[Sonntag, 13.11.2022 – Burrito, Frauenfussballmannschaft]

Es war ein fauler Sonntag. Eigentlich hatten wir viel vor, aber wir blieben etwas tatenlos. Ausserdem hatte ich eine furchtbar schlechte Laune und war sehr müde. Ich vertrage den Alkohol offenbar nicht mehr so gut. Dann schauten wir einen schlechten Horrorfilm und danach war ich hungrig, ich war eigentlich den ganzen Tag über hungrrrrig, was meiner schlechten Laune sicherlich nicht sehr zuträglich war, deswegen bestellten wir mexikanisch bei Machete in der Neuen Bahnhofsstrasse. Danach war meine Laune etwas besser.

Heute war auch Mitgliederversammlung bei Hertha BSC. Da ich eigentlich andere Pläne hatte, und es keine besonders kritische Wahl gab, nahm ich nicht daran teil. Dafür wurde (wie ich allerdings ohnehin erwartet hatte), der Antrag meines Fanclubs zur Gründung eines Frauenfussballteams, mit überwältigender Mehrheit angenommen.

[Läufig. Tag 10.]

Ich dachte ab Tag10 würde es anstrengender werden, aber davon scheinen wir noch etwas entfernt zu sein. Morgens trafen wir die Nachbarin mit Malin. Malin ist ein riesiger Rüde. Er ist aber schon 13 Jahre alt und nicht mehr so fit, er läuft nicht mehr gut und wird wohl nicht mehr lange mitmachen. Meine Hündin vergötterte diesen grossen, haarigen Riesen aber schon lange. Malin wurde vor etwa zwei Jahren kastriert, es sollte daher kein Problem sein, die beiden zusammenzubringen.

Meine Hündin hielt dem Rüden sofort ihr Hinterteil hin und der Rüde versenkte seine Schnauze darin. Sein Frauchen machte sich über ihren Hund lustig und dolmetschte seine Gedanken. Seine Gedanken kreisten um seine nicht vorhandenen Gefühle. Das riecht ja so bekannt, kenne ich mein ganzes Leben schon, eigentlich müsste ich jetzt anspringen, aber warum bewegt sich nichts in mir?
Ich fand das ungemein lustig.

Malins Frauchen und ich quatschen öfter lange. Manchmal machen wir gemeinsam eine Runde. Sie liebt die Niederlande und Heavy Metal. Und sie hasst Radfahrer. Über Radfahrer sind wir geteilter Meinung. Sie schlug vor, wieder eine gemeinsame Runde zu machen, ich war mir wegen der Läufigkeit meiner Hündin nicht so sicher, sie meinte aber, das würde prima gehen. Es war allerdings etwas umständlich, weil der Rüden ständig von meiner Hündin abgelenkt war. Ich machte sie also vor uns laufen, damit auch der Rüden hinterhertrabte.

[Samstag, 12.11.2022 – Strafzettel, Stadion]

Heute lag ein Brief aus den Niederlanden in meinem analogen Postfach. Absender: Centraal Justitieel Incassobureau. Kein guter Absender. Offenbar war ich vor zwei Wochen auf dem Amsterdamer Ring 5Km/h zu schnell unterwegs und muss jetzt 31 Euro bezahlen.

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Um 13Uhr fuhr ich zum Stadion. Am Alex war ich mit Tanja und ihrem Sohn verabredet, am Rondell vorm Stadiongelände trafen wir alle anderen. Benny hatte heute Bannerdienst und war deshalb bereits um 1330 ins Stadion hinein bzw auf das Stadiongelände und wenn man einmal auf dem Stadiongelände ist, dann kann man nicht mehr heraus und dann nochmal hinein.
Draussen an den Buden vor dem Gelände ist das Bier billiger, als auf dem Gelände selbst, deswegen trifft man sich vor dem Spiel an den Buden und aus diesem Grund ist der Bannerdienst nicht besonders beliebt. Bisher hing immer die stellvertretende Vorsitzende des Fanclubs die Banner, sie möchte aber auch manchmal mit allen anderen am Rondell stehen und günstigeres Bier trinken, also soll der Dienst jetzt an jedem Spieltag rotiert werden. Bannerdienst heisst Banner aufhängen. Unser Fanclub hängt das Fanclubbanner und das Banner der Initiative Blauweisses Stadion.

Heute standen nicht viele meiner engeren Fanclubfreunde am Rondell, also gingen wir bald hinein. Dennoch traf ich auf den Weg einen Freund aus Brandenburg, der mit seinem Sohn im Stadion war. Er selber ist Dortmund-Fan, sein Sohn ist Bayern-Fan. Aber der Sohn will oft mit seinen Papa ins Stadion, der wird bald Hertha-Fan, das sehe ich schon kommen.

Auf dem Gelände trödelte ich, zuerst traf ich einige Freunde und Bekannte beim Bus der Fanbetreuung, dann wollte noch ein Bier holen, stand aber lange in der falschen Schlange, so betrat ich erst um zehn nach drei die Kurve. In dem Bereich, in dem „wir“ uns immer aufhalten war es schon ein ziemlich voll, aber ich konnte mich noch dazwischenquetschen.

Heute hingen kleine „Boycott Qatar“ Banner über den Sesseln. Die würden wir während des Einlaufens und dem Singen der Hymne in die Luft halten.

Das Spiel gewannen wir dann mit einem ziemlich guten und spannenden 2:0. Das zweite Tor konnte ich nicht sehen, es wurde kurz nach Wiederanpfiff geschossen. Ich hatte mich mit einem ex-Kollegen getroffen, wir wollten uns Bier holen. Die Schlange war aber wieder so lang, dass wir den Wiederanpfiff verpassten. Wie so oft. Aber wenn man das Stadion akustisch explodieren hört, das ist schon beeindruckend.

Nach dem Spiel kam die Mannschaft wieder in die Kurve und liess sich feiern. Wie in jedem Spiel dieser Saison. Jetzt feiert man sogar bei Niederlagen gemeinsam. Die Stimmung ist wie ausgewechselt. Vor einem halben Jahr war das noch ganz anders.

Der Heimweg war wieder furchtbar. Ich wollte früher nach Hause. Zuerst fuhr die Bahn nicht los, danach zog jemand auf offener Strecke die Notbremse. Meine Bahn fuhr nur bis Charlottenburg, ich hätte umsteigen müssen, aber ich konnte nicht mehr stehen, ich war seit 13 Uhr auf den Beinen, also ging ich raus auf die Strasse und nahm ein Taxi. Im Taxi telefonierte ich mit einem ehemaligen Mitarbeiter. Er hatte mich um ein Gespräch gebeten. Er fühlt sich auf seiner Arbeit von den neuen Chefs degradiert und gemobbt und kann seit zwei Wochen deswegen kaum noch schlafen. Ich lasse mir alles erklären. Ich kenne seine neuen Chefs. Was er mir erzählt, wundert mich nicht. Ich rate ihm dazu, das Gespräch mit einer ganz bestimmten Person in der Firma zu suchen, auch besprechen wir ein paar Exit-Strategien. Nach einer halben Stunde sagt er, das Gespräch hätte ihm sehr gut getan und er sähe jetzt wieder etwas vom Horizont. Mich freut das. Ich mag ihn sehr.

Gegen acht war ich dann zuhause. Ungewöhnlich müde diesmal.

[Läufig. Tag 9]

Zu Tag 9 gibt es vor allem zu dokumentieren, dass ihr Blut nun etwas wässerlicher ist. Das ist eigentlich ein Zeichen für die zweite und kritische Phase der Läufigkeit, also die Standhitze. In ihrem Verhalten, oder dem Verhalten der Rüden zu ihr, hat sich bisher aber nichts verändert. Wir begegneten einen unkastrierten Rüden namens Nox, Interesse war da, aber nicht anders als schlichtes Interesse an anderen Hunden. Nun kenne ich sowohl Frauchen und Herrchen von Nox und sie haben ihn sofort ferngehalten, als ich sagte, dass sie läufig sei.
Das klingt jetzt, als würde ich die ganzen Zeit herumlaufen und schreien, dass meine Hündin läufig ist. Das musste ich erst zwei Mal zu Fremden sagen.

[Freitag, 11.11.2022 – Aperitiv, kein Telefon, Demo, Martinigans]

Am Abend, als meine Frau nach Hause kam, gingen wir wiedermal auf einen Aperitiv zu diesem italienischen Backladen in der Proskauer. Vor ein paar Wochen dachte ich, das sei der letzte Abend mit Aperitiv draussen auf der Strasse, aber das ist Quatsch, wenn es kühl ist, sitzt man draussen genau so gut. Heute servierten sie zudem Glühwein und Pasta Fagioli. Pasta Fagioli das ist Kindheit für mich. Wären wir nachher nicht zum Martinigans-Essen verabredet gewesen, hätte ich mir gerne eine Pasta ai Fagioli bestellt.

Es kam auch ein Menschenauflauf die Strasse hoch. Der Menschenzug wurde von einem Polizeiwagen angeführt. „Demo“ dachten wir natürlich, in der Gegend der Proskauer gibt es ja ständig Demos, wegen der Rigaer oder Mieten oder neuerdings sind es die Leute der „letzten Generation“, die sich die Hände an der Strasse festkleben. Heute Vormittag gab es auch wieder 30 Leute, die sich am Frankfurter Tor ans Asphalt klebten.

Heute abend aber waren es lauter Kinder mit Laternen. Ahja, wir essen ja Martinigans, also muss heute Martinstag sein. Auf den Zusammenhang hätte ich auch ohne Laternen kommen können.

Ich hatte mein Telefon zuhause vergessen, ich fühlte mich ohne Telefon total nackig, ich kannte keine Uhrzeit, konnte nicht malebenschnell etwas fotografieren oder checken welche Mannschaften heute spielen, oder im Martinigans-chat schreiben, dass wir einen Aperitiv trinken. Ich bat meine Frau während des Aperitivs mit mir zu reden und nicht ihr Telefon zu benutzen. Das funktionierte nur so mittel. Dafür übernahm sie aber Aufgaben von mir, indem sie für mich in den Martinigans-chat schrieb und Sachen auf Google nachschlug. Auch machte sie Fotos von mir und dem Tier.

Eigentlich habe ich ja wieder mit der Abnahme von Gewicht begonnen. Die zwanzig Kilo, die ich letztes Jahr verlor, trage ich alle wieder auf meinen Hüften. Das ist furchtbar deprimierend. Ich denke zu wissen, warum ich wieder zugenommen habe, also zumindest was der Trigger war, der die lange Verfressenheitsphase wieder einleitete, aber das beobachte ich das nächste mal, falls ich es wieder schaffe, so viel Gewicht zu verlieren.

Heute also Martinigans. Fetter Vogel mit fetter Sauce. Es ist bereits eine Tradition, dass wir am Martingstag mit den Sven und Frau, sowie Frau Modeste mit Mann und Sohn, ins Alt-Wien gehen und Martinsgans essen. Früher war auch immer Frau Wortschnittchen dabei, bis sie nach Chile verzog.

Eine Sache fürs Protokoll, damit ich es nächstes Jahr nachschlagen und die richtige Entscheidung treffen kann:

  • Jedes Jahr, wenn du Gans bestellst, beneidest du diejenigen, die keine Gans bestellen, weil die Teller der anderen immer wesentlich schmackhafter aussehen
  • Dieses Jahr bestelltest du etwas anderes und du beneidetest trotzdem die Teller der Gansesserinnen, weil jene Teller schmackhafter aussahen
  • Du bestelltest den Hirschbraten mit Knödel. Mach das nächstes Jahr nicht mehr. Schmeckt dir nicht.
  • Lass dich nicht vom Schnitzel verführen, es wird auf dem Teller nicht schmackhafter aussehen als Gans oder Hirschbraten. Ausserdem isst du ja sonst immer das Schnitzel, wenn du im Alt-Wien bist.
  • Nimm was anderes

[Läufig. Tag 8]

Wie im Tagebucheintrag beschrieben, gingen wieder auf einen Aperitiv in die Proskauer Strasse. Wir sassen vor dem Lokal, sie lag unterm Tisch. Wenn andere Hunde vorbeikamen, bestand noch kein Interesse. Weder von ihr noch von den anderen. Kaum ein Hund bemerkte sie. Das ist sehr gut. Ich dachte ab Tag 7 würde es komplizierter werden.

Da wir am Abend mit Freunden zum Essen verabredet waren und bezüglich Blutungen und einem noch uneinschätzbarem Verhalten, die Hündin lieber nicht mitnahmen, liessen wir sie für drei Stunden alleine. Ging auch in der Läufigkeit gut. Ich hatte ja etwas Angst, dass sie vielleicht weint, weil sie gerade so anhänglich, müde und verkuschelt ist. Aber es war überhaupt kein Problem.

[Donnerstag, 10.11.2022 – Gerne im Büro, Sprachzentrum]

Heute war ich wieder im Büro. Ich bin gerne im Büro. Das schrieb ich heute schon im Abschnitt Läufigkeit.

Ich ziehe mich gerne an, ich gehe gerne hinaus, schwinge mich aufs Fahhrad, höre dabei einen Podcast, ich sage gerne Guten Morgen, freue mich über die Leute im Büro, die auch guten Morgen sagen, dann Tasche ablegen, Jacke ablegen, in die Küche gehen, einen Kaffe ziehen, einen Osaft einschenken, ich setze mich gerne in den Bürostuhl und lese Mails und Slacks. Machmal ist eine Scheissnachricht dabei, dann kümmere ich mich sofort drum, manchmal schaue ich einfach, was ansteht und gehe durch die Themen, die ich mir am Vortag aufgeschrieben habe, morgens freue ich mich sogar auf die Meetings, das geht dann immer so lange gut, bis sich zu viele aneinandergereiht haben, dann werden ich erschöpft, dann muss ich raus, mache eine Runde auf den Beinen, manchmal höre ich dabei Podcasts, manchmal Musik, manchmal einfach gar nix. In 30 Minuten ist die Müdigkeit dann wieder vorbei. Wenn ich keine Meetings habe, dann werde ich eigentlich nie müde. Meetings mag ich eigentlich sehr gerne, es ist ein grosser Teil meines Jobs, aber diese Aneinanderreihung von Meetings schlaucht. Meetings erfordern immer Konzentration, auch wenn man nur passiv daran teilnimmt, ich muss immer das grössere Bild verstehen. Und wenn ich die ganze Zeit rede bzw das Meeting führe, dann ist das noch anstrengender, eine andere Anstrengung, ich merke das erst später, wenn ich so müde bin, dass es mir schwerfällt ganze Sätze zu sprechen, oder ich es nicht mehr schaffe, Sätze zu beenden. Die Rhetorik und das Sprachzentrum sind immer die ersten, das bei mir nachgeben. Dann ist es höchste Zeit alles zu beenden.

So ist das.

[Läufig. Tag 7]

Heute ist Tag 7. Ab Tag 7 soll man sie von Rüden fern halten. Heute war meine Frau zuhause, deshalb hatte ich nicht so den Blick darauf. Meine Frau berichtete mir aber, dass sie einfach müde herumliegt. Wenn sie spazieren gehen, dann ist sie zwar aktiv, sie wirkt aber immer glücklich darüber, wenn man sich auf das Haus zubewegt.

Heute war ich wieder im Büro. Ich bin gerne im Büro. Während der Läufigkeit werden ich nur zwei Tage pro Woche im Büro sein, weil ich die Hündin nicht gut mitnehmen kann. Vielleicht nehme ich sie nach den Stehtagen wieder mit, weil ich ja nur wegen der Blutflecken Sorgen habe. OK, auch wegen der Ubahnfahrt, ich weiss noch nicht, wie andere Hunde in dieser Phase auf sie und sie auf andere Hunde reagiert. Vor allem Rüden. Habe keine Lust auf Stress in einer gefüllten Ubahn. Im Büro kann ich so etwas besser händeln, zur Not schliesse ich dann einfach die Bürotür und behalte sie bei mir.

Abends nahmen wir am Seminar teil. Da waren andere Hunde dabei. Auch zwei läufige Hündinnen. Deshalb wurden wir nach Geschlechtern der Tiere getrennt. Unsere Hündin verhielt sich aber nicht anders als die letzten Tage. Auch hatte sie kein gesteigertes Interesse an Rüden. Ausserdem war sie eher müde, wie auch sonst in den letzten Tagen. Sie lag während des Seminares herum, etwas faul. Auch auf kühlem Boden. Wir standen mit der Gruppe auf diesen Ausbuchtungen aus Beton auf dem Velodrom.

[Mittwoch, 9.11.2022 – Tunnel, Punkttaste]

Wenn ich im Homeoffice bin, dann erlebe ich eigentlich nichts erwähnenswertes ausserhalb meines beruflichen Radius oder meines aktuellen mentalen Radius: die Läufigkeit. Ich sollte vielleicht wiedermal etwas soziales tun, um andere Horizonte zu sehen.

Gut, morgen Abend habe ich Hundeseminar, das ist ja fast schon sozial, am Freitag essen wir mit Freunden Martinigans und am Samstag ist Fussball. Die Aussicht darauf lässt meinen derzeitigen Tunnelblick etwas erweitern.
Wenn sich nach einer einzigen Woche Urlaub so viel Arbeit anstaut, dass ich von morgens bis Abends durchgehend in Meetings sitze, dann mache ich irgendwas falsch mit der Lastenverteilung. Das muss ich mir mal genauer ansehen.

Und der Punkt . geht auf meiner Tastatur nicht mehr so gut. Ich bin mir sicher, dass in den Texten der letzten Tage ein paar Punkte … fehlen. Ich sehe Punkt- sowie Kommafehler und überhaupt Fehler in eigenen Texten nur sehr schwer. Auch nach mehrmaligem Lesen. Aber ich kann nicht jeden Tag den Tagebucheintrag von einer zweiten Person korrekturlesen lassen.
Ich kann aber die Taste reparieren. Ich tippe ja nicht umsonst auf einer mechanischen Tastatur. Damit man sie zur Not auch reparieren kann.