[Fr, 19.4.2023 – Einbürgerung, Rückgabe, Films]

Einbürgerungstests in Brandenburg. Diese Eingebung kam mir in einem luziden Moment. Ich googelte nach Terminen in Brandenburg und in der Tat: Es gibt sie. Verschiedene Volkshochschulen bieten auch vergleichsweise kurzfristig solche Tests an. In Berlin liegen die Termine (wenn sie angeboten werden) im September. In Brandenburg gibt es noch Termine für Anfang Mai. Dafür muss ich natürlich eine weitere Strecke fahren, aber wenn ich momentan eine Sache habe, dann ist es: Zeit.

Heute schrieb ich meine Abschiedsmail an alle Mitarbeiterinnen. Damit bin ich jetzt mental richtig raus. Obwohl ich noch Zugriff auf meine Mails und auf Slack habe, werde ich die Konten ab jetzt nicht mehr öffnen.

Am Nachmittag fuhren wir zu Ikea, um die Matratze meiner Frau zurückzugeben. Ich hatte fälschlicherweise die Feste bestellt, meine Frau hatte sich aber die Mittelfeste ausgesucht. Die Feste war hart wie ein Schreibtisch. Es ist erstaunlich, wie unkompliziert sich die Rückgabe gestaltete. Als ich die Rückgabe der Ware begründen wollte, kam in einen Rechtfertigungsmodus. Aber die freundliche Schwedin, ähm, Deutsche, sagte nur, ich müsse mich nicht erklären. Sie pflegen eine sehr kulante Rückgaberegelung. Sie wolle eigentlich nur wissen, ob sie Matratze beschädigt sei.

Später schauten wir einen überraschend einnehmenden Film mit dem Titel „The Holdovers„. Es ist ein neuer Film, der in den Siebzigerjahren spielt und auch die ganze Filmkunst der Siebzigerjahre übernimmt. Die Geschichte handelt von einem alten, grummeligen Professor für antike Zivilisationen. Es spielt in einem Internat, wo er über die Weihnachtsferien hinweg auf Schüler aufpassen soll, die nicht zu ihren Eltern fahren können. Das klingt nach nichts. Er erhielt aber 5 Nominierungen bei den diesjährigen Oscars, u. a. als bester Film. Ich verstehe warum.

Während des Filmes dachte ich ständig daran, dass ich heute noch Donna Tartts „Geheime Geschichte“ wiederlesen oder die Verfilmung von „The Green Mile“ wiedersehen möchte. Warum ich Donna Tartts Roman lesen wollte, ist offensichtlich: Das Setting mit dem Internat und einem Professor. Aber warum ich auch Gefühle für The Green Mile entwickelte, verstand ich nicht ganz. The Green Mile ist die Verfilmung eines Stephen King Romans. Die Geschichte ist nicht dem Horrorgenre zuzuordnen, sondern es handelt von einen Gefängniswärter in einem Todestrakt der dreissigger Jahre in Louisiana.

Meine Frau war gegen Donna Tartts Roman, sie hatte keine Lust auf ein neues Buchprojekt. Wir lesen schliesslich noch die Memoiren von Ruth Klüger. Sie konnte sich aber für The Green Mile begeistern. Auch wenn es bereits spät war und der Film drei Stunden dauern würde. Ich sah den Film vor mehr als zwanzig Jahren. Ich konnte mich nicht mehr an viele Details erinnern, aber ich weiss noch gut, wie traurig ich danach war. So erging es mir diesmal wieder.

[Mi/Do, 18.4.2024 – schwarz, letztes Projekt, Einbürgerungstest]

Gestern war ich im Alexa shoppen. Ich brauchte neue Hosen, zudem suchte ich einen Blouson. Eigentlich wollte ich einen ausgefallenen Blouson kaufen. Einen mit tropischen Vögeln. Oder mit Blumen. Es wurde ein schwarzer Blouson. Es wurden auch zwei lange schwarze Hosen, zwei kurze schwarze Hosen und schwarze T-Shirts. Es wird immer schwarz. Es sind immer nur die schwarzen Textilien, die mich ansprechen.

Manchmal bin ich froh, Herthafan zu sein. So trage ich immerhin gelegentlich blauweisse Akzente.

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Am Vormittag beendete ich meinen letzten richtigen Arbeitsauftrag. Ich hatte angeboten, ein Dokument für den Datenschutz fertigzustellen. Das war ein Schriftstück, woran mein Vorgänger und auch der damalige Geschäftsführer in Amsterdam bereits gescheitert waren und ich war auch nach vier Jahren immer noch nicht zufrieden damit. Das Problem mit diesem Dokument ist, dass es zusätzlich eine komplexe Matrix abbilden muss. Und ich empfand es immer als falsch strukturiert, was es so schwierig machte, daran zu arbeiten.
In einem Kraftakt schrieb ich in den letzten Tagen das ganze Dokument um. Es ist noch nicht fertig, aber jetzt stimmt die Struktur, jetzt kann das Management in Amsterdam darauf aufbauen.

Heute fand also die Übergabe dieses Dokumentes statt. Ich brauchte fast eine Stunde, es zu erklären. Aber alle schienen happy und verstanden sofort, wie hilfreich die neue Struktur war.

Als ich das Browserfenster schloss, war meine Arbeit vorbei. Es ist ein gutes Gefühl, abgeschlossen zu haben. Morgen werde ich noch eine Abschiedsmail an alle Mitarbeiterinnen schreiben. Der Geschäftsführer in Berlin wollte eine Abschiedsfeier organisieren, das fühlt sich aber nicht ganz richtig an, ich werde ihm mitteilen, dass ich das nicht wünsche. Dafür werde ich zu einzelnen Personen direkten Kontakt unterhalten.

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Weil ich meine Einbürgerung voranbringen will, fuhr ich am Nachmittag zur Volkshochschule im Wedding. Es ist momentan die einzige VHS, die Einbürgerungstests anbietet. Online kann man sich nicht anmelden, man muss sich vor Ort einen Termin einschreiben. Also fuhr ich direkt hin. Das ganze Gebäude an der Antonstrasse ist eingerüstet, man wird mittels Schilder zu einem Baucontainer im Innenhof geleitet. Vor diesem Container standen etwa 70 Menschen und warteten in einer Schlange auf einen Termin.
Ich finde das skandalös. Ich drehte mich um und ging zurück zum Auto. Ich habe den Luxus, dass ich nicht darauf angewiesen bin, ich kann weiterhin italienischer Staatsbürger bleiben, aber die meisten Menschen, die dort standen, können das eben nicht. Das ist die hässliche Seite der Verwaltung. Sie sagt dir mit jeder Pore, dass sie dich nicht mag. Wir sind dieser deutsche Volkskörper, bleib uns vom Leib.

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Danach ging ich mit der Hündin in die Rehberge. Frühlingssonne.

[Mo/Di, 16.4.2024 – Ikea, Bringmeister, Hafermilch, Herthajacken]

Wir waren spontan bei Ikea. Ich will ein grösseres Bett. Meine Frau hat das Doppelbett, aber ich schlafe schon seit Jahren auf einem 80cm breiten Tagesbett. Ich war mit meinem Bettchen immer sehr zufrieden, ich brauche nicht viel Platz. Vor einigen Jahren ersetzte ich die 80cm Matratze durch eine 90cm Matratze. Diese zehn Zentimeter machen viel aus. Problematisch wird es bei uns nur, wenn wir Gäste haben. Mein Zimmer ist mein Arbeitszimmer und wir beschlossen beim Einzug, dass das auch das Gästezimmer sein wird. Aber mit einem Tagesbett können wir nur einen einzigen Gast beherbergen. Zwar haben wir noch eine extra Matratze verstaut, aber das ist doch eher eine Notlösung. Ein grösseres Bett wäre für Gäste die bessere Lösung, allerdings verschwände bei mehr Bettfläche auch mehr Grundfläche vom Arbeitszimmer. Es wird etwas enger, aber die Idee, ein grösseres Bett zu haben, in dem ohnehin ich die meiste Zeit schlafen würde, gefiel mir plötzlich ungemein und so fassten wir den Entschluss.

Gestern waren wir also spontan bei Ikea.

Ein kurzer Hinweis für Menschen, die am späten Nachmittag noch nicht ihr Schrittkontingent erreicht haben:

  • IKEA total: 3500 Schritte
  • IKEA oben: 2000 Schritte
  • IKEA unten 1500 Schritte

(alle Angaben beziehen sich auf die Filiale Lichtenberg und sind approximativ)

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Ausserdem erreichte mich die Nachricht, dass Bringmeister den Dienst für Edeka quittiert und in Knuspr aufgehen wird. Knuspr wird aber nicht das Sortiment von Edeka führen, sondern andere Marken. Sie werden auch nicht die von mir heissgeliebte Hafermilch-Eigenmarke von Edeka verkaufen. Weil ich sehr viel Hafermilch konsumiere, lasse ich sie mir Kartonweise liefern. Die Hafermilchkartons von Edeka sind eigentlich der Hauptgrund, warum ich mir Einkäufe liefern lasse.

Bei Edeka wird jetzt die niederländische Firma „Picnic“ das Liefergeschäft durchführen. Ich kenne Picnic noch aus 2018/2019, als ich COO in einem Online-Supermarkt war. Picnic’s grosse Innovation war die Logistik. Ein feines, hyperlokales Verteilernetz. Wir schauten damals sehr interessiert auf deren Entwicklung. Da meine Firma zu DHL gehörte, war das Thema Verteilung aber von vorneherein auf die Logistik der DHL beschränkt und wir sollten die Innovationen daher im Einkauf, Marketing und Technik vorantreiben. Weil Logistik aber das teuerste Segment des Lebensmittelversandes ist, rechnete es sich nie und wir mussten die Firma in 2019 schliessen.

Picnic ist in Friedrichshain aber noch nicht verfügbar. Jetzt weiss ich nicht, was tun. Bringmeister wird auch als berliner Firma aufgelöst. Sie wird zu Knuspr nach München ziehen. Firmen, die ihren Berliner Hauptsitz aufgeben und in eine andere Stadt fusionieren, sehen mich in der Regel nie wieder. Mit dem Ebike-Vermieter Tier ist das auch so. Sie werden mit dem französischen und wesentlich kleineren Konkurrenten namens Dott fusionieren und den Firmensitz nach Amsterdam verlegen. Die Ankündigung gab es im Januar. Seitdem habe ich nie wieder ein Rad von denen ausgeliehen. Ich bin bei so etwas nachtragend. Wenn Firmen von vorneherein den Sitz in einer anderen Stadt haben, ist es mir egal, aber Berliner Firmen, die sich schlucken lassen.

Näh.

Obwohl. Es stimmt nicht ganz. Den Umzug von Durstexpress (Berlin) nach Flaschenpost (Münster) habe ich selber geschluckt. Das stösst mir allerdings immer noch auf.

Aber Hafermilch. Tja, jetzt weiss ich nicht. Ich werde mich mal durch die Hafermilch-Varianten von Rewe durchtrinken müssen.

Am Abend fuhr ich in die Geschäftsstelle von Hertha, um eine Podcastfolge der Frauenmannschaft aufzunehmen. Es standen uns wieder zwei Spielerinnen zu Verfügung. Weil ich zu früh vor Ort war, sass ich eine Weile mit den Mitarbeiterinnen im Büro. Sie liessen die Suno AI Songs komponieren. Wir redeten über Schlager und über Merch.

Einer der Mitarbeiter ist der Freund einer guten Freundin von mir. Neulich stand sie mit einer unfassbar tollen Hertha-Jacke neben mir in der Kurve. Die Jacke hatte sie von besagtem Freund, der sie ihr lieh. Die Jacke stammte aus den Tiefen des Hertha Archivs, es gab sie nie im offiziellen Fanshop. Meine Freundin erhielt die Jacke, weil sie sich eine Verletzung am Handgelenk zugezogen hatte. Die Jacke war eine „L“, genau meine Grösse, und ihr war sie zu gross, aber gross genug, damit sich der Ärmel über den Verband ziehen liess. Das war der Grund, warum ihr Freund ihr die Jacke überliess. Ich bat sie, mir die Jacke zu verkaufen, wenn ihr Handgelenk wieder gesund sei. Sie sagte aber, dass ich dafür ihren Freund anschreiben solle. Der antwortete mir aber nie. Bis zum heutigen Tag, als ich ihn damit konfrontierte. Mich erschlich allerdings der Eindruck, dass er nicht darüber reden wollte. Also liess ich ihn in Ruhe.

Ich habe ja noch meinen Suchauftrag bei Ebay und Kleinanzeigen laufen. Es gibt auch andere schöne Jacken von früher. Nur die letzten 5 Jahre waren mies.

[So, 14.4.2024 – geheime Wädern und Seen]

Mit Freunden am Maxsee im östlichen Brandenburg gewesen. Wir suchen ja immer noch nach einer gut erreichbaren, aber verlassenen Gegend in Brandenburg. Ein verlassener Wald, in dem man gut spazieren kann, fernab der menschlichen Ameisenstrassen und Tripadvisoren. Brandenburg ist ja riesig. Berlin zwar auch. Aber die Brandenburger Wälder riesiger. Vor allem jetzt, wo wir die Hündin haben, erlangen Waldspaziergänge nochmal ein neues Niveau an Freude.

Zugegebenermassen waren wir nicht besonders aktiv auf der Suche nach diesem geheimen, verlassenen Wald. Aber der Wunsch war immer da. Berlin liegt ja mitten in einem Wald. Und man sagt fremden Menschen dauernd: Berlin ist umgeben von Seen und Wäldern! Die wilde Natur ist nur eine Stunde entfernt!

Das erzähle ich vor allem Kandidaten beim Bewerbungsgespräch. Dass man im Sommer an den Wochenenden in einer halben Stunde im Wald an einem verlassenen See sein kann.

In 16 Jahren Berlin war ich bisher vielleicht fünf Mal an einem See und drei Mal in einem Wald. Aber die Möglichkeit ist eben immer da, sagen wir uns. Ich war auch schon seit anderthalb Jahren nicht mehr auf einem Konzert. Und etwa gleich lange nicht mehr im Kino. Und etwa fünf Jahre nicht mehr im Theater. Und sicherlich vier Jahre nicht mehr tanzen. Aber dafür sammle ich viele Stempelkarten bei Lieferando. Und wir haben Netflix, Disney+, Prime Video, Apple+, Sky und neuerdings MagentaTV. Aber wir sagen uns immer: Die Möglichkeit ist da.

Immerhin war ich noch vor drei Monaten auf einer Ausstellung im Museum.

Unsere Freunde wohnen in Biesdorf unweit der Stadtgrenze und sie verbringen ihre Urlaube in der norwegischen Wildnis. Sie kennen sich bestens aus. Der Wald am Maxsee ist sehr verlassen. Der Zuweg, den wir befahren, führt über einen mehrere Kilometer langen Sandweg. Dabei ist der Weg so holprig, dass wir streckenweise Schrittgeschwindigkeit fahren müssen. Das hält natürlich das Berliner Stadtvolk fern. Auch unsere Freunde haben einen Hund. Die Tiere lieben den Spaziergang. Unsere Hündin rennt vor und zurück und hat endlich wieder eine Herde, die sie zusammenhalten kann. Am See gibt ein paar Landzungen, die sind so schön, dass man da nie wieder weg möchte.

Nach dem langen Spaziergang fuhren wir noch zu unseren Freunden nach Hause. Wir setzten uns in den Garten auf eine Schaukel. Die Frühlingssone schien mir ins Gesicht und ich bekam einen Kaffee gereicht.

[Sa, 13.4.2024 – Fasten, Tauben]

Am Donnerstag fasteten wir einen ganzen Tag lang. Das war bereits seit einer Woche geplant. Und seitdem verzichte ich täglich auf das Abendessen. Einen Tag Vollfasten und danach intermittierendes Fasten. Der ganztägliche Fasttag fühlt sich immer wie ein Reset an. Danach fällt es mir leichter, Essen wegzulassen. Ich empfinde es gar nicht als Tortur, sondern eher als Befreiung. Nach drei Tagen schwindet diese Lust, ständig etwas aus dem Kühlschrank zu holen. Ich entnehme mir einfach nichts. Zwar denke ich ständig daran, aber ich weigere mich. Nach drei Tagen läuft das fast wie von selbst. Aber der Anfang ist immer schwierig.

Aus diesem Grund beschloss ich, ein paar Termine abzusagen. Auch ging ich am Freitag nicht ins Stadion, obwohl ich mich sehr auf dieses Spiel gefreut hatte. Ich kann mich im Stadion nicht unbedingt auf mich selbst verlassen. Wobei ich letztes Mal keinen Alkohol trank und auch nichts ass. Der Angelegenheit traue ich allerdings noch nicht.

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Wir haben Tauben auf dem Balkon. Mir kommt vor, ich hätte darüber schon vor ein paar Wochen berichtet. Damals schien das Taubennest durch Krähen zestört worden sein. Wir fanden bloss die Zerstörung vor und zwei kleine Eier, wovon eines noch intakt war. Aber ich finde keinen Tagebucheintrag mehr dazu.

Es scheint sich jedenfalls weiterhin ein Taubenpärchen auf dem Balkon aufzuhalten. Jetzt, wo die Temperaturen steigen und wir den Balkon wieder betreten, fällt uns das natürlich auf. Sie haben sich offenbar in einem Regal hinter den Balkonstühlen eingenistet. Dort ist es gut geschützt, man kann es nachvollziehen. Allerdings haben sie noch kein Nest gebaut. Dummerweise kacken Tauben alles voll. Also schritt ich heute zur Tat. Zuerst klappte ich die Stühle zusammen und räumte eine Werkzeugkiste weg. Den Teppich, der dort verstaut war, ist zugekotet, ich kann wegschmeissen. Jetzt ist alles offen. Es gibt kein Versteck mehr, in dem sie sich zurückziehen können.

Die beiden Flugtiere kamen in der nächsten Stunde ein paar Mal angeflogen und inspizierten die Lage. Sie werden eingesehen haben, dass sie hier nicht mehr kommen können. Jetzt muss ich nur noch Äste, Federn und Gräser einsammeln und den Boden vom Taubenkot befreien. Dafür wollte ich kochendes Wasser über den Boden auskippen. Unser Balkon ist aber einer dieser geteilten alten Balkone aus 1900. Wenn ich dort heisses Wasser auskippe, werde ich auch den Balkon der Nachbarinnen überfluten.

Deswegen sprach ich die Nachbarin an und erzählte von den Tauben und dem Problem mit dem Reinigen. Sie sagte, sie hätten ein Taubennest auf ihrem Balkon. Sie möchte das aber nicht entfernen. Sie fürchtet um ihr Karmakonto. Da mich das Nest zuerst wenig interessierte, ich ja nur den Boden reinigen wollte, fragte ich, ob sich das Nest auf dem Boden befände, ob Wasser also das Nest in Mitleidenschaft ziehen würde. Sie sagte, es befände sich auf dem Boden. Allerdings auf der anderen Seite des Balkons. Daraufhin versprach ich, dass ich sehr vorsichtig mit dem Wasser vorzugehen.

Als ich zurück in meine Wohnung kam, verliess mich jeglicher Antrieb. Wenn sich auf der anderen Seite der Absperrung nämlich ein Nest befindet, dann würden die Tauben natürlich ständig vor Ort sein und auch auf unserer Seite alles vollkacken. Ich hatte vorher viel Energie, diese neue Situation beraubte mich der ganzen Lust. Aber wenn wir den Balkon in den nächsten Monaten verwenden wollen (ja, wollen wir), muss ich die Situation irgendwie gelöst bekommen. Eine kurze Suche im Netz offenbarte mir, dass die Brutzeit etwa 18 Tage dauert und die geschlüpften Jungtauben circa 36 Tage im Nest verbleiben. Mit ein wenig Glück ist das Nest bald wieder verwaist. Immerhin ist jetzt das Mobiliar auf dem Balkon aufgeräumt.

Es ist nicht das erste Mal, dass Tauben in mein Leben eindringen und mich in einen schlechten Menschen verwandeln.

[„Sehnsucht“ – wie wir tätowierten]

Ausserdem traf ich in Meran meinen Jugendfreund Haimo. Er war zu Besuch und wir redeten über meine erste Tätowierung. Ich war damals sechzehn oder siebzehn Jahre alt. Haimo war etwas älter als ich und hatte sich in London von Punks ein Tattoo stechen lassen. Daraufhin hatte er unserem gemeinsamen Freund Hello das Wort „Hass“ auf den Oberarm gestochen. Ich fand Tätowierungen gut und bat ihn deswegen, mir das Wort „Sehnsucht“ auf den Oberarm zu tätowieren. Das war in ’91 oder ’92, es gab damals in Südtirol noch keine Tattoostudios. Für eine Tätowierung musste man entweder nach Verona oder nach Innsbruck fahren. Als Druckerlehrling hatte ich ein sehr schmales Budget. Das meiste Geld ging für Bus, Zigaretten und Alkohol auf. Immerhin durfte ich noch bei meinen Eltern wohnen und essen. Zumindest wenn ich den letzten Bus um acht Uhr auf den Berg hinauf erwischte. Was mir oft nicht glückte.

Tätowierungen konnte man auch selber stechen, dafür wollte ich kein Geld ausgeben. Man braucht nur schwarze Tusche und eine Nadel. Mit der Nadel sticht man so lange in die Haut, bis die Fläche ausgefüllt ist.
Haimo wusste, wie das geht.

Wir haben beide noch vage und teils übereinstimmende Erinnerungen daran, wie die Tätowierung entstand. Es war spätnachts in der Sparkassenstrasse in Bozen und wir sassen in Sabines Ente, also einer 2CV von Citroën. Eigentlich sollten wir beide bei Sabine schlafen, aber es gab eine Unstimmigkeit (meine Erinnerung), also wichen wir in die Ente aus, die in der Sparkassenstrasse geparkt war und er dafür den Schlüssel besass. Ich hatte schon seit einigen Tagen Sicherheitsnadel und Tusche dabei, weil ich nur auf einen ruhigen Moment wartete, an dem er mich tätowieren konnte. Als wir in der Ente sassen, waren wir beide sehr betrunken, aber noch nicht müde genug, um zu schlafen, und so sagte ich ihm, dass es jetzt an der Zeit sei. Ich hatte auch Faden dabei, weil ich gehört hatte, dass man die Nadel mit einem Faden umwickeln soll, damit sich die Tusche besser festsaugt. Dann fing er an.

Das Wort „Sehnsucht“ ist sehr lang, also musste er weit vorne ansetzen. Hygienische Massnahmen gab es keine. Die Tusche würde die Wunde schliesslich ausfüllen. Es war dunkel und es dauerte ewig. Beim dritten Buchstaben waren wir beide müde, also hörten wir auf. Ich zog den Pullover über und schlief ein. So lief ich ein paar Wochen mit einem „Seh“ auf dem Oberarm herum. Es bildeten sich Krusten und Teile entzündeten sich. Der Grund dafür war mir nicht ganz bewusst, Krusten und Entzündungen gehören bei Wunden ja dazu. Wie bei Lippenherpes oder so.
Der untere Teil des „h“ krustete so sehr, dass sich das Gewebe stark vernarbte und es in späteren Versuchen keine Tusche mehr aufnahm. So blieb der Buchstabe ein wenig blass.

Weil wir nicht so schnell eine neue Möglichkeit fanden, das Werk zu beenden, arbeitete ich selber daran weiter. Schliesslich wusste ich jetzt, wie es geht. Aber schon beim zweiten „S“ in „Sehnsucht“ wurde es schwierig, weil es sich bereits auf der hinteren Seite des Armes befand und ich nicht mehr gut sehen konnte, was ich da vor mich hin stach. Also bat ich verschiedene Leute, daran weiterzustechen. Es dauerte sicherlich ein halbes Jahr, bis das Ganze fertig war.

In Haimos Erinnerung stammten die letzten drei Buchstaben von ihm. Er sagt, das sei sein Stil gewesen. Aber ich weiss noch sehr gut, dass er mit „Seh“ anfing und nicht mit „ucht“.

Fast zehn Jahre später, als ich in den Niederlanden lebte, lernte ich einen jungen Polen kennen, der für einige Monate im besetzten Haus am Utrechter Ganzenmarkt wohnte. Er logierte im Gästezimmer, das war ein notdürftig eingerichteter Raum mit zwei Matratzen und einer Steckdose. Der Raum mass vielleicht 5 Quadratmeter an Grundfläche und wenn ich mich richtig erinnere, konnte man darin nicht stehen. Während ich das so aufschreibe, dann kommt mir vor, ich erzähle Märchen, aber der Raum war über eine wacklige Bretterkonstruktion erreichbar, die man von der Treppe aus hinübergebaut hatte. Da das Haus vor der Besetzung und dem Brand ein Matratzenlager gewesen ist, vermute ich, dass es sich früher um ein Versorgungsraum gehandelt haben musste. Immerhin besass der Raum ein Fenster. Aber keine Tür. Stattdessen hing eine schwere Decke im Türrahmen.

Ich kann mich nicht an hygienische Bedingungen erinnern. Im Gästezimmer am Ganzenmarkt wohnten ständig andere Leute. Allerdings halte ich es für unwahrscheinlich, dass jemand den Raum aus hygienischer Perspektive pflegte. Gäste hausierten dort üblicherweise in Schlafsäcken, die Matratzen dienten nur als weicher Untergrund.
Der junge Pole wollte professioneller Tattoo Artist werden und besass eine professionelle Maschine. Als ich ihn am Tresen im ACU kennenlernte, fanden wir schnell zu einem Termin. Er sollte mir das Tattoo etwas nachschärfen. Vor allem die Ränder mit ordentlichen Linien versehen. Und vielleicht hier und da die eine oder andere Serife hinzufügen.
So sassen wir dann in dem staubigen Gästezimmer am Ganzenmarkt und er besserte mein „Sehnsucht“ ein wenig aus. Ich bin mir nicht sicher, ob mir das Ergebnis gefiel, aber immerhin waren die Ränder jetzt weniger ausgefranst. Ich war da bereits 28 oder 29 Jahre alt. Das Konzept Hygiene war mir immer noch nicht ganz geläufig.

Aber so geht die Geschichte mit meiner ersten Tätowierung.

[Mi, 10.4.2024 – weinende Bulldogge, Schauspielerinnen, Sanifair Gutscheine]

Im Wartezimmer der Tierärztin traf ich heute eine riesige Bulldogge, die weinte. Als ich mich zwischen den anderen Wartenden setzte, fühlte ich mich etwas unwohl. Solchen Bulldoggen merkt man ihre Kraft an, und auch wenn ich es besser weiss, kann ich mich nicht ganz davon befreien, sie im ersten Moment als bedrohlich zu empfinden. Die beiden jungen Frauen, die mit dem Tier im Zimmer sassen, waren sehr dünn und ich bin mir sicher, dass sie sich beim Versuch, den Hund entgegen seinen Willen festzuhalten, sämtliche Gelenke dislozieren würden.
Das Tier lag aber auf dem Boden und weinte. Dieses Bild war so süss, dass ich nicht wusste, wo hin mit mir.

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Ich habe noch einige Notizen von der Fahrt nach Südtirol. Die eine Notiz heisst „M Schweighöfer Klo“. Das notierte ich mir, weil wir auf einer Raststätte in Sachsen-Anhalt eine kurze Pause einlegten. Meine Frau ging ein paar Schritte mit der Hündin und ich kümmerte mich um den Tankvorgang.
Weil wir nicht sofort weiterfahren würden, bestellte ich uns einen Kaffee und stellte mich an einen der Stehtische. Da sah ich Matthias Schweighöfer mit seinem Sohn an der Kasse anstehen.

Eine Existenz als Schauspielerin stelle ich mir ungemein deprimierend vor. Das, was dich berühmt macht, ist dein Gesicht. Das Gesicht ist dieser exponierte Körperteil, an dem dich die ganze Welt identifiziert. Als Schauspielerin bist nicht unbedingt jemand, die klug ist oder geniale Musik komponiert oder schöne Geschichten schreibt, sondern du verkörperst einfach nur andere Menschen. Immer andere Menschen als dich selbst. Deine Kunst ist es also, unauthentisch zu sein. Dafür wirst du als Schauspielerin geliebt. Die Leute lieben dich als Kommissar oder als Mörder oder als Superheld, aber nicht als dich selbst. Bei diesem Gedanken würde ich sofort Drogen nehmen.

Ich bilde mir ein, dass man Schauspielerinnen förmlich anmerkt, wie sie sich in der Öffentlichkeit unwohl fühlen. Alle kennen nur dein Gesicht, man ist nie inkognito. Dann stehst du plötzlich in der Öffentlichkeit als du selbst. Keine Lage Tatort liegt mehr über dir, keine Lage Superheld, Staranwalt, Mörder, Antiheld. Nur du selbst. Und alle Blicke im Raum folgen dir, die Kassiererin reagiert verzückt, der Nachbar an der Zapfsäule.

Als meine Frau hereinkam, sagte ich, ich müsse aufs Klo gehen, aber in jenem Moment ging Matthias Schweighöfer in Richtung Toiletten. Also blieb ich stehen. Ich wollte nicht auch noch neben ihm ins Pissbecken starren.

Meine Frau sagte: Er verschwendet seinen Sanifair Gutschein.
Da hatte sie recht. Man geht zuerst aufs Klo und zahlt erst nachher, wo man seinen 50 Cent Gutschein einlöst. Eine kluge Frau. Auch ich hatte die richtige Reihenfolge vergessen.

[Mo, 8.4.2024 – die SoFis und Reisen]

Es gab heute ein paar Sachen, die ich für meine Ex-Arbeit erledigte. Lustigerweise finde ich das überhaupt nicht schlimm. Zum einen bin ich das ja noch gewohnt und es sind nur kleine Themen. Ausserdem trage ich keine Verantwortung mehr, insofern ist es nicht mit Stress verbunden. Aber ich finde es auch belustigend zu sehen, wie sie merken, was für ein Batzen an schweren Themen jetzt auf deren Schultern liegt. Man kann es noch nicht Schadenfreude nennen, aber belustigend ist es schon.

Von der Sonnenfinsteris in Nordamerika bekam ich nicht viel mit. Seit ich nicht mehr auf Twitter bin, gehen gewisse Themen an mir vorbei. Auf BlueSky ist meine Blase noch sehr deutsch. Aber auch auf Insta wurde mir nichts in die Stories gespült.
Die nächste Sonnenfinsternis auf europäischem Boden wird es im August in zwei Jahren geben. Zu sehen ist diese in Reykjavik und in Spanien. Aber auch auf Malta. Wir waren vor 8 Jahren in Malta und fanden die Insel cool. Damals war April und die Hitze war bereits unerträglich. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie heiss es dort im August ist.

Zwei Jahre später gibt es eine Sonnenfinsternis am 26.1. auf Madeira. Das ist der Geburtstag meiner Frau. Wir fahren zu unseren Geburtstagen ja oft weg. Meistens auf Inseln. In Madeira verbrachten wir unsere Geburtstage vor etwa neun Jahren. Das war eine sehr schöne Reise zu einer erstaunlichen Insel inmitten des Atlantiks. Ich schrieb das meiner Frau. Nach Madeira wollten wir beide irgendwann wieder. Ich schlug aber nicht ernsthaft eine Reise zur Sonnenfinsternis vor. Einer Sonnenfinsternis hinterherfahren. Das ist überhaupt nicht unser Ding.

Sie antwortete, wie ich erwartet hatte. Das ist beruhigend zu wissen.

In 2044 wird es auf Spitzbergen eine Sonnenfinsternis geben. Dafür würde ich vermutlich eine Ausnahme machen. Da bin ich 69 Jahre alt. Oder tot.

Zur Sonnenfinsternis in 1999 schrieb ich vor einigen Jahren einmal einen kurzen Text. Über die Frauen, die damals in unseren Laden kamen.

[So, 7.4.2024 – Kleidung, Hochsommer, Pullober]

Meine Frau las das Ruth Klüger Buch ohne mich zu Ende. Sie verriet mir das auf meine Nachfrage hin, wann wir weiterlesen würden. Sie sagte, sie habe es bereits zu Ende gelesen. Als sei das normal. Ich fühlte mich betrogen.

Und plötzlich ist T-Shirt Wetter. Bereits auf meiner morgendlichen Gassirunde um acht Uhr trage ich T-Shirt und eine kurze Hose. Vor zwei Wochen kleidete ich mich auf dieser Runde noch mit einer gefütterte Jacke, die ich als winterlich einstufen würde. Plötzlich patzbumm, ist Hochsommer.

Apropos T-Shirts. Die Nazis nannten T-shirts T-Hemden. Neonazis und völkische Leute tun das immer noch. Als Kind trug ich ein Kleidungsstück, das man in Südtirol allgemein „Pullober“ nannte. Irgendwann lernte ich natürlich, dass man das Pullover schreibt, aber erst in meinen Zwanzigerjahren legte ich den Link zu „to Pull something over“. Bin ich in Südtirol, dann sage ich immer noch Pullober, sobald ich mit Deutschen rede, wird das zum Pullover.


Was ich erst kürzlich lernte: Sweater. Meine Kindheit war davon geprägt, dass meine Mutter mir hinterherschimpfte, ich solle mir einen Schbetter anziehen, ansonsten würde ich mir die Nieren erkälten. Ein Schbetter war ein Pullober mit einem Reissverschluss. Wenn ich nach dem Unterschied zwischen Pullover und Sweater google, dann wird diese Distinktion mit dem Reissverschluss nicht gelegt. Laut Internet ist ein Pullover eher aus feinem Strick, während es sich bei einem Sweater um ein etwas dickeres und bequemeres Kleidungsstück handelt. Vielleicht meinte meine Mutter auch nie einen Pullober mit Reissverschluss, sondern einfach etwas Warmes wegen meinen Nieren.
Ich bat meine Schwestern um Aufklärung. Sie müssen immerhin ähnlich sozialisiert sein, wie ich. Sie schreiben das Wort ohne „b“, also Schwetter, statt Schbetter und für sie ist das auch ein vorne offenes Kleidungsstück. Der Reissverschluss ist allerdings nicht zwingend. Es können auch Knöpfe angebracht sein.

Was das jetzt mit T-Hemden zu tun hat, weiss ich auch nicht, aber ich musste an Pullober denken.

[Fr/Sa, 6.4.2024 – Holzarbeit, Gehör, Gleisdreieckpark]

Und Handwerken möchte ich lernen. Also den Umgang mit Holz, einfaches Tischlern. Früher, als ich Häuser besetzte, hatte ich viel mit Holz zu tun. Ich konnte grobe Sache bauen, z.B Barrikaden. Ich konnte Bretter an Fensterrahmen verschrauben, simple Scharniervorrichtungen, um das Treppenhaus verschliessen zu können und solche Sachen eben. Auch einen simplen Tresen hatte ich einmal gebaut. Auf diesem Tresen konnte man sogar tanzen. Das konnte ich deswegen so gut, weil ich immer schwere Materialien verwendete und lieber immer drei Schrauben zu viel ins Holz versenkte.

Grobes konnte ich. Aber schön war das alles nicht.

Wegen unseres hölzernen Waldhäuschens in Schweden möchte ich ein besseres Verständnis für Holzarbeit erlernen. Das Haus braucht regelmässige Reparaturen. Ein Türrahmen muss demnächst ersetzt werden, einzelne Bretter auch. Wir sind immer auf Handwerker angewiesen. Ich glaube, ich kann das meiste selber erledigen. Ausserdem möchte ich einen kleinen Pavillon am Wasser bauen und einen schwimmenden Steg. Und vielleicht eine kleine Sauna. Für den Steg habe ich bereits eine grobe Idee. Das Wissen dazu habe ich mir auch Youtube zusammengescharrt. Sobald ich aber einmal eine Säge und einen Hammer in der Hand halte, ist das erlernte Wissen aus dem Netz nicht immer ausreichend. Deswegen werden meine Frau und ich ein paar Kurse besuchen.

Dann fuhr ich mit der Hündin Fahrrad. Das heisst: Ich fuhr Fahrrad und sie rannte neben mir her. Mir machten das heute zum dritten Mal. Diesmal allerdings nicht nur einmal die Strasse hoch, sondern eine lange Runde. Das finde ich so toll und sie findet das auch so toll und ich finde es toll, dass sie das toll findet und sie findet es toll, dass ich undsoweiter.
Wir machen das ohne Leine. Ich fahre auf dem Bürgersteig (jaja) und sie rennt neben mir her. Sie bleibt stehen, wenn eine Strasse beginnt und folgt aufmerksam meinen Anweisungen. Ich weiss wirklich nicht, wer sie so gut erzogen hat, wir waren es nicht. Danach hatte ich wieder Verliebtsgefühle für sie.

Nach zwei Viertelstunden war sie allerdings platt und lag den ganzen Tag ausgestreckt auf dem Boden wie eine Flunder.

Im Park traf ich auch die Hundehalterin mit dem Gehörimplantat. Wir hatten einander lange nicht gesehen und unterhielten uns eine ganze Weile über unsere Hunde, aber auch über ihre Hörimplantate. Sie ist sehr schwerhörig. Ihre Hörfähigkeit ist schon seit dem Kindesalter stark beeinträchtigt. Ihre Aussprache klingt bei manchen Wörtern leicht breiig. Breiig, ich bin mir nicht sicher, ob man das so sagen kann, ich meine diese etwas schleppende Aussprache von gehörlosen Menschen. Mir fällt kein besseres Adjektiv ein. Ich weiss gar nicht, woher diese Aussprache kommt. Es ist bei ihr auch nur ganz leicht, bei einigen Wörtern. Sähe man das Implantat nicht, würde man es möglicherweise nicht bemerken.

Ich hatte mich vor einem Jahr sehr für ihr Hörimplantat interessiert, da ich mir gerade Knochenschall Kopfhörer gekauft hatte, die vom Prinzip her ja den Schall auf die gleiche Weise zum Hörorgan transportieren. Weil meine Frau schlecht hört und meine eigenen Ohren im hohen Alter vielleicht auch nicht mehr richtig funktionieren, wollte ich einfach wissen, ob sie glücklich damit ist. Die Frage war möglicherweise etwas indiskret. Sie schien sich aber dennoch darüber zu freuen, mir Auskunft zu dem Thema zu geben.
Heute fiel mir zum ersten Mal auf, dass sie nur auf der rechten Seite das Implantat trug. Hinterm linken Ohr war hingegen ein ganz gewöhnliches Hörgerät geklemmt. Weil mich auch das interessierte, sprach ich sie darauf an. Sie sagte auf dem linken Ohr können sie noch minimal hören, da reiche ein Hörgerät gerade noch aus.
Sie sagte aber, dass sie von der Qualität des Implantats enttäuscht sei, es klinge äusserst roboterhaft. Wenn sie irgendwann auch ihr linkes Ohr auf ein Implantat umstellen muss, dann würde sie das sehr bedauern. Musik könne man damit eigentlich nicht mehr geniessen.

Am späten Nachmittag dann das Spiel in Paderborn. Hertha spielte selten so schlecht wie heute und gewann in der neunzigsten Minute mit 3:2. Nach solchen Spielen könnte Scham aufkommen, deswegen schaltete ich den Fernseher aus, als die Paderborner interviewed wurden. Dafür feierte ich den Sieg mit meinen Freunden im Chat.

Dann Samstag. 23 Grad in Berlin. In Longyearbyen hat es minus 23. März und April sind auf Spitzbergen die richtig kalten Monate.
Wir waren mit unseren Freunden aus Minden im Gleisdreieckpark verabdredet. Man kann sich gar nicht vorstellen, dass die Gegend bis vor einigen Jahren noch eine riesige Brache war. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie es dort vorher aussah, die Gegend fand für mich einfach nicht statt.
Ich finde den Park richtig gut gelungen. Er ist optisch schön, er ist clever gegliedert und er liegt mitten in Wohngebieten, anders als der eher abgewandte Tiergarten. Und mit den eisernen Bahnviadukten ist er zudem erstaunlich instagrammable. Das klingt etwas abfällig, das meine ich aber keineswegs so. Ich finde Instagrammabilität durchaus gut. Das bedeutet ja nur, dass es optisch etwas her gibt. Deswegen lieben wir ja alle die Berge und die Küsten und den Eiffelturm und Manhattan. Weil man es anschaut und schön findet.

Leider ist er völlig überlaufen ist. Wie eigentlich immer alles Gute in Berlin. Es ist immer überlaufen. So ist das halt.