[Mittwoch, 27.7.2022 – Radwerkstatt, Salzflecken, kleines Turnier, Hundesitting]

Heute ist nicht viel passiert. Ich fuhr mit einem Leihrad ins Büro. Mein Fahrrad ist ja noch in der Werkstatt. Ich hatte es vor dem Urlaub vergessen abzuholen, und die Werkstatt öffnet erst am Mittwoch, also heute.

Abends nach der Arbeit ging ich deswegen mein Rad abholen, das jetzt endlich wieder einen Korb vorne hat. Jetzt kann ich wieder kleine Dinge transportieren. Ich trage zum Beispiel ungerne Umhängetaschen oder Rucksäcke auf dem Fahrrad. Weil sich dann vom Schwitzen die Salzflecken auf den Kleidern abzeichnen. Ich trage ja oft schwarz, das sieht schlecht aus.

Was ist sonst noch passiert? Alles workrelated. Ende August kommen Freunde zu Besuch, am Samstag nehme ich an einem kleinen Fussballturnier auf dem Olympiagelände teil. Hertha feiert ein offizielles Geburtstagsfest als Fanfest. Allerdings verbietet der Senat Hunde auf dem Gelände, meine Frau, die eigentlich mitkommen wollte, kann daher nicht dabei sein. Es wird Zeit für Hundesitting. Ja, auch das haben wir uns heute angesehen. Hundesitting. Wir schrieben mehrere Anbierterinnen an. Vor allem Dogwalker, also Leute, die mit dem Tier in einer Gruppe weiterer Tiere spazieren gehen. Für einmal die Woche oder vielleicht zweimal.

[Montag, 26.7.2022 – Körperhaushalt, Wachhunde, der Plan der Neffen]

Das war ein ordentlicher Kater, mit dem ich heute früh wach wurde. Ich hatte gestern vergessen zu essen und Wasser zu trinken. Es ist eigentlich unglaublich, dass ich es mit Ende vierzig immer noch nicht gelernt habe, meinen Körperhaushalt richtig zu verwalten. Glücklicherweise hatte der Abend ein frühes Ende gefunden und ich kam dadurch zu ausreichend Schlaf. Sonst wäre der heutige Tag vermutlich der Horror gewesen.

Ich nahm die Hündin mit ins Büro. Sie war heute aber unaufmerksam und nervös. Ausserdem bellte sie am Fenster, wenn sie Menschen auf der Strasse sieht. Wachhundgebahren finde ich ja nicht soo doll. Das hat sie sich in Schweden angewöhnt. Schon als wir im Mai dort waren. Meine Frau sagt, dass bei allen ihre Hunden der Wachhundinstinkt in Schweden geweckt wurde. Es passiert dort im Wald so wenig, dass jeder Einfluss von aussen eine potentielle Gefahr darstellt und das Tier dann in den Beschützermodus umschaltet. So erkläre ich es mir jedenfalls, ich als studierter Hundetiefenpsychologe.

Tagsüber schrieb mich einer der beiden Neffen an. Er und sein Bruder (13 und 14) wollen nach Berlin kommen. Sie haben jemanden gefunden, der mit der Bahn nach Berlin fährt, mit dem würden sie mitreisen. Es sei auch schon mit der Mutter geklärt. Ich freute mich sehr und schlug vor, dass wir am Abend telefonieren und die Details besprechen.

Am Abend telefonierten wir also. Er und sein Bruder sind gerade auf einem Ferienbauernhof, den die Familie meines Schwagers betreibt. Dort betreut ein siebzehnjähriger Junge aus Flensburg während der Ferienzeit die Kinder. Seine Ferien sind nun vorbei, und er würde am Samstag zurück nach Flensburg fahren. Die beiden Neffen haben gecheckt ob die Bahnreise nach Flensburg über Berlin führt. Als sie sahen, dass das der Fall ist, heckten sie den Plan aus. Die Mutter fände das auch gut, versicherte er mir. Mich freute das sehr.

Doch dann frage ich nach der Rückfahrt. Für die Rückfahrt haben sie noch keinen Plan. Ich frage, wie die Mutter das findet, er sagt, das wisse er nicht. Es begann zu riechen. Nach einem noch nicht ganz ausgereiften Plan. Ich schlug vor, dass ich das mal mit seiner Mutter bespreche und dann würden wir uns später am Abend nochmal hören.

Also rief ich meine Schwester an. Die fand das sehr amüsant. Sie besprach das Thema gerade mit ihrem Mann. Sie waren etwa vor einer Stunde über den Plan der Jungs informiert worden. Zwar fanden sie die Idee der Hinreise mit dem jungen Flensburger gut, aber die Rückreise alleine, mit dem Gedanken daran mindestens in München, vielleicht aber auch in Hannover oder Innsbruck umzusteigen, keine gute Idee und würden dem Plan daher nicht zustimmen.
Wir einigten uns darauf, dass ich etwas schreibe und sie dann auch.

Daraufhin schrieb ich ihm eine lange Nachricht, an der ich ewig herumfeilte. Eine ganze Wall of Text. Gründe, Alternativen, und wie schade ich es finde.

Dann kam die Antwort. Ein schlichtes: okay.

Mir wird regelmässig vorgeworfen, dass ich auf lange, persönliche Nachrichten, manchmal mit „okay“ antworte. Ich verstehe den Vorwurf nie. Okay ist einfach eine Zurkenntnisnahme, und insofern ja gut. Jetzt werde ich die Kritik aber einmal überdenken.

[Montag, 25.7.2022 – Arkonaplatz]

Heute war Herthageburtstag am Arkonaplatz. 130 Jahre. Es waren etwas mehr Menschen da, als voriges Jahr. Der RBB filmte mit einem hippen, tragbaren iPhone-Gestell. Auch ein Geschäftsleiter von Hertha war da, zudem die Fanbetreuung. Das war alles sehr nett.
Es war 35 Grad warm, da die Sonne aber nicht direkt schien, liess es sich gut ertragen. Gegen 20Uhr kam ein heftiger Regen herunter. Er dauerte 5 Minuten. Sommerregen.

Da ich auf leeren Magen Bier trank, wurde ich schnell betrunken. Entsprechend fühle ich mich jetzt. Daher bleibt dieser Eintrag kurz.

[Sonntag, 24.7.2022 – Reise, Revier]

Wir starteten um 7 Uhr, weil ich die Fähre um 13:30 in Dänemark gebucht hatte. In 6 Stunden sollte die Strecke zu schaffen sein. Allerdings befindet sich auf dem Weg auch die Helsingborg-Fähre. Wenn die gerade den Hafen verlässt, wenn man einfährt, muss man auf die nächste Fähre warten, da sie allerdings im 20 Minuten-Takt verkehrt, ist der Zeitverlust nicht so groß.

Merke für das nächste Mal (wieder und wieder, ich vergesse es jedes Jahr): wenn man online gebucht hat, kann man beim Einchecken den automatischen Scanner verwenden und muss sich nicht in die lange Service-Schlange einreihen. So.

Die Hündin kriegt immer diesen deprimierten Blick, wenn sie das orangene Autogeschirr sieht. Sie weiss mittlerweile, dass das eine Autofahrt bedeutet. Sie hasst autofahren. Wie lang die Fahrt werden wird, weiss sie aber noch nicht. Besser so.

Sie übergab sich zweimal. Aber nur auf den schwedischen Land- bzw Waldstrassen. Ab der Autobahn ging es besser und sie blieb ruhig. Fährefahren scheint sie wiederum zu lieben. Vor allem auf dem Sonnendeck, beim Wind.

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Zurück in ihrem Revier. Sie stieg aus dem Auto, und als sie merkte, wo sie sich gerade befand, wurde sie ganz aufgeregt.

Sie ist gerade nicht sehr leinenführig, zieht ständig, muss den Kiez checken, die neuen Gerüche an den Hauseingängen. Und Hunde begrüssen, sie hat seit mehr als drei Wochen keine anderen Hunde mehr gesehen. Immerhin das kann Berlin ihr bieten, wenn sie schon nicht mehr so die Freiheiten hat.
Wir machen uns schon Gedanken, was das für sie bedeutet, in die Stadt zurückzukommen. Zurück in die Leinenpflicht, zurück in die Wohnung. Das klingt alles furchtbar.

Andererseits: vor der Wohnungstür kriegte sie sich vor Aufregung gar nicht mehr ein. Auch im schwedischen Wald, war sie eigentlich immer in unserer Nähe. Im Freien war ihr Radius ein wenig weiter, aber sie entfernte sich nur sehr selten, da schien sie immer eine Fährte aufgenommen zu haben. Aber auch wenn wir drin im Haus sassen, sass sie mit uns im Haus. Es ist halt doch ein Rudeltier und ist am liebsten dort, wo sich ihr Rudel aufhält.

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So. Erstmal ankommen.

[Samstag, 23.7.2022 – letzter Tag, Klangteppich, kleiner See]

Es ist der letzte Tag. Letzte Tage fühlen sich immer gleich an. Man geniesst ihn nie wirklich, sondern es fühlt sich immer an wie ein Abzählen der letzten Dinge. Was haben wir also getan? Also ich habe gefrühstückt, dann war plötzlich Mittag und wir fuhren ins Dorf, um ein paar Erledigungen für die Reise zu machen. Danach lief ich die große Waldrunde mit dem Tier. Ich hörte einen Podcast zu Ende und danach hörte ich Black Metal. Wandar. Ich hörte das, weil mir einfiel, dass sie von sich behaupten, die skandinavischen Wälder in ihren Klangteppichen wiederzugeben.

Mit Kopfhörern Black Metal hören und durch einen skandinavischen Wald laufen ist eine aussergewöhnliche Idee. Nicht unbedingt die beste Idee, aber eine Aussergewöhnliche. Ich drehte mich ständig um, weil ich das Gefühl hatte, verfolgt zu werden. Ich begann auf die Hündin zu achten, die würde es mitbekommen, wenn sich jemand uns nähert. Sie schnüffelte aber sorglos vor sich hin, also war alles gut.

Ich verstehe schon, was die mit Klangteppichen, die skandinavische Wälder wiedergeben, meinen. Kann man so sehen. Allerdings fehlt der Schnee und es müsste mehr dämmern um zum Blackmetal zu passen.

Nachher packen wir. Ich lasse noch einmal die Drohne steigen und fahre damit zwei Kilometer über die östlichen Wälder. Dort finde ich diesen verwunschenen Waldsee. Ich hatte im April schon die Idee, zu diesem See zu fliegen. Daraus wurde dann nichts.
Heute traue ich mich 2 Kilometer zu fliegen und ich finde den kleinen See. Es gibt keinen Weg dorthin, das Gelände ist unwegsam. Das Signal zur Drohne ist wegen des Waldes aber bereits schlecht. Ich traue mich nicht, das Gerät bis hinunter zum Ufer sinken zu lassen, ich würde das Signal verlieren. Dafür fliege ich auf 200m Höhe darüber hinweg und halte nach Pfaden Ausschau, aber ich bleibe erfolglos.

Morgen fahren wir. Zehn Stunden. 8 davon im Auto. Daher trinke ich heute nur zwei leichte Biere und dann lege ich mich ins Bett.

[Freitag, 22.7.2022 – Boras, Schwedenkarte, Urlaubsextension]

Heute war ein ziemlich uninspirierter Tag. Morgens holte ich die Blogeinträge vom Vortag nach, aber ich klatschte den Text ziemlich lieblos dahin. Auch beim Einsprechen stolperte ich und verhaspelte ich mich und hatte auch keine Lust, es neu aufzunehmen, oder mich anzustrengen. So ist das manchmal. Dennoch treibt mich die Dienstbeflissenheit an.

Wir fuhren schon ziemlich früh nach Boras, in die Stadt. Das ist eine halbstündige Autofahrt. Wir gingen nur ein wenig Shoppen. Ich brauchte Unterhosen und ein Eis. Ich ass ein Saffran-Honig Eis. Erstaunlich gut. Meine Frau kaufte andere Sachen.

Beim Akademibokhandeln in der kleinen, trashigen Mall unweit des Stadions, gab es vor zwei Jahren mal eine beeindruckende Schwedenkarte. Die Karte hing an der Tür des Personalzimmers der Buchhandlung. Diese Schwedenkarte war so gross wie die ganze Tür, also etwa 2m hoch und entsprechend breit. Wenn man so vor der Karte steht, befinden sich die Augen in etwa auf der Höhe des Polarkreises und man kann über die dünnbesiedelten Weiten Norrlands schweifen und die Bahnstrecken von Galliväre über Kiruna bis nach Narvik nachvollziehen. Und wenn man Boras oder Goteborg sucht, dann muss man in die Hocke gehen und nach unten schauen. An dieser Karte merkt man, wie gross dieses Land ist. Da ich meine Tage damit verbringen könnte, auf Karten zu starren, wollte ich sie damals kaufen, aber leider stand die Karte nicht zum Verkauf.
Heute waren wir wieder in dieser kleinen Mall. Meine Frau suchte etwas bei Lagerhaus und dann fiel mir diese Karte wieder ein. Ich sagte zu meine Frau, dass ich zu Akademiebokhandeln gehe um zu schauen, ob diese Karte da noch hängt. Sie hing da noch. Und ich blieb da auch hängen. Eine beeindruckende Karte. Diesmal fotografierte ich die Legende mit dem Herstellernamen, vielleicht kann ich sie ja irgendwo bestellen.

Skandinavien, Juli 2022: in einer (anderen) Mall musste ich auf die Toilette. Ich folgte den WC-Schildern ins Kellergeschoss. An den Toilettentüren gab es ein Kartenlesegerät. Ich hielt meine Karte dran, 8 Kronen, und die Tür öffnete sich. Als Bewohner einer deutschen Metropole fühlt sich das wie Science Fiction an.

Der Temperaturunterschied zu gestern beträgt fast 20 Grad. Gestern mass es 35 Grad, heute 17.

Wir beschlossen gestern, dass wir einen Tag länger bleiben. Normalerweise würden wir am Samstag fahren, aber wir haben beide noch keine Lust dazu. Wir werden also Sonntag fahren. Da ich keine Lust habe, am Sonntag anzukommen und gleich am nächsten Tag zu arbeiten, buchte ich gleich einen extra Urlaubstag dazu. Am Montag findet auch der Herthageburtstag am Arkonaplatz statt, da ich den ja organisiere, bzw die Feier iniziiert habe, werde ich um Punkt 18Uhr am Arkonaplatz sein.

[Mi/Do, 20./21.7.2022 – miserable Nacht undsoweiter, Hasen auch]

Mi

Das Tier hat die Hasen entdeckt. Es gibt hier schon seit mehreren Jahren eine Hasenfamilie. Wenn ich es richtig verstanden habe, leben sie unter der Scheune. In den seltenen Fällen, an denen man sie zu blicken bekommt, sieht man sie meistens in Richtung Scheune weghoppeln. Nachts ist meine Frau mal auf dem Weg zum Klo, das sich hinter der Scheune befindet, mit einem Hasen kollidiert.
Ich habe bisher drei auf einmal gesehen, wie groß die Familie aber tatsächlich ist, weiss niemand. Die Hündin hat sie jetzt jedenfalls entdeckt. Ich fand sie konzentriert an der Seite des Hauses, wie sie den Weg zum Fluss hinunter starrte. Am Ende des Weges, unten an der Lichtung, sass ein Hase. Und der Hase starrte zurück. Nach einigen Sekunden sprang er ins Gebüsch.

Heute 34 Grad. Wir gingen natürlich zum Fluss. Es dauerte bei mir wieder ewig, bis ich bis zu den Schultern unter Wasser war. Aber es zahlte sich aus. Wie jedes Mal. Wenn ich dann im Wasser bin, will ich es nicht verlassen. Die Hündin ging wieder nicht ins Wasser. Stattdessen knabberte sie an einer Pflanze herum und meine Frau geriet daraufhin in Panik. Es sah nach dem „gefleckten Schierling“ aus. Davon sterben Hunde. Und auch Menschen.

[hier müsste jetzt ein größerer Abschnitt zu dieser Paniksituation stehen, aber mir fehlt heute der Elan, das aufzuschreiben]

Abends wollte das Schlafzimmer nicht auskühlen. Zwar sinkte draussen die Temperatur, aber in den oberen Geschossen blieb eine unangenehm, drückende Wärme hängen. Ich schlief in jener Nacht etwa 2 Stunden. Gegen halb vier Uhr ging ich mit dem Tier hinaus und streunten ein bisschen auf der Wiese herum. Mit der Hündin kann man wunderbar vor sich hin starren. Man stellt sich irgendwohin wo man einen Überblick hat, starrt in die Ferne und lässt Gedanken in die Leere laufen. Bei erwachsenen Menschen sieht das immer komisch aus, aber wenn man einen Hund bei sich hat, dann hat es eine gewisse Legitimation.

Do

Nach dieser Nacht ging es mir schlecht. Ich versuchte bis Dreizehn Uhr, Schlaf nachzuholen, was mir nicht gelang.

Da der Donnerstag einen Grad heisser werden würde, beschloss ich, am Abend keinen Alkohol zu trinken und nur etwas leichtes zu essen. Ich ahne nämlich, dass die Zufügung von Alkohol bei dieser Hitze, keine gute Idee ist.

Meine Frau und ich fuhren ins Dorf Einkäufe tätigen. Wir schauten auch wegen einer Mähmaschine. Die Mähmaschine, die ich bräuchte, ist ein Ungetüm und kostet etwa 6000 Kronen, also 600 Euro. Es fühlt sich momentan nach einer falschen Entscheidung an, die Maschine zu kaufen. Es wird sicherlich der Moment kommen, an dem die Entscheidung richtig sein wird.

Was sonst so. Es ging mir den ganzen Tag eher schlecht. Was der Fluss an Erfrischung zu schaffen vermag, ist schon erstaunlich. Später schnitten wir auch die Haare des Tieres. Sie lässt es mit sich machen. Widerwillig, aber wenn man sie am Nacken festhält, dann wird wie meistens zahm. Meine Frau hatte sie schon vorletzte Woche geschert. In mehreren Durchgängen. Deswegen gibt es jetzt keine aussagekräftigen vorher/nachher Fotos.

Apropos Wasser: An dieser Stelle muss ich die aufblassbaren Hängematten in den Himmel loben. Siehe Foto unten. Man kann sich darauf im Wasser treiben lassen, ohne sich Gedanken um die Sauerstoffzufuhr machen zu müssen. Man kann sich darauf hinlegen als sässe man auf einem Sonnensessel. Dabei ist man aber im Wasser bzw mit dem Körper unter Wasser. Es ist wirklich ein grossartiges Gefühl.

Am Abend esse ich einen Salat und trinke Wasser.

Bin beim Aufschreiben dieser Zeilen irgendwie uninspiriert.

[…]

Miserabelst geschlafen heute. Kein Eintrag. Wird morgen nachgeholt.

[Dienstag, 19.7.2022 – Mähmaschinengang, Schwimmen, Todoliste]

Am Morgen kamen die Männer mit den Mähmaschinen. Sie hatten sich für zehn Uhr angekündigt, waren aber bereits um halb zehn vor Ort. Einer mit einem motorisierten Handmäher und der andere mit einem kleinen Wagen, der aussah wie ein Wagen für Golfspielerinnen auf dem Golfplatz. Aber ohne Dach. Dafür ein lautes Mähgestell darunter. Der mit dem Mähgestell fuhr systematisch über das Grundstück und der mit dem Handmäher mähte die Ränder.
Die Hündin mochte das gar nicht. Sie fand es merkwürdig, wie ruhig wir die ganze Zeit waren, während draussen der Krach vonstatten ging. Sie bellte und schaute uns auffordernd an, ging zum Fenster, kam wieder zurück und schaute uns auffordernd an. Nach 45 Minuten war der Spuk vorbei. Das Gras ist jetzt kurz, ich ging wieder barfuss. Wenn das Gras so halbhoch ist, habe ich Respekt vor den Dingen, die im Gras so leben.

Größere Strecken, beispielsweise zum Aussenklo oder zur Scheune, legt man immer mit Schuhen zurück. Bzw mit Stiefeln, oder Croqs. Aber vorm Haus zum Tisch kann man schonmal barfuss gehen.

Dieser Mähservice ist übrigens ein Resozialisierungsprogramm. Kostet zwanzig Euro pro Mal und wird Rentnerinnen zur Vefügung gestellt. Jetzt sind meine Argumente für die Anschaffung einer Mähmaschine schlagartig rapide gesunken. Normalerweise kommt die Mähgang immer am Anfang des Sommers, bevor meine Schwiegereltern in den Wald ziehen. Diesmal wuchs das Gras so schnell nach, dass sie noch einmal gekommen sind. Aber ganz ehrlich: ich mache das auch gerne selber. In Zukunft dann. Ausserdem will ich Schneisen mähen. Ich will Schneisen runter zum Fluss mähen und weitere Schneisen, zum Beispiel durch den Wald, damit man bei der Waldrunde die Abkürzung nehmen kann, aber ich will auch den Weg mähen, also den Weg, den man mit dem Auto fährt, der ist ständig zugewachsen, ich würde am liebsten einfach überall Schneisen mähen. Wenn man mich liesse. Schneisen. Schneisen überall.

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Heute dann der erste heisse Tag. Oder besser gesagt: warme Oberkante. Es wurde 27 Grad. Das ist nicht heiss, sorgt aber dafür, dass man immer wieder den Schatten sucht. Schon wenn man die große Waldrunde läuft, heizt sich der Körper aufgrund der Bewegung dermassen auf, dass man die schattige Seite des Weges vorzieht anstatt sich der niederbrennenenden Sonne auszusetzen.

Zurück beim Haus will meine Frau in den Fluss springen. Davon kühlt man nach der Wanderung natürlich am effizientesten ab. Ich stehe mit der Hündin am Ufer und wir schauen beide unserem Frauchen nach, wie sie ins Wasser steigt. Das Tier wird ganz aufgeregt, sucht ständig nach Möglichkeiten zum Wasser zu kommen, aber dann traut sie sich doch nicht. Als meine Frau wieder herauskommt, will ich kruz die Füsse ins kalte Wasser halten. Wie haben da eine steile Holztreppe ins Wasser. Ich nehme Stufe um Stufe. Nach zehn Minuten stehe ich biskurz unterm Schritt im Wasser. Der Hodensack ist das Schlimmste. Meine Frau ruft „weiterweiter“ und ich verschwinde mit einer Geschwindigkeit von 2mm pro Stunde im Wasser. Nach einer Ewigkeit steht mir das Wasser bis zum Kinn und es ist göttlich. Ich will nicht mehr heraus. Die Hündin hat sich mittlerweile einen Weg zum Wasser herunter gefunden. Ich locke sie mit Wasserspritzern, aber sie traut sich nicht, den letzten Schritt zu machen. Irgendwann ziehe ich sie kurz am Halsband. Es ist schlammig dort unmittelbar unterm Wasser und es leben viele Flusskrebse im Schlamm. Aber das sollte ihr wenig ausmachen. Sie ist dann bis zum Hals im Wasser, genau wie ich. Sie erschrickt davon aber dermassen, dass sie sofort die Böschung nach oben sprintet und sich erstmal nicht mehr sehen lässt.

Ich schwimme nicht, ich halte mich nur dan der Treppe fest und lasse mich gleiten. Irgendwann steige ich aus dem Wasser. Meine Frau hat es sich mittlerweile oben bequem gemacht und liest auf dem Telefon. Die Hündin sitzt bei ihr. Ich fühle mich wie neugeboren.

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Letztes Jahr am letzten Urlaubstag in Schweden, fertigte ich eine Liste an, weil es mich ärgerte, einige Dinge nicht unternommen zu haben. Dort schrieb ich auf, was ich im Sommer 2022 in Schweden machen will.

Ich hatte die Liste vergessen, aber nachdem wir gestern in Hedared waren, fiel mir ein, dass ich den Besuch dieser Stabskirche mal auf eine Todoliste gepackt hatte. Als ich die Liste suchte, wurde ich ihm Blog fündig.

Ohne die Liste vorher konsultiert zu haben, bin ich schon fast damit durch. Göteborg werde ich auslassen, zum Bärensee werden wir morgen oder übermorgen fahren. Kanu, hm, wird schwierig. Ich habe dieses Jahr immerhin die Luftmatratze (noch unbenutzt), aber ich habe tatsächlich wieder über das Kanu nachgedacht. Damit müsste ich mich aber vorher beschäftigen. Ich bin mir sicher, dass Kanukauf kompliziert ist und vermutlich sind Kanus teuer, es zahlt sich für mich wohl eher nicht aus.

[Montag, 18.7.2022 – Lesen, Stabskirche, Supermarktkette, Abwege]

Es regnete. Den ganzen Vormittag. Gerade so sehr, dass man noch rausgehen konnte.

Nach dem Frühstück gingen wir hinauf, zurück ins Bett. Meine Frau las. Ich möchte auch wieder lesen, ich habe jegliches Interesse an Fiction verloren. Aber gegen meinen Willen. Ich finde Fiction durchaus ein valides, sogar wichtiges Erzählmittel empfinde. Ich schaue ja auch Serien und Filme, die sind größtenteils immer Fiction. Bei Büchern fühle ich mich manchmal der Autorin zu nahe, alle diese Wörter, Satz für Satz hingeschrieben, jedes Wort zum Anfassen und umzudrehen und jeder Satz erfunden. Ich habe zu viel Einblick ins Handwerk. Dabei stört mich das Handwerk nicht, aber ich habe das Gefühl, dass ich sehe, wie der Text entstanden ist und sehe die erfundenen Gedanken regelrecht auf dem Papier vor mir. Nach drei Seiten gebe ich auf. Ich lese fast nur noch Essays, Blogs. Ich hasse es.

Bewegtbilder überwältigen mich besser. Vielleicht, weil ich das Handwerk nicht so kenne, ich weniger seziere. Vermutlich habe ich auch einfach zu viele schlechte Bücher gelesen. Dabei habe ich noch ein paar Bücher von Freunden, die ich unbedingt lesen will. Aber es kommt schon seit einigen Jahren nicht mehr über mich, dieses Bedürfnis, das Buch in die Hand zu nehmen. Romane. Ganz schlimm. Viel theoretische Lust darauf, vor allem, wenn ich Buchrezensionen lese, aber nach drei Seiten muss ich mir sehr viel Mühe geben und nur wenige Bücher schaffen diese Schwelle.

Heute wollte ich Joseph Conrads Herz der Finsternis weiterlesen. Immerhin ein Klassiker. Ich habe meinen Ereader in Berlin vergessen, aber ich kann Bücher ja auch auf dem Telelefon lesen. Jetzt spinnt diese Tolino App. Ich kann kein einziges Buch öffnen. Nur Fehlermeldungen. Und aufgrund des dämlichen Kopierschutzsystems kann ich das Buch nirgendwo anders lesen, ohne es neu kaufen zu müssen.

Am frühen Nachmittag fuhren wir nach Hedared. Dort gibt es diese mittelalterliche Holzkirche. In Schweden ist es die einzige verbiebene ihrer Art. Alle anderen wurden Laufe der Zeit abgerissen. Nur in Norwegen gibt es noch viele davon. Dort sehen sie meist auch spektakulärer aus. Die Holzkirche in Hedared sieht eher wie ein kleines Hexenbauernhaus aus. Aus schwarzem Holz. Ich war vor zwei Jahren zum ertsen Mal da, allerdings war die Kirche aufgrund Corona geschlossen. Heute sollte sie aber offen sein. Als wir ankamen war die Tür allerdings verschlossen. Davor stand ein Schild: Guide kommt gleich.
Der Guide kam aber nicht gleich. Also warteten wir vor der Kirche. Ich lief ein bisschen um die Kirche herum und schoss Fotos, meine Frau sass auf einer gemütliuchen Bank und las aus ihrem Buch. Nach zwanzig Minuten kam der Guide, eine junge Frau anfang zwanzig, und liess uns in die Kirche. Sie führte uns nicht im Sinne eines Guides, aber sie konnte Fragen beantworten. Zum Alter der Bilder etc etc usw.
Ich bin mit Kirchen gross geworden und finde diese kleinen bemalten Holzkirchen zum Umfallen beeindruckend. Meine Frau kann mit Kirchen wenig anfangen und empfindet das alles eher bedrückend. Das düstere Äußere der Kirche gefällt ihr allerdings.

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Danach fahren wir einen kleinen Umweg nach Töllsjö, dort gibt es eine Brauerei, dessen Bier ich mal getrunken habe. Offenbar haben sie vor Ort einen Ausschank, ausserdem kann man die Brauerei besichtigen. Wir wollen einfach nur wissen, wie es da aussieht und ich liebe es, durch diese kleinen, abgelegenen Ortschaften zu fahren.
Die Strasse von Hedared nach Tollsjö ist eine einspurige Asphaltstrasse, auf der es alle paarhundert Meter Einbuchtungen gibt, die zum Ausweichen bzw Überholen gedacht sind. Man darf auf dieser hügeligen, kurvigen Strasse 70 fahren. Nachdem uns zweimal Geländewagen auf Steroiden entgegenkamen, bewog sich mein Tacho aber der Null näher als der Siebzig.

Die Brauerei befand sich gerade im Umbau, wir konnten also nicht hinein.

In Töllsjö gibt es auch einen normalen Lebensmittelladen. Wir brauchten noch Kohlebriketts, für den Grill am Abend.
Schweden wird ja dominiert von den riesigen ICA Supermärkten. Auch wenn ich ICA Spitze finde, weil es dort soo viele Produkte gibt, die ich aus Deutschland nicht kenne, aber ich ahne schon, dass es wirtschaftspolitik eher problematisch ist, wenn der Lebensmittelmarkt von einer einzigen Supermarktkette dominiert wird. Auf dem Parkplatz des Ladens steht eine Schild, das darauf hinweist, dass dies ein kleiner Lebensmittelladen ist, dass der Kunde hier im Mittelpunkt steht, und dass man sich dafür bedankt, ein vielfältiges Wirtschaftsleben aufrecht zu erhalten.
Mit diesem Spirit betreten wir den Laden. Dummerweise kommen wir uns vor wie in einem Zoo. Danach ist die Kasse nicht besetzt. Eine andere Kundin wird etwas ungehalten und brüllt etwas nach hinten, den ich als unfreundlichen Aufruf, die Kasse zu besetzen, interpretiere. Daraufhin kommt eine junge (natürlich) blonde Frau nach vorne und rechnet ab. Es klingt jetzt etwas klischeehaftig, wenn ich sage, sie wirkte lustlos. Die Kassiererinnen bei ICA sind immer freundlich. Ich würde jetzt gerne auf der richtigen Seite der Welt stehen, aber.

Danach fahren wir entlegene Waldwege zurück nach Hause. Ich wollte nicht den gleichen Weg zurückfahren, ich liess das Navi die hellen, fast undurchsichtigen Wege kalkulieren. Wir fanden uns dann auf löchrigen, unasphaltierten Schotterwegen wieder. Ich fands gut. Ich weiss, dass mein Schwiegervater einmal die ausgeklügelte Federungstechnik bei Citroens lobte. Unser neuer C3 zeigte nun seine ganze Ausgeklügeltheit.

Hedared Stavskyrka