[So, 8.6.2025 – in den Blogs]

Seit einigen Monaten beobachte ich wieder eine verstärkte Aktivität von Blogs. Zum einen wurde Uberblogr gegründet, um die Vernetzung und auch die Sichtbarkeit von Blogs wieder zu erhöhen. Zudem gibt es neuerdings weitere Initiativen wie Blogerrolle und greatblogs.org, die ein ähnliches Ziel verfolgen, und dann ist da immer noch das altbekannte Rivva, das wieder aktiv geworden ist und nun zu einer Blogsuchmaschine weiterentwickelt werden soll. Ich finde das alles super. Möglicherweise gibt es einen Zusammenhang mit der Abkehr von Meta- oder Musk-Produkten, es kann ein Reflex sein, wieder mehr Hoheit über Inhalte und deren Verbreitung zu erlangen. Ein paar interessante Gedanken dazu hat auch Henning Uhle.

Lustigerweise kommt sofort auch wieder die Frage der Relevanz zurück. Ob die sogenannte Blogosphäre nicht zu selbstreferenziell ist, wie relevant Blogs überhaupt sind und bla. Ich weiss, Erik meinte das nicht so negativ, er beonachtet nur und wertet eine Übersicht der Themen aus Rivva aus. Aber schon damals wurde diese Frage immer gestellt. Damals abfälliger als heute. Genauso gut könnte man die Frage stellen, ob Insta oder X/Bsky nicht zu selbstreferenziell sind. Aber die grundsätzliche Frage stellte sich dort nie.

Blogs wurden hingegen von Anfang an mit einem Aschekreuz versehen. Sie seien kein Journalismus, keine Kunst, keine Literatur, keine Politik. Sie sind ja nicht relevant.

Was aber offensichtlich nicht verstanden wurde: Blogs sind einfach eine weitere Plattform. Wie X eine Plattform ist, wie Facebook, Bsky, Mastodon oder Insta. Die sogenannte Blogosphäre ist halt keine geschlossene Plattform mit einem internen Algorithmus, sondern eine offene Plattform, mehr wie ein Netzwerk. Wenn man schon keine Äpfel mit Birnen vergleichen will, muss man schon eine Williamsbirne von einer Rocha unterscheiden können. Hier wie dort sind Menschen am Start, die Sachen ins Internet schreiben. Das meiste ist langweilig. Manche Leute machen aber coole Sachen. Die werden dann viel gelesen. Das geschieht auf den geschlossenen Plattformen der Social-Media-Riesen sowie auf der offenen Plattform, dem Blog-Netzwerk. In beiden Fällen ist es schlichtweg Content, der von Menschen gemacht wird. Meistens langweilig. Manchmal aber nicht. Nur sind Blogs schlechter indiziert und vernetzt als die geschlossenen Plattformen mit ihren Algorithmen. Blogs sind schlechter zu finden. Und es wurden immer weniger. Anfang der Nullerjahre gab es keine Blog-App für das Telefon meiner Onkels und Tanten. Deswegen wurden Blogs damals schnell durch Plattformen wie Twitter und Facebook ersetzt.

Aber muss ich das wirklich erklären?

Solche Rants finde ich dann immerhin mittelmässig lustig, aber ist halt n Rant. Diese SEO- und Vermarktungsbros tauchen eben überall auf, wo sie einen Mehrwert wittern. Insofern bedeutet das ja auch, dass sie es ein neues Interesse an Blogs gibt.

Ich las Blogs immer, weil mich die Menschen dahinter interessierten. Ihre Schreibe, ihre Gedanken. Manche beschäftigten sich mit Tagespolitik, manche hatten super Hobbys, manche schrieben Tagebuch, manche schrieben auch Geschichten, manche reflektierten die Dinge, manche schrieben von ihrer Krankheit, viele schrieben über IT-Themen und Medienthemen, manche posteten lustige KatzenHundefotos. Manche schrieben diesen einen guten Blogpost und danach nie wieder. Meist mag ich es, wenn die Leute ein bisschen amateurhaft sind, wenn sie subjektiv sind, authentisch, filterlos. Aber dann gibt es auch die Profis: Medienmenschen, Journalistinnen, Anwälte. Lese ich auch. Weniger mochte ich Kollektivblogs von gescheiten Leuten, die über gescheite Dinge schreiben wollten. Die haben für mich nur selten funktioniert. Für mich funktionierte es nur, wenn einzelne Leute über gescheite Dinge schrieben. Aber das ist mein persönlicher Konsum. Das handhabe ich bei Insta und Bsky übrigens auch so. Aber Spreeblick und Riesenmaschine funktionierten sonst ja prima.

Und Stöckchen fand ich immer super. Menschen schreiben ins Internet.

Ausserdem habe ich den Punkt der Relevanz nie verstanden. Relevanz bedeutet für mich: Wenn Blogs gelesen werden, sind sie für deren Leserinnen relevant. Wenn sie nicht gelesen werden, dann sind sie eben weniger weniger interessant. Das Wichtigste an einem funktionierenden Internet oder an einem spannenden öffentlichen Raum ist eben, dass Menschen Sachen ins Internet schreiben (thx, ix). Manchmal werden die Sachen aufgegriffen und besprochen oder be-stritten, manchmal eben weniger, manchmal liest man einfach gerne irgendwas, manchmal schaut man KatzenHundefotos an. Relevant werden die Dinge ganz von selbst. Die langweiligen Dinge verschwinden ganz von selbst. Solange Leute ins Internet schreiben, ist das Internet der Humusboden. Das war schon 2006 so, als Remí von Matt Blogs die Klowände des Internets nannte. Dabei war das noch ein paar Jahre bevor Tanten, Onkels, Tradwives, Make-up-Models und Trolle das Internet überfielen.

Manchmal kommt es mir vor, dass Tanten, Onkels und Schminkmodels das Internet erst durch die geschlossenen Social-Media-Plattformen verstanden haben. Zu jener Zeit, in der das Internet auch auf das Telefon kam. Und wie gesagt, damals gab es keine Blog-App. Deshalb freut es mich auch, dass Rivva immerhin die Blogsuche ausweiten will. Vielleicht brauchen wir eine Blog-App. Ich meine nicht Jetpack, auch nicht die Tumblr-App. Sondern eine App, die plattformübergreifend Posts, Likes, Mentions und Kommentare händelt. In einem Feed. Aber eine Blogsuchmaschine ist ein guter Anfang. Ich freue mich.

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* Gestern veröffentlichte die Salto.bz es ein kurzes Interview (eher ein Frage-Antwort-Spiel) mit mir, wegen des Abdrucks meiner Novelle.

* Und Fabe hat die Novelle gelesen. Leider war er kurz vorher in Utrecht statt umgekehrt. Aber auch OK 🙂

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Lustiges KatzenHundefoto:

[Sa, 7.6.2025 – Korrektur, Radbahn, Muskelaufbau]

Welche Rechtschreib- und Grammatikkorrekturprogramme verwendet ihr eigentlich? Mentor.Duden ist für mehr als 500 Zeichen kostenpflichtig geworden, LanguageTool immerhin erst bei 2000 Zeichen. Scribbr.de kann was, deren Kerngeschäft ist aber ein anderes, ich gehe davon aus, dass die online-Korrektur irgendwann eingestellt wird. Und wie lässt ihr eure Texte sonst auf Richtigkeit überprüfen? zB in Open/Libre-Office? Die eingebaute Funktion ist eher limitiert und LanguageTool ist für grössere Texte mega buggy. So richtig happy bin ich mit der Situation nicht.

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Die Hündin hat keine Lust auf andere Hunde. Sie steht im Park neben mir und langweilt sich. Nähert sich ein anderer Hund, bellt sie ihn weg. Ich weiss nicht, ob es damit zu tun hat, dass sie jetzt mehr als zwei Wochen lang im Wald keine anderen Hunde getroffen hat oder ob es noch immer eine Nachwirkung der Läufigkeit ist. Nach der Läufigkeit ist sie ja immer etwas eigenbrötlerisch. Momentan wirkt sie wie eine grumpy old Lady. Was ich zwar lustig finde, weil ich grumpy old ladies mag, aber andererseits quatsche ich halt gerne mit meinen Bekannten im Park. Die haben halt Hunde bei sich.

Einer der Freunde hat sich letzte Woche auf einer Downhill Fahrradbahn das Schlüsselbein gebrochen. Einerseits finde ich es amüsant, wenn man sich mit Ende 40 wie ein 20-jähriger fühlt und dabei übertreibt, aber Knochen brechen ist dann doch nicht so lustig. Wir verabredeten uns heute jedenfalls und er erzählte mir von seinem Abenteuer. Er konnte immerhin selber über seine missliche Situation lachen. Schmerzlösende Mittel sind ja auch immer nett. Wir redeten auch wieder über das Fitnessstudio. Ursprünglich wollten wir ja zusammen ins FItnessstudio, da er sich allerdings lange nicht auf ein Studio festlegen wollte, inskribierte ich mich inzwischen bei FitX und mache das alleine. Er sieht aber ein, dass er sich nach dieser mehrwöchigen Auszeit mit dem Muskelaufbau beschäftigen muss. Dabei erzählte ich ihm davon, wie ich mir vor vielen Jahren meinen rechten Oberarm brach. Nach zwei Monaten hing statt meines normalen Armes ein schlaffes Ärmchen an meiner rechten Schulter. Es dauerte viele Wochen, bis sich die Muskeln wieder regenerierten. Es schockierte mich, wie schnell sich ein Muskel abbaut. Am schlimmsten fand ich allerdings, dass ich als Rechtshänder mit links masturbieren musste. Monatelang.

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ich kam mir beim lesen von #springwegbrennt vor wie ein warmes messer, das durch leckere butter glitt.

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[Do, 5.6.2025 – schwarz]

Die Friseurin fragte mich neulich, ob ich traurig bin. Ich fragte sie, warum sie das glaube. Sie sagte, weil ich immer schwarz trage. Ich sagte, ich trage nicht immer Schwarz. Sie sagte: Sie tragen immer Schwarz. Sogar ihr Hund ist schwarz.

Eigentlich ist die Saison für kurze Hosen angebrochen, aber ich ziere mich dieses Jahr, diese Saison einzuläuten. Ich sehe in kurzen Hosen immer ein bisschen unseriös aus, leicht schülerhaft, eine Art Angus Young. Wenn es sehr heiss ist, trage ich weiss. Kurze weisse Hosen und ein weisses Unterhemd. Das sieht optisch besser aus als der Angus-Young-Style.

Heute auf der Album-Release-Party von meinem Freund Moritz von Eschersheim spielte ein Singer-Songwriter namens Tito (Maffay) auf derselben Gitarre wie Angus Young, einer Gibson SG. Ich fand seinen Auftritt sehr unterhaltsam, seltsam verträumt-destruktiv, ungemein vielseitig und kreativ. Schade, dass dieser Liedermacherstil musikalisch immer so wenig Raum einnimmt. Dadurch wirkt es für mich immer etwas dünn und belanglos, womit ich allerdings nicht seinen Auftritt kleinreden möchte. Ich habe nur das Gefühl, dass er mehr aus seiner Kunst holen könnte, wenn er von einer Band begleitet werden würde. Wie Moritz‘ Auftritt, dessen Musik auf Spotify eher gewöhnlich klingt, aber auf der Bühne, mit Schlagzeug, Bläsern und einer zweiten Gitarre, das Publikum zum Kochen brachte.

Als ich in einer kurzen, irrlichternden Episode meines Lebens E-Gitarre spielen wollte, fand ich mich in einer Situation wieder, in der ich mich zwischen einer Gibson „Les Paul“ und einer Gibson SG entscheiden musste. Es waren die einzigen beiden Gitarren, die ich wirklich schön fand. Mit den Instrumenten der Marke Fender konnte ich nie etwas anfangen, die fand ich zu vulgär rockig. Bei der Gibson SG gab es sogar schwarze Modelle. Später fand ich heraus, dass es auch von der Les Paul schwarze Modelle gab. Aber als ich vor der Wahl stand, gab es im Laden eine schwarze Version der SG und eine braun-rote Version der „Les Paul“. Ich entschied mich ohne zu zögern gegen die schwarze „SG“ und für die braun-rote Les Paul.

Was ich damit sagen will: Ich bin wirklich kein trauriger Mensch.

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[Di, 3.6.2025 – Rehe, Interview, Audio]

Von langen Autoreisen bekomme ich meistens ein seltsames Muskelweh. Am nächsten Tag fühlt sich mein Muskelgerüst verhärtet an. Als wäre ich von einem subtilen Krampf umgeben. Vor allem an den Beinen. Heute war so ein Tag. Abhilfe schafften nur Spaziergänge oder eben körperliche Betätigung. Morgen gehe ich wieder ins Fitnessstudio, vielleicht löst das die Muskeln.

Komischerweise habe ich in diesen zwei Wochen Gewicht verloren. Gemessen an den Mengen an Alkohol und Kohlenhydraten, die ich zu mir genommen hatte, ging ich davon aus, dass ich 3 oder 4 Kilo zulegen würde. Das Gegenteil ist aber der Fall. Verstehe ich nicht. Aber es ist mir egal. Ich nehme jeden Gewichtsverlust an wie ein fliegendes Brathähnchen aus dem Schlaraffenland.

Wir sind übrigens auch mit dem Kajak gefahren. Das will ich nicht unerwähnt lassen. Die Nachbarin aus Berlin, ihr Sohn und ich. Das war wirklich sehr schön. Durch ein kleines Flusssystem nordöstlich von Limmared, das sich zu einer Seeenkette langzog. Dort sahen wir einen Otter und wir kamen sehr nahe an grasende Rehe heran. Es soll üblich sein, dass man Rehe vom Fluss aus in geringer Entfernung sehen kann. Als wir das nachher der Frau vom Kajakverleih erzählten, erklärte sie uns, dass Rehe vom Wasser her keine Gefahr erwarten und sich deswegen lange in Sicherheit wiegen, bis man plötzlich sehr nahe dran ist. Die Frau vom Kajakverleih wusste aber auch sonst viel.

Heute beantwortete ich noch die Fragen des Südtiroler Onlinemagazins „Salto.bz„. Weil meine Novelle neulich in der südtiroler „Kulturelemente“ erschien, sollte ich für deren Podcast und die dazugehörige Webseite ein paar Fragen beantworten. Nichts lieber als das. Einige Fragen schriftlich und einige Fragen als Audio. Mit der Audioaufnahme strauchelte ich ein bisschen. Zuerst antwortete ich einfach frei heraus und ohne mich vorzubereiten. Ich dachte, das klingt authentischer. Während ich das einsprach fand ich allerdings, dass ich viel Blödsinn redete und dümmliche Formulierungen verwendete. Weil das nach dem zweiten und dritten Mal nicht besser wurde, schrieb ich mir die Antworten auf und las sie danach vom Blatt ab, was wiederum etwas hölzern und überhaupt nicht wie in einem Dialog klang. Also übte ich noch ein paar Mal, um das Aufgeschriebene authentischer klingen zu lassen. Es ging so mittelmässig gut. Zum Glück bin ich kein Perfektionist, sonst sässe ich immer noch dran.

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Zurück in B:

[Mo, 2.6.2025 – die letzten 5 oder so Tage]

Nach den vielen Tagen ohne Eintrag weiss ich gar nicht mehr, wie ich die letzten Tage zusammenfassen soll. Nicht nur habe ich wenig gebloggt, ich habe auch sonst kaum eine Zeile geschrieben. Auch habe ich nichts gelesen. Tagsüber war ich immer sehr mit Logistik (Einkaufen, Holz holen, Steine holen, mähen, Wald ausdünnen) beschäftigt, und abends war ich immer dermassen müde, dass ich im Bett nach zwei Atemzügen einschlief.

Die Komposttoilette ist jedenfalls fertig gebaut, sowie auch die Aussendusche. Wir waren in Göteborg, haben dort Unmengen Kaneelbullar gegessen und Holz gekauft. Überhaupt habe ich viel Holz gekauft, Essen gegessen und Alkohol getrunken. Mit dem Holz kaufen werde ich in Berlin immerhin wieder aufhören. Dafür gibt es jetzt ein wunderbares Toilettenhäuschen aus Fichtenholz, das aussieht wie eine Sauna. Das wiederum hat die Fantasie beflügelt, weswegen wir uns überlegen, in den nächsten Jahren eine Sauna zu bauen. Ich weiss jetzt immerhin alles über den Holzkauf. Nicht den –Bau, aber den –Kauf.

Am Samstag kam der Maler. Er wollte eigentlich irgendwann in 2025 kommen, um die Aussenfassade neu rot zu streichen. Wir hatten beschlossen, dies nicht selbst zu tun, sondern ihn das machen zu lassen. Er braucht für die 6 Hauswände etwa drei oder vier Stunden, während ich für eine einzige Wand zwei Tage brauchte. Ich weiss nicht genau, was ich falsch mache. Vermutlich habe ich keine Lust und entsprechend lustlos, schlecht und langsam male ich dann auch. Das ist wie mit dem Putzen. Wir hatten einmal eine Putzfrau, die putzte einfach schnell. Als ich sie dabei beobachtete, stellte ich fest, dass sie beim Putzen gute Laune hatte. Sie putzt wahrscheinlich einfach gerne, bzw. sie findet es nicht so schlimm wie ich. Das Ergebnis macht mir allerdings gute Laune. Wenn das Haus rot ist und die Wohnung sauber.

Weil ich auf Insta mehrmals gefragt wurde, warum in Schweden die Häuser rot sind, möchte ich auf den Wikipedia-Artikel „Falunrot“ verweisen. Meine Zusammenfassung geht so: Die Farbe ist ein Pigment, das als Abfallprodukt aus dem Kupferbergwerk im zentralschwedischen Falun gewonnen wird. Das Pigment ist wasserlöslich, schützt aber das Holz, wenn es dick aufgetragen wird. Die Farbe wurde in Schweden populär, weil sie zum einen verfügbar war und die Häuser damit ein bisschen aussahen wie Backsteinbauten wohlhabender Mitteleuropäer. Nachdem im Laufe der Jahrhunderte so viele Häuser damit bestrichen worden waren, entwickelte sich die Ästhetik zu einem Teil der schwedischen Identität.

Unsere Berliner Nachbarn fuhren am Sonntagfrüh zurück. Ein paar Stunden später fuhren auch wir in den Süden. Nicht gleich nach Berlin, sondern zuerst in ein kleines Dorf unweit von Trelleborg, zu einer Cousine zweiten Grades, die uns vor wenigen Wochen in Berlin besuchte. Es war sehr nett. Sie und ihr Mann bewohnen ein wahnsinnig schönes und schön eingerichtetes Holzhaus unweit des Strandes in einer kleinen Wohnsiedlung zwischen Kiefernbäumen. Das Haus ist nicht nur von innen hygge, sondern auch von aussen.

Am gestrigen Montag fuhren wir dann wieder zurück nach Berlin.

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[Di, 27.5.2025 – es regnet kaltes Wasser]

Um etwa 10 fing der Regen an und er blieb bis 17 Uhr. Weil ich morgens einige Zeit unpassend gekleidet im kalten Regen verbrachte, kam ich den ganzen Tag nicht richtig auf Temperatur. Ich fand nämlich meinen Autoschlüssel nicht mehr wieder. Als ich mich an alle Abläufe des Vortages zu erinnern versuchte, kam der Verdacht auf, ich hätte ihn beim Bearbeiten der Birke irgendwo draussen verloren. Also stocherte ich die längste Zeit auf der Wiese vor dem Haus und auf dem matschigen Weg unten am Fluss mit den Stiefeln zwischen dem Grass herum. Am Ende stellte sich heraus, dass ich den Schlüssel in dem kurzen Moment verloren hatte, in dem ich im Auto der Nachbarin gesessen hatte. Ey, ich will gar nicht googlen, was ich hätte unternehmen müssen, um in Schweden einen Autoschlüssel ersetzen zu lassen. Vor allem, wo die Fahrzeugpapiere im Auto eingeschlossen waren.

Ziemlich durchnässt fuhren meine Frau und ich schliesslich in ein 40 Kilometer entferntes Dorf, um eine Regentonne zu kaufen. Wir waren schlecht gelaunt und meine Hände froren. Eigentlich fror so ziemlich alles in mir. Und die Heizung wollte nicht wirklich wärmen, bis wir herausfanden, dass das Gebläse ausgeschaltet war. Mittlerweile hatte der Regen seine Beats per Minute verdreifacht. In dem angesteuerten Geschäft befanden sich die grösseren Gartengegenstände wie Regentonnen in einem offenen Gelände auf der Rückseite des Gebäudes. Sogar meine Schuhe waren mittlerweile nass. Ich weiss nicht genau, warum ich meine schöne Kleidung für den Einkauf angezogen hatte. Vermutlich, weil ich dachte, mich in die Zivilisation zu begeben. Da kann ich nicht gut in Gummistiefeln und ausgebeulten Hosen auftauchen. Die Regentonnen waren jedenfalls nicht nach unserem Geschmack. Einmal holte ich einen dazugehörigen Plastikdeckel vom oberen Regal. Zu spät merkte ich, dass die Deckel dort umgedreht gelagert und damit vollgeregnet waren. Und so ergossen sich fünf Liter kaltes Regenwasser über mich.

Daraufhin beschloss ich, nichts zu kaufen. Ich setzte mich ins Auto und schaltete das warme Gebläse an.

Abends kam allerdings die Sonne raus.

Dennoch überlege ich jetzt, dieses Blog umzubenennen.

[Mo, 26.5.2025 – Slits, Björk]

Ich wasche mich hier ja kaum. Ich stinke nicht. Natürlich bilde ich mir ein, dass dies an der Natur liegt. Dass der Körper in der Wildnis sich irgendwie von selbst reinigt. Tarzan hat schliesslich auch erst geduscht, als er nach London kam. Das letzte Mal duschte ich vor 9 Tagen, zuhause in Berlin. Wir haben hier ein kleines Waschbecken mit einer Handbrause. Damit kann man sich waschen. Oder man springt in den Fluss. Der Fluss misst allerdings Temperaturen im einstelligen Bereich. In dem Fall rieche ich lieber schlecht. Ich halte meiner Frau regelmässig meine Achseln an die Nase. Sie bestätigt aber, dass ich nicht stinke. Allerdings wasche ich mich schon ein bisschen. Katzenwäsche. Von Tits, Pits and Slits wasche ich mir immerhin die Slits.

Wir haben hier schöne Tage. Wir assen abends auch schon draussen in der Abendsonne. Einmal schmissen wir den Grill an. Der Bau der Toilette schreitet voran. Tagsüber sind wir alle beschäftigt. Der Nachbar geht einfach ganz normal seinem Job nach, wir anderen sind draussen. Wir gärtnern, legen Blumenbeete an, fahren in die Stadt zum Supermarkt oder zum Baumarkt. Ich dünne ein kleines Waldstück aus, in dem ich schon seit Jahren Tische und Bänke hinstellen will. Allerdings spriessen dort viele kleine Eschen und es liegt eine vor sich hin faulende Birke dazwischen.

Letztes Jahr berichtete ich von einer Birke, die über den Waldweg gestürzt war. Die Forstgesellschaft hatte den Baum anschliessend gefällt und nur am Wegesrand liegen gelassen. Diese Birke gingen der Sohn der Nachbarin und ich heute holen. Mit einem dicken Seil befestigten wir den Baum am Schloss der Gepäckstür am Auto. Es war ein Versuch, ich wusste nicht, wie stabil dieses Schloss sein würde. Wie sich jedoch herausstellte, kann man damit richtige Baumstämme einen halben Kilometer durch den Wald schleifen. Oben auf vor dem Haus können wir die Birke zerkleinern. Das machen wir aber erst in den nächsten Tagen.

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Stefan und Dirk Hesse haben die Novelle gelesen:

  • Janeemussja – „ein bisschen den Weg finden, offenbar ohne zu sehr zu suchen.“
  • Ligneclaire – „Das tut er unaufgeregt, fast distanziert, und das hat mir sehr gefallen“

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[Sa, 24.5.2025 – välkommen]

Am Donnerstagabend kamen dann unsere Nachbarn aus Berlin. Zuerst erreichte uns der Sohn, der mit seinem Oldtimer-Bulli bereits vor einigen Tagen in Berlin gestartet war. Sein Bulli fährt nicht schneller als 80 km/h, auf der Autobahn ist er daher nicht immer beliebt. Immerhin steht in Grossbuchstaben auf seiner Heckscheibe „Sorry, can’t drive faster“. Das dürfte die meisten Menschen milde stimmen. Bei diesem Tempo braucht er natürlich ewig. Allerdings ist er mit diesem Gefährt schon nach Nordnorwegen auf die Lofoten gefahren. Mit der passenden Einstellung kommt man überall hin,

Zwei Stunden später kamen auch die anderen beiden. Schweden hiess sie bei fünf Grad und Regen Välkommen. Es gab ja diesen Temperatursturz. Aber alle hatten gute Laune. In unserem Häuschen brannte der Kamin und es gab sizilianischen Käse und sizilianische Wurst und sizilianische Salami.

Am nächsten Tag begannen wir mit den Arbeiten an der neuen Komposttoilette. Ich verwende an dieser Stelle noch das „wir“, weil der Toilettenbau ursprünglich so geplant war, dass ich die Toilette baue und der Sohn der Nachbarin mir hilft. Der junge Mann ist aber ausgesprochen geschickt und versiert. Die Arbeit mit Holz ist sein Hobby und sein Beruf. Er kam zudem mit einem mehr oder weniger ausgereiften Plan für diesen Bau nach Schweden. Nach der ersten Lagebesprechung stellte sich sehr schnell heraus, dass ich im Wege stehe. Ich eignete mich nicht einmal als schmückendes Beiwerk, weil er zudem wesentlich besser aussieht als ich.

Dennoch war ich drei Tage lang durchgehend beschäftigt und kann gar nicht sagen, womit genau. Immerhin stiegen danach die Temperaturen ein bisschen und es kam sogar eine zögerliche Frühlingssonne hervor.

[Mi, 21.5.2025 – Humus, Wetterfest]

Abends gehen wir schon vor Sonnenuntergang ins Bett und ich wache mit den ersten Sonnenstrahlen auf. Ich komme mir vor, wie ein Huhn.

Wenn ich mich ins Bett lege, werde ich augenblicklich müde und schlafe in kurzer Zeit ein. Von Knausgård habe ich bisher etwa 20 Seiten gelesen, ich muss aber jeden Abend neu anfangen, weil ich wegen der Müdigkeit nur Buchstaben lese und keine Inhalte. Ich vergesse ständig, was auf der vorigen Seite geschah, muss zurückblättern, lese wieder nur Buchstaben, und plötzlich fällt mir das Buch ins Gesicht, weil ich währenddessen einschlief.

Es hat sicherlich mit der körperlichen Anstrengung zu tun, die ich hier aufbringe. Die ersten Tage malerten wir und stellten das halbe Haus um. Gestern öffnete ich das Plumpsklo von hinten und schaufelte menschliche Ausscheidungen der letzten 70 Jahre in eine Schubkarre. Ich habe allerdings nicht ganz verstanden, welche organische Substanz ich hier genau wegarbeitete. Ich dachte, Kompost oder Humus sei lockerer, weicher. Das, was ich dort aber verschaufelte, war in den unteren Lagen eher lehmige Erde. Die oberen, lockeren Schichten waren nur etwa 10 cm dick. Danach nur noch dunkelbraun und lehmig. Eine schnelle Suche im Netz gab mir noch keine zufriedenstellenden Antworten. Ich werde diesbezüglich die kompetente Frau aus dem Toilettengeschäft noch einmal ansprechen. Die sprach nämlich ständig von Fäulnisprozessen, die es zu verhindern gelte. Möglicherweise ist die lehmige Substanz eher ein Ergebnis von Fäule. Aber wie gesagt, ich werde das in Erfahrung bringen, wenn mir der Kopf danach ist.

Zuerst mache ich mir Gedanken um den zu erwartenden Ganzkörpermuskelkater, der mich spätestens am Donnerstag überziehen wird. Das alles ist anstrengender, als ins Fitnessstudio zu gehen.

Dort, wo ich jetzt alles freigeräumt habe, werden wir in den nächsten Tagen die Komposttoilette einbauen. Wenn der Sohn unserer Freunde am Donnerstag kommt, werden wir die Baupläne besprechen. Vermutlich brauchen wir Ziegelsteine, um die Tonne auf festen Untergrund zu stellen.

Die letzten Tage waren vom Wetter her bilderbuchmässig. Blauer Himmel, 20 Grad, ein leichtes Lüftchen. Ich beschäftige mich ja selten mit dem Wetter. Aber wenn man für ein paar Wochen im Jahr in den Wald zieht, ist es dennoch von Vorteil, wenn man nicht ständig drinnen sitzen muss. Ausserdem liegt die Toilette etwa 50 Meter die Wiesen hinunter, hinter der Scheune.

Morgen wird es einen Temperatursturz auf 5 Grad Höchsttemperatur geben. Morgen kommen auch unsere Freunde aus Berlin. Glücklicherweise sind sie nicht wettergefühlig, wie man auf Niederländisch sagt. Im Gegenteil, sie sind alle drei wetterfest. Dennoch waren die letzten Tage in der Abendsonne vor dem Haus schon fantastisch.

Heute waren wir in Göteborg bei Ikea, um Teppiche und andere Dinge zu kaufen. Dabei war ich noch nie in einem schwedischen Ikea. Bis auf den grossen Schriftzug „Ingång“ am Eingang sah es so aus wie ein normales Ikea in Berlin. Sogar die Namen der Möbel waren deutsch, wie immer. OK, blöder Witz, ich habe gute Laune.

Den Rest des Tages hingen wir Lampen und Bilder auf. Schon heute ist es merklich kühler als die letzten Tage. Am Abend heizte ich den Kamin ein. Vor allem, um das Papier von der Malerarbeit und die Kartons aus dem Möbelhaus zu entsorgen. Das war eine richtig gute Idee. Am Kaminfeuer zu sitzen, war schön.

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[Mo, 19.5.2025 – Ländereien, Malern, Flussufer]

Die ersten beiden Tage fasse ich jetzt mal als zwei intensive Arbeitstage zusammen. Wir hatten spontan beschlossen die Küche zu malern. Unsere Berliner Nachbarn kommen am Donnerstag, meine Frau hasst diese gelb gestrichenen Wände in der Küche, deswegen nahmen wir uns einer neuen Wandfarbe an.

Es ist tagsüber sehr angenehm warm. Sonnig und um die 20 Grad. Morgens setze ich mich mit der Hündin auf die Ostseite des Hauses auf die Steinplatte vor der Eingangstür in die Sonne und trinke Kaffee. Die Hündin legt sich vor mir ins Gras. Totale Instagramvibes. Später kommt noch meine Frau dazu. Ich sage ständig: Uns geht’s gut. Uns geht’s richtig gut.

Vormittags laufe ich mit der Hündin das Ufer ab. Ich nenne es: meine Ländereien inspizieren. Ich fühle mich wie John Dutton. Zwar hat das Land hier kaum Wert, aber das Flussufer ist fast einen Kilometer lang, ich wollte immer schon einmal am Wasser leben. Ein See wäre noch besser, das Meer auch, aber das Meer ist was anderes.

Ich wäre jedenfalls ein guter John Dutton.

Die Hündin liebt es, wenn wir unsere Ländereien inspizieren. Auch sie wäre ein guter John Dutton. Sie kennt bereits die Stellen, für die ich mich interessiere. Es sind verschiedene Uferstellen, an denen ich die Änderungen des Flussverlaufs checke. Sie rennt mir voraus und macht das, was ich auch immer mache: checken. Ein bisschen mit den Füssen die Festigkeit der Erde prüfen, auf und ab gehen, links und rechts schauen. Ich mache das vor allem mit den Augen. Sie macht das vorrangig mit der Schnauze.

Dieses Jahr führt der Fluss sehr wenig Wasser mit. Anscheinend war der Winter sehr trocken. Üblicherweise tritt der Fluss jeden Winter über die Ufer. Dieses Jahr sieht man Sandbänke im Fluss.

Am südlichen Ende des Ufers haben wieder Wildschweine getobt und weite Teile der Wiese umgepflügt. Laut Internet suchen sie nach Wurzeln, Mäusen und Insekten. Früher gab es an jener Stelle oft Maulwurfhügel. Jetzt aber nicht mehr.

Und sonst malern wir die ganze Zeit. In einer der Pausen bewundere ich die Hündin, wie sie einfach da im Gras liegt und sich von der Sonne anscheinen lässt. Spontan lege ich mich dazu. Auf den Bauch. Das habe ich noch nie gemacht. Warum eigentlich nicht. Es geht mir gut, dort im Gras, es geht mir richtig gut. Meine Frau kommt dazu und legt sich neben mich. Es geht uns richtig gut.

In der Scheune fand ich Golfschläger. In der Scheune findet man viele Dinge. Die Golfschläger hatte ich allerdings nie registriert. Sie müssen sehr alt sein, teilweise sind sie aus Holz. Da ich weiss, dass mein Schwiegervater sich nicht für Golf interessiert, müssen die Schläger aus den Fünfzigern sein oder von noch früher.

Ich habe zwei Freunde, die Golf spielen. Ich schicke beiden ein Foto davon.

Am Abend gehen wir zu den Nachbarn, die etwa 2 km flussaufwärts wohnen. Die beiden sind ein Paar, der Mann ist der Cousin meiner Frau. Sie haben indisches Essen für uns gekocht. Wir haben Berliner Bier mitgebracht. Sie zeigen uns ihr Haus, sie wohnen dort 8 Monate im Jahr, ohne warmes Wasser und ohne Wassertoilette. Für den Winter haben sie eine Wohnung in Göteborg. Es ist ein sehr netter Abend. Die Sonnenuntergänge ziehen sich in dieser Jahreszeit schon ewig am Horizont entlang und die Nächte werden nicht mehr richtig dunkel. Als wir durch den Wald zu unserem Haus zurückgehen, leuchtet der Himmel durch die Bäume hindurch in Orange.

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