Seit einigen Monaten beobachte ich wieder eine verstärkte Aktivität von Blogs. Zum einen wurde Uberblogr gegründet, um die Vernetzung und auch die Sichtbarkeit von Blogs wieder zu erhöhen. Zudem gibt es neuerdings weitere Initiativen wie Blogerrolle und greatblogs.org, die ein ähnliches Ziel verfolgen, und dann ist da immer noch das altbekannte Rivva, das wieder aktiv geworden ist und nun zu einer Blogsuchmaschine weiterentwickelt werden soll. Ich finde das alles super. Möglicherweise gibt es einen Zusammenhang mit der Abkehr von Meta- oder Musk-Produkten, es kann ein Reflex sein, wieder mehr Hoheit über Inhalte und deren Verbreitung zu erlangen. Ein paar interessante Gedanken dazu hat auch Henning Uhle.
Lustigerweise kommt sofort auch wieder die Frage der Relevanz zurück. Ob die sogenannte Blogosphäre nicht zu selbstreferenziell ist, wie relevant Blogs überhaupt sind und bla. Ich weiss, Erik meinte das nicht so negativ, er beonachtet nur und wertet eine Übersicht der Themen aus Rivva aus. Aber schon damals wurde diese Frage immer gestellt. Damals abfälliger als heute. Genauso gut könnte man die Frage stellen, ob Insta oder X/Bsky nicht zu selbstreferenziell sind. Aber die grundsätzliche Frage stellte sich dort nie.
Blogs wurden hingegen von Anfang an mit einem Aschekreuz versehen. Sie seien kein Journalismus, keine Kunst, keine Literatur, keine Politik. Sie sind ja nicht relevant.
Was aber offensichtlich nicht verstanden wurde: Blogs sind einfach eine weitere Plattform. Wie X eine Plattform ist, wie Facebook, Bsky, Mastodon oder Insta. Die sogenannte Blogosphäre ist halt keine geschlossene Plattform mit einem internen Algorithmus, sondern eine offene Plattform, mehr wie ein Netzwerk. Wenn man schon keine Äpfel mit Birnen vergleichen will, muss man schon eine Williamsbirne von einer Rocha unterscheiden können. Hier wie dort sind Menschen am Start, die Sachen ins Internet schreiben. Das meiste ist langweilig. Manche Leute machen aber coole Sachen. Die werden dann viel gelesen. Das geschieht auf den geschlossenen Plattformen der Social-Media-Riesen sowie auf der offenen Plattform, dem Blog-Netzwerk. In beiden Fällen ist es schlichtweg Content, der von Menschen gemacht wird. Meistens langweilig. Manchmal aber nicht. Nur sind Blogs schlechter indiziert und vernetzt als die geschlossenen Plattformen mit ihren Algorithmen. Blogs sind schlechter zu finden. Und es wurden immer weniger. Anfang der Nullerjahre gab es keine Blog-App für das Telefon meiner Onkels und Tanten. Deswegen wurden Blogs damals schnell durch Plattformen wie Twitter und Facebook ersetzt.
Aber muss ich das wirklich erklären?
Solche Rants finde ich dann immerhin mittelmässig lustig, aber ist halt n Rant. Diese SEO- und Vermarktungsbros tauchen eben überall auf, wo sie einen Mehrwert wittern. Insofern bedeutet das ja auch, dass sie es ein neues Interesse an Blogs gibt.
Ich las Blogs immer, weil mich die Menschen dahinter interessierten. Ihre Schreibe, ihre Gedanken. Manche beschäftigten sich mit Tagespolitik, manche hatten super Hobbys, manche schrieben Tagebuch, manche schrieben auch Geschichten, manche reflektierten die Dinge, manche schrieben von ihrer Krankheit, viele schrieben über IT-Themen und Medienthemen, manche posteten lustige KatzenHundefotos. Manche schrieben diesen einen guten Blogpost und danach nie wieder. Meist mag ich es, wenn die Leute ein bisschen amateurhaft sind, wenn sie subjektiv sind, authentisch, filterlos. Aber dann gibt es auch die Profis: Medienmenschen, Journalistinnen, Anwälte. Lese ich auch. Weniger mochte ich Kollektivblogs von gescheiten Leuten, die über gescheite Dinge schreiben wollten. Die haben für mich nur selten funktioniert. Für mich funktionierte es nur, wenn einzelne Leute über gescheite Dinge schrieben. Aber das ist mein persönlicher Konsum. Das handhabe ich bei Insta und Bsky übrigens auch so. Aber Spreeblick und Riesenmaschine funktionierten sonst ja prima.
Und Stöckchen fand ich immer super. Menschen schreiben ins Internet.
Ausserdem habe ich den Punkt der Relevanz nie verstanden. Relevanz bedeutet für mich: Wenn Blogs gelesen werden, sind sie für deren Leserinnen relevant. Wenn sie nicht gelesen werden, dann sind sie eben weniger weniger interessant. Das Wichtigste an einem funktionierenden Internet oder an einem spannenden öffentlichen Raum ist eben, dass Menschen Sachen ins Internet schreiben (thx, ix). Manchmal werden die Sachen aufgegriffen und besprochen oder be-stritten, manchmal eben weniger, manchmal liest man einfach gerne irgendwas, manchmal schaut man KatzenHundefotos an. Relevant werden die Dinge ganz von selbst. Die langweiligen Dinge verschwinden ganz von selbst. Solange Leute ins Internet schreiben, ist das Internet der Humusboden. Das war schon 2006 so, als Remí von Matt Blogs die Klowände des Internets nannte. Dabei war das noch ein paar Jahre bevor Tanten, Onkels, Tradwives, Make-up-Models und Trolle das Internet überfielen.
Manchmal kommt es mir vor, dass Tanten, Onkels und Schminkmodels das Internet erst durch die geschlossenen Social-Media-Plattformen verstanden haben. Zu jener Zeit, in der das Internet auch auf das Telefon kam. Und wie gesagt, damals gab es keine Blog-App. Deshalb freut es mich auch, dass Rivva immerhin die Blogsuche ausweiten will. Vielleicht brauchen wir eine Blog-App. Ich meine nicht Jetpack, auch nicht die Tumblr-App. Sondern eine App, die plattformübergreifend Posts, Likes, Mentions und Kommentare händelt. In einem Feed. Aber eine Blogsuchmaschine ist ein guter Anfang. Ich freue mich.
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* Gestern veröffentlichte die Salto.bz es ein kurzes Interview (eher ein Frage-Antwort-Spiel) mit mir, wegen des Abdrucks meiner Novelle.
* Und Fabe hat die Novelle gelesen. Leider war er kurz vorher in Utrecht statt umgekehrt. Aber auch OK 🙂
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Lustiges KatzenHundefoto:
