute machte ich mich also auf den Weg nach Hamburg. Ich werde morgen meine Schwiegereltern vom Flughafen abholen. Das klingt jetzt etwas hanebüchen, aber daran sieht man auch, wie schlecht die deutsche Hauptstadt an das Flugnetz angeschlossen ist. Die Schwiegereltern haben einen fixen Termin in Berlin und um den Aufenthalt einigermassen kurz zu halten und auch preislich nicht alle Budgets zu sprengen, gab es schlichtweg keine guten Optionen. Also erweiterte ich die Suche auf umliegende Städte. Der Hamburger Flughafen entpuppte sich für diesen Besuch als Alternative, also bot ich schlichtweg an, nach Hamburg zu fahren. In Hamburg bin ich immer gerne, ich würde am Vorabend anreisen, eine Freundin treffen, in einem schönen Hotelbett schlafen und lange am Frühstücksbuffet sitzen, wo ich die Nachrichten des Morgens lesen werde.

Am frühen Abend traf ich Amelie im Kraweel. Sie besucht jetzt einen Apnoe Tauchkurs und hatte ihre Ausrüstung dabei. Sie erzählte mir von der Magie des Luftanhaltens. Ich kann ihren Schilderungen gut folgen und die Begeisterung nachvollziehen. Nicht atmen zu können, löst bei mir allerdings eher Beklemmungen aus. Ich weiss aber auch, dass mir ziemlich alles Spass macht, wenn ich mich wirklich darauf einlasse.

Eigentlich kenne ich viele Menschen in Hamburg, schliesslich wohnte ich vier Jahre lang in dieser Stadt. Die meisten sind natürlich Freunde meiner Exfreundin, die ich aus ebenjenen Gründen nicht mehr treffe. Die Freunde aus Blogzeiten sind mittlerweile eher Bekannte geworden und keine richtigen Freunde mehr. Es ist meine Schuld, dass ich diese Freundschaften nicht pflegte. Als ich Hamburg vor 16 Jahren verliess, ging ich völlig in meine neue Heimat Berlin auf und schaute wenig zurück. Es ist nicht das erste Mal, dass mir das passiert. Das ging mit meinem Weggang aus Südtirol, Niederlande und Madrid genau so. Ein Umzug löst bei mir eine sehr starke Euphorie oder auch Identifikation mit der neuen Heimat aus. Allerdings fällt es mir generell sehr schwer, Freundschaften über eine Distanz aufrecht zu erhalten. Irgendwann ist so viel Zeit vergangen, dass ich mich auch einfach nicht mehr traue, die Leute anzuschreiben. Erst recht nicht kurzfristig mit einem „Hallo, ich bin heute zufällig in Hamburg, hast du Lust auf einen Drink“.
Mit Amelie geht das allerdings, mit ihr war die Freundschaft immer sehr geradlinig und auf eine unkomplizierte Weise echt.
Was natürlich nicht bedeutet, dass die anderen Freundschaften nicht echt gewesen wären, aber mir fällt gerade keine bessere Beschreibung ein.

Später begleitete ich sie zu ihrem Tauchkurs in der Schwimmhalle am Millerntorstadion. Dann machte ich mich auf den Rückweg ins Hotel, vielleicht würde ich noch ein Bierchen im Brewdog an der Reeperbahn gönnen, einfach weil ich Lust auf ein Hazy Jane hatte und ich neugierig auf die Einrichtung war, ob dieser Bretterlook vom Frankfurter Tor auch in einem anderen Raum funktioniert.
Auf dem Rückweg ins Hotel lief ich am Heiligengeistfeld vorbei. Dort hat man die Fanmeile aufgebaut. Es liefen gerade die letzten Minuten von Frankreich gegen Belgien. Ich hatte nichts mehr vor, eigentlich wollte ich mir keine Spiele dieses Turniers ansehen, aber dann zog mich diese Fanmeile irgendwie in sich hinein. Ich betrat das riesige Gelände und wollte mir die volle Dröhnung geben. Die riesigen Boxen, die riesigen Leinwände. Dodi in Übergrösse im belgischen Trikot.
Die Meile war aber fast leer. Nur versprenkelte Menschen, die es mit Belgien oder Frankreich hielten.
Nach dem Spiel standen Klaus und Klaus live auf der Bühne und sangen „An der Nordseeküste“. Ein Ohrwurm aus meiner Kindheit. Ich wusste gar nicht, dass die beiden noch lebten.
Während ich den beiden lauschte, erinnerte ich mich an deren Performance im deutschen Fernsehen der Achtzigerjahre. Wie ich als Kind den beiden lustigen Matrosen zuhörte. Die beiden haben sicherlich meine positiven Gefühle zur Nordsee und Nordeuropa beeinflusst.

Ein kühler Sturm zog auf. Gestern war Berlin noch so warm, dass ich schlecht schlief und heute wehte ein kalter Wind, für den ich zu leicht gekleidet war. Also ging ich ins Brewdog an der Reeperbahn und bestellte mir ein Hazy Jane, mit dem ich eine Hälfte von Portugal gegen Slowenien schaute.