Jetzt wo die Hündin läufig ist, schränkt das einigermassen unsere Logistik ein. Sie kann nicht mehr mit der Dogwalkerin am Mittwoch mit und ich kann sie nicht mehr mit ins Büro nehmen, weil sie blutet und wir dort in weiten Teilen Teppichboden liegen haben. Und meine Frau kann sie ohnehin nicht in die Arbeit mitnehmen. Daher bleibe ich an den Präsenztagen meiner Frau mit dem Tier zuhause. Dummerweise habe ich diese und auch nächste Woche viele Meetings, die ich lieber vor Ort durchführen würde.
Am Dienstag ist nicht viel erzählenswertes passiert. Ja ich weiss, am Anfang dieses Tagebuchprojektes wollte ich für jeden Tag etwas erzählenswertes finden, denn es gibt an jedem Tag etwas erzählenswertes oder etwas, das es Wert ist, sich daran zu erinnern, oder es zu reflektieren, aber da ich am Mittwochmorgen sofort viel zu tun hatte, blieb der Eintrag liegen. Gestern Abend war ich mit dem CEO und seinem Team essen und davon war ich dermassen satt und auch einigermassen betrunken geworden, dass mir heute früh schlichtweg die Kraft fehlte, es aufzuschreiben.
Dennoch möchte ich den Mittwochabend zu Protokoll bringen. Es war ein Essens-Event im Meistersaal am Potsdamer Platz. Der Meistersaal ist dieser legendäre Saal in dem David Bowie, U2, Iggy Pop, Nick Cave und Depeche Mode ihre besten Alben aufgenommen haben. Seit dem Tod von David Bowie wird der Ort sogar von geführten Touristengruppen besucht.
Mein Büro befindet sich direkt nebenan und so buchte der CEO für sein Team ein 7-Gänge Menü mit Weinbegleitung. Der Meistersaal ist kein Restaurant, aber aufgrund der Grösse des Saales wird er für allerlei Events verwendet. Diesmal lud der Schirmherr der „To the Bone“-Restaurants zu einem 7-Gänge Menü, kuratiert von Dario Cecchini, dem offenbar berühmtesten Fleischer der Welt. Ein gutgelaunter, älterer Mann mit dickem Schnauzer, der in mehreren Kochshows auf Netflix mitwirkte. Dario Cecchini stand auf der Bühne und begann zu den Klängen von AC/DC’s Hells Bells mit einem Fleischermesser ein riesiges Stück Fleisch (ein halbes Tier) in fussballgrosse Stücke zu zerkleinern. Die Brocken warf er daraufhin ins Publikum, wo natürlich seine Helfer standen, die die Fleischbrocken mit einem Handtuch auffingen und in die Küche trugen.
Und es gab natürlich kein Bier, sonder nur Wein. Ich fürchte mich vor Wein, ich werde davon immer so schnell betrunken.
Ich wusste nicht genau, auf was ich da eingeladen wurde, ich wusste nur, dass es ein exklusives Essen im Meistersaal war. Es war dann aber ein richtiges Event, mit mehreren hundert Menschen und Musik. Die 7 Gänge bestanden aus 7 Fleischgängen. Bistecche, Steaks, pulled Beaf usw. Eigentlich waren es nur Massen an rohem Fleisch. Ich glaube, ich habe noch nie so viel rohes Fleisch gegessen.
Ich mache mir nicht besonders viel aus Fleisch, zwar finde ich Fleisch okay, aber in seiner Reinform doch eher langweilig, ich esse Fleisch eigentlich nur wenn ich ausser Haus esse, zuhause bereite ich nie Fleisch zu, zum einen, weil ich es nicht gut kann, aber eben auch, weil es mich selten wirklich reizt. Aber auch ausser Haus bestelle ich meist Gerichte ohne Fleisch, neuerdings finde ich vegane Gerichte wesentlich spannender, weil raffinierter und ungewöhnlicher.
Aber ich fand die Fleischberge natürlich trotzdem gut. Ich kann mir bei Essen ja alles mögliche einbilden, wenn mir jemand etwas dazu erzählt, das gehört zum Spass ja dazu. Allerdings fand ich den zweiten Gang dann wirklich sehr beeindruckend. Das war ein „Tonno del Chianti“, was sich wörtlich in „Thunfisch aus dem Chianti“ übersetzt. Mich wunderte das ein wenig, weil ich aus dem Geografieunterricht noch ziemlich gut in Erinnerung habe, wo sich Chianti befindet, und zwar nicht am Wasser, also nicht da, wo man Thunfische vermuten würde. Auf der Menükarte lüftete sich das Geheimnis indem es mit „Spanferkel aus dem Chianti“ übersetzt wurde. Das beeindruckende dabei ist, dass das Spanferkel tatsächlich nach Thunfisch schmeckt. Daher der Name. Ich googelte es erst heute und las darüber, dass die Schweinekeulen gesalzen und in Weisswein aufgekocht werden und anschliessend eingefettet und in Olivenöl eingelegt werden. Dadurch entsteht dieser Thunfischgeschmack.
Und sonst gab es eben Unmengen an rohem Fleisch.
Wir teilten uns den Tisch mit acht weiteren Menschen. Neben mir sass ein älteres Ehepaar, zwei Frauen um die siebzig. Eine der Frauen erfuhr, dass ich aus Südtirol komme. Da ihr Vater Südtiroler war, verbrachte sie die Urlaube in ihrer Kindheit in Südtirol und im Laufe des Lebens ist es so etwas wie ihre Sehnsuchtsheimat geworden. Sie kommt aus Stuttgart, lebte lange in München und zog in den Neunzigern nach Berlin, wo sie ihre jetzige Frau kennenlernte. Und so kamen wir ins Plaudern. Ihr Vater kam aus Eyrs, unterhalb der Marmorbergwerke, dort fährt sie auch immer noch regelmässig hin. Ich erzählte ihr, dass meine Schwester im Dezember einen Besuch der Marmorwerke für mich geplant hat, dann sagte die Frau, dass ich unbedingt ins Gasthaus Sonneneck gehen muss, das ist in Allitz, auf der anderen Talseite der Marmorwerke, dort gäbe es den besten Hirschcarpaccio der Welt.
Das leitete ich gleich meiner Schwester weiter. Der beste Hirschcarpaccio der Welt. Dort gehen wir hin.
Am Ende des Abends fiel ich mit aufgeschwollenem Bauch und vernebelten Kopf ins Bett und schnarchte tief. Mitten in der Nacht wachte ich auf Kopfschmerzen und Durst.
Am heutigen Donnerstag brauchte ich lange mich zu erholen. Den Rest des Tages arbeitete ich also von zuhause aus. Später am Tag fuhr ich nach Mitte, zur Co-Vorsitzenden meines Fanclubs, Mikros für die Podcastaufnahme nächste Woche holen und wir hatten ein paar Dinge zu bereden. Danach war auch bald der Donnerstag zu Ende.
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