[Fr, 2.5.2025 – Schönwetterradverkehr, Ramenläden]

Den ersten Mai hatten wir ja wieder komplett ausgelassen. Auch Ostern oder die anderen Feiertage. Ich bin ganz froh, dass meine Frau diese Feierlichkeiten nicht interessieren. Dann komme ich selber nicht unter Druck, irgendwas unternehmen zu müssen, weil ein Feiertag ist. Zu Ostern gilt bei uns generell: Bloss nicht an die Ostsee oder an einen anderen See. Weil da alles verstopft ist. Meine Frau interessiert sich glücklicherweise auch nicht für schönes Wetter. Eine Exfreundin von mir hatte bei sonnigem Wetter ständig das Gefühl, dass sie draussen etwas verpasst. Da sie die Dinge aber nicht alleine nicht verpassen wollte, musste ich immer mit. Ich verpasse nicht gerne Dinge, aber ich weiss, dass ich nicht unbedingt etwas verpasse, wenn draussen die Sonne scheint.

Mit der Sonne kommen auch die Amateurradfahrerinnen auf den Strassen zurück. Sie sind langsam und träge und fahren immer mittig. Obwohl ich auf einem Damenrad mit Korb trete, bin ich immer der Schnellste von allen. Nur selten werde ich von behelmten Sportlern links überholt. Meist sind auch diese Herren in Feitschsportbekleidung langsamer als ich.

Heute war ich im Graefekiez verabredet und musste über diesen schrecklich schlechten und langen Fahrradweg durch die Skalitzer Strasse fahren. Diese 80cm breite Holperpiste, die man sich schon im Winter mit zu vielen Menschen teilen muss, aber heute auch noch mit den Schönwetterradelinnern. Horror. Weil ich vom Tempo genervt war, wich ich auf einen Seitenstreifen aus, ich fuhr zu nahe an einen Baum über das Wurzelwerk und vermutlich Metall oder Scherben wasweissich, wonach mein Hinterreifen ein lautes Ploppgeräusch von sich gab. Schliesslich hörte ich die Felgen auf dem Pflaster. Weit weg von zuhause und weit weg von meiner Verabredung.

Ich weiss nicht, was ich früher ohne diese ganzen Leih- und Tretroller gemacht hätte. Ich kam natürlich zu spät.

Jedenfalls assen wir dann Tacos bei El Rey und danach gingen wir in die Pflügerstrasse zum von mir geliebten „LagerLager“. Ein kleines Fachgeschäft für Bier mit dreivier Tischen und zehn Zapfhähnen mit erlesenen Biersorten. Ich war dort einer der ersten Kunden. Vor zehn Jahren war ich immer überglücklich, wenn irgendwo ein Laden eröffnete, der sich dem Bier verschrieben hatte. Zufälligerweise arbeitete ich auch noch dort um die Ecke, ich war dort wirklich sehr oft.

Heute standen wir aber vor geschlossenen Pforten. Auch das „Damensalon“ schräg gegenüber war geschlossen. Immerhin hatte das „Kauz und Kiebitz“ geöffnet, das auch grossen Wert auf eine gute Bierauswahl legt. Die Chefin des Kauz und Kiebitz klärte uns auf, dass sowohl das LagerLager wie auch das Damesalon jetzt dauerhaft geschlossen sind.

Das Schöne an Berlin ist, dass viele Sachen einfach schnell gehen, während manche Sachen sehr langsam passieren. Oft geschieht das aber in einer falschen Gewichtung. Sagen wir so: Meldebestätigungen gehen langsam. Aber schaut man einmal nicht hin, ist plötzlich eine Kneipe weg. Schaut man dann ein zweites Mal nicht hin, ist zum Glück wieder eine Kneipe da. Neuerdings wird es allerdings oft ein Burgerladen. Oder Ferienwohnungen. Oder Ramen. Oder Sushi.

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[Do, 1.5.2025 – Alkoholismus, Zyklen]

Ich ging gestern mit Überzeugung und gerne ins Fitnessstudio. Nach den zwei ausgefallenen Tagen freut mich das. Ich fürchtete den ersten Schlendrian.

Als ich vom Training zurück nach Hause kam, hatte ich ziemlich bald im Anschluss einen Bewerbungscall. Ich schmiss schnell ein schwarzes Hemd über. Darunter die kurze Radlerhose. Immerhin eine Hose. Wie sehr ich das optische Bullshitten vor der Webcam vermisst habe.

Später im Park traf ich eine Bekannte, eine Frau in meinem Alter. Wir drehten ein paar Hunderunden im Park und kamen auf Alkohol zu sprechen. Mich beschäftigt es schon länger, dass wir eigentlich zu wenig über Alkoholismus sprechen. Oder anders gesagt: dass viele Menschen in meinem Umfeld ganz offensichtliche Zeichen von Alkoholismus zeigen, sich in der Selbstwahrnehmung allerdings überhaupt nicht dessen bewusst sind und es abstreiten. Nun ist es eine Eigenschaft von Alkoholikerinnen, den eigenen Alkoholkonsum kleinzureden oder abzustreiten, aber davon abgesehen habe ich tatsächlich den Eindruck, dass die meisten schlichtweg nicht wissen, was Alkoholismus eigentlich ist. Bei Alkoholikerinnen denkt man ja immer an Menschen, die morgens zittern und einen Pegel aufrecht erhalten müssen, um zu funktionieren. Dummerweise ist das nur einer der 5 Alkoholismen. Das ist die Spiegeltrinkerin, die auffälligste von allen, aber auch die seltenste. Es gibt allerdings noch vier weitere Typen. Auch ich kann mich da gut einsortieren. Und es stimmt mich nicht feuchtfröhlich.

Zudem gibt es gute und simple Online-Tests. Ich empfehle sie den vielen vermeintlichen Gelegenheitstrinkerinnen.

Zur Erinnerung: Ich gendere meistens mit dem generischen Femininum.

Mit Alkoholismus ist das aber immer so eine Sache: Bis wo ist es ein obsessives Hobby und ab wann wird es ein Problem? Gesundheitliche Schäden kommen erst im Alter, und solange man nicht den Job oder die Partnerin oder Freunde verliert, ist es ja nicht so schlimm, oder?

Nun.

Die Hündin ist läufig. Es kündigte sich bereits seit einigen Tagen an. Sie liegt schwermütig und antriebslos herum. Und unkastrierte Rüden können nicht mehr die Schnauze von ihrem Hinterteil lassen. Sie ist noch genervt von den Typen. Ich weiss gar nicht, warum man Hündinnen läufig nennt, es sind ja die Rüden, die unkontrolliert über die Strasse rennen oder abhauen, wenn sie eine paarungswillige Hündin riechen. Ich hoffte, dass es noch zwei Wochen dauert, bis ihre Blutungen einsetzen. Da wären wir zwei Wochen lang in Schweden. Dort ist es entspannter für sie, aber vor allem für mich, weil ich mich nicht ständig mit Rüden bzw. Rüdenhalterinnen beschäftigen muss.

Hatte ich eigentlich schon einmal von dem schwulen Hund erzählt? Den treffe ich ab und zu auf der Karl-Marx-Allee. Lustigerweise treffe ich den meistens, wenn meine Hündin läufig ist. Wenn man mit einer läufigen Hündin einen sich nähernden, unangeleinten Hundepenis sieht, spricht man zwangsläufig mit den Besitzerinnen. Läufig und so, Kastriert janein?

Der Besitzer des schwulen Hundes sagte mir, sein Rüde sei schwul, der interessiere sich nicht für Weibchen. Und tatsächlich ist das sogar während der sogenannten Stehtage der Fall. Also an jenen Tagen, an denen unkastrierte Rüden glasige Augen bekommen und die Hündin sich auch empfangsbereit gibt. Das sind immer etwa 4 bis 5 Tage der gesamten Phase. Bei Hunden schaltet während dieser paar Tage alles auf Fortpflanzung um.

Dass der schwule Hund (klingt wie eine Beleidigung) dies völlig ignoriert, fand ich erstaunlich. Ich ging davon aus, dass bei Rüden in diesem Fall ein Notgeilheitsprogramm anspringt und es eigentlich egal ist, wie die Hundedame aussieht. Bzw welches Geschlecht man vorzieht. Jetzt stellt sich mir natürlich die Frage, ob sein Hund sexuelles Interesse an anderen Rüden zeigt. Aber die haben ja keine hormonellen Zyklen, die müssten also immer Triebe haben, das würde auch bedeuten, dass er ständig – nunja. Vielleicht ist das kein Thema, das man mit fremden Menschen auf der Strasse besprechen sollte. Ich gehe aber eher davon aus, dass er asexuell ist und nicht schwul.

Werde ich ihm aber nicht sagen. Er schien sehr stolz darauf.

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Achso und heute war der erste Mai.

[Di, 29.4.2025 – Überqualifikation, Strom, Blase, Und wieder Lotusblüten]

Die beiden Bewerbungsgespräche liefen gut. Allerdings komme ich nur für eine der beiden Firmen infrage. Für die andere bin ich überqualifiziert, wie der Herr meinte. Ich würde mich nur langweilen, sagte er. Überqualifikation finde ich in meinem Fall eine lustige Formulierung. Als Manager oder Führungskraft bin ich in Wahrheit zu inkompetent, um die richtige, fachliche Arbeit durchzuführen. Ich kann aber gute Emails schreiben und die Leute zusammenhalten. Überqualifikation ist natürlich der schönere Begriff. Die andere Firma ist aber super. Für die würde ich gerne arbeiten.

Wegen der beiden Gespräche fiel heute das Fitnessstudio aus. Ich meide es noch, in den Abendstunden zu trainieren. Mir ist es bewusst, dass ich derzeit den Vorteil geniesse, nicht nach Feierabend ins Studio zu müssen, wenn alles überlaufen ist. Sobald ich wieder arbeite, wird sich das ändern, dann werde ich oft an Geräten warten müssen. Gestern hatte ich tagsüber ja auch einen Bewerbungstermin, deswegen war ich gestern auch schon nicht da. Ich muss aufpassen, dass ich nicht schon nach wenigen Wochen nachlässig werde. Ich muss daher unbedingt morgen gehen. Und ich werde auch am Freitag trainieren, um die Woche wenigstens mit zwei Trainings gefüllt zu haben. Allerdings habe ich am Freitag auch wieder zwei Bewerbungsgespräche. Schon verrückt, diese Woche. So viele Angebote gab es noch nie. Dabei ist Freitag sogar ein Brückentag.

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Vor drei Jahren, als Russland die Ukraine angriff und die Gasversorgung in Deutschland in Gefahr geriet, bereiteten wir uns in meiner Firma auf einen Ernstfall im Winter vor. Wir schafften ein kleines Dieselaggregat an, kauften eine Starlink-Station, viele Taschenlampen und tausende Liter Wasser in Flaschen. Die Idee war es, bei einem landesweiten Stromausfall zumindest Mitarbeiterinnen und Familienmitglieder ins Büro bringen zu können, wo wir Internet und Wasser bereitstellen können wollten.

Nun ist es glücklicherweise nie zu diesem Ausfall gekommen. Aber auch zuhause kauften wir Trinkwasser, Taschenlampen und ein kleines, analoges Radio. Ein Radio hat ja kaum noch jemand. Mein Auto kann vielleicht noch Radiowellen empfangen, aber sicher bin ich mir da auch nicht. Wie der Stromausfall in Spanien gestern gezeigt hat, werden alle wichtigen Kommunikationswege ausfallen. Sogar die Handymasten, die eigentlich noch eine Stunde lang auf Akkubetrieb funktionieren sollten, fielen sofort aus. Das normale Volk wird nicht mehr kommunizieren können. Meine Frau und ich sind jetzt wirklich keine Prepper, aber dieses kleine Radio zu besitzen, war schon sehr speziell.

Wovor ich mich aber am meisten fürchte, ist es, in einem Fahrstuhl stecken zu bleiben. Natürlich auch, weil es im Katastrophenfall Tage oder Wochen dauern kann, bis Hilfe kommt. Man muss nur rechnen, wie lange ein paar Dutzend Aufzugsfirmen brauchen, um hunderttausende Menschen im ganzen Land aus Aufzügen zu holen. Die meisten Menschen werden nach drei Tagen schlichtweg verdursten.

Aber dieses Szenario finde ich gar nicht so schlimm. Mehr Angst habe ich davor, dringend aufs Klo zu müssen. Im Aufzug ist das ja immer so. Im Aufzug muss ich plötzlich dringend aufs Klo gehen. Das fängt schon an, wenn ich mich dem Haus nähere: Die Blase beginnt sich zu melden, leichtes Kribbeln. Je näher man der Haustür kommt, desto mehr drückt sie, mit jedem Schritt wird das Bedürfnis urgenter. Im Aufzug kann ich es kaum noch bei mir halten. An der Wohnungstür fallen meine motorischen Komponenten aus und ich stochere wild mit dem Schlüssel am Schlüsselloch herum.

Jetzt will ich mir nicht vorstellen, was passiert, wenn im Aufzug der Strom ausfällt. Davor habe ich Angst.

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Zusammengefaltete Zeitung in der einen Hand, schwarzes Hemd, Sonnenbrille im Ausschnitt, die Frisur wie ein griechischer Gott aus schwarzem Marmor.

Wenn ich jetzt bloss nicht watscheln würde wie eine Ente. Dann wäre mein Look perfekt.

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Am Abend war ich zu einem Drink verabredet. Die Verabredung wurde allerdings abgesagt und nun sass ich wieder etwas hilflos mit geöffneten Rezeptoren für Bier zuhause herum. Das mit den Rezeptoren beschrieb ich bereits vor zwei Wochen. Heute hatte ich den ganzen Tag kaum gegessen, um den Kalorienhaushalt einigermassen im Gleichgewicht zu halten, weil ich mittlerweile weiss, wie viele Kalorieneinheiten ein alkoholisches Getränk in sich führt.

Meine Frau wusste wieder Abhilfe zu schaffen und schlug vor, mit der Hündin eine lange Runde zu drehen und uns irgendwo einen Aperitif zu gönnen. So taten wir es dann auch.

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[Mo, 28.4.2025 – Ärmel, VOffice, Barrowlands]

Komischerweise haben sich in dieser Woche fast so viele Bewerbungsgespräche angehäuft wie im ganzen ersten Quartal dieses Jahres. Dabei ist es sogar eine Brückentagswoche mit dem ersten Mai am Donnerstag. Der erste Termin fand heute statt und es war ein Erstgespräch vor Ort in der Räumlichkeiten der Firma. Es ist bestes Sakko-Wetter und meine Frisur sitzt ungemein gut. Meine Frisur sitzt schon seit Tagen gut, was vermutlich an dieser neuen Pomade liegt. Morgens fahre ich mit den Händen einmal durch die Haare und sie drapieren sich wie eine griechische Gottheit aus Marmor über mein Haupt. 

Nach dem Gespräch fuhr ich zu Zara, weil ich neulich merkte, dass mir für diese Temperaturen die richtige Kleidung fehlt. Morgens ist mir zu kalt und mittags zu warm. Das schwarze Blouson, mit dem ich aussehe wie ein italienischer Clanchef passt am ehesten in diese Jahreszeit, aber seltsamerweise sind die Ärmel leicht gefüttert, was bei mir für ein Ungleichgewicht in meinem Temperaturhaushalt sorgt. Wärme Arme. Wer braucht denn sowas? Bei Zara fand ich einen fast identischen Blouson, aber ohne gefütterte Ärmel. Dafür eine Innentasche, was ich beim anderen Blouson schmerzlich vermisste.

So. Ich jetzt glücklich.

Während ich bei Zara stand, fiel in ganz Spanien und Portugal der Strom aus. Eine beachtliche Sache. Wir hatten uns in der Firma nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine mit der Gefahr von landesweiten Stromausfällen beschäftigt. Mit beachtlichen Erkenntnissen. Vielleicht schreibe ich mal etwas darüber. Das braucht aber mehr Raum.

Um 19 Uhr war ich mit Frau Fragmente für eine Virtual Office Sitzung verabredet. Virtual Office nennt sie ihre Online Meetings mit zB Frau Novemberregen, in denen sie sich via Teams oder Zoom verabreden und an Texten arbeiten. Nicht gemeinsam an einen Text, sondern in einem gemeinsamen virtuellen Raum in dem sie an ihren eigenen Texten schreiben. Als sässe man in einem Gemeinschaftsbüro.

Sie schlug das letzte Woche vor, weil sie meinen Blogbeitrag über Textarbeit las. Sie meinte, man könne dieses Virtual Office ja probieren, ihr helfe das immer sehr gut. Zuerst war ich nur mittelmässig interessiert, was vielleicht an meiner Aversion gegen Online Meetings liegt. Die Pandemie hat mir im Hinblick auf Zoomcalls wirklich sehr viele negative Gefühle beschert. Weil ich aber trotzdem zu erkennen glaubte, wie gut das für den Schreibprozess funktionieren könnte und ich sowieso immer alles ausprobieren will, stimmte ich zu. 

Ich bin ja ein Prokastrinator. Während der Arbeit an der Novelle habe ich verstanden, dass ich mir Zeitfenster setzen muss, innerhalb derer ich nichts anderes mache, als zu arbeiten. Das schliesst auch ein, keine Browsertabs zu öffnen, keine Emails zu lesen und nicht aufs Telefon zu schauen. Das gelang mir im Sommer und im Herbst, als ich an der Novelle schrieb. So ein Bürosetting würde die Konzentration auf alle Fälle unterstützen. Während ich das hier schreibe, sitzt Frau Fragmente in einem kleinen Fenster rechts oben auf meinem Bildschirm und tippt Sachen in ihren Computer. Wir haben uns vorher abgesprochen, worüber wir schreiben. Sie wird einen Blogtext über–

[Pause]

–über Barrowlands verfassen. Gerade hat mich Frau Fragmente unterbrochen, weil sie keine Tippgeräusche mehr von meiner Seite hörte. Deshalb die Pause. Ich gab zu, dass ich das Wort Barrowlands aus unserem Chat suchen musste. Weil ich zum einen nicht wusste, wie man es schreibt und weil ich auch überhaupt keine Ahnung habe, was das ist. Ich war mal in einer Gegend in Westirland, die hiess „Barrowlands“, das war eine unwirtliche und unwirklich schöne Gegend aus Stein, Gebüsch und Geröll. Ich gehe aber davon aus, dass es in ihrem Fall eine Band ist. Oder ein Festival oder ein Film. 

Sie buchstabierte es für mich und als ich fragte, was das überhaupt ist, dieses Barrowlands, sagte sie, ich müsse warten bis ich ihren Blogtext gelesen habe, dort steht alles drin. Sie hielt mir aber eine Videokassete in die Webcam. Darauf stand in ziemlich unleserlicher Schrift „barrowlands“ geschrieben. Wie gesagt, ich gehe davon aus, dass es eine Band ist.

Ich hingegen legte mich zuerst auf den Romantext fest. Zur Zeit arbeite ich an dieser Geschichte die ich Liebesgeschichte nannte, die aber in Wirklichkeit keine Liebesgeschichte ist. Seit gestern trägt sie den Arbeitstitel „Malena“, aber der Titel ist so schlecht, der wird sich sicherlich ändern. Ich verspürte lediglich den Wunsch, der Geschichte einen Namen zu geben, damit ich sie für mich referenzieren und einen Ordner anlegen kann. Zehn Sekunden nachdem ich zu Frau Fragmente sagte, dass ich an dem Romantext schreibe, entschied ich mich doch für einen Blogeintrag. Ich hatte schon am Vormittag an „Malena“ geschrieben. Ist auch mal gut. So geht Arbeit. 

Und jetzt sitze ich hier. 42 Minuten waren das bisher. Frau Fragmente hat schon mehrmals gesagt, sie sei beim letzten Absatz, aber sie hat sich bereits mehrmals korrigiert, sie sei jetzt doch nicht beim letzten Absatz usw.

Für 42 Minuten ist es doch eine beträchtliche Menge an Text geworden. Normalerweise brauche ich dafür länger. Ich habe mich natürlich davor gescheut, aufzustehen und Wasser zu holen. Und natürlich habe ich keine Browsertabs geöffnet. Ich sass fast immer hier, konzentriert. Zweimal haben wir einander unterbrochen bzw. mit einem Gedanken weitergeholfen.

Kein richtiges Ende. Aber ich lese jetzt den Text von Frau Fragmente.

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[Sa, 26.4.2025 – Tramgleise, Remis, Bowle, Ungarn]

Am Freitagmorgen brachte ich die Schwiegereltern zum Flughafen. Direkt danach brachte ich einen gemieteten Rollstuhl zurück nach Mahlsdorf. Wir dachten, ein Rollstuhl sei praktisch, etwas mobiler zu sein, die Schwiemu ist nicht mehr so gut zu Fuss unterwegs. Wir verwendeten ihn nur einmal, als wir mittags zum Griechen gingen. Wir hatten den billigsten Stuhl gemietet, weil wir keine Erfahrung mit Rollstühlen haben und auch nicht wussten, worauf man da achten muss.

Aber es war dann ein wackeliges Teil, mit dem man auch kaum über abgesenkte Bordsteine oder Tramgleise kam. Ich bilde mir ein, dass das ein Qualitätskriterium sein könnte. „Mit diesem Stuhl kommen sie über jedes Tramgleis“. Als wir einmal auf den Gleisen steckenblieben, sagte ich zu meiner Schwiegermutter: „Lass uns einfach hierbleiben. Die Sonne scheint. Hier ist auch schön.“

Das fand sie lustig. Sie findet unerhörte Witze immer lustig.

Am späten Nachmittag fuhr ich ins Olympiastadion zum Heimspiel gegen Magdeburg. Weil wir nur 1:1 spielten, ist der (von mir immer noch blauäugig erhoffte) Aufstieg damit auch rechnerisch nicht mehr möglich. Immerhin haben wir rechnerisch jetzt auch den Abstieg verhindert. Es wird also ein weiteres Jahr zweite Liga. In meinem Fanclub und auch im Verein scheint sich niemand wirklich daran zu stören. Der sportliche Erfolg ist nach den verrückten und verhassten Investorenjahren irgendwie zweitrangig geworden. Solange die Mannschaft Einsatz zeigt und wir sportlich nicht abstürzen, scheint es auch in der zweiten Liga angenehm zu sein, die an vielen Spieltagen einen höheren Zuschauerschnitt hatte als die von Firmen und Investoren gepamperte erste Liga. Nächstes Jahr wird das natürlich anders, wenn der HSV und Köln wieder aufsteigen.

Ach.

Ich weiss oft gar nicht, warum ich überhaupt zum Fussball gehe.

Heute hingen meine Frau und ich ein bisschen rum, schauten fern. Auch konnte ich in den Amazon-Statistiken sehen, dass eine Person die komplette Novelle ausgelesen hat. Das freute mich natürlich. Aber sonst passierte wenig. Ich war natürlich gespannt, ob sich der Abdruck in der Jungle World bemerkbar machte. Tat er nicht. Vielleicht hängt das aber auch mit dem Publikum dieser Zeitung zusammen. Amazon trägt mittlerweile schliesslich Hörner und hält eine Heugabel in der Form eines Hakenkreuzes in der Hand.

Ich finde es dennoch erstaunlich, wie wenig es sich auf die Verkäufe auswirkt. Das war beim Abdruck im ND auch schon so. Immerhin sind mir die Einkünfte nicht wichtig. Ich frage mich allerdings, was das medientechnisch bedeutet, wenn Zeitungen mit 16.000 Exemplaren keinen einzigen Verkauf generieren. Es kann natürlich auch am Text liegen bzw. an dem Thema. Und ich will mich auch nicht beklagen. Ich denke nur laut.

Am Abend waren wir bei der Traveling Lady verabredet. Sie hatte zu einem Frühlingsfest geladen und Bowle gemacht. Einige meiner Freunde waren anwesend und viele ihrer Gäste kamen aus einem internationalen Umfeld. Menschen aus England, Frankreich und Südamerika. Eine Frau, mit der ich mich unterhielt, hatte einen ungarischen Akzent. Ihr Zungenschlag glich dem der Menschen, die in Sisi-Filmen Ungarn spielen. Ich habe zu Ungarn durchaus positive Gefühle. Unser langjähriger ehemaliger Fussballtrainer ist Ungar, zudem mag ich Gulasch und überhaupt. Der Diktator Orban ist natürlich keine gute Sache, aber es beeinflusst meine positiven Gefühle wenig. Also riet ich ihre Herkunft und sagte: Ungarn. Ein Raunen ging durch die Runde. Sie war Polin. Ungarn kam nicht gut an. Wir tranken dennoch Bowle zusammen.

Es war ein guter Abend mit lauter guten Menschen.

[Do, 24.4.2025 – Jungle]

BREAKING NEEEEWS: In der Jungle.World wurden die ersten 25 Seiten meiner Novelle abgedruckt. Die Ausgabe kam heute raus. Ich wollte sie natürlich sofort holen. Nach meiner Session im Fitnessstudio klapperte ich verschiedene Zeitungskioske ab. Die erste Schwierigkeit bestand darin, einen Zeitungskiosk zu finden. Auch wenn es in dieser Stadt tausende Kioske gibt, sind sie fast immer Bierkioske, oder Vape-Kioske, aber nur noch selten Zeitungskioske. „Zeitungen? Nee, hamwa schon seit 12 Jahren nicht mehr.“ Immerhin hatten sie am Ostbahnhof die Jungle.World. Allerdings noch die Ausgabe der letzten Woche. Bei der neuen Ausgabe gab es offenbar Schwierigkeiten bei der Auslieferung. So war das auch an der Storkower und im Ring Center.

Und die meisten Zeitungskioske, die bei Maps als solche angezeigt wurden, hatten nur Blätter von der Springerpresse oder eine der drei grossen Berliner Tageszeitungen. Manchmal hatten sie noch die Junge Welt, aber die Jungle.World ist ja eine abtrünnige Neugründung, die aus einem Arbeitskampf bei der Jungen Welt hervorkam. Auf die Junge Welt blicke ich deshalb mit Verachtung. Zumindest bis sie mein Buch bewirbt. Ein Abdruck von 25 Seiten ist aber schon ein Mega Ding. Und die haben ja immer noch 16.000 Abonnenten.

Nach zwei Stunden gab ich auf. Eine Stunde pumpen, zwei Stunden Radfahren. Den Rest des Abends war mein Körper auf eine sehr angenehme Weise müde.

[Mi, 23.4.2025 – Holzbauweise]

Gerade sind die Schwiegereltern zu Besuch. Die Stille im Blog hängt eher damit zusammen und nicht mit der Verlagerung des Schreibpensums.

Am Abend hatten wir Besuch aus Schweden. Eine Cousine meiner Frau und ihr Ehemann sind gerade in Berlin, weil sie ihren Geburtstag feiern. Das letzte Mal, als wir sie sahen, war zu unserer Hochzeit in Zweitausenduuuuuuund– Dreizehn. Wobei das nicht ganz stimmt. Ein Jahr später im Sommer luden sie uns zu sich nach Hause ein, in einem schönen, grossen Holzhaus nahe Falsterbo am südlichsten Zipfel Schwedens. Als sie das erste Mal bei uns in Berlin waren, machte die Cousine eine für mich interessante Bemerkung, indem sie sich laut zu einer Erkenntnis äusserte. Sie sagte: „Aha, ihr lebt hier alle in diesen steinernen Häusern“. Das war nicht wertend gemeint, es war nur eine interessierte Feststellung. Aha, ihr lebt hier alle in diesen steinernen Häusern. An diesen Satz musste ich oft denken. In Falsterbo leben die Menschen tatsächlich in Holzhäusern. In Schweden eigentlich fast überall, mit Ausnahme der Innenstädte in den grossen Metropolen, wobei selbst da nicht überall. Mit Holzhäusern meine ich jetzt gar nicht rot-weisse Märchenhütten, sondern Gebäude, die wie ganz normale Häuser aussehen. Nur halt aus Holz. Wie auch in den Vereinigten Staaten. Diese Einfamilienhäuser sind dort ja auch alle aus Holz. Aus Holz und Pappe. Eine schnelle Suche ergibt: ist schlichtweg einfacher und schneller zu bauen. Tja. Auch irgendwie eine Erkenntnis.

Das würde bedeuten, dass Häuser aus Stein „schwieriger und langsamer zu bauen“ sind. In Europa macht man sich eben gerne das Leben schwer. Aber das ist natürlich Quatsch. Ich weiss schon: Langlebigkeit, Energieeffizient und Brandschutz. Ich mäandere nur ein bisschen.

[Di, 22.4.2025 – Centbereich, Fitness-App]

Seit die Novelle nun als Ebook bei Amazon online ist, kann ich neben den Verkäufen (4 Stück in einer Woche) auch die gelesenen Seiten via Kindle Unlimited sehen. Das ist für Amazonkunden, die eine Flatrate gebucht haben. Über dieses Programm erhalte ich Tantiemen pro gelesener Seite. Die Einnahmen bewegen sich im Centbereich. Bisher wurden in total 53 Seiten gelesen. Einmal 6 Seiten, einmal 25, einmal 9 und einmal 13. Da es sich bei Flatrate Abonnenten um Vielleser handelt, gehe ich davon aus, dass es sich bei den vier Leseversuchen um vier verschiedene Menschen handelte.

Alle haben sie aufgehört.
ALLE HABEN SIE AUFGEHÖRT.

Ich rede mir ein, dass die Geschichte nicht massentauglich ist. Zumindest ist sie schwer zu kategorisieren. Es trifft mich ein bisschen, aber ich finde es dennoch amüsant. Seit ich das Dashboard mit den Echtzeitdaten in Amazon habe, prüfe ich das natürlich täglich. Mehrmals. Am liebsten würde ich stündlich prüfen, aber es passiert so wenig.

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Weil ich ab jetzt jeden Montag und Donnerstag das Fitnessstudio besuche, ging ich natürlich auch am Ostermontag dort hin. Mein Studio befindet sich in dieser schönen East-Side Mall neben der Uber Arena. Ich schrieb bereits öfter über diese schnuckelige, kleine Retro-Mall. An normalen Tagen betritt man das Studio über den normalen Eingang mit den Geschäften, da diese aber nur von Montag bis Samstag tagsüber geöffnet ist, muss man das Gebäude an Sonn- und Feiertagen über einen Spezialeingang betreten. Weil gestern Ostermontag war, würde ich zum ersten Mal diesen Spezialeingang nehmen. Ich freute mich schon sehr über diese neue User-Experience. Eine leere Mall, ein leeres Fitnessstudio, meine Muskeln und ich. Wir ganz alleine unter uns.

Nun war das Studio so voll wie nie. Auch war der Spezialeingang an der Mall so voll wie nie. Die Eisbären hatten ein Heimspiel, daher zogen die Menschenmassen vom Parkplatz auf dem Dach der Mall durch meinen Spezialeingang zur Uber Arena weiter. Und im Studio selber waren fast alle Geräte besetzt. Es befand sich sogar Trainingspersonal am Schalter des Studios. Ich fragte, warum es heute so voll sei. Die Trainerin sagte, heute sei Praktikanten-Tag. An einem Ostermontag? Gehen Praktikanten am Ostermontag nicht zu ihren Eltern und stopfen sich die Bäuche voll? Das sagte ich so nicht. Ich will keine negativen Vibes verbreiten.

Immerhin musste ich komischerweise nie an den Geräten warten, sondern konnte ungehindert mein Programm abspulen.

Seit Anbeginn habe ich aber ein Problem mit der App der Fitnesskette. Ich kann nämlich neu hinzugefügte Trainingseinheiten nicht speichern. An jedem neuen Trainingstag sind diese Einheiten verloren gegangen und ich muss sie wieder händisch hinzufügen. Also ging ich nach der absolvierten Stunde auf den Schalter zu, um mir Hilfe zu holen. Von dort aus schauten mich eine junge Frau und ein Mann mit dunkler Hautfarbe an. Auf dem Weg dahin fragte ich mich, wenn ich ansprechen soll. Spreche ich die Frau an, denkt der Mann vielleicht, ich sei ein Rassist. Spreche ich den Mann an, denkt die Frau vielleicht, ich sei ein Sexist, der ihr nicht zutraut, sich mit einer App auszukennen. Ich muss mir gut überlegen, wer von den beiden sich wohl weniger diskriminiert fühlt.

Ich entschied mich für die Frau. Weil ich aus der IT komme und Frauen für IT-Themen empoweren will. Sie nahm sich meines Problemes an, sagte viele selbstbewusste Sätze, tippte auf meinem Telefon herum, sagte weitere selbstbewusste Sätze, aber nach zwei Minuten hatte sie weder mein Problem gelöst, noch hatte sie mir das Gefühl gegeben, dass sie keine Ahnung hat. Das war Bullshitten auf Profilevel. Das kannte ich sonst nur von Männern. Beeindruckt, aber etwas ratlos schaute ich ihren Kollegen an. Derjenige, der sicherlich dachte, dass ich ein Rassist bin. Der hatte daneben gestanden und kein Wort gesagt. Er nahm mein Telefon in die Hand und sagte: das ist ein Bug. Man müsse zuerst eine Übung entfernen und dann kann man beliebig viele neue hinzufügen.

Die Frau stand immer noch daneben und schaute selbstbewusst, als hätte sie Ahnung.

[So, 20.4.2025 – aber aber aber]

Gerade etwas nachlässig, was das Bloggen betrifft. Gestern kamen Freunde aus Minden und heute kamen die Schwiegereltern, so verbrachten meine Frau und ich zwei Tage zwischen Gästen und Putzarbeit. Ich machte mir in diesen zwei Tagen keine nennenswerten Notizen und ohne Notizen ist es mir in stressigen Situationen fast unmöglich, über den vergangenen Tag zu schreiben. Auch wenn ich über mehr schreibe als nur das, was ich mir notiere, die Notizen weisen mir aber einen Einstieg in dieses Ritual des schriftlichen Reflektierens, danach erst fliesst der Text von selbst. Deswegen schrieb ich in den kurzen Putzpausen nur an den anderen Texten weiter.

Tatsächlich überlege ich schon seit einigen Wochen, die Frequenz der Einträge hier im Blog etwas herunterzufahren, da ich schauen wollte, ob das dem Pensum meiner Romanarbeit entgegenkommt. Ich sitze meist doch recht lange an den Blogtexten, 1 bis 3 Stunden pro Tag, ich weiss, das merkt man den Einträgen nicht immer an, aber Textarbeit ist immer recht aufwendig. Nun ist es für mich zu einem Ritual geworden, am Abend den Tag zu verarbeiten und den daraus entstandenen Text am nächsten Morgen zu überarbeiten. Seit ich nicht mehr arbeite, verlege ich diese Arbeit meist auf den Vormittag. Da befinde ich mich in einer wohligen, etwas weltfremden Blase. Besonders, wenn die Frau aus dem Haus ist und die Hündin zwischen meinen Beinen schläft.

Dummerweise schreibe ich immer noch an zwei Romanen parallel, da ich mich immer noch nicht entscheiden konnte, welchem Text ich meine volle Aufmerksamkeit widmen will. Zum einen ist das der Text, den ich ursprünglich als pornografischen Versuch unter einem Psyeudonym als Ebook publizieren wollte. Weil ich gehört hatte, dass sich Erotik gut verkauft und ich das witzig fand. Jener Text ist aber eine Liebesgeschichte geworden bzw. eine seltsam gute Geschichte über Missbrauch und Abhängigkeit, von der ich nicht erwartet hatte, dass sie sich als solche entwickelt. In dem Text stimmt alles. Tonfall, Figuren, der Beat, die Tiefe. Andererseits kann ich den Text nur schreiben, wenn ich kein Publikum im Kopf habe. Wenn ich denke, dass Bekannte oder Menschen aus meinem familiären Umfeld den Text lesen werden, dann erstarre ich zu einer Säule aus Salz. Wenn ich das ausblende und mir vorstelle, dass ich den Roman unter Pseudonym als Ebook publiziere, dann fliesst der Text unter meinen Fingern hervor. Weil ich es aber aufregend fand, ein Buch aus Papier mit meinem Namen vorne drauf zu veröffentlichen, habe ich jetzt keine Lust auf ein Pseudonym. Ich muss den Text also zuerst mit einer inneren anonymen Haltung verfassen. Später kann ich ihn immer noch anpassen. Auch wenn ich ihn nicht im Nachhinein ändern möchte, der Gedanke steht mir aber im Weg, während ich den Text verfasse.

Und auf der anderen Seite ist da der Superheldenroman. Diese Geschichte habe ich schon seit 2017 im Kopf und ich verfasste im Laufe der Jahre einen groben Plot-Entwurf und mehrere Fragmente. Aufgrund meines sehr anstrengenden Jobs und eine damals wachsende Aversion gegen einen von mir als elitär empfundenen Kulturbetrieb verlor ich immer wieder das Interesse. Jedoch glaube ich, dass das eine richtig gute Geschichte werden könnte. Aber einerseits habe ich gerade eine eher einfach gestrickte Geschichte über ein besetztes Haus in den Niederlanden veröffentlicht, bei der ich manchmal etwas entschuldigend hinzufüge, dass ich schon bessere Texte im Ärmel habe. Mit einem Superheldentext läuft man sicherlich ins Risiko, dass es auch eine einfach gestrickte Erzählung wird. Und in der Tat: Der Text entwickelt sich leider nicht so komplex, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ich möchte jetzt nach der Novelle schon einen wahnsinnig guten Text nachreichen. Irgendwas stimmt mit der Erzählstimme dieses Superheldentextes aber nicht bzw. der Hauptfigur fehlt etwas und die Erzählperspektive passt nicht. Ausserdem geht der Text nicht in die Tiefe. Und ich weiss nicht genau, woran es liegt. Ich habe lediglich ein paar Vermutungen, ich bin mir aber nicht sicher, ob das wirklich einen Unterschied machen würde und dies zu ändern würde noch einmal viel Überarbeitung der bestehenden Seiten bedeuten.

So schreibe ich vorläufig an beiden Romanen weiter und protokolliere in einer Exceltabelle das Pensum, das ich pro Tag für beide Texte aufbringe. Vielleicht hilft mir die Tabelle bei der Entscheidung.

Und da kommt auch die Überlegung her, die Frequenz der Blogeinträge temporär etwas herunterzufahren. Um zu sehen, ob das der Arbeit an den beiden Prosatexten zugutekommt. Rein aus statistischen Gründen. Aber aber aber. Ich brauche auch das Ritual auf den Tag zurückzublicken.

(Arbeitszeit: ~1h 45m)

[Do, 17.4.2025 – bist du nüchtern, Ringbahn, Spatzen, Temperaturen]

Am Abend war ich bei einer Freundin auf ihrer Geburtstagsfeier eingeladen. Sie ist sechzig geworden. Ihre Wohnung liegt am anderen Ende der Stadt in Wilmersdorf. So fuhr ich mit der Ringbahn und hatte eine Geschenktüte dabei, auf der geschrieben stand „Happy Birthday“. Alle in der Bahn schauten auf diese Tasche. Auch Leute, die dazukamen. Sie schauten zuerst auf die Tasche, dann schauten sie mich an, dann wieder auf die Tasche und wieder auf mich. Undsoweiter. Alles Sherlocks. Ja, ich fahre auf eine Geburtstagsparty.

Es war eine warme Sommernacht bei 24 Grad. Wir sassen die meiste Zeit auf dem Balkon. Für den Rückweg nahm ich mir einen dieser Tretroller, damit ich schneller zum S-Bahnhof komme. Der Tretroller wollte von mir aber wissen: „Bist du nüchtern?“ Ich log den Roller an, indem ich das in der App bejahte. Die App forderte mich aber zu einem Spielchen auf. Sie zeigte den Kopf eines Mannes und verlangte von mir, auf den Bildschirm zu tippen, sobald ein Helm erscheint. Ich scheiterte beim ersten Versuch. Auch beim zweiten Versuch sowie beim dritten.

Deswegen ging ich zu dem E-Bike nebenan. Das spielte keine Spielchen mit mir.

Nachts in der Ringbahn mit Musik in den Ohren. Müde und irgendwie glücklich. Das ist total der Flow dieser Stadt.

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Mit den Vögeln geht es um etwa 5:20 Uhr los. Das ist die Zeit, in der ich neuerdings wegen des Kraches wach werde. Es ist gar nicht die Nachtigall, die mich weckt, sondern ein ganzer Schwarm einer krachmachenden Vogelsorte. Vermutlich Spatzen. Dabei geht die Sonne erst um 6:02 auf, es ist noch Dämmerung, sie wachen also schon vor der Sonne auf. Nach einer Stunde hört der Lärm schliesslich auf, aber da kann ich bereits nicht mehr schlafen. Ich muss dafür eine Lösung finden, ich kann nicht bis zum Winter nur halbe Nächte lang schlafen. Das Problem des frühen Aufwachens in der hellen Jahreszeit habe ich eigentlich schon lange. Nur hasse ich es, mit Verdunkelungsrollos zu schlafen, das ist noch schlimmer, als Kleidung im Bett zu tragen.

Übrigens pflege ich in meiner Wetter-App eine ganze Liste an Orten, von denen ich das ganze Jahr über die Wetterbedingungen kennen will. Das sind: Longyearbyen in der Arktis. Dann ein kleiner Ort östlich von Göteborg, wo unser Waldhäuschen steht. Dann Corvara, das Dolomitendorf, in dem ich aufgewachsen bin. Bozen, wo ich geboren bin. Meran, wo der Grossteil der Familie jetzt wohnt. Rovaniemi, weil mich Lapland nicht ganz loslässt. Und Rom als eine mir sehr bekannte Referenz am Mittelmeer. Dann gibt es noch Städte, an denen ich es mir theoretisch vorstellen könnte zu leben. Das sind Tromsö, Seattle, London, Amsterdam, Oslo.

Schon seit ein paar Tagen oder gar Wochen sieht diese Liste zusammengefasst etwa so aus:

Longyearbyen: -14
Berlin: 25
Rovaniemi: 15
Bozen: 13
Rom: 15

Verkehrte Welt.

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