[Freitag, 30.12.2022 – Tag in der Küche, Que sera]

Ricotta. Das ist die beste Sache der Welt. Vergesse ich immer wieder. Und wenn ich daran nasche, denke ich: Ricotta. Das ist die beste Sache der Welt. Vergesse ich immer wieder.

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Wir verbringen den Tag in der Küche. Wir bereiten das Essen für Silvester vor. Ich habe frei genommen. Ich liebe Tage in der Küche. Am Abend bin ich etwas angetrunken, die Logistik (Ofen/Herd/Pfannen/Reihenfolge) funktioniert nicht mehr ganz so gut.

Ich bereite u.a. eine italienische Thunfischcreme zu. In die Creme gehören auch Anchovis. Ich befinde mich eine zeitlang in einer Fischwolke. Meine Hündin hat eine ausgesprochene Vorliebe für Fisch. Die Fischwolke in der ich mich befinde, scheint ihre Gefühle zu dstabilisieren. Sie sitzt neben mir und weint, streckt ihre Zunge aus, sabbert und bewegt sich nervös zwischen Futternapf und mir hin und her. Sowas darf man natürlich nicht unterstützen. Aber später, als sie sich wieder beruhigt hat, bekommt sie ein kleines Stückchen Thunfisch und das abgetropfte Wasser, in dem ich ein paar ihrer Trockenfutterchips einweiche. Sie verschlingt es wie ein Festmahl.

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Zwischendurch machen wir ab und zu eine Pause. In der Pause schauen wir „From“, diese neue Horrorserie über ein Dorf aus dem niemand mehr weg kann, in dem man sich nachts einsperren muss, weil Monster zwischen den Häusern laufen und Menschen fressen.

Wirklich super ist aber das Intro-Lied. Es ist eine Interpretation in Moll von Doris Days‘ „Que sera sera (Whatever Will Be, Will Be)“. Es wird überraschenderweise von den Pixies gespielt. Die Idee, diesen lieblichen Song in Moll aufzuführen, ist erstaunlich genial.

[Samstag, 31.12.2022 – Bomberei, Pasta ai fagioli]

Am Abend würden wir Freunde zum Essen und zum Trinken einladen. Tagsüber taten wir eigentlich nichts anderes, als dies vorzubereiten. Putzen, kochen, lagern, Möbel schieben. Um fünf Uhr legte ich mich noch ein Stündchen ins Bett, sonst hätte ich den Abend nicht überlebt. Ich weiss aber nicht, ob ich in der Stunde geschlafen habe. Vielleicht ein bisschen. Aber immerhin kam mein Körper zur Ruhe.

Die Hündin reagierte den ganzen Tag eher entspannt auf das hochgehende Feuerwerk. Sie hörte es allerdings nur aus der Ferne. Morgens traf ich einige Leute mit Hund im Park. Deren Hunde waren unangeleint, also liess ich sie auch frei laufen. Es gab ja die Geschichten von den vielen Hunden, die zum Jahreswechsel entlaufen, weil sie durch einen lauten Böllerknall in Panik geraten. Manche Hunde kommen von der Böllerei ja regelrecht ins Zittern.

Am Abend gegen sieben Uhr wollte sie aber nicht mehr raus. Auch wenn sie sich nicht panisch oder auffällig ängstlich verhielt, schien sie das bedrohliche Grundgeräusch, das seit einigen Stunden von aussen hereindrang, nicht sonderlich zu mögen.
Als gegen Mitternacht dann die Bomberei losging war sie allerdings aufgeregt und wollte wissen, was vor dem Fenster so geschah. Sie blieb aber so entspannt wie das Rudel blieb. Die meisten Gäste sassen ruhig in den Sesseln und unterhielten sich, das übertrug sich auf das Tier. So meine Interpretation.

Ich bin so vollgefressen. Eigentlich hatten wir für Mitternacht eine traditionelle Pasta ai Fagioli vorbereitet, aber alle Bäuche waren voll. Pasta ai Fagioli ist ein Bohneneintopf mit kleinen Nudeln. Ein traditionelles Gericht um spätnachts den Körper mit Elektrolyten zu versorgen. War aber nicht nötig. Die Nacht ging bis drei Uhr. Danach fielen wir tot ins Bett.

[Sonntag, 1.1.2023 – Koma]

Es war natürlich viel vom Essen übriggeblieben. Heute war deswegen ein Tag des Resteessens. Wir konnten uns bei jedem Gang in die Küche etwas auf den Teller legen. Gegrilltes Gemüse, Käse, Köttbullar, Salami, Bohnensalat. USW.

Wenn wir nicht assen, dann verbrachten wir die Zeit im Koma auf dem Sofa.

Drei Mal musste das Tier raus. Draussen mass es 17 Grad, wie auch gestern schon. Einige Menschen liefen im Tshirt umher.

[Mo/Di. 2./3.1.2023 – verschiedenes]

Montag.
Eine furchtbare Nacht. Ich hätte den ganzen Tag die Augen schliessen und einschlafen können.

Nach der Arbeit ins Manifest an der Oderberger gegangen. Dort gibt es gutes Bier aus berliner Braukesseln. Die stehen irgendwie in Verbindung mit der Protokollbar in der Boxhagener, sie wird von Osteuropäern betrieben und überall wird Solidarität mit der Ukraine kundgetan. Das war in der Protokollbar auch schon so.

Am Ende des Abends war ich megakaputt.

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Zu Silvester postete ich wiedermal ein albernes Foto in roter Unterwäsche von mir. Früher tat ich das ja öfter. Das Foto bekam auf Twitter 5500 Aufrufe. Ich kam mir ungemein berühmt vor.

Dienstag.
Am nächsten Tag fühlte ich mich krank. Ich war noch müder als am Vortag. Zwar fuhr ich ins Büro, aber gegen 13Uhr beschloss ich, meine Sache zu packen und nach Hause zu fahren. Ich legte mich ins Bett und schloss die Augen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich schlief. Danach fühlte ich mich immerhin im Ansatz besser. Aber nur im Ansatz. Ich fühle, dass da was kommen wird.

[Mittwoch, 4.12.2023 – Schlaf]

Heute blieb ich zuhause. Ich fühlte mich nicht gut genug, um zu arbeiten. Den Vormittag lag ich im Bett und versuchte zu schlafen. Das gelang mir nicht, zumindest glaube ich, die ganze Zeit wach gelegen zu haben, aber es tat mir gut, zu liegen. So ähnlich fühlen sich die Nächte an: ich glaube ich schlafe nicht, oder kaum, aber es tut gut zu liegen und die Augen geschlossen zu halten.

Öhm. Ja. Das war mein Tag.

[Donnerstag, 5.1.2023 – Ekel, längeres Covid]

Heute fremde Hundekacke aufgehoben. Ich stand in einer Gruppe von drei Leuten im Park, als meine Hündin kackte. Also ging ich hin und packte eine Kacktüte aus. Auf dem Weg dahin merkte ich, dass ein anderer Hund genau daneben sein Geschäft verrichtete. Spontan rief ich der Hundehalterin, mit der ich eben noch geredet hatte, zu: „Dein Hund hat gerade gekackt, ich hebe das mal mit auf“. Ich bin sehr pragmatisch, vor allem wenn mir etwas praktisch erscheint.

Für mein eigenes Tier empfinde ich keinen Ekel. Das ist einfach so. Ich kann auch ewig lange in ihrem nassen Hundefell riechen und empfinde dabei Liebe. Seit ich eine eigene Hündin habe, verstehe ich auch, wie Eltern Windeln wechseln, oder sich den Löffel mit sabbernden Kindern teilen können. Vom blossen Gedanken daran, bekam ich vorher direkt Fieberblasen.

Pragmatisch wie ich bin, hob ich also beide Hundekacken auf. In dem Moment, in dem ich die fremde, warme Hundekacke in der Hand hielt, überkam mich ein unendliches Gefühl des Ekels.

Warum ich das aufschreibe? Erkenntnisgewinn.
Welche Erkenntnis ziehe ich daraus? Keine wirklich sinnvolle.
Ausser eine Lehre fürs Leben: hebe keine fremde Hundekacke auf.
Aber lebensverändernd ist das nicht.

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Es ging mir heute schon wieder besser. Also fuhr ich ins Büro. Sobald ich im Büro sass, war ich allerdings wieder müde. Ich befinde mich auf dieser Schneide. Wenn ich mich nicht bewege, fühle ich mich gut, wenn ich etwas unternehme, werde ich müde. Vielleicht ist es die Nachwirkung von Covid. Achso, das hatte ich gar nicht gesagt. Im Dezember hatte ich zum zweiten Mal Covid. Ich sage das nie gerne, während ich es ausbrüte.

[Fr/Sa, 6./7.1.2023 – deutsche Sprache, Jäger aus Kurpfalz]

Das Jahr ist noch nicht richtig gestartet. Weder beruflich noch im privaten Umfeld. Alles liegt ein bisschen darnieder. Darnieder. In dem Moment in dem ich das Wort schreibe, will ich es gleich wieder löschen, es passt stilistisch nicht. Zumindest nicht, wenn es ungekonnt ist. Etwas gestelzt, altbacken, unecht. Ich google das: interessantes Stückchen Text. Darnieder bzw das modernere Danieder wird der gehobenen Sprache zugeordnet. Ich mag dieses Bild. Wie ein Wort einem Niveau zugeordnet wird. Darnieder ist älter als Danieder, insofern ist es altmodisch gehoben. Das Wort passt oben im Text nicht rein, vermutlich wegen der Gehobenheit, die Gehobenheit in einer Sprache fand ich immer schon etwas abstossend, sie macht die Sprache nicht schöner, sie macht sie nur komplexer, nicht poetischer. Sprache wird erst durch Direktheit schön, durch Stärke, durch Tempo, aber nicht durch Gehobenheit oder schlimmer noch: Komplexität. Die deutsche Sprachszene ist durchsetzt von Komplexität, es kommt dieses Bedürfnis durch, sich elitär auszudrücken, schaut her wie gebildet ich bin, in wie vielen Schachtelsätzen ich denken und das auch noch wiedergeben kann. Oder schaut her wie überlegen die deutsche Sprache ist, weil sie so schwierig ist.

Aber gut, ich würde ja sogar die Komplexität aus der Syntax der deutschen Sprache nehmen wollen. Und Fälle abschaffen, oder alle Artikel für gültig erklären oder meinetwegen nur das DAS übriglassen. Ich sehe es täglich, wie junge Menschen aus dem Ausland die Freude an der deutschen Sprache verlieren, weil sie zu komplex ist, um sie schnell einigermassen konversationssicher anwenden zu können, der Grossteil der Menschen verharrt in Angst, falsche Artikel oder falsche Fälle zu benutzen und gräbt sich lieber in einem mittelmässigen englisch ein.

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Samstag
Wir waren für einen Waldspaziergang mit unserer Hundetrainerin verabredet. Sie veranstaltet einmal im Monat Waldspaziergänge in Gruppen von bis zu sieben Hunden. Wir treffen uns in Frohnau, im Norden Berlins, nördlich des Tegeler Forsts. Ich war dort noch nie. Wir fahren durch Gegenden, die heissen Wilhelmsruh und Waidmannslust. Frohnau, Wilhelmsruh, Waidmannslust, wir singen: ein Jäger aus Kurpfalz. Und lusssstig ists im grünen Wald. Heidiheido.

So ein Termin teilt den ganzen Tag auf. Danach sind wir platt. Die Hündin liegt auf dem Boden wie eine Flunder. Seitlich ausgestreckt und scheintot. Wir schauen Pale Blue Eyes mit Christian Bale. Ein Film mit schönen Bildern, aber es passiert sehr wenig.

[Sonntag, 8.1.2023 – Tierbesuch, Bondagekeller]

Heute bekamen wir Besuch von einer Nachbarsfamilie. Durch unsere Hündin sind wir vor mehreren Monaten mit einer Familie aus dem Nachbarhaus in Kontakt getreten. Es war in meiner Wahrnehmung vor allem die Tochter, die sich von Anfang an sehr angetan von unserem Welpen zeigte. Anfangs dachte ich einfach es sei eines von den vielen Mädchen die das flauschige Tier streicheln wollen, aber das Mädchen blieb sehr beharrlich. Im Laufe der Zeit bot die Mutter auch an, mit der Hündin Gassi zu gehen und so kam es nun dazu, dass wir vorschlugen, uns besuchen zu kommen, damit das Tier sie besser kennenlernt und Zutrauen gewinnt. Die Hundin ist sehr auf ihr Rudel fixiert, also auf uns beiden Menschen, und lässt sich nur sehr ungerne davon trennen. Wenn wir sie für Gassigänge weggeben wollen, empfiehlt es sich, dass sich Tier und Mensch besser kennenlernen.

Das machten die Hundeprofis bisher immer so: zuerst das Tier zuhause besuchen und danach auf einen gemeinsamen Spaziergang gehen.

So sassen wir am Nachmittag eine ganze Weile zusammen, tranken Kaffee, die Kinder spielten mit dem Tier, es war sehr kurzweilig. Die Nachbarn sind liebe Leute, die gut mit dem Tier umgehen. Wir werden uns unter der Woche zu einem Spaziergang treffen. Das erhöht die Akzeptanz und man vermeidet Stress.

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Seit wir das Tier haben, sieht es bei uns wie in einem Bondagekeller aus.

[Montag, 9.1.2023 – Weltlage in der Küche, Knochenschallkopfhörer]

Am Mittagstisch im Büro sassen heute ein dutzend Menschen. Brasilianerinnen, Türkinnen, Iranerinnen, Russinnen und ein Amerikaner. Zuerst ging es um Bolsonaro, dann Erdogan, dann den Mullahs, Putin und den Trumpismus. Alle redeten miteinander. Nach einer Stunde hatten wir eine Stimmung, die der Weltlage glich.
Zwischendurch setzte sich auch ein Serbe an den Tisch. Er beteiligte sich nicht an das Gespräch. Serbische Probleme wirken derzeit merkwürdig belanglos. Aber er hatte sich einen phantastisch riechenden Eintopf zubereitet.

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Heute las ich zum ersten Mal von Knochenschallkopfhörern. Kopfhörer, die den Schall über den Schädelknochen zum Hörorgan transportieren und nicht über das Trommelfell. WTF. Wie konnte das nur an mir vorbeigehen. Ich muss das sofort testen.

[Dienstag, 10.1.2023 – Nachbarnsex, well-groomed beard, Spaziergang]

Die Nachbarn hatten heute Nacht lange Sex. Ich finde es immer gut, wenn Menschen Sex haben und es stört mich auch nicht, wenn ich es höre. Aber anderthalb Stunden lang, sehr auditives Stöhnen, mitten in der Nacht, war ungewöhnlich viel. Gegen Ende hin wurde sogar die Hündin genervt. Auf der anderen Seite der Schlafzimmerwand klang es in der letzten Viertelstunde so, als würde ein Tier sterben. Die Hündin knurrte. Ich bekam sie nicht beruhigt.

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Am Vormittag hatte ich einen Termin bei meiner Friseurin. Sie machte auch meinen Bart. Im Laufe des Tages wurde ich drei mal darauf angesprochen, dass mein Bart so schön sei. Er sei so well-groomed. Das ist mir noch nie passiert. In diesem Zusammenhang muss ich erwähnen, dass ich mit vielen schwulen Männern arbeite und es bei uns auffällig viele gut gepflegte Bärte gibt als würde es zum guten Stil gehören. Mir ist der Bart gerade eher etwas zu kurz, aber mit einen well-gegroomten Bart durch Berlin zu laufen, kann ja nicht schlecht sein.

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Am Nachmittag ging ich mit der Nachbarin und dem Hund spazieren. Nicht mit der Nachbarin, die Sex hatte, sondern mit der Nachbarin aus dem Nebenhaus, die am Sonntag mit ihrer Familie bei uns war und manchmal mit dem Hund Gassigehen wollte. Wir spazierten fast zwei Stunden lang durch durch die Parks im nördlichen Friedrichshain und redeten über Hunde, über das Leben und über Brandenburg.