[Mo, 19.6.2023 – chinesischer Staatsbesuch, erster Tag im Büro]

Auf meinem Arbeitsweg liegt die chinesische Botschaft an der Jannowitzbrücke. Der chinesische Ministerpräsident ist in der Stadt. Am Eingang der Botschaft stehen heitere Menschengruppen mit roten Fahnen, roten Transparenten und roten Wangen. Ich dachte zuerst es seien die Protestierenden, die ja durchgängig an der Brücke stehen und Transparente in die Luft halten aber heute waren es Jubeltrauben. Polizei überall. Ich muss da zwischendurch. Die Polizei ist total unentspannt, weiter hinten muss ich die Strasse überqueren, genau in dem Moment, in dem der Konvoi mit den wichtigen Personen kommt, der Polizist springt mir in den Weg und schreit mich an, ich kann ihm gerade noch ausweichen bevor wir uns beide verletzen, man mag sich gar nicht vorstellen, was dann geschehen wäre, daraufhin trete ich natürlich in die Pedale, mitten auf der Strasse stehenzubleiben halte ich nicht für sehr sinnvoll.

Der erste Tag im Büro. Ich bin völlig ausgespannt. Ich habe richtig gute Laune. Sie trübt im Laufe des Tages auch nicht ab. Kann jetzt ewig so weitergehen.

[So, 18.6.2023 – E-Zahnbürste, die Plätte nach der Reise]

Wir haben beide unsere elektrischen Zahnbürsten in Schweden vergessen. Glücklicherweise liegen hier noch ein paar von diesen verpackten Gästezahnbürsten herum, ich glaube, die kommen aus Hotels oder irgendwelchen Kongressen, aber ich weiss fast gar nicht mehr, wie man mit einer manuellen Zahnbürste putzt, es fühlt sich an, als würde ich mit einem groben Werkzeug in meinem Mund herumstochern bis Blut kommt. Für die vier Wochen bis ich wieder in Schweden bin, werde ich ich natürlich damit überbrücken.

Die Hündin ist heute total platt. Die lange Autofahrt hat sie fertig gemacht. Obwohl sie 11 Stunden lang praktisch nur gelegen hat, will sie heute kaum aus dem Haus. Am liebsten liegt sie seitlich ausgestreckt neben mir und pennt. Mir auch recht.

Das war der Sonntag nach der Reise.

[Sa, 17.6.2023 – Rückreise]

Wir fuhren um 7 Uhr los, damit wir die Gedserfähre um 13:30 nehmen können. Die Gedserfähre ist auf der Reise immer der Fixpunkt. Verpasst man die, dann muss man zwei Stunden warten. Also richtet sich alles danach. Wir waren viel zu früh da und standen ewig in der prallen Sonne auf dem Parkplatz vor der Fähre.

Ich weiss nicht, was das mit dem Hunger im Auto immer ist. Ich könnte am Steuer durchgehend essen. Brötchen, Riegel, Kaugummis, Bonbons, Würste, am liebsten Brötchen mit Würstchen, dauern Dinge in mich hineinkauen, das ist psychologisch sicherlich interpretierbar und wirft vermutlich kein gutes Licht auf mich. Der Hündin ergeht es hingegen genau gegenteilig (das waren jetz sehr viele g’s!). Sie lehnt Leckerlis und sogar Wasser ab, solange sie im Auto liegt. Sie mag es da ja nicht so.

In Meckpomm geraten wir in einen irren Regen. Ich fahre sehr gerne bei Regen Auto. Der Regen war heute dermassen stark, dass man sich durch den Lärm, der das Aufprasseln erzeugte, im Auto kaum unterhalten konnte. An einer Stelle stand eine Spur auf der Autobahn unter Wasser. Die höheren Autos fuhren einfach durch, wir anderen mussten die Spur wechseln, dabei staute sich der Verkehr gar nicht wirklich auf, es fuhren ohnehin alle langsam.

Zuhause angekommen schien das Tier sehr glücklich. Sie begrüsste sofort ihre Lieblingskuscheltier (ein Schwein) und schleuderte es in der Gegend herum.
Es ist hier angenehm kühl, etwa 21 Grad, in Schweden misst es heute 29. Wir setzten uns noch ein wenig auf den Balkon, öffneten ein Bier, genossen vom Angekommensein. Dann wurde es dunkel. Es ist hier um 22:30 Uhr schon wesentlich dunkler als um ein Uhr nachts da wo wir herkamen.

[Do/Fr, 15./16.6.2023 – Freunde aus Berlin, die Nachbarin vom Bauernhof]

Eigentlich dachten wir, Freitag zurückzufahren, mit der Option auf Samstag zu verlängern, aber wir verlängerten kurzfristig auf Samstag. Am Donnerstag kamen Freunde aus Berlin vorbei. Sie sind gerade auf Urlaub in Schweden und als wir das mitbekamen, luden wir sie zu uns ein. Sie kamen nur für ein par Stunden, aber es war sehr nett. Sie haben sechs Hunde, mit zwei davon waren sie auf Reise gegangen. Mit sechs Hunden urlaubt es sich nicht mehr so einfach, aber sie hatten sich ein riesiges Wohnmobil gemietet, das ausserdem für Urlaub mit mindestens drei Hunden umgebaut wurde. Solche WoMos kann man sich einfach mieten.
Der Wagen schaffte den grossen Teil der Waldwege zu unserem Haus, aber nicht die letzten hundert Meter, da wurde es zu eng und zu steil.

Heute meldete sich auch eine Bäuerin des Hofes auf der anderen Flussseite, ein paar Kilometer flussaufwärts. Meine Frau ist schon seit einigen Monaten mit jener Frau in Kontakt, um sich über den Bau des Wasserkraftwerks austauschen. Durch den Anruf kam es also zu einem spontanen Kennenlernen am Abend. Ich ging aber nicht mit, bei meinem rudimentären Schwedisch wäre ich nur idiotisch daneben gesessen.

Die Frau ist entschiedene Gegnerin des Kraftwerks und hatte alle Infos dazu. Sie wohnt in einem sehr schönen grossen Holzhaus, das aber nicht rot, sondern gelb ist. Es ist ein Bauernhof, aber sie selber ist Krankenschwester und keine wirkliche Bäuerin, und weil beide Eltern vor kurzem verstorben sind, ist mir nicht ganz klar, wie der Hof bewirtschaftet wird. Aber das ist ja auch egal. Ich will sowas nur immer wissen.

So viele Menschen an einem Tag, das brachte unsere ganze Haus-im-Wald-Welt durcheinander und wir bekamen natürlich die Abreise nicht organisiert, also verschoben wir auf den Samstag. Den Freitag assen wir das ganze übriggebliebene Essen auf, räumten alles wieder in die Scheune ein, ich malte noch ein Fenster fertig und dann war Abend.

Ich hätte diese beiden Tage sicherlich etwas schöner zusammenfassen können, aber letzte Nacht schlief ich unglaublich schlecht und jetzt habe ich etwas Eile, weil wir morgen ja fahren. Und dann kommt eben sowas bei raus.

[Mi, 14.6.2023 – Fell, Corvid, Fleisch]

Was sonst noch passierte:

Wir schnitten der Hündin das Fell auf 12cm. Es ist für den Sommer immer noch zu lang, aber bei 27 Grad im Schatten, geht es vorläufig. Im Juli sollte ich es aber weiter kürzen.

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Die Raben sind immer noch da. Ich hörte sie bereits letztes Jahr. Man erkennt sie an diesem Gurgeln. Es ist dem Krähen einer Krähe nicht unähnlich, aber tiefer und runder. Heute verwendete ich die BirdNET App, mit der man Vögel erkennen lassen kann. Die App bestätigte mir, dass es sich um echte Kolkraben handelt. In Deutschland sieht man sie ja kaum noch, wobei ich sie in Brandenburg schon einmal gesehen habe.

Ich kenne mich mit Vögeln nicht besonders aus, aber ich folge dem Instagram Account Corvid_Research, in dem die Accountbetreiberin in den Stories ständig „Crow or No“ spielt, ein Spiel in dem man raten muss, ob es sich bei einem Bild oder einer Tonaufnahme um eine Krähe oder einen Raben handelt. Das fand ich immer so lustig, dass ich jetzt unfreiwillig schlichtweg Raben erkennen kann.

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Wir haben seit unserer Ankunft kein Fleisch gegessen. Wir essen eigentlich selten Fleisch. Nur wenn wir essen bestellen, oder wenn wir auswärts essen. Wenn ich im Urlaub bin, greife ich immer schnell zu Convenience Nahrung. Also mal hier ne Wurst und da etwas Schinken, das geht immer schnell und es ist einfach. Man kann es auch mal anders handhaben. Aus diesem Grund beschlossen wir vor der Reise, dass wir die Woche einfach mal vegetarisch durchexerzieren. Wir schmissen bisher jeden Abend den Grill an und legten Gemüse drauf und etwas Halloumi. Man merkt es gar nicht.
Morgen bekommen wir Besuch aus Berlin. Wir werden vermutlich grillen. Das bietet sich hier einfach an. Vor dem Haus sitzen und grillen. Aber für den Besuch nur Gemüse aufzutischen ist auch quatsch, also kauften wir ein paar Würste ein.

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Heute renovierte ich das obere Fenster auf der Westseite. Ich musste schon am Vormittag damit beginnen und mich beeilen. Denn ab 12 Uhr brennt die Sonne herunter, das ist nicht auszuhalten. Es misst 27 Grad. Die direkte Sonne ist sehr hart, aber im Schatten ist es angenehm.

[Di, 13.6.2023 – Borås, Bienen, Lupinen]

Es ist morgens nicht mehr so kalt. Heute waren es 15 Grad.

Am Vormittag fuhren wir in die nächstgrösste Stadt, nach Borås. Das ist etwa eine halbe Stunde Fahrt. In Borås ging ich zu Dressman und kaufte Unterhosen. Ich kaufe eigentlich nur bei Dressman Unterhosen. Jedes Jahr eine Achter-Packung. Deren Unterhosen sind schön enganliegend und sie führen Modelle in unseriösen Mustern. zB mit aufgedruckten Lakritzen, fleischfressenden Pflanzen und seltsamen Fischen.
Ausserdem kaufte ich mir ein qietschgelbes Hemd mit kurzen Ärmeln. Allerdings bin ich mir über das gelbe Hemd etwas unsicher. Ich kaufte bereits vor zwei Jahren (bei Dressman) ein ähnliches quietschgelbes Hemd mit kurzen Ärmeln, das trug ich in den zwei Jahren vielleicht vier Mal. Ich würde mich gerne etwas farbenfroher kleiden, aber morgens fühle ich mich immer nach schwarz. Jetzt habe ich zwei quietschgelbe Hemden. Immerhin nutzen sie nicht so schnell ab, wie meine schwarze Kleidung.

Zu Mittag assen wir Garnelenbrötchen.

Nachher auf dem Weg zurück fuhren wir einen Umweg. Ich liebe es, durch kleine Strassen durch den Wald zu fahren. Man kommt an vielen schönen rotweissen Häuschen vorbei und überhaupt, ich mag halt Abwechslung.

Später zuhause strich meine Frau die Wände der Speisekammer neu. Sie hatte schon gestern damit begonnen, ich hatte nur nicht darüber geschrieben. Weil die Speisekammer ausgeräumt werden musste, sieht es seit gestern in der Küche ziemlich chaotisch aus, aber die Kammer musste mal gestrichen werden. Ist einfach so. In den nächsten Jahren werden wir auch weitere Räume streichen, es wird also schon öfter chaotisch aussehen.

Gegen 5 Uhr kam der Sohn des ehemaligen Pächters mit seiner Frau. Der Sohn des ehemaligen Pächters ist schon 70 Jahre alt, aber ich weiss nicht, wie ich ihn sonst bezeichnen soll. Die beiden haben auf unserem Grundstück ein paar Bienenstöcke stehen. Die Frau ist Imkerin. Sie hatten heute ihren sechs Monate alten Welpen dabei. Ein sehr nervöser und aufgeregter Münsteraner. Das Verhalten des Hundes ist sehr anstrengend, er bellt unsere Hündin an und will spielen, es ist aber keine nette Spielaufforderung sondern ein sehr gestresstes Spielen, er umkreist sie ständig und bellt eigentlich durchgehend. Die beiden erzählen uns, dass der Hund kaum Kontakt zu anderen Hunden hat, auch sie wohnen alleine im Wald und sie bekommen es mit der Erziehung nicht besonders gut hin.
Unsere Hündin mag das offensichtlich nicht. Sie nehmen den Hund daher wieder an die Leine.

Die Imkerin erzählt, dass sie momentan Probleme mit den Bienen haben, sie bilden Schwärme, das ist für die Jahreszeit offenbar nicht unüblich. Beim Schwärmen will sich das Volk vergrössern und es kommt zu einem Abspaltung. Die Königing verlässt mit der Hälfte des Volkes den Stamm und alles bildet sich neu.
Später schlaue ich mich im Internet über das Schwärmen auf, nach zehn Minuten habe ich 5 Tabs über Imkerei und Schwärmen offen, ich merke, dass alle meine Triggerventille geöffnet sind. Die Herstellung von Honig enthält alle Komponenten um eine Obsession in mir auszulösen. Aber ich mag keinen Honig.

Der Sohn des ehemaligen Pächters ist mit der Familie meiner Frau seit vielen Jahrzehnten verbunden. Schon seit er ein kleiner Junge ist. Sein Vater, der Pächter, wohnte unweit von unserem Häuschen. Er wohnt mittlerweile 15 Minuten entfernt, aber er sieht unterjährig oft nach dem Rechten. Er war Förster, er schleppt also umgefallene Bäume weg und er hält die Wege befahrbar. Diesen Winter hat er drei Bäume aus unserem Wald weggeräumt, die hat er in Stücke zersägt und vor der Scheune gestapelt. Wir hatten uns noch gewundert, warum dort schon wieder Baumstücke lagen, wir hatten letztes Jahr alle ofenfertig zerkleinert. Heute verstanden wir: er macht das für uns. Die Bäume, die er unterjährig auf unserem Waldstück wegarbeitet, zersägt er in handliche Stücke, die wir Städter dann mit einer Axt nur noch ofenfertig zerhacken brauchen. Er zeigte scherzhaft hin und sagte: so könnten wir ein bisschen Natur-Gym betreiben.
Das findet er lustig. Ja, ich auch ein bisschen. Vor zwei Jahren zersägte ich selber ein paar Bäume, sie lagen nicht so weit vom Haus entfernt und waren nicht zu gross, ich konnte sie selber schleppen. Aber für grössere Bäume brauch man einen geeigneten Wagen. Auch einen halbzerstörten Baum würde ich nicht selbstständig fällen wollen. Das ist sicherlich gefährlich. Zudem ist die Motorsäge, die wir hier haben, elektrisch, damit würde ich ein sehr sehr langes Kabel brauchen um überall im Wald hinzukommen.

Im Juli mache ich aber Natur-Gym.

Heute liess ich wieder meine Drohne steigen. Gestern hatte ich sie auch schob steigen lassen, hatte nach einem sehr schönen Flug entlang des Flussufers aber festgestellt, dass ich vergessen hatte auf den Aufnahmeknopf zu drücken. Heute wiederholte ich den Vorgang, ausserdem bat mich meine Frau ein paar Luftfotos vom Lupinenfeld zu nehmen. Unweit unseres Hauses befindet sich eine grosse, wilde Wiese. Dort ist das Grass so hoch, dass sie unzugänglich ist. Zu dieser Jahreszeit blühen da die Lupinen. Wenn man über die Wiese schaut, sieht man einen violetten Schleier, also versuchte ich es mit Aufnahmen von oben. Leider erkennt man von oben die Lupinen nicht mehr. Seltsamer Effekt.

[Mo, 12.6.2023 – Grundierung, Sysbollah, Luleå]

Weil die Tür auf der Ostseite und ein Fenster auf der Westseite überm Winter in Mitleidenschaft gezogen wurden, fuhren wir uns Dorf und kauften weisse Lackfarbe und Grundierungsmittel. Am Nachmittag bearbeitete ich dann die Tür und den Rahmen. Zuerst kratzte ich die Farbe mit einem Kratzer ab und danach grundierte ich. Der Verkäufer im Geschäft meinte, mit dieser Grundierung bräuchte man nicht zu schleifen, es reiche aus, wenn man alle brüchige Teile mit einerm Kratzer oder Schaber entferne. Also tat ich so.

Den unteren Türstock liess ich allerdings aus, weil ich dor mehrmals riesige Hornissen hineinfliegen gesehen hatte, vermutlich befindet sich dort ein Hornissennest, die will ich nicht unnötig von ihrem Mittagsschläfchen abhalten. Das werden wir im Juli lösen, wenn mehr Menschen hier sind, aber vielleicht sind die Hornissen dann ja schon weg.

Heute waren wir auch im Systembolaget und kauften ordentliches Bier und Sekt. Stigberget hat ein neues Saisonbier herausgegeben, ein leicht zitorniges IPA, ein wirklich gutes Sommerbier. Etwas zu stark vielleicht. Das war heute überhaupt das Problem, die Biere waren alle zu stark, also ab 5,0% aufwärts, da wurde ich wieder so schnell betrunken. Ich bleibe vielleicht wirklich bei den leichten Sessionbieren aus dem Supermarkt.

Ich nenne Systembolaget ja immer Sysbollah. Mir kommt das lustig vor. Ich weiss nicht, wie lustig das die anderen finden. Dabei fällt mir auf, schon ewig nichts mehr von der Hisbollah gehört zu haben, müsste ich mal googlen, vielleicht haben sie sich ja aufgelöst, aber was weiss ich schon, es interessiert mich aber auch nicht wirklich. Auf Webseiten wird mir neuerdings immer Luleå als Wohnort empfohlen. Luleå ist eine mittelgrosse Stadt kurz vorm Polarkreis, die haben offenbar eine Marketingkampagne am Laufen, um Bewohnerinnen anzuwerben. Bei mir schlägt die Werbung jetzt auch auf, die kennen offensichtlich ihre Beute. Neulich stellte ich einen Mitarbeiter aus Indien ein, der zwei Jare in Luleå gearbeitet hatte, er fand es dort etwas kalt und deprimierend, aber er meinte, dort gäbe es einen lebendigen Hub von Tech-Firmen.

Luleå spricht man Lüläoh aus. Mit Betonung auf das Ü. Die Leute in der Polarnacht wissen, wie man gute Laune in einen Ortsnamen kriegt. Schon nur dafür müsste man dort ein Weilchen wohnen.

[So, 11.6.2023 – Laden im Nirgendwo, Nautische Dämmerung, Sessionbiere, etc]

Bei uns um die Ecke, also etwa 4 Kilometer entfernt, gibt es eine Kreuzung, an der sich ein Restaurang befindet, ausserdem ein Blumenladen und heute entdeckte ich, dass es dort dahinter sogar einen kleinen Laden gibt. Das gibt es in Schweden immer wieder mal, dass sich mitten im Nirgendwo ein kleines Gewerbegebiet an der Strasse befindet. Bei uns um die Ecke auch, aber bisher hatte ich das ignoriert, weil ich in Schweden selten Blumen brauche und das Restaurant eigentlich immer geschlossen zu haben schien. Aber der Laden war mir bisher nie aufgefallen, an seiner Fassade hängt ein Schild, das sagt, dass er 24/7 geöffnet hat. Ich musste unbedingt wissen, was es damit auf sich hatte, wir brauchten ohnehin Wasser, also bog ich ab und wir kehrten ein.

Die Ladentür war geschlossen, obwohl ich darin einen Mann und einen kleinen Jungen sah, nach dreimaligen Rütteln öffnete sich die Tür automatisch. Ich brauchte einige Zeit um mich gedanklich zu sortieren, aber schliesslich stellte ich stellte fest, dass es sich um einen Laden ohne Personal handelte. Der Mann und sein Sohn standen gerade an der Self-Service Kasse und scannten ihre Artikel ein. Das Konzept war einfach: man sucht sich den Einkauf aus, bringt ihn zum Scanner und bezahlt dort alles. Um Betrug vorzubeugen, sind überall Videokameras montiert.

Leider wird weder Googlepay noch Paypal unterstützt, sondern man braucht ein Kundenkonto mit dem man über die Kreditkarte bezahlt. Leider hatte ich meine Kreditkarte nicht dabei, ich zahle ja fast nur noch mit dem Telefon. Das war aber nicht weiter schlimm, wir würden heute ohnehin in den nächsten grösseren, etwa 20km entfernten Ort, fahren, also verliess ich den Laden ohne Einkäufe wieder und wir fuhren in den Supermarkt. Genau, hier kann man auch sonntags in den Supermarkt. Aber dieses Konzept eines automatischen Tante Emma Ladens mitten im Nirgendwo, das beeindruckte mich.
Eventuell wäre das sogar ein Konzept für Berlin um das leidige Thema mit den Öffnungszeiten am Sonntag zu umgehen.

Nunja.

Morgens ist es hier noch frisch. Heute mass es 6 Grad. Ich hatte keine Jacke dabei, weil ich mich schon im Sommer wähnte, aber morgens um 6 ist es eben noch sehr frisch. Die Hündin und ich standen vor dem Haus und tankten Sonne, das wärmte.

Es sind noch 10 Tage bis zur Sommersonnenwende, es wird nachts nicht mehr wirklich dunkel. Die Sonne geht zwar schon um halb elf unter, aber der Himmel bleibt auf der Nordseite die ganze Nacht leicht erleuchtet. Ich habe es nicht probiert, aber vermutlich könnte ich nachts draussen noch ein Buch lesen. Aber vielleicht täusche ich mich. Als ich um halb zwei aus dem Fenster schaute, war es jedenfalls hell genug zum Spazierengehen. Wir befinden uns auf dem 57. Breitengrad, das ist noch nicht so weit im Norden, aber in Wikipedia klassifiziert man dieses Licht als „Nautische Mitternachtsdämmerung„. Ich wusste gar nicht, dass es dafür eine Kategorie gibt. Hinter dem Link befindet sich eine faszinierende Karte. Weiter im Norden, zB ab Helsinki, also ab Breitengrad 60 nennt sich das „Bürgerliche Mitternachtsdämmerung“, in Berlin, weiter unten auf Breitengrad 52 erhält es die Bezeichnung „Astronomische Mitternachtsdämmerung“, also auch keine absolut finstere Nacht, das ist erst ab München und abwärts der Fall, also südlich von 48 Grad. Da heisst es schlichtweg: Dunkle Nacht.
Kategorien, Kategorien, ich liebe Kategorien.

Ah und weiter oben ab 66 Grad ist natürlich nur Tag. In Longyearbyen, auf 78 Grad, dreht sich die Sonne am Himmel im Kreis.
Frau Fragmente hat gestern auf ihrem Boot den Breitengrad 80 überquert. Das Ende ist bei 90 Grad. 90 Grad ist der Nordpol. Hinten geht es wieder runter. Nach Kanada und nach Alaska.

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Nachmittags ist es in der Sonne schon unausstehlich, wir verschieben mehrmals pro Tag die Sessel und folgen dem Schatten des Hauses. Zur Sonnenwende gibt es nämlich nicht nur ein Ost und ein West, der Schatten dreht sich einmal fast um das ganze Haus. Die Zeit zwischen halb elf und halb vier nachts ist ausgenommen.

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Wir hatten vergessen, Alkohol zu kaufen. Sonntags haben die staatlichen Alkoholläden geschlossen. Also kauften wir Supermarktbiere, dort ist ein Alkoholgehalt bis zu 3,5 Volumenprozent erlaubt. Ich habe das vor vielen Jahren bereits einmal geschrieben, wie gross die Auswahl und wie gut die Qualität an leichten Bieren hierzulande ist. In den letzten Jahren sind ausserdem die kleinen Handwerksbrauereien dazugekommen, die unfassbar gute Biere mit dieser Einschränkung brauen. Letzendlich sind es Sessionbiere, leicht, aber sehr geschmackvoll und der Vorteil ist, dass man wesentlich mehr Bier trinken kann und nicht gleich betrunken wird.

[Bis Sa, 10.6.2023 – Notpacken, Schweden]

Der Tag vor der Abreise wurde noch etwas turbulent, weil ich sehr schlecht geschlafen hatte und ich mich deswegen am frühen Vormittag noch einmal ins Bett gelegt hatte. Plötzlich war es 11Uhr und ich musste dringend wegen eines Termines in die Firma.

Zusammengefasst waren die beiden Tage ganz einfach:
Am Donnerstag hatten wir das letzte Einzeltraining mit der Hundetrainerin. Das wichtigste Thema war „Nein“ auf Entfernung. Unser Tier frisst nämlich alles, was ihr Nasensystem erschnüffelt. Streetfood sozusagen, Strassendöner liebt sie ganz besonders, es muss aber nicht immer essbar sein, manchmal ist es auch Menschenscheisse oder Holz. Ausserdem kann natürlich immer auch ein Giftköder oder Rattengift dabei sein. Bisher war das glücklicherweise nie der Fall.

Wir wissen jetzt wie es geht. Jetzt müssen wir trainieren.

Freitagabend dann Notpacken. Das Wort gibt es als Substantiv und als Verb.

Samstagfrüh dann los nach Schweden. Eigentlich wollte ich die Rostockfähre um 9:00 Uhr buchen, weil ich einfach gerne früh ankomme, aber meine Frau setzte sich mit der 11:15 Fähre durch. Damit wir frühmorgens keinen Stress haben. Bei der Neunuhrfähre (gibt es als Substantiv), hätten wir um kurz vor sechs Uhr losfahren müssen, vorher hätte das Tier noch ein paar Schritte machen müssen und wir Kaffee, was essen, allerletztes Notpacken, da kommt schon etwas an Zeit zusammen, vermutlich hätten wir um halb fünf oder früher aufstehen müssen.

Die Nacht zum Samstag schlief ich ausserdem furchtbar schlecht, erst in den frühen Morgenstunden kam ich körperlich richtig zur Ruhe, ich war also ziemlich glücklich, dass wir uns für die spätere Fähre entschieden hatten.

Gegen acht Uhr abends kamen wir dann an. Es sind letztendlich immer fast 12 Stunden. Das Haus war völlig unversehrt durch den Winter gekommen. Keine Mäusenester, keine toten Tiere im Haus. Wir kümmerten uns heute also nur um Strom, Wasser und bereiteten das Schlafzimmer für die Nacht vor. Danach holte ich die Sessel aus der Scheune und wir setzten uns auf die Westseite des Hauses wo die Sonne zu uns herunterschien. Wir öffneten uns ein Bier und fühlten uns glücklich.