[1.10.2023- Tag zwei: Longyearbyen, abgesagte Tour]

Morgens öffne ich die Gardinen und sehe zum ersten Mal das vereiste Adventdalen mit dem Adventfjord. Gestern Nacht konnte ich das nicht mehr gut erkennen. Ich schiesse Fotos und habe dasselbe Problem wie am gestrigen Tag, dass man auf den Fotos nichts von der Räumlichkeit, nichts von der Weite und Magie dieses vereisten Tales erfassen kann. Man sieht nur den Zaun vor dem Hotel und die Bergspitzen dahinter. Der Raum verflacht.
Ich stehe eine ganze Zeit lang am Fenster. Irgendwann wecke ich meine Frau und ich bereite uns einen Nespresso aus der bereitgestellten Kapselmaschine zu. Als sie sich ans Fenster stellt, ist ihre gleiche Reaktion, das vereiste Adventdalen zu fotografieren. Mit derselben Enttäuschung.

Heute wird es etwas kälter sein als gestern. Der Wetterbericht zeigt minus 5 Grad an.

Ich bin jetzt übrigens bei Bluesky. Offenbar eine offene Alternative zu Twitter. @mpfeifer.bsky.social. Ich weiss aber noch nicht, wie ich dort Menschen finde.

Wir gehen ins Hotelrestaurant zum Frühstück. Im Hotelrestaurant wird abends gehobene Küche aufgetischt. Überhaupt gibt es auf dieser Insel auffallend viele Restaurants, die sich als Fine Dining klassifizieren. Ich nehme an, dass es das Publikum dafür gibt. Eine Reise nach Spitzbergen ist vom Budget her schliesslich nicht vergleichbar mit einem Billigurlaub am Ballermann.
Der Raum des Restaurants gibt wirklich etwas her. Er hat eine riesige Fensterfront, die einen Panoramablick über das Adventdalen, den Adventfjord bis hinaus zum weiten Eisfjord gewährt. Als wir ankommen, sind alle Fensterplätze bereits besetzt, aber wir finden einen Tisch weiter hinten, von dem aus wir die gesamte Fensterfront vor uns haben. Das Frühstück schmeckt gleich doppelt so gut.

Für den Nachmittag hatten wir eine Bootstour durch den Eisfjord gebucht. Eine Fahrt mit einem grösstenteils elektrisch betriebenen Katamaran. Wir würden zu den Gletschern fahren und zu des Kapitäns Lieblingsstellen, die Tour heisst dann auch “Captains Favourites” und hat kein festes Ziel, sondern führt uns dahin, wo der Kapitän es am liebsten mag, sofern die Wetterbedingungen es zulassen. Dahin wo der Kapitän es am liebsten mag. Da klingt so, als würde man von da nicht mehr wegwollen.

In der Zwischenzeit spazieren wir einmal durch den Ortskern von Longyearbyen. Der Ortskern ist auf einer Seite ein Fussgängerweg, auf dessen Seite sich alle Läden, Bars und Restaurants hin öffnen und auf der anderen Seite die Hauptstrasse, auf der man durch das ganze Dorf fahren kann. Longyearbyen hat zwar nur etwa 3000 Einwohner, es ist aber sehr langgestreckt, es zieht sich am Bach entlang fast drei Kilometer hinauf bis zum Ortsteil Nybyen.

Es ist Sonntag, die Läden haben alle geschlossen. Nur der Supermarkt wird um drei Uhr öffnen, aber um drei Uhr werden wir auf dem Boot sein. Die kleine Mall namens Lompen Senteret hat geöffnet, man kann hindurchlaufen, aber alle Läden haben heruntergelassene Rollos, lediglich das kleine Café Fruene hat Betrieb, aber wir haben gerade gefrühstückt, uns ist noch nicht nach Kaffee.
Es ist heute sehr kalt. Das Thermometer zeigt zwar nur minus 5 an, aber durch den Windchill Effekt fühlt man minus 15 Grad. Wir haben eine dicke Jacke und eine gute Mütze auf, uns passiert nichts. Wir laufen einmal den ganzen Fussgängerweg hinauf, um uns ein Bild zu machen. Der Fussgängerweg ist lustigerweise genau einer jener wenigen Wege, die ich noch nicht kannte, weil er auf Streetview nicht erfasst ist. Aber ich kenne ihn bereits von verschiedenen Fotos und Videos auf Social Media.
Der Ortskern ist nichts Besonderes, es ist ein typisches Zentrum einer skandinavischen Kleinstadt, also ein paar lose bunte Holzbauten und etwas Sechzigerjahre Ästhetik. Nicht zu vergleichen mit den romantischen Städtchen in Südeuropa.

An einem Sonntag ist natürlich nichts los. Wir biegen oben beim Touristinfo also ab und spazieren die Autostrasse hinunter an der Uni entlang bis zum Museum der Nordpol Expeditionen. Meine Frau wollte sich das ansehen. In dem Museum muss man, wie an vielen Orten in Longyearbyen die Schuhe ausziehen. Das ist ein Brauch, der noch aus Zeiten des Kohleabbaus stammt. Der schwarze Kohleruss sollte nicht in die Gebäude eindringen. In einem Vorraum des Museums gibt es einen grossen Schuhschrank mit Pantoffeln. Auf einem Schild wird freundlich gebeten, die Schuhe auszuziehen. Es gibt allerdings keine Pantoffeln in Grösse 45. Die Ticketverkäuferin schlägt vor, dass ich auf meinen Socken laufe. Ja, warum nicht. Der Boden des Museums ist tatsächlich sehr sauber, weil er nicht mit Schuhen begangen wird.

Die Ausstellung thematisiert natürlich Fritjof Nansen und die Fram, sowie auch Roald Amundsen. Als Jugendlicher war mir Amundsen sehr zuwider, weil er in 1912 Robert Falcon Scott die Entdeckung des Südpoles wegnahm. Ich las als Elfjähriger die Tagebücher jener tragischen Antarktisexpedition und litt in jedem Schneesturm ausgesprochen mit, und als Scott und seine Mannschaft ausgehungert und müde am Südpol ankamen und die norwegische Flagge sahen, da hasste ich diesen Amundsen so sehr vie Scott das tat. Wobei Scott eher enttäuscht war, ich hingegen richtete meinen Ärger vollständig auf Amundsen.
Heute weiss ich hingegen, dass Amundsen eigentlich ziemlich cool war.

Meine Frau fasziniert sich für eine Rettungsaktion in der Arktis, in der 1928 ein italienisches Luftschiff verunglückte.

Danach gehen wir ins Huskies Cafe an der Hauptstrasse und trinken einen Kaffee. Im Huskies Cafe leben zwei weisse Huskies. Die hängen dort rum und lassen sich streicheln.
Dann wird es Zeit für die Bootsfahrt. Die Organisatorinnen holen uns Teilnehmer von ihren Hotels ab. Es gibt mehrere Menschen, die gemeinsam mit uns vor dem Hotel Radisson warten. Mit ziemlicher Verspätung kommt dann ein Mitarbeiter von Hurtigruten, der uns mitteilt, dass die heutige Tour aufgrund der ungünstigen Wetterbedingungen abgesagt ist. Das ist natürlich sehr schade. Das Ticket gilt jedoch drei Wochen, und wenn die Tour nicht zustande kommt oder wenn wir stornieren wollen, dann ist dies kostenlos möglich. Wir beschliessen erst mal keine Entscheidung zu treffen, wollen uns aber auch nicht die Laune vermiesen lassen, deswegen gehen wir zurück ins Dorf, in den Supermarkt. Das macht man eben so. Supermärkte in fremden Gegenden besichtigen. Das macht wirklich Spass. Wir besuchen immer Supermärkte.

Die Sonne steht Anfang Oktober nicht mehr so hoch am Himmel. Zwar ging sie heute um 7:31 auf und um 17:59 unter, aber sie hangelt sich den ganzen Tag nur an den Bergkuppen entlang. Der ganze Tag fühlt sich eher an wie ein permanenter, früher Abend, das Licht ist etwas bläulich, fast schüchtern, blass, als würden hier Vampire leben.

Es ist plötzlich 17 Uhr und wir beschliessen, einen frühen Abend zu machen, wir laufen hoch zu „Kroa“, einem beliebten Restaurant am oberen Ende der Fussgängerzone. Dort trinken wir ein Bier und schiessen Fotos von uns. Meine Frau hat keine Lust auf Pizza und Burger, also gehen wir ein Stück hinunter in das Restaurant namens „Stationen“, aber vor Ort erfasst uns beiden die Lust, zuerst noch in der Bar nebenan ein Bier zu trinken. In der Bar bestellen wir ein Bier von der Svalbard Bryggeri, also der Spitzbergen Brauerei, die wir morgen besichtigen werden. Es gibt hier überall Bier von der Svalbard Bryggeri. Die Leute scheinen stolz zu sein, die nördlichste Brauerei der Welt im Dorf zu haben, aber vermutlich ist es auch schlichtweg aus logistischen Gründen einfacher, das Bier aus dem Dorf zu beziehen.

Bei Stationen bestelle ich ein gebratenes Dorschfilet mit einem unfassbar guten Karottenpüree. Meine Frau ordert Fish and Chips.
Vorher hatten wir einen Wal-Carpaccio bestellt. Wir haben beide noch nie Wal gegessen und eigentlich hatten wir nie das Bedürfnis, Wal zu essen, aber plötzlich war es passiert: Wir hatten Wal bestellt.

Ich konnte es dann nicht essen. Weiss nicht. Es schmeckte okay, aber ich musste bei jedem Bissen an dieses Tier denken. Mit Kühen oder Schweinen fällt mir das nicht schwer, ich könnte sicherlich ein Schwein schlachten und es essen, aber beim Gedanken an diesen friedlichen Riesen aus dem Meer bekam ich keinen Bissen runter.

Ich war etwas überrascht über diese meine Reaktion. Seit ich die Hündin habe, bin ich Tieren gegenüber neuerdings wesentlich sensibler geworden. Seit ich so eng mit einem Tier zusammenlebe und ihre verschiedenen Wesenszüge kennengelernt habe, hat sich eine neue Empathie gegenüber Tieren in mir entwickelt. Ich habe schon vorher Tiere respektiert und geschätzt. Das war aber immer eher theoretischer Natur. Mittlerweile habe ich Gefühle. Das ist total doof. Total hinderlich.

[Sa, 30.9.2023 – Oslo, Ankunft Longyearbyen]

Wir fuhren also zum Frühstücken in die Stadt, nach Oslo. Oslo spricht man Uslu aus. Dies fürs Protokoll. Bis wir startbereit waren, verging aber viel Zeit. Zuerst hatten wir beide richtig gut und tief geschlafen. Das ist mir lange nicht mehr passiert. Vielleicht liegt es an der weichen Matratze, ich schlafe üblicherweise auf härteren Unterlagen, das war immer schon so, ich dachte, ich sei jemand, der gerne auf harten Matratzen schläft, aber ob das wirklich der Fall ist, weiss ich nicht, ich dachte, das gehört zu meinem Persönlichkeitsprofil, warum auch immer. Ich schlief neulich in Amsterdam auch so gut, und auch da war die Matratze weich. Es könnte aber einfach am Umstand liegen, dass ich in Hotelbetten gut schlafe. Ich ahne, dass sich das psychologisieren lässt.

Jedenfalls nahmen wir eine Bahn um 11 Uhr vom Hotel am Flughafen in die Stadt. Das dauert mit einem ausserordentlich schnellen Zug ganze 40 Minuten. Der Flughafen befindet sich besonders weit vom Stadtzentrum entfernt. In der Innenstadt irrten wir zuerst etwas planlos herum, fanden dann ein sehr nettes, tüdeliges Kaffee, in dem wir frühstückten. Danach gingen wir zur neuen Oper am Hafen. Wir hatten nicht viel Zeit, wir sollten um 14 Uhr wieder am Flughafen sein, deswegen verzichteten wir auf einen Stadtbummel und besuchten dafür dieses Operngelände.
Ein beeindruckender Stadtraum, der aus begehbaren, vielfachen und weitverzweigten Schrägen besteht. In dieser Landschaft von Schrägen ragt ein rechteckiger Betonkörper hervor, in dem sich der Opernsaal versenkt befindet.

Wir schiessen viele Fotos davon, aber die Wirkung des Raumes kommt daraus nicht hervor.

Es misst in Oslo 15 Grad. Leider habe ich meinen Pullover nicht im Handgepäck dabei und laufe daher mit dem T-Shirt und kurzen Hosen herum. Ich friere allerdings nicht. Etwas Angst habe ich nur vor der Ankunft auf Spitzbergen. Am Flughafen in Longyearbyen steigt man nämlich aus dem Flieger aus und läuft etwa 100 Meter durch offenes Gelände bis zum Flughafengebäude. Es soll minus vier Grad messen. Der arktische Windchill am Eisfjord senkt die Temperatur allerdings noch um einiges. Meine Frau und ich überlegen lange, ob es sich auszahlt, eine zusätzliche Jacke zu kaufen. Ich finde eine gesteppte Jacke, die ich üblicherweise bei Temperaturen zwischen 0 und 10 Grad verwenden würde. Für den täglichen Gebrauch in der Arktis ist sie wahrscheinlich zu dünn, in Berlin würde ich sie aber gut als Übergangsjacke einsetzen können. Sie ist preislich reduziert, ausserdem gibt es auf die Jacke einen Steuerrefund, also kaufe ich eine Jacke, die eigentlich 160€ kostete, für nur 85€. Das hat sich doch sicherlich ausgezahlt.

Dann boarden wir für Longyearbyen. Wir laufen bis ans Ende dieses langen Ganges. Die Menschen und Läden werden immer weniger. Da Spitzbergen eine Sonderzone ist, müssen wir nochmals durch eine spezielle Passkontrolle, danach sitzen wir in einem Gate mit einigen anderen Reisenden, zu denen ich mich auf eine seltsame Art in einer Schicksalsgemeinschaft verbunden fühle.
Das interpretiere ich natürlich über, aber wir fliegen mit dieser Gruppe Menschen ans Ende der Welt. Alle fliegen dort freiwillig hin oder besser gesagt: Vermutlich machen es alle aus Überzeugung.
Ich glaube sofort die Bewohnerinnen zu erkennen. Einmal eine junge Frau in ledernen Minirock und eine andere Frau, Typ Outdoorpunk, sie ist riesig gross und blond, sie liest gelangweilt ein Buch. Irgendwo dazwischen sitze ich. Ganz offensichtlich bin ich kein Bewohner, weil ich so aufgeregt bin wie ein Käsebrötchen.

Mit etwas Verspätung fliegen wir los. Der Flug dauert drei Stunden.

Norwegen ist ewig lang. Manchmal fliegen wir sogar über Schweden. Ich nutze Osmand+, eine Karten-App mit offline Karten von Openstreetmaps.org, mit GPS kann man dann sogar im Flugzeug sehen, wo man sich gerade befindet.
Irgendwann verlassen wir das Festland und fliegen über das Wasser. Im Nordosten taucht der Mond aus dem arktischen Ozean auf. Es ist ein magischer Moment. Auch das kann man nicht gut auf den Fotos einfangen. Ich schiesse dutzende Bilder, um den Moment einzufangen, aber es bleibt einfach nur ein heller Himmelskörper am verschwimmenden Horizont.

Um zwanzig nach sieben landen wir in Longyearbyen. Ich habe diese Landung bereits tausend Mal auf Youtube gesehen. Wie man über den verschneiten Bergplateaus und den Eisadern hereinschwebt und sich im Fjord absenkt.

Die Sonne ist bereits vor anderthalb Stunden untergegangen, der Himmel leuchtet aber Aquamarinblau, hell genug, dass man noch lesen könnte. Die Menschen, die aussteigen, schiessen sofort Fotos von der Umgebung. Die vereisten Berge, das Blau, der weite Eisfjord, die entfernten Lichter von Longyearbyen mit dem markanten Schornstein des ehemaligen Kohlekraftwerks.

Es ist nicht kalt. Es hat -2 Grad. Ich trage die neue Jacke geöffnet, darunter nur das T-Shirt.

Der Flughafen hat die Ästhetik eines Vereinsheimes mit einem Gepäckband. Er muss nur zwei Flüge am Tag abwickeln. Einen Flieger, der gegen Mittag wegfliegt und einen Flieger, der am Abend kommt.
Wir nehmen gleich den Shuttlebus ins Dorf. Der Bus fährt alle Hotels ab. Wir haben uns im Radisson Blue Polar niedergelassen. Ich finde das gut. Ich muss nicht in Blockhütten mit Gemeinschaftsbädern wohnen.

Die Strasse vom Flughafen bis ins Dorf und durch das Dorf hinauf bin ich schon hunderte Male auf Streetview gefahren. Ich kenne das alles seit Jahren. Ich kenne diesen Ort so gut, es fühlt sich total unwirklich an, jetzt hier zu sein, ich kann das jetzt alles nur durch einige Abstraktionsfilter spüren, ich glaube, die Eindrücke sind so intensiv, dass ich sie nicht richtig filtern kann. Dieser Ort bestand vier Jahre lang als eine sehr intensive Fantasie.

Longyearbyen also. 78 Grad Nord. Die nördlichste Siedlung der Welt. Der Nordpol ist etwa 1100 km entfernt.

Dann checken wir ins Hotel ein, legen das Gepäck ab und gehen in den hauseigenen Pub, wo wir Spitsbergenbier und Pizza essen.

Eigentlich wollte ich mindestens noch eine kleine Runde ins Dorfzentrum drehen, aber meine Frau fühlt sich noch etwas von der Reise erschlagen, ausserdem weiss sie noch nicht genau, wie das mit den Entfernungen und den Eisbären einzuschätzen ist, wir beschliessen, den Tag zu Ende zu bringen. Nach dem Essen und dem Bier sind wir auch schlagartig müde und fallen ins Bett.
Ausser ich, der noch diese Zeilen aufschreibt.

[Fr, 29.9.2023 – Hündin abgeben, Oslo]

Am tag der Reise bricht auf Arbeit natürlich immer der stress aus. Alles muss in letzter Minute noch gelöst werden.
Zudem bin ich im Homeoffice, von da aus ist es anstrengender, die Dinge schnell zu lösen. Meine Frau und ich hatten beschlossen, um 16uhr die Arbeit niederzulegen und in den Reisemodus zu schalten. Reisemodus bedeutete: Wohnung putzen. Man will ja auch in einer saubere Wohnung zurückkommen.

Gegen 5 fuhren die Hündin und ich zu Frau Casino, wo sie für eine Woche wohnen wird. Sie benahm sich bereits den ganzen Tag misstrauisch, sie merkte, dass heute etwas passieren wird, sie mag das gar nicht, deswegen verfolgte sie uns auf schritt und tritt. Wir packten ihre grosse Hundetasche, diesmal kamen aber auch ihre Lieblingsdecke (die Schmutzdecke) und ihr Bettchen mit rein.

Als wir aus der Tram steigen, kennt sich die Hündin sofort aus und weiss, wo wir hingehen. Sie steht an den Strassenecken immer vor mir, zeigt mit fragendem Blick in die Richtung in die sie denkt, dass es geht. Sie liegt immer richtig und rennt dann weiter. Auch im Haus kennt sie sich aus nur versteht sie das Konzept von Etagen nicht. Sie rennt voraus, bleibt immer bei der richtigen Tür stehen, aber sie tut das eben in jeder Etage, bis es dann irgendwann auch die richtige Etage ist. Ich finde das immer sehr lustig. Das macht sie auch zuhause so. Obwohl sie ihre eigene Tür eigentlich riechen können müsste.

Der Abschied ist seltsam schwer. Meine Frau ist deswegen gleich zuhause geblieben. Aber wir wissen, dass die Hündin bei Frau Casino gut aufgehoben ist. In dem Moment stelle ich mir vor, wie ich sie in einer grossen Hundepension abgeben müsste. Das würde ich nur schwer ertragen. Ich bin vermutlich ein Helikopterhundepapa.

Danach Schönefeld. Unser Flug ist der drittletzte, der an dem Tag den Berliner Boden verlassen würde. Als ich mich in einem Bekleidungsgeschäft am Flughafen im Spiegel sehe, merke ich, dass ich überhaupt nicht aussehe, als würde ich ins ewige Winterland reisen. Ich bin mit kurzer Hose und Tshirt unterwegs, im Handgepäck habe ich einen Pullover. Die warme Kleidung bleibt im Koffer, ich würde mir im Flughafen in Longyearbyen die schwere Jacke auspacken und überwerfen. Aber wir haben einen 17 stündigen Aufenthalt in Oslo. Ich hoffe doch sehr, dass unser Koffer nicht unterwegs verlorengeht. Ich stünde in der Arktis ziemlich underdressed da.

Dann fliegen wir los.
Wir landen kurz vor Mitternacht in Oslo und gehen gleich ins Hotel. Wir haben uns ein Zimmer direkt am Flughafen ausgesucht. Morgenfrüh werden wir in die Stadt begeben, bisschen rumspazieren, frühstücken und am frühen Nachmittag wieder zurück zum Flughafen fahren, wo der nächste Flieger uns nach Spitsbergen bringt.

[Do, 28.9.2023 – Tag vor der Reise]

Gut. Noch einmal schlafen. Mehr habe ich eigentlich nicht zu sagen.

Ab morgen werde ich ausführlichst von der Reise in die Arktis berichten. Auf allen Kanälen, Insta, Facebook und auch ein bisschen auf Mastodon und vielleicht Twitter. Und natürlich vor allem hier im Blog. Wobei, vermutlich lasse ich Twitter weg, ich nutze die Platform dieses homophoben Rassisten nicht mehr wirklich.

Übrigens bekam ich heute überraschende Mail von Misterspex. Meine Brille läge abholbereit in der Filiale. Das freute mich sehr. Ich werde die Arktis richtig scharf sehen können. Diese nachlassende Sehkraft hatte meine Vorfreude auf diese Reise wirklich etwas getrübt.

Am Abend wollte ich früh zuhause sein, um fertigzupacken und den Freitagabend zu planen. Wir öffneten uns aber nur ein Bier und setzten uns auf den Balkon wo wir ein bisschen über die Reise redeten.
Am morgigen Freitag werden wir gegen sechs Uhr die Hündin zu Frau Casino bringen, danach müssen wir schon los in Richtung Flughafen, in Schönefeld muss man ja immer noch zwei Stunden vor dem Abflug da sein. Der Flug startet um 22Uhr, dann werden wir um 23:30 in Oslo landen und gleich ins Flughafenhotel einchecken. Am nächsten Tag fahren wir nach Oslo in die Stadt, schauen uns Dinge an und kehren zu 14Uhr zum Flughafen zurück. Um 16 Uhr geht es weiter zum Endziel nach Longyearbyen, wo wir um 19Uhr landen. Möglicherweise gibt es einen Zwischenstop in Tromsö. Das scheint üblich zu sein, ich weiss aber nicht, ob das immer so ist und es steht nichts davon im Flugplan.
Um 19Uhr wird in Longyearbyen schon die Sonne untergegangen sein. Ob es dann allerdings schon dunkel ist, weiss ich nicht, die Sonne taucht ja sehr flach hinter dem Horizont ab. Auf alle Fälle werden wir das von der Luft aus beobachten können. Ich habe einen Fensterplatz. Und ich hoffe, dass das Flugzeug leer ist, dann kann ich ständig von links nach rechts hin und her springen um das alles zu sehen.

[Mi, 27.9.2023 – Prepacking, Pasta e Ceci]

Heute packten wir für die Reise. Ein Prepacking. Es ist nicht ganz so einfach, die richtige Kleidung zu wählen. Wir starten am Freitag bei 20 Grad, verbringen einen Tag in Oslo bei 17 Grad und landen dann an dem Abend in Longyearbyen bei -5. In Oslo herrscht immer noch Kurzehosenwetter, aber am Abend landen wir in tiefem Winter. Meine Frau hat sich gestern mit mehreren Head-Tech Textilien von Uniqlo eingedeckt. Vor allem lange Unterhosen und Unterhemden, aber auch praktische Handschuhe für uns beide und je einen Snoodle für den Hals. Ich besitze mehrere Wärmestufen solcher Unterbekleidung, die ich mir hauptsächlich für die winterlichen Stadionbesuche zugelegt habe.
In Oslo brauche ich noch keine Jacke, aber für Longyearbyen nehme ich die winterfeste Winterjacke mit. Wir dürfen kostenlos einen Koffer mit 23kg beladen und je einen kleinen Rucksack mit in die Kabine nehmen. Wir versuchen damit auszukommen. Es müsste reichen. Wir werden schliesslich keine richtigen bzw langen Outdoor-Aktivitäten durchführen, daher müssten es locker reichen, wenn wir Thermounterwäsche tragen. Aber ich glaube, sogar das wird überflüssig sein, wir stehen ja nicht stundenlang bei minus zwanzig im Schneesturm. Wenn wir abends in die Bar gehen, müssen wir uns nur eine dicke Jacke überwerfen und einmal durchs Dorf laufen.

Es macht allerdings Spass, die Kleidung zu planen. Wir haben uns ein Bier geöffnet und nebenher läuft Musik. Nur die Hündin wird misstrauisch, sie merkt, dass wir etwas im Schilde führen. Sie merkt das immer.

Danach machten wir uns Pasta ai Ceci. Ceci sind Kichererbsen auf italienisch. Das macht meine Frau immer, wenn es schnell gehen muss. Und ich bin ein grosser Freund der italienischen Armenküche bzw der simplen italienischen Küche, also die Cucina Casalinga, der Hausfrauenkost. Zum einen weil ich damit aufgewachsen bin und zweitens, weil das die eigentliche, ursprüngliche italienische Küche ist, bevor man in den achtzigern/neunzigern angefangen hat, die französische Küche nachzuahmen und Raffinesse reinzudichten.

Für Pasta ai Ceci nimmt man eine Dose Kichererbsen, gibt sie in eine tiefe Pfanne und erhitzt sie in ihrem eigenen Saft oder ein paar Kochlöffeln stärkerhaltigem Wasser (zB Pastawasser). Dann gibt man gewürfelte Tomaten dazu und kocht diese mit auf. Wenn es schnell gehen muss, nehmen wir immer Tomatenkonzentrat. Pfeffern und salzen nicht vergessen. Und währenddessen Nudeln kochen. Wir nehmen meist Ditalini, weil sie eine ähnliche Grösse haben wie Kichererbsen. Das macht Spass zu essen, man könnte es sogar löffeln, wenn niemand zusieht.
Wenn die Nudeln fertig sind, Wasser abgiessen und zu den Kichererbsen in die Pfanne geben. Fertig.

Ich liebe das.

[Di, 26.9.2023 – Stuhl, Herthafrauen Podcast, Kaffeemaschine]

Fürs Protokoll: ich vergass zu erwähnen, dass gestern bereits mein neuer Bürostuhl geliefert wurde. Leider ist er nicht so bequem wie erwartet. Aber immerhin bequemer als der alte, harte Stuhl. Zumindest glaube ich das, aber ganz sicher bin ich mir nicht. Mein Körper ist ja ein Ofen. Wenn ich abends in so einem gepolsterten Stuhl sitze, wird die ganze Sitzfläche warm. Der harte Holzstuhl konnte die Wärme irgendwie besser ableiten. Keine Ahnung wohin, aber er ist halt kühler. Diese warme Polsterfläche fällt mir jetzt schon unangenehm auf, dabei sind wir schon im Herbst, ich fürchte, ich ertrage den Stuhl im Sommer nicht. Jetzt weiss ich auch nicht weiter.

Erstmal aussitzen.

Am Abend fuhr ich zu Hertha auf die Geschäftststelle. Wir führten ein Interview mit zwei Spielerinnen der ersten Frauenmannschaft für den Westend-Girls Podcast. Es wurde eine ausserordentlich gute Folge. Diese jungen Frauen haben für ihre 20 Jahre schon ordentlich was in ihrem Kasten.
Wir bekamen heute den Medienraum zugewiesen. Die letzten beiden Male sassen wir in Meetingräumen, da hörte man auf der Aufnahme viel Lärm von draussen. Bei Hertha bemüht man sich sehr, das ist angenehm.

Gegen acht Uhr fuhr ich nach Hause. Leider dauert die Fahrt vom Olympiagelände bis nach Friedrichshain immer ewig. Zuhause war ich dann hungrig und machte mich über ziemlich alles her, was es im Kühlschrank gab. Leider gab es da nicht viel, aber es reichte für Erbsen mit Möhren aus der Dose, ein Stück Feta und ich brut mir ein paar Spiegeleier. Ich liebe mediterrane Küche.
Ausserdem wurde am Abend meine neue Kaffeemaschine geliefert. Noch während ich die Spiegeleier zubereitete, baute ich die Maschine auf. Morgen würde es also wieder ordentlichen Kaffee geben. Allerdings waren meine Spiegeleier danach etwas angebrannt.

Nachher schnitt ich noch die Podcastfolge zusammen und stellte sie online, dann legte ich mich ins Bett.

[Mo, 25.9.2023 – Weiter mit den Scamern]

Die letzten Tage vor dem Urlaub sind wieder anstrengend. Ich muss vieles vorher beenden, ausserdem fahre ich mitte Oktober wieder nach Amsterdam, bis dahin gibt es noch Unmengen vorzubereiten, eigentlich kommt die Reise in die Arktis denkbar schlecht. Aber Reisen kommen immer denkbar schlecht, das ist dann eh wurscht, Reisen sind immer wichtig.

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Nebenher habe ich immer noch Chats auf Telegram mit irgendwelchen Scamern offen. Die Anne Brennekam nervt mich mittlerweile. Ich schrieb, dass ich nicht in Cryptopwährung investieren will, ich möchte nur befreundet sein. Dann lässt sie sich darauf ein und fragt, wie es auf Arbeit geht. Dabei macht sie aber ihren Job nicht gut, sie vergisst ständig mein Alter und schickt mir wieder ein neues Foto ihres Autos, wieder mit Berliner Kennzeichen, obwohl sie laut eigener Aussage aus Boston kommt und nie in Europa war. Mit solchen unprofessionellen Scamern macht es keinen Spass.
Weil ich genervt bin, schreibe ich, dass sie mir Nacktbilder schicken soll, aber das will sie nicht, sie kann ja auch keine Nacktbilder haben, da sie die Fotos von einem fremden Instagram Account geklaut hat.

Ich schreibe immer „sie“. Ich habe aber immer einen Mann vor Augen, wenn ich mit den Leuten schreibe.

Gestern schrieb mich eine leicht bekleidete, junge Frau an, die mit mir Sex haben wollte. Gegen Taschengeld. Sie wohne in Berlin, in der Dunckerstrabe. Strabe, genau, mit b. Schlecht übersetzt. Ich antwortete begeistert und fragte, ob es noch heute möglich sei, sie sagte: ja. Sie wollte aber eine Vorauszahlung in Bitcoin. Mindestens die Hälfte ihres Honorars, also 100€.
Die hundert Euro würde ich natürlich nie wiedersehen, dieses Businessmodell verstehe ich immerhin. Und ich denke, es ist auch effizient.

Aber diejenigen, die ewig lange, über Wochen hinweg chatten und immer wieder in Nebensätzen von Crypto Investments reden, das kann doch nicht wirklich zielführend sein. Heute schrieb mich wieder eine gutaussehende Frau mitte dreissig an. Vom Beruf Fashiondesignerin. Sie ist vor einigen Jahren nach Berlin gezogen, sie sucht nach Freunden. Wir schreiben auf englisch, wir chatten ein wenig hier und her, der Tonfall ist leicht flirtig, es geht mit grösseren Pausen, über den ganzen Tag hinweg. Sie will wissen, ob ich verheiratet bin, irgendwann frage ich sie, wo sie geboren ist, dann sagt sie: in Berlin. Dann schlage ich vor, dass wir auf deutsch chatten, was sie bejaht, aber als wir auf deutsch chatten siezt sie mich plötzlich. Sie übersetzt natürlich mit einer Übersetzungsmaschine. Das ist unfassbar schlechtes Handwerk. Ich fühle mich so billig gescamt.

Am Nachmittag schreibt mich wieder eine junge Frau an. Hihowareyou. Ich frage sie gleich nach Nacktbildern.

Der Erkenntnisgewinn ist sehr gering, ich glaube, ich werde mein Profil wieder auf privat setzen.

[So, 24.9.2023 – Kaffeemaschine, alte Textilien]

Heute früh beendete meine Kaffeemaschine ihr Arbeitsleben. Sie produzierte noch etwa 20 ml Kaffee und geriet dann in eine endlose Schleife des Pumpens und des Abdampfens. Ein schneller Blick ins Netz verriet mir, dass dieses Verhalten nicht gut ist, und im Wesentlichen wohl das Ableben der Maschine bedeutet. Ich fühlte mich etwas hilflos. Zwar besitze ich noch irgendwo zwei Espressokocher, aber es gibt in meinem Haushalt eigentlich nur noch ganze Bohnen, die Mühle funktioniert nicht mehr und Espressokocher brauchen ja vorgemahlene Bohnen. Auf der Suche nach einer Lösung irrte ich durch die Wohnung und wusste nicht so recht, was ich jetzt machen sollte, ich würde das Problem ja nicht nur heute haben, sondern auch morgen und übermorgen undsoweiter. Dabei glaube ich nicht, dass ich süchtig bin, es ist eher so, dass meine Routine kaputt gegangen war und ich habe schon nicht viele Routinen, ich habe eigentlich nur eine einzige Routine und diese Routine ist es, morgens aufzustehen, die Hündin zu begrüssen, ihr den Bauch zu kraulen und zur Kaffeemaschine gehen. Danach setze ich mich an den Schreibtisch und öffne sämtliche Nachrichtenseiten, dann korrigiere ich den Tagebuchtext, spreche ihn ein, bringe ihn online, dann ist der Kaffee fertig und gehe mit der Hündin raus.
Das kann ich alles nur leisten, weil ich meinen Kaffee habe. Das ist die samtene Begleiterin, durch diese morgendliche, magische Zeit.

Ich wusste heute also nicht, was tun und ging etwas irrend mit meiner Hündin in den Park. Ich erzählte allen Menschen die ich traf, dass meine Kaffeemaschine kaputtgegangen sei. Dabei wurde viel Mitleid an mich herangetragen. Alle schienen meine Gefühle nachempfinden zu können.

Auf dem Rückweg ging ich in der Bäckerei vorbei und holte zwei Kaffees. Meine Frau würde schliesslich vor der gleichen kaputten Maschine stehen. Die Bäckerin fragte mich, ob ich Hafermilch wolle, ich sagte erfreut: ja gerne!
Zwei Sekunden später fand ich die Frage ziemlich amüsant. Ich fragte in die Runde: Sehe ich aus, als würde ich Hafermilch trinken? Die Chefbäckerin sagte nichts, die Gehilfin wagte nicht zu grinsen, sie bekam aber rote Wangen.

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Heute trafen wir die ersten Vorbereitungen für die Reise. In Longyearbyen ist schon Winter, ich musste also an die Wintersachen ran und plötzlich war im ganzen Zimmer ein Textilchaos herangewachsen. Das nahm ich als Anlass, alte Kleider zu entsorgen. Vor allem die alten Tshirts, die ich nicht mehr trage, aber auch einen Hoodie und Hosen.

Die Kleider brachte ich zum Forckenbeckplatz, dort gibt es an der südwestlichen Ecke des Platzes ja diesen Zaun an dem man alte Kleider spenden kann. Dort hing ich alle Sachen auf. Vor allem die Tshirts sind gut. Sie sind alle mit von mir ausgesuchten Motiven bedruckt, die ich dann bei Shirtinator produzieren liess. Eines mit Knoblauch, eines mit einem Teller scotish Breakfast, eines mit Regen, eines mit zwei Chilis, eines mit Suhsi usw. Sie sind kaum getragen, mir gefiel der Schnitt der Tshirts von Shirtinator einfach nicht, ich sah sehr unförmig darin aus.

Dabei hing ich auch zwei Tshirts mit dem Logo meiner Firma auf. Lustigerweise machte sich eine Romafamilie sofort über diese beiden Tshirts her. Es wird vielleicht lange dauern, bis sie verstehen werden, dass sie mit dem Logo einer sehr bekannten schwulen Datingapp herumlaufen.

[Sa, 23.9.2023 – Kajak auf dem Landwehrkanal, Rentierjagd]

Die Nachbarin und ich gingen heute spontan mit unserem Kajak aufs Wasser. Zuerst überlegten wir in der Rummelsburger Bucht zu paddeln, aber wir entschieden uns für den Landwehrkanal, da dort das Wasser etwas ruhiger ist. Also fuhren wir mit dem Auto zum Urbanhafen. Dort vor dem Krankenhaus kann man prima mit den Booten ins Wasser. Die Nachbarin hat ein aufblasbares Kajak, meines ist zum Falten. In zehn Minuten waren wir fertig und paddelten los.

Wir paddelten runter bis Neukölln, bis zur Kreuzung am Weichselplatz. Auf dem Hinweg beschäftigte ich mich noch viel mit der Steuerung, aber auf dem Rückweg waren wir im Flow, wir schwebten zenartig übers Wasser und unterhielten uns die ganze Tour lang, als würden wir spazieren.

Die Fahrt dauerte ewig. Als wir aber zurück am Urbanhafen waren, sahen wir, dass wir gerade Mal anderthalb Stunden gepaddelt hatten. Und in der Summe waren es gerade mal 5 Kilometer. Es fühlte sich wie 100 an.
Da das Boot der Nachbarin noch etwas trocknen musste, legten wir die Kajaks auf der Wiese vor dem Krankenhaus in die Sonne und ich holte uns zwei Kaffees, die wir dort im Gras tranken.

Es ist wirklich erstaunlich, dass in Berlin kaum jemand aufs Wasser geht. Dabei ist die ganze Stadt mit Wasserstrassen durchzogen. Wir begegneten auf dieser ganzen Strecke nur zwei weiteren Kajaks und einem kleinen Motorboot. Neben zwei Ausflugsdampfern. Mir fallen jetzt nur Amsterdam und Utrecht als Vergleich ein, aber dort sind die Menschen ständig auf dem Wasser, kommt mir vor.

Beachtlich sind auch die vielen Zelte und Obdachlosenbehausungen am Neuköllner Ufer des Kanals. Ich kenne die Gegend von der Strasse aus, da nimmt man diese aber nicht wahr. Vom Wasser aus sieht man die Zelte und die Bretterkontruktionen. Und man sieht auch die Ratten. Eine Konstruktion besteht aus verschraubten Paletten, die in einem Brückenkopf einer Versorgungsbrücke eingebaut ist.

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Am Abend kam meine Frau aus Helsinki zurück. Ich holte sie mit dem Auto am Ostkreuz ab. Sie hatte finnische Spezialitäten mitgebracht, unter anderem eine Rentierpastete. Auf Spitsbergen ist übrigens gerade Jagdsaison. Man darf Rentiere erlegen. Das finde ich seltsam. Rentiere verhalten sich dort wie Haustiere, bzw wie Kühe, sie spazieren durchs Dorf und grasen vom spärlichen arktischen Tundraboden. Alle fotografieren sie und alle lieben sie. In der Jagdsaison erschiesst man sie. Wie gesagt: finde ich komisch.

[Fr, 22.9.2023 – müde Hündin, Herthajacken, Helmholtzkiez]

Die Hündin war wegen der Umstände von gestern etwas angeschlagen. Auf der morgendlichen Gassirunde trottete sie in 10m Abstand hinter mir her und blieb an jeder Strassenecke stehen, wo sich mich jedes Mal vorwurfsvoll anstarrte, ob wir hier nicht abbiegen und wieder zurückgehen könnten.
Auch auf andere Hunde schien sie keine Lust zu haben. Sie war also ganz glücklich über einen langweiligen Tag im Homeoffice.

Am Nachmittag ging ich zur Änderungsschneiderei. Etwas, das ich hier im Blog nie oder zumindest selten thematisiere, ist meine Unzufriedenheit über Hertha Jacken. Ich kanalisiere diese Unzufriedenheit hauptsächlich über meine Fussballfreundinnen. Ich suche schon seit Längerem die Nike Jacken, die zwischen 2015 und 2017 für Hertha produziert wurden, aber sie sind schlichtweg nicht mehr auffindbar. Meine Lesezeichen bei Kleinanzeigen.de oder Ebay bringen nie die richtigen Jacken hervor. Nach 2017 gab es bei Hertha nur noch furchtbare Nike-Jacken mit seltsamen Brustringen oder ungelenken Verzierungen, oder wir diese Saison, da ist sie weiss und hat einen seltsamen blauen Fleck auf einer Seite. Seit Jahren warte ich zu Saisonbeginn immer auf die Vorstellung der neuen Saisonjacke, dabei werde ich aber von Jahr zu Jahr enttäuscht.
Eine Freundin fand einmal die Jacke aus 2017 auf Ebay und schenkte sie mir zum Geburtstag. Das war eines der schönsten Geschenke, das ich je bekam. Leider war die Jacke in Grösse M, und sagen wir so: in M würde ich auch gerne hineinpassen, aber davon bin ich weit entfernt. Sie ziert meinen Kleiderständer, aber ich kann sie nicht tragen.

Als ich mich neulich wieder einmal über die Jacken bei Hertha beschwerte, schlug ein Freund aus dem Fanclub mir vor, einfach eine schöne Jacke zu kaufen und mir ein Logo von einem Trikot umnähen zu lassen. Diese Idee war so einfach, und so genial.
Letzte Woche fand ich schliesslich eine schicke Retrojacke von Nike in diesem neuen, sanften Herthablau. Also kaufte ich sie. Mit der Jacke und mit einem alten Trikot, ging ich heute in die Änderungsschneiderei und liess mir das Logo umnähen. Das kostet 10€ und wird nach meiner Arktisreise fertig sein. Püntklich zum nächsten Heimspiel.

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Am Abend ging ich zu Frau Casino. Wir waren auf einen Drink in ihrem Kiez verabredet. Natürlich nahm ich auch meine Hündin mit, es gehört alles noch zur Eingewöhnungsphase, weil die Hündin ab nächstem Wochenende für eine Woche bei ihr wohnen wird.

Wir setzten uns an den Helmholtzplatz in ein Café und redeten über die Dinge. Über Freundschaften, darüber wie wichtig es ist, Freundschaften nicht einfach hinzunehmen (eher ein Männerthema), über die Beziehung zu den Eltern, zu Vätern auch, wie sehr sich Familienverbindungen normalen Freundschaften ähneln, oder auch nicht, und wenn man sie nicht pflegt werden sie eher zu Last.