[Fr, 13.09.2024 – Kleidung, Kärnten, Abnehm-App]

Tagespensum: Seiten 83 bis 95 von 116

Heute konnte ich viel an der Novelle arbeiten. Ich schaffte es aber auch, alle Kleidervarianten (verschiedene Westen, Hemd, Krawatte, Tshirt, schwarz, weiss) anzuprobieren und sie meiner Frau und dem Freund aus Minden zu schicken. Vermutlich wird es die Kombination aus weissem Hemd ohne Krawatte und darüber eine schwarze Weste. Ganz glücklich bin ich mit der Wahl aber noch nicht. Ich habe noch eine Woche Zeit, mich damit zu beschäftigen. Eventuell doch online suchen oder eine Samtweste, wie in den Kommentaren empfohlen.

In Österreich gibt es derzeit Schneestürme. Wir fahren nach Kärnten. Vor allem Kärnten ist betroffen. Das kann sich bis Ende nächster Woche natürlich noch ändern. Immerhin wird es keine 30 Grad mehr. Das ist das Wichtigste. Über 30 Grad kann man sich ja nicht mehr einkleiden. Überschwemmungen oder Schneestürme sind weniger schlimm. So lange man gut aussieht und tanzen kann.

Neulich sprach ich mit meiner Ärztin über mein Gewicht, meinen Blutdruck und mein Risiko für Diabetes. Nachdem ich während Corona 20 Kilos verlor, die ich mittlerweile alle wieder auf den Rippen trage, will ich das Thema jetzt ernsthafter angehen. Mein Vater bekam Diabetes, als er in meinem Alter war, meine Grossmutter auch, ich habe also die Disposition dafür und wenn ich ganz ehrlich bin, möchte ich das mit Kräften vermeiden. Also empfahl mir die Ärztin eine Abnehm-App. Auf den Gedanken, dass es eine Abnehm-App gibt, wäre ich Technologiemensch nie von alleine gekommen. Und es kam noch besser: sie verschrieb mir die App per Rezept. Ich würde einen Zugangscode bekommen und alle nötigen kostenpflichtigen Dienste nutzen können.

Die App heisst Oviva. Ich richtete sie heute ein. Es geht zuerst einmal darum, das Essen und die Bewegung zu protokollieren. Vermutlich um ein Bewusstsein zu schaffen. In den nächsten Tagen werden weitere Funktionen aktiviert.
Bewegung ist bei mir durchaus vorhanden. Bewegung war nie mein Problem. Ich bin eigentlich sehr fit, bin muskulös, ich gehe viel und schnell, seit ich die Hündin habe noch mehr als vorher, ausserdem fahre ich viel und schnell mit dem Fahrrad. Allerdings fahre ich weniger mit dem Rad, seit ich die Hündin habe und ich weiss nicht, ob die zugenommenen Spaziergänge das kompensieren.
Was ich nicht mag, sind Fitnessstudios. Oder auch ödes Joggen. Immerhin mache ich täglich eine Plank und Liegestützen. Aber das ersetzt natürlich keinen richtigen Sport.

Fürs Protokoll reichte ich sofort meine gestrige Fahrt ins KaDeWe ein. 40 Minuten hin und 40 Minuten zurück. Das zahlt sich gut auf das Konto ein.

[Do, 12.9.2024 – Westen im Westen, aber wenig Neues]

Tagespensum: Seiten 76 bis 82 von 115.

Wie versprochen, fuhr ich heute ins KaDeWe, um mich für die Hochzeit einzukleiden. Ich folgte der Empfehlung des Verkäufers im Galeria am Alex, der meinte, im KaDeWe gäbe es eine bessere und ausgefallenere Auswahl an Westen. Das stimmte allerdings nicht. In der kompletten Herrenetage gab es vielleicht eine Handvoll Westen. Und jede, die mal im KaDeWe war, weiss, wie gross die Auswahl dort ist. Das fand ich überraschend.
Mit Westen meine ich übrigens keine Strickwesten oder Lederwesten, ich meine feine Anzugswesten, vorzugsweise aus feiner Wolle an der Vorderseite und Seide auf der Schattenseite.

Nach mehr als einer Stunde verliess ich enttäuscht das KaDeWe. Mit Hoffnung auf mehr Erfolg ging ich zu Zara. Zara ist spanisch, die sehen in Westen sicherlich eine grössere Notwendigkeit. Dem war allerdings auch nicht so.

Erst bei Peek & Cloppenburg wurde ich fündig. Zwar gab es keine wirklich schöne und ausgefallene Modelle, aber immerhin ein schlichtes in Schwarz mit schwarzer Rückseite. Ich habe drei schwarz-in-schwarz Westen, aber in die passe ich nicht mehr gut rein.
Bis noch vor wenigen Jahren trug ich ständig Westen. Meist ohne Anzug. Mit Anzug ist es oft too much. Aber Westen kann man gut als modisches Gimmick tragen. Das wertet jeden Look auf, sogar wenn man sie über Tshirts trägt. Ähnlich wie dünne Krawatten.

(Boah, der Titel)

[Mi, 11.9.2024 – Hemden, Westen, Fotografiska]

Tagespensum: Seiten 72 bis 75 von 113

Die Hündin ging heute mit dem Gassiservice mit, ich nutzte die freie Zeit, um intensiv an der Novelle weiterzuarbeiten. Ich kam immerhin 4 Seiten weiter, aber der Text wuchs auch um 2 weitere Seiten an. In diesem Tempo werde ich kaum die extra Woche, die ich mir als neue Deadline gesetzt habe, erreichen. Der Text ist an dieser Stelle nicht sehr ausgearbeitet, das kostet Zeit, ich hoffe, er ist auf den späteren Seiten bereits weiter entwickelt. Ich kann mich nicht mehr erinnern und ich will das jetzt nicht überprüfen, sonst verliere ich mich. Ich gehe lieber von Seite zu Seite vor.

Die Erkenntnis war aber auch: An der Hündin liegt es nicht.

Am Nachmittag fuhr ich zu Galeria Kaufhof, um mich für die Hochzeit einzukleiden. Ich fand immerhin ein passendes weisses Hemd mit kurzen Ärmeln. Dabei half mir ein älterer Herr, der mir die Masse des Halses und des Bauchumfangs abnahm. Daraufhin brachte er mir drei Probehemden. Alle drei passten gut, ich sagte dem Herrn aber, dass ich es gerne etwas taillierter hätte. Der Herr schüttelte den Kopf und zeigte wortlos auf meinen Bauch. Ich bestand dennoch darauf, weswegen er mir ein taillierteres Hemd brachte. Dieses spannte in der Tat. Ich sagte: aber dann ziehe ich einfach den Bauch ein. Er sagte, das funktioniere aber nur im Stehen, im Sitzen würde sich der Stoff verziehen und Falten bilden. Und man könne keinen ganzen Abend lang den Bauch einziehen, die Knöpfe würden unweigerlich Achter am Bauch bilden.

Das wusste ich eigentlich. Es gibt viele Fotos von mir mit Achter auf dem Bauch. Aber es gibt viele Fotos von lebensfrohen Männern, deren Hemden Achter bilden. Ich dachte, das wäre sozial akzeptabel.

Ich kaufte dennoch das weniger taillierte Modell.

Aber Westen fand ich keine. Am Alex hatte sie nur konservative Modelle in Schwarz und in Navy. Der Herr, der mich bediente, empfahl mir, ins KaDeWe zu fahren. Weil mir heute die Zeit fehlte, verschob ich das auf morgen.

Um 15 Uhr hatte ich das Einzelgespräch mit einem Parteimitglied von Volt. Wir redeten eine Stunde. Am Ende schickte er mir alle nötigen Unterlagen. Ich würde nun Zugang zu den öffentlichen Signal-Gruppen und zum Parteikalender erhalten. Damit ich bereits an Veranstaltungen teilnehmen kann.
In zwei bis drei Wochen wird mein Antrag überprüft sein und wenn ich aufgenommen werde (sehr wahrscheinlich), kann ich mich auch engagieren.

Um 18 Uhr fuhren meine Frau und ich zur Oranienburger Strasse. Mein Schwager hatte vorgestern Geburtstag, also luden wir ihn zu heute auf ein Dinner ins Veronika ein. Über das Restaurant hatte ich bereits vor einigen Monaten geschrieben. Nach dem Essen gingen wir in die Ausstellung des Fotografiska, dieses Ausstellungszentrum für zeitgenössische Fotografie. Das Ticket für die Fotografiska ist bei einem Restaurantbesuch im Veronika inklusive. Es gab ja viel Kritik über den kommerziellen Charakter der Fotografiska. Teils finde ich die Kritik begründet, teils hat sie aber auch einen linkskonservativen Tonfall, den ich nicht mag.

Meine Frau und ich fanden die Ausstellung eher mittelmässig. Die Bilder im 5.OG waren mir zu psychedelisch und die Installationen über AI im 4.OG fanden wir beide etwas inhaltsleer. Es ist nicht auszuschliessen, dass wir nicht mehr sehr aufnahmefähig waren, immerhin hatten wir einiges getrunken. Dafür gefiel uns die Videoinstallation von Joanna Dudley, die auf sieben Bildschirmen Videos von einer Frau und sechs Mädchen darstellte, die sich vor einer Fototapete zu Opernarien und Reden von Diktatoren verhalten. In kämpferischen Posen, in albernen Posen, oder auch gar nicht. Wir hätten da ewig sitzen können.

[Di, 10.9.2024 – Mode]

Tagespensum: Seiten 69 bis 71 von 111

Die erste kühle Nacht. Ich breitete mich unters offene Fenster aus und schlief danach zwei Stunden länger als in den Wochen davor.

Mein Freund aus Minden schrieb mich weiterhin wegen der Kleidung für die Hochzeit an. Ich bin überrascht, wie sehr ihn das Thema beschäftigt. Er ist mir bisher nie als modisch interessiert aufgefallen. Unsere Gespräche drehen sich meist um Technologiethemen. Es macht mir Spass, mich mit einem Mann über Mode auszutauschen. Männer mögen das meist nicht. Oder sie sind zu unbeholfen dabei, das ist vielleicht der Grund. Männer dürfen auch nicht im Verdacht stehen, eitel zu sein, das dürfen nur Frauen. Bisher kann ich Eitelkeit ganz gut verbergen.

Wegen des Austausches mit meinem Freund probierte ich heute den Hochzeitslook an. Ich war mir sicher, dass meine Garderobe einen ordentlichen Look für einen gesellschaftlichen Anlass hergibt. Schliesslich gehe ich tendenziell eher overdressed aus dem Haus, mir ist es lieber, overdressed als underdressed zu sein. Dummerweise stimmt diese Annahme nicht mehr wirklich. Vor allem nicht, wenn es warm ist, wo ich nur noch Thirts und kurze Hosen ertrage, zudem hat das Leben mit meiner Hündin auch für einen gewissen permanenten Gassilook gesorgt.
Überdies sind mir alle Hemden zu eng geworden. Neuerdings trage ich sehr selten Hemden. Ich befinde mich gerade in einer sportlichen Phase. Andere Männer in meinem Alter legen sich neue Autos oder Jachten zu, ich hingegen ziehe kurze Sporthosen und Tshirts an.
Seltsam finde ich übrigens, dass alle meine Westen kurz geworden sind. Nicht eng (obwohl das auch), sondern kürzer. Als wäre ich in die Länge gewachsen. Erklären kann ich es mir nicht.

Wir schickten uns gegenseitig Fotos, wie wir vor dem Spiegel posieren. Er hat einen Anzug in Navy ausgewählt, mit einem weissen Hemd, das auf der Innenseite des Kragens ein dunkles Band führt. Er ist nicht ganz happy damit. Deswegen probieren wir.
Da mir meine Hemden offensichtlich nicht mehr passen, beschloss ich, shoppen zu gehen. Der angedachte Look ist ein weisses Hemd mit kurzen Ärmeln, eine schwarze Weste mit schwarzem, dünnen Schlips. Eventuell auch ein neues Jacket. Aber das müsste dann auch schwarz sein. Mehr als zwei deckende Farben zu tragen ist sehr schwierig und mehr als drei tötet jeden Look. An den Beinen trage ich schwarze Jogpants und weisse Sneakers. Die Weste würde ich vorzugsweise etwas exzentrischer haben wollen. Zwar sind die Schwarzen immer sehr schnieke, in Schottland kaufte ich mir einmal zwei Westen, die hinten auf der Seidenseite psychedelische Muster abgebildet hatten. Das fand ich so schön unseriös, dass ich danach nur noch selten schwarz-in-schwarz Westen trug.

Es kann aber auch sein, dass ich beim Shoppen auf ganz andere Ideen komme. Wir einigten uns darauf, nicht konservativ anzutanzen. In Österreich auf dem Land tragen die Gäste sicherlich diese unsäglichen Trachten oder an den Trachtenlook angedockte Postvölkische-Mode, deswegen werde ich mich eher an die Berliner Nacht orientieren. Schwarz oder Anthrazit geht immer. Oder eben richtig farbenfroh, vielleicht sogar psychedelisch. Zur Not geht auch ein schwarzer Anzug mit weissem Hemd und einer dünnen Krawatte. Straight out of Reservoir Dogs. Alternativ könnte ich statt des Hemdes mein gelbes Tshirt mit dem Bildnis meiner Hündin tragen. Oder das Tshirt mit dem Sushi-Aufdruck. Aber irgendwann wird man das Jacket ablegen und dann trägt man nur noch ein Tshirt, das sieht dann wieder oll aus. Nun. Ich werde sicherlich etwas finden. Mein Freund bat mich, Fotos zu schicken.

Dann fuhr ich mit der Hündin zum Alex. Ich hatte mich verschätzt, wie anstrengend es ist, mit einem Tier einzukaufen. Also liess ich von der Unternehmung des Einkaufens ab und verschob es auf morgen. Dafür traf ich mich am Alex mit meiner Frau und ich kaufte mir das Parfum „Leder 6“ von Schwarzlose. Damals schrieb ich „Neue Düfte brauchen Zeit„. Heute war die Zeit gekommen.

Abends schrieb mir mein Freund und fragte nach den Fotos. Ich erklärte, dass ich das erst morgen erledigen würde. Ich fühle mich richtig angestachelt. Das meine ich positiv.

[Mo, 9.9.2024 – Mode unter Männern, Einstürzende Neubauten]

Es regnet.

Tagespensum heute: wieder 0 Seiten. So wird das natürlich nix.

Nächste Woche fliegen wir nach Österreich zu einer Hochzeit. Auch unsere Freunde aus Minden werden da sein. Der Mann aus Minden fragte mich, was ich anziehe. Ich sagte, ich wüsste es noch nicht genau, es hänge vom Wetter ab. Vermutlich ein weisses Hemd mit kurzen Ärmeln und eine schwarze Weste. Dazu eine dünne Krawatte. Ich liebe Krawatten, es gibt wenige Kleidungsstücke, die so gut aussehen wie dünne, schwarze Krawatten. Vor allem, wenn man jung ist, im Alter muss man aufpassen, dass man nicht aussieht wie ein Onkel bei der Deutschen Bahn. Mein Bauch ist dabei leider nicht besonders förderlich, Krawatten, die sich über grosse Bäuche schmiegen, sind –jetzt fehlt mir ein passendes Adjektiv.

Und dann weisse Sneakers oder schwarze Schuhe? Das habe ich noch nicht entschieden. Mein Freund wird weisse Sneakers von Birkenstock anziehen. Auf die bin ich gespannt.

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Am Abend gingen wir zu den Einstürzende Neubauten in die Columbiahalle. Einstürzende Neubauten ist die Band, die mich am längsten begleitet, die mir schon in frühen Jahren viel bedeutete und die ich noch regelmässig höre.

Meine Frau war 16 Jahre alt, als sie das erste Mal auf einem Konzert der Neubauten war. Sie hat sie später aber nicht mehr so intensiv gehört, wie ich das tat. Dennoch hat uns beide die Band in unserer musikalischen Entwicklung geprägt.
Zwischen U-Bahn und Columbiahalle folgen wir vielen Menschen in schwarzen Textilien. Die Haare meist ergraut. Das finden wir witzig. Es sind aber auch viele junge Menschen dabei.

Leider kann ich immer weniger mit Blixa Bargelds monumentalen Habitus anfangen. Die Texte fand ich zwar nie besonders ansprechend, sie funktionieren fast ausnahmslos als Bilder, wie ein Gemälde, allerdings immer ein bisschen zu prätentiös, zu gewollt, wenig Tiefgang. In einzelnen Fällen funktioniert das gut, wie bei „Befindlichkeit des Landes“ oder in „Kollaps“. Gestern ertappte ich mich oft dabei, innerlich seine Textzeilen umzuformulieren. Die Substantive rausnehmen, diese monumentalen Sätze in Poesie auflösen. Meine innerliche Kritik an den sperrigen Texten nahm mir ein bisschen den Spass am Konzert.

Aber „Die Befindlichkeit des Landes“. Das ist ein wirklich gutes Lied. Das hörte ich früher in Dauerschleife. Dennoch hatte ich bis gestern die Kraft dieses Musikstücks vergessen. Wie es unvermittelt einsteigt, direkt in den gezupften Bass, in einer Art Breakbeat mit dem Percussionisten auf den Metallfederspiralen und dann diese symphonisch ruhige Feeenmelodie, die bedrohlich über den Beat hinwegschwebt. Das ist schon sehr eindrücklich.

[So, 8.9.2024 – Samten, Deadline]

Tagespensum heute: 0 Seiten

Heute war der schlimmste Sommertag von allen. Vielleicht, weil es der letzte Tag vor der Abkühlung ist. Das ist wie mit einer vollen Blase Fahrstuhl zu fahren. Die letzten Sekunden sind die schlimmsten. Dabei staute sich die Luft heute auch in der Wohnung. Alles drückte alles warm. Am Abend kam meine Frau von ihrer Dienstreise zurück. Ich kochte etwas für sie. Aber diese warmen Herdplatten. Hölle.

Wobei ich diese warmen Sommernächte durchaus liebe. Wie die Luft sich samten über die Haut legt, während man draussen mit einem Getränk sitzt und die Nacht ihre Dinge für uns zaubert.
Frau Casino schwärmt immer von der Sommerwärme. Ich beneide sie. Sie wird den Klimawandel besser vertragen. Ich hingegen sehe nur einen trockenen Ofen auf mich zusteuern und Nächte ohne Schlaf zwischen warmen Laken.

Schliesslich sagte ich meinem Freund, dem Lektor ab. Ich bekomme den Text nicht zum 9.9. fertig. Mir ist es peinlich, eine selbstgesetzte und etwas grossspurig angekündigte Deadline zu reissen. Er reagierte aber sehr gelassen. Ich brauche dafür noch eine Woche. Das ist grosszügig bemessen und gibt mir die Zeit, den Text richtig zu schleifen und gleichzeitig ist das eng genug getaktet, um auch dran zu bleiben.

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Hallo, ich möchte mit Ihnen über Gott reden und eine Versicherung verkaufen.

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Stillleben mit Hund:

[Sa, 7.9.2024 – das letzte Drittel, Brauereien, Bernsteinsee]

Tagespensum Freitag: Seite 60 von 105
Tagespensum Samstag: Seite 61 bis 68 von 109

Ich hätte an jedem der beiden Tage mindestens 15 Seiten schaffen müssen, um die Deadline einzuhalten, davon war ich aber weit entfernt. Die Geschichte befindet sich ab Seite 55 in einer kritischen Phase, in der viel passiert. Das ist jene Stelle, an der die Geschichte an Fahrt aufnimmt, wo ich aber offensichtlich nicht viel Lust hatte, Ereignisse und Abläufe zu beschreiben. Das muss ich jetzt nachholen, das dauert aber, denn es ist aufwendiger, was man auch daran merkt, dass der Textumfang von 105 auf 109 Seiten angewachsen ist. Jetzt verstehe ich auch, warum ich immer den Eindruck hatte, dass der Text im letzten Drittel noch Schwächen hat. Ich hatte schlichtweg weniger Lust.

Freitag widmete ich dem Text zugegebenermassen nicht viel Zeit. Am Morgen traf ich eine Fussballfreundin. Ursprünglich wollten wir nur mit unseren Hündinnen spazieren. Vor einigen Tagen fiel mir allerdings ein, dass der Freitag immer noch so heiss sein wird und deswegen schlug ich vor, an den Bernsteinsee zu fahren und ins Wasser zu springen.
Ich bin sehr glücklich darüber, diesen See entdeckt zu haben. Hunde sind erlaubt und er hat mehrere flache Sandstrände. Und er ist tagsüber unter der Woche auch nicht so stark besucht. Nächsten Sommer, wenn ich wieder arbeite, werde ich natürlich nicht immer tagsüber hinfahren können. Deswegen fand ich es clever, die guten Bedingungen noch ein letztes Mal auszunutzen. Am Montag beginnt schliesslich der Herbst. Glücklicherweise. Dann schwindet auch der Wunsch danach, in einen See zu springen.

Am Abend war ich in dem neuen Augustinergarten an der Prenzlauer Allee verabredet. Ich verfolge die Bauaktivität an dem Standort der ehemaligen Bötzowbrauerei schon seit vielen Jahren. Ursprünglich sollte die New Yorker Brooklin Brewery dort ihren Garten eröffnen. Nun ist es Augustiner geworden. Immerhin die beste der grossen deutschen Industriemarken. Auch wenn die Auswahl an Bierstilen etwas beschränkt ist. Es gibt ein Helles und ein Dunkles. Wie vielfältig die deutsches Bierkultur früher war, ist leider auch in Vergessenheit geraten. Aber stop, ich bin schon wieder der Onkel, der über Bier zu sprechen beginnt.

Ein Biergarten an dieser Stelle ist jedenfalls eine schöne Zuführung einer alten Tradition für den Vorplatz der ehemaligen Bötzowbrauerei. Schade, dass man nicht kleine Berliner Brauereien dafür gewinnen konnte, das wäre eine angemessene Nutzung des Geländes gewesen. Diese Stadt der vergessenen Traditionen war bis zum Zweiten Weltkrieg einer der bedeutendsten Brauereistandorte der Welt. Wesentlich grösser und wichtiger als der südostdeutsche Raum, der sich heutzutage als Land des Bieres vermarktet. Vor allem in der Gegend nordöstlich des Alex entwickelte sich Ende 1800 zu einem regelrechter Brauereienboom. An der Schönhauser der Pfefferberg, gegenüber hinterm Due Forni die Königsstadt Brauerei, weiter oben die heutige Kulturbrauerei (früher Schultheiss), dann an der Vinetastrasse die Willner Brauerei, an der Greifswalder, die Schneider Brauerei, an der Landsberger gegenüber des Volksparks, die alte Mälzerei und die daran angeschlossene Böhmische Brauerei und zweihundert Meter weiter die Brauerei Friedrichshöhe, in der sich lange ein Kunstcampus befand. Und dann eben auch die Bötzowbrauerei. Und das war nur Prenzlauer Berg. In dem südlichen Prenzlauer Berg gab es um die Jahrhundertwende 16 Brauereien. Die Allermeisten überlebten den Mauerbau nicht. Und nur Kindl-Schultheiss hat auch die Wiedervereinigung überlebt. Die meisten Brauereien wurden zu Wohnungen umgebaut. Oder es sind Ruinen geblieben. Insofern freut es mich, dass hier wieder ein Biergarten hinkommt. Leider wird am Standort nicht mehr gebraut. Aber gut. Man kann nicht alles haben.

Dazu gibt es eine gute Dokumentation vom RBB. Sie ist in der Mediathek leider nicht mehr aufzurufen, aber mir Programmen wie Mediathekview o.ä. kann man sie immer noch downloaden. Falls jemand nicht weiss wie das geht, kann ich die Doku gerne zur Verfügung stellen.

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Den Samstag verbrachte ich in der verdunkelten Wohnung und arbeitete an dem Text. Ich habe jetzt allerdings verstanden, dass ich die Deadline nicht schaffen werde. Die Zeit war zu optimistisch geschätzt. Ich hatte mich von der Geschwindigkeit der ersten Tage mitreissen lassen, wobei ich nicht verstand, wie viel Arbeit der Text später noch brauchen würde. Am morgigen Sonntag ist es noch warm draussen, das werde ich nutzen, um weiterzuarbeiten.

[Do, 5.9.2024 – Wenig Textarbeit, Sommersturm]

Tagespensum heute: Textseiten 58 bis 59 von 105. Das war heute nix. Immerhin ist eine Seite hinzugekommen.

Zuerst brachte ich meine Frau zum Flughafen, danach ging ich auf einen längeren Spaziergang mit der Hündin und dann war ich auf einen Kaffee verabredet. Auch die Abendrunde mit der Hündin fiel sehr lang aus, weil ich diesen Sommerabend heute so mochte. Die Temperatur war natürlich viel zu hoch, aber dieser stürmische Wind! Dieser Wind! Dieser Wind! Er weckte romantische Gefühle von sommerlichen Abendspaziergängen an der italienischen Küste. Das ging vielen anderen vermutlich auch so. Eine kleine Gruppe Hundemenschen versammelte sich im Park und wir spazierten in Kreisen. Noch ne Runde und noch ne Runde. Erst als es dunkel wurde, gingen wir nach Hause.

Überhaupt Sturm. Es stürmt in Berlin zu selten. Die Stürme machen immer einen Bogen um die Stadt. Auch abkühlende Gewitterzellen. Immer werden sie angekündigt, aber immer biegen sie vor Berlin wieder ab.

Jedenfalls war das Arbeitspensum an der Novelle heute sehr mager. Morgen werde ich mit einer Freundin an den See fahren, abends bin ich verabredet. Ich fürchte, dass die Textarbeit morgen ähnlich ausfällt. Aber am Wochenende bleiben die tropischen Temperaturen über der Stadt. Wenn die Wochenenden so heiss sind, kann man das Haus ohnehin nicht verlassen.

[Mi, 4.9.2024 – Deadline, Herthafans in Ostberlin]

Tagespensum heute: Textseiten 50 bis 57 von 104.
Es sind jetzt nur noch 104 Seiten statt 106. Ich habe eine überflüssige Passage gestrichen. Langsam wird es zeitlich knapp. Ich habe noch 4 Tage für etwa 40 Seiten. Ausserdem wollte ich den Anfang völlig neu schreiben. Es ist mir wichtig, das Ziel bis zur Deadline am Sonntag zu erreichen. Wofür setze ich mir sonst eine Deadline, wenn ich sie nicht ernst nehme. Immerhin sorgte die Deadline dafür, dass ich mich konsequent an die Bearbeitung des Textes gesetzt habe. Das könnte ich als Erfolg verbuchen, ist aber natürlich nur eine Ausflucht. Eventuell kommt es mir gelegen, dass meine Frau morgen verreist und es draussen ohnehin zu warm ist, um etwas zu unternehmen.

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Heute lief in meiner Strasse ein Familienvater mit seinen beiden Töchtern vor mir her und klebte einen Hertha Sticker an eine Regenrinne. Ich begrüsste ihn mit dem etwas albernen Gruss der Herthaner. Er fühlte sich natürlich ertappt, aber wenn sich in Ostberlin zwei Herthafans treffen, dann ist das eigentlich immer eine freudvolle Sache.

[Di, 3.9.2024 – verändernde Ansichten, Hochofenhitze, Post-DDR Podcast]

Tagespensum heute: Textseiten 47 bis 49 von 106

Heute war ich nicht sehr produktiv. Zwar arbeitete ich 5 oder 6 Stunden an dem Text, aber ich schaffte lediglich drei Seiten. Dabei wuchs der Gesamttext um eine Seite an. Es ist eine komplizierte Passage über die Legitimation von Gewalt. Mit Anfang zwanzig fand ich Gewalt gegen den Staat, wenn dieser sich sozial ungerecht verhielt, durchaus begrüssenswert. Als ich den ursprünglichen Text vor etwa 20 Jahren schrieb, fand ich es zumindest noch legitim. Aber Ansichten ändern sich. Dabei fand ich nicht die Perspektive, aus der diese drei Seiten erzählt werden sollten, weil sich durch bedeutungslos scheinende Formulierungen das Bild und die Perspektive komplett verschoben.

Und sonst hatten wir heute 32 Grad. Die Hündin ist nicht an Bewegung interessiert, schleppt sich nur hinter mit her. Dennoch langweilt sie sich den ganzen Tag. Morgen geht sie bei 34 Grad mit dem Gassiservice in den Wald. Immerhin werde ich mich konzentrierter der Novelle widmen können. Und vielleicht findet die Hündin ja Abkühlung im See.

Übrigens ein beeindruckendes Gespräch mit dem Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk, dem Autor von „Freiheitsschock“ über die Wahlen im Sachsen und Thüringen und über die geschichtlichen Zusammenhänge der Post-DDR Gesellschaft. Das bisher erkenntnisreichste Gespräch über das Thema. Es trägt nicht für gute Laune bei. Aber es gibt immerhin Denkanstösse.