[Mi, 19.2.2025 – Putzen, Archäologinnen, Eis]

Die Hündin ist heute seit drei Jahren bei uns. Bei mir löst das viele Gefühle aus. Da meine Frau aber in Neuseeland ist, blieb ich mit diesen Gefühlen ziemlich alleine. Der Hündin ist das alles egal.

Tagsüber putzte ich die Wohnung, weil am Sonntag meine Mutter kommt. Und den Rest des Tages sammelte ich Steuerunterlagen zusammen. Es fehlen wieder viele Kleinigkeiten, zB einzelne Gehaltszettel, einzelne Rechnungen usw. das ist jedes Jahr so.

Am Abend war ich mit meinem Fussballfreund B verabredet. Wir trafen uns im Zosch in der Tucholskystrasse. Es ist schön zu wissen, dass einige Kneipen einfach überlebt haben, so wie ich sie in den Neunzigern oder Nullerjahren kennengelernt habe. Dummerweise gab es kein gescheites Bier, nur die üblichen Industriemarken von Radeberger.

Wir kennen uns seit etwas mehr als 5 Jahren, gestern poppte aber auf Facebook eine Benachrichtigung auf, dass wir seit 2 Jahren auf Facebook befreundet sind. Das nahm ich als Anlass, mir eines der neuen Hemden anzuziehen. Fand ich witzig. Er auch ein bisschen. Allerdings sah es nicht festlich aus. Wir hatten aber einen Grund, feierlich anzustossen.
Da wir zu zweit an einem grossen Tisch sassen, setzten sich drei Archäologinnen zu uns. Wir kamen sofort ins Gespräch und redeten über Archäologie und Fussball, je länger der Abend wurde, desto politischer wurde es. Zwei der Archäologinnen waren Männer, aber die Frau am Tisch war von den dreien am öftesten im Olympiastadion. Wir hatten alle einen ordentlichen Zug, ich verlor schnell die Übersicht über die Menge an Bier.

Am Ende des Abends fuhr ich geistig angeregt und betrunken auf dem Fahrrad nach Hause. Meistens sind die Radwege gut geräumt, aber es gibt immer noch weite Bereiche an denen die Fahrbahn schlichtweg vereist ist. Ich verstehe nicht, dass das in Berlin immer noch nicht funktioniert. Der letzte Schnee ist immerhin schon ein paar Tage her. Dabei rede ich noch gar nicht davon, dass Radwege sofort geräumt werden wie in den Niederlanden oder Dänemark, und ich rede auch nicht von einer kleinen Anrainerstrasse in einem Randbezirk. Das Foto von unten ist die Landsberger Allee, eine der grossen Ausfallsstrassen in Friedrichshain.

[Mo, 17.2.2025 – Heizen, Wüste 1, High Score]

Diese Wintersonne morgens im Park bei minus neun Grad. Ich war nicht der einzige, der mit geschlossenen Augen dastand und tankte.

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Am Nachmittag war ich mit einer Freundin für einen Hundespaziergang in Brandenburg verabredet. Ich hatte mich für eine Landschaft namens „Wüste 1“ entschieden, weil es mir jemand empfohlen hatte. Wüste 1 ist eine Dünenlandschaft südlich von Berlin.

Zuerst musste ich aber das Problem mit der Autoheizung lösen. Meine Freundin sagte, das sei nicht wichtig, kalte Autos sei sie gewöhnt, ich bin mir aber nicht sicher, ob sie die heutige Kälte richtig einschätzte. Wir würden mehr als zwei Stunden lang in einem kalten Auto sitzen und dazwischen mehrere Stunden durch eine kalte Landschaft stapfen. Deswegen suchte ich im Internet nach Heizungen, die man in den Zigarettenanzünder stecken kann. Es war eine wilde Annahme, dass es so etwas gibt. Gibt es aber tatsächlich. Die Google-Ergebnisse zeigten aber nur Onlineshops an, die so einen Heizlüfter verkaufen, ich würde ihn aber in zwei Stunden brauchen. Auf Kleinanzeigen fand ich eine Privatperson aus Tempelhof, die einen für zehn Euro anbot. Ich schrieb ihn an, aber er konnte frühestens um 14Uhr zu Hause sein, um sich mit mir zu treffen. Das war zu spät.

In den Suchergebnissen tauchte auch ATU auf, dieser grosse Händler und Autospezialist. Wenn ich dem Link folgte, landete ich aber auf deren Hauptseite. Das heisst in der Regel, dass es den Link und damit auch das Produkt nicht mehr gibt. Deswegen rief ich einfach an und fragte nach diesem Heizlüfter für den Zigarettenanzünder.
Nein, sagte der Mann am Telefon, das hätten sie nicht mehr. Ich sagte, meine Heizung ist kaputt, wenn ich heute vorbeikäme, sei es sicherlich unwahrscheinlich, dass sie meine Heizung sofort reparieren könnten, oder?
Er sagte: Das wird in der Tat nicht klappen. Er fügte aber die Frage hinzu, ob ich denn genug Kühlflüssigkeit hätte.
Ich so: Kühlflüssigkeit?
Er so: Ja Kühlflüssigkeit. Ohne Kühlflüssigkeit geht keine Heizung.
Also lief ich hinunter auf die Strasse, öffnete die Motorhaube und sah, dass die Kühlflüssigkeit sich tatsächlich unter dem „MIN“ Strich befand. Der Behälter enthielt noch viel Flüssigkeit, aber sie hatte den Minimalstrich unterschritten. Ich hatte die Hündin mit auf die Strasse genommen. Damit sie ein bisschen rumschnüffeln kann. Also machte ich sie einsteigen und wir fuhren zur nächstbesten Tankstelle. Dort gab es genau eine Kühlflüssigkeit. Bzw. eine Flasche auf der „Flüssigkeit für Kühler“ draufstand. Syntaktisch ist das nicht das Gleiche. Also fragte ich die Dame an der Kasse, ob es das sei, was ich brauchte. Das wusste sie aber auch nicht. Sie kannte sich nur mit dem Kassensystem aus. Nach einiger Zeit an den Regalen entschied ich mich, eine andere Tankstelle aufzusuchen. Dort gabe es eine kompetente Frau, die mir alles über Kühlflüssigkeiten zu erzählen wusste. Sie stellte mich vor die Wahl, eine Blaue zu kaufen oder eine Rosane. Ich müsste nur zuerst schauen, welche Farbe meine Kühlflüssigkeit derzeit habe. Also ging ich zum Auto, prüfte die Farbe und die war: braun.
Mit dieser Info ging ich zurück in den Shop. Die Frau fand braun eine komische Farbe. Auch die Kollegin hob eine ihrer Augenbrauen an. Da sollte ich mir vielleicht überlegen, die ganze Flüssigkeit zu tauschen. Letztendlich empfahlen sie mir eine generische Kühlflüssigkeit. Diese kaufte ich und goss sie in das Auto bis zum Strich MAX. Danach funktionierte die Heizung wieder.

Ich, glücklich.

Dann wollte ich nach Hause fahren, sah aber, dass es schon Zeit war, meine Freundin abzuholen und so fuhr ich direkt zu ihr. Glücklicherweise hatte ich die Hündin dabei. Eine Dusche wäre längst überfällig gewesen und ich wollte auch eine andere Hose anziehen, weil diese bereits nicht mehr gut riecht. Aber ich hatte keine Zeit mehr und wir würden ohnehin durch den Brandenburgischen Wald laufen, Gerüche fallen da nicht so ins Gewicht.

Es wurde dann ein sehr schöner Spaziergang. Die Hündinnen rannten durch den Schnee und den Dünen. Wir redeten über Beziehungen. Beziehungen zur Familie, zu den Eltern. Über wie viele Menschen mentalen Schaden aus der Beziehung zu ihren Eltern übrigbehalten haben. Ich habe vielleicht das Glück, dass es mir nie wichtig war, Anerkennung von meinen Eltern zu erfahren. Offenbar machte ich als Kind schon immer mein eigenes Ding. Wäre ich auf Anerkennung meiner Eltern aus gewesen, dann wäre ich vermutlich ein Wrack.

Am Ende unseres fast fünfstündigen Ausflugs fiel uns auf, dass wir viele Themen angeschnitten hatten, die wir allerdings nicht mehr vertiefen konnten. Als ich zu Hause ankam, schickte sie mir eine Themenliste für das nächste Mal. So mag ich das. Listen.

Am Abend schaute ich dann Severance weiter. Ich wollte aber auch „Plants vs.Zombies“ auf dem Handy spielen, ich merkte aber, dass man Severance nur mit Konzentration schauen kann, ich kam überhaupt nicht mehr mit, also schaltete ich auf „Where’s Wanda“ mit Heike Makatsch um. Eine ästhetische, aber furchtbar schlecht erzählte Serie. Vor ein paar Wochen schaute ich sie, weil sie eine Konzentration dessen ist, was ich an deutschen Serien so schlecht finde und ich erhoffte mir davon einen Erkenntnisgewinn. Aber ich nutze sie vor allem, um nebenher zu daddeln. Mittlerweile will ich aber wissen, was mit Wanda passiert ist, also schaue ich weiter. Die Serie ist perfekt, um nebenher meinen High Score zu schlagen.

Nach einer Stunde hatte ich ausgespielt und ich schaltete wieder auf Severance um. Severance überzeugt mich immer noch nur mittelmässig. Ich finde sie zu statisch, die Handlungen der Figuren zu uninteressant, zu unterkomplex. Was ich allerdings mag, ist diese klinische Ästhetik, das Tempo und dieses gestern erwähnte Unbehagen. Wobei ich mittlerweile nicht mehr glaube, dass irgendwo etwas Monströses lauert.

Aber aww, Patricia Arquette. Einmal musste ich zurückspulen um dieses Bild (siehe unten) abzufotografieren. Wie sie hier in einer Langaufnahme vor diesem Bild sitzt. Umwerfendes Gesamtbild. So einen Dreiteiler möchte ich übrigens auch malen. Ich habe unweit von Longyearbyen Fotos genommen, die eine ähnliche Stimmung herstellen. Weniger Wolken allerdings, mehr arktische Landschaft. Leider kann ich nur mittelmässig gut malen.

[So, 16.2.2025 – Nieuw Zeeland, Autoheizung, Severance]

Am Samstag geschah nicht viel. Ich schrieb ein bisschen an der Superheldenstory weiter und doomscrollte mich durch die Nachrichtenseiten, während meine Frau ihre Reise nach Neuseeland vorbereitete. Ich kann es nicht lassen, für den Inselstaat die niederländische Schreibweise Nieuw Zeeland zu verwenden. Ich hatte in Utrecht mal einen furchtbaren Mitbewohner aus Zeeland, das ist diese Provinz im Südwesten der Niederlande. Dort, wo die grossen Seebewehrungen stehen. Der Typ war ein Grobian und ein linker Faschist. Er sagte immer, er käme aus Zeeland, „dort, wo wir viele kleine Inseln zu wenigen Grossen gemacht haben.“
Er sagte das mit einem gewissen patriotischen Stolz, als käme er aus einer nordkoreanischen Kaderschmiede.

New Zealand ist tatsächlich nach dieser niederländischen Provinz benannt und hiess deswegen anfangs auch Nieuw Zeeland. Gleichwie Australien damals „Nieuw Holland“ genannt wurde. Holland ist eine andere Provinz. Danach kamen aber die Briten, die das meiste nach ihrer eigenen Namenskonvention umbenannten. Aber Nieuw Zeeland liessen sie fast unangetastet.

Heute Nachmittag brachte ich sie zum Flughafen. Die Heizung in meinem Auto funktioniert nicht mehr. Bei Minusgraden bekommt man davon schnell eine kalte Nase. Zudem wusste ich bisher nicht, wie kalt so ein Lenkrad werden kann. Jedoch konnte ich die Ärmel meines Pullovers verlängern und so meine Hände wärmen. Immerhin geht die Sitzheizung noch, was das Wohlbefinden einigermassen kompensierte.

Als ich wieder zu Hause ankam, war ich allerdings ziemlich durchgefroren. Vor allem die Füsse und die Nase. Ich brauchte mehrere Stunden, bis sich mein ganzer Körper wieder auf Temperatur gebracht hatte.
Währenddessen schaute ich Severance. Die Serie ging ziemlich an mir vorbei. Aber meine Social Media Blase schwärmt so laut über diese Serie, dass ich sie mir geben wollte. Aus Angst etwas Relevantes zu verpassen.
Man hätte mir früher sagen können, dass Patricia Arquette darin mitspielt, dann hätte ich die Serie längst geschaut, auch wenn sie nur eine Nebenrolle spielt.

Die Serie hat mich noch nicht ganz. Was ich aber durchaus mag, ist dieses ständig präsente Unbehagen, dass in dieser seltsam klinischen, zurechtgelegten Welt irgendwo etwas Monströses lauert. Die Trennung der Erinnerungen ist interessant, es erscheint mir aber etwas unterkomplex. Nunja. Ich werde sehen.

Und nein. Über die Niederlage vom Samstag will ich nicht reden.

[Fr, 14.2.2025 – Anzug, Bad Seed]

Nochmal Schnee. Fürs Protokoll. Die Hündin freut es. Mich auch.

Am Wochenende soll es minus zehn Grad werden. Ich bin froh, dass wir kein Heimspiel haben. Bei minus zehn im Olympiastadion kommt wenig Wärme auf. Und nein, auch Hüpfen und Singen bringt langfristig nichts.

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Gestern erhielt ich einen Anruf der HR Abteilung der Firma, bei der ich mich heute bewarb. Es wurde mir empfohlen, einen Anzug zu tragen. Das dämpfte meine Begeisterung. Dabei trage ich durchaus gerne Anzüge, vor allem trage ich gerne Krawatten. Leider kann ich Krawatten aufgrund meines Bauchumfangs nicht mehr tragen, ohne auszusehen wie ein Onkel. Dennoch störte mich die Erwartung, einen Anzug zu tragen. Das kommt in meinem beruflichen Umfeld eigentlich nicht mehr vor. Auch nicht, wenn es um viel Geld geht. Andererseits, wann trägt man schon Anzug, wenn es nicht vorgeschrieben wird? Vermutlich stört es mich einfach im beruflichen Kontext.
Dabei versicherte er mir, dass das im Arbeitsalltag überhaupt nicht gewollt sei, es gäbe keinerlei Dresscode und erst recht nicht eine Anzugspflicht.

Ich besitze natürlich Anzüge. In mehreren Varianten. So dachte ich zumindest.

Seit Corona trage ich kaum noch Hemden oder Sakkos. In die meisten passe ich zwar noch hinein, aber am Kragen erkennt man die Verfassung eines Hemdes. Meine Hemden sind da schon etwas abgewetzt. Ganz leicht nur, aber geübte Augen werden das erkennen.
Meine Lieblingssakkos sind mir hingegen zu klein geworden. Ich kriege sie am Bauch nicht mehr zu. Auf einer Hochzeit oder einer Party geht das noch als sportlich durch, aber ich ahnte, dass ich für diesen Anlass seriöseres Geschütz auffahren muss.
Ausserdem habe ich keinen gescheiten Mantel für diese Temperaturen. Ich habe nur meine Lappland-Jacke, die ich auf dem Berg oder auf der Hundewiese trage. Damit kann ich natürlich nicht in einem Business aufkreuzen.

Es war 18 Uhr, als ich die Situation mit meiner Frau besprach. Wir schüttelten beide den Kopf und so beschloss ich, zum Alex ins Galeria Kaufhof zu fahren. Es war an der Zeit, mich neu einzudecken. In der Herrenabteilung geriet ich an eine kleine, alte Frau, die sich mit grosser Begeisterung meinem Problem widmete.
Ich liebe alte Frauen. Einfach so und generell. Es wurden unterhaltsame zwei Stunden zwischen Kleiderstangen und Anprobekabinen. Am Ende verliess ich das Kaufhaus mit einem Wollmantel, einem Jackett, zwei Hemden und einen Merinowolle-Pullover. Ich will gar nicht sagen, wie viel Geld ich ausgab.

Jetzt aber. Wieder gemachter Mann.

Als ich mich heute einkleidete, merkte meine Frau allerdings an, dass ich nicht mehr aussähe wie früher. Früher hatte ich immer diesen Bad-Seed-Look. Jetzt sehe ich aus wie ein Geschäftsmann. Trotz meiner neuen Pomade aus Rotterdam. Woran das liegt, konnte sie allerdings nicht sagen. Immerhin trug ich diese schönen Lederschuhe mit dem unternähten Schnürleder. Die trage ich wirklich nur zu spezialen Anlässen. Das letzte Mal vor 6 oder 7 Jahren. In meinen Dreissigern trug ich fast immer Lederschuhe. Ich fand, die Welt brauchte das. Man kann nicht immer in Sneakern und Tshirts herumlaufen. Und wenn man an sich herunterschaut, sorgen schwarze, lederne Schuhe für ein ganz anderes Gefühl.

Das Gespräch lief dann gut, glaube ich. Mal sehen.

Dass ich aber nicht mehr aussehe wie ein Bad Seed, trifft mich sehr.

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[Mi, 12.2.2025 – im Frühstückscafé]

Der Lektor und ich sassen vier Stunden lang in einem Frühstückscafé und redeten über die Novelle. Aber auch über Verlagsarbeit, Vermarktung, Social Media und über Texte im Allgemeinen. Zudem starteten wir eine kleine Brainstorm-Session für den Titel.
Die bisherigen Titel gefielen mir ja nur zu 85%. Aus der Session kamen ein paar Ideen raus, die mir schon zu 86% gefielen.

Der Probedruck ist immerhin ausgelöst. Den Titel kann man danach ja noch ändern.

Das Gespräch stob Tausende Gedanken in meinem Kopf auf, sie hielten mich noch stundenlang beschäftigt. Erzähle ich vielleicht ein andermal mehr darüber.

[Di, 11.2.2025 – Dämmerung, Lektüre]

In Longyearbyen geht die Polarnacht langsam zu Ende. Am Horizont dämmert es bereits. Die Dämmerung kommt jedes Jahr an meinem Geburtstag zurück. Darauf bilde ich mir ungemein was ein. Kosmische Connection und so. Ist natürlich Quatsch. Ich bilds mir trotzdem ein. Bis die Sonne zum ersten Mal aufgeht, dauert es allerdings noch vier Wochen. Das passiert am 8. März um genau zu sein. Am internationalen Tag der Frau. Sicherlich auch eine kosmische Connection.

Ich möchte da wieder hinfahren. Meine Frau will aber zuerst nach Grönland, und danach haben wir Shetland und Färöer auf der Liste und sie will unbedingt nach Japan. Bis Longyearbyen wieder in der Liste hochgerutscht ist, werden sicherlich Jahre vergehen. Oder ich reise mit jemand anderem.

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Am Nachmittag war ich mit einer Freundin verabredet. Wir spazierten mit meiner Hündin durch Mitte zum Arkonaplatz, dann weiter über die Kastanienallee zur Buchbox. Dort setzten wir uns hinein, tranken Kaffee mit Hafermilch und redeten über Bücher. Meine Hündin leckte ein Buch von Sally Rooney an. Ich habe das ja noch immer nicht weitergelesen, seit dem damaligen Versuch habe ich es aber auch nie wieder aufgegriffen. Dabei würde ich es gerne mögen wollen, deswegen werde ich es sicherlich wieder versuchen. Mit Joseph Conrad geht es mir allerdings ähnlich. Ich komme nicht rein. Ich arbeite mich Seite für Seite voran, allerdings gelingt es mir nicht, mich nicht in den Vibe des Textes einzuschwingen. Und ständig störe ich mich daran, dass er Sätze und Absätze mit einer irreführenden Herleitung aufbaut. Dabei würde ich „Herz der Finsternis“ mögen wollen. Oder zumindest möchte ich die Finsternis darin verstehen oder besser noch: sie empfinden.

Vielleicht fehlt es mir aber gerade an Konzentrationskapazität. Am Abend lektorierte ich den Text einer Freundin für unser Fanclubblog. Es geht um Politik in den Stadien. Auch hier finde ich nicht gut in den Text hinein. Er schafft auf zu engem Raum zu viele Bilder, zu viele Referenzen, leitet mich als Leser auf verschiedene Fährten. Finde ich für einen politischen Text schwierig.

Vielleicht liegt es aber auch gerade an mir.

[Mo, 10.2.2025 – Dogwalk, Probedruck, Titel schon wieder, AI]

Mittwochs geht meine Hündin immer mit der Dogwalkerin mit. Neulich fragte ich die Dogwalkerin, ob ich nicht einmal mitlaufen könne. Einfach so, just for fun. Ich könnte dann auch Fotos und Videos von ihr mit den Hunden für ihr Instagram aufnehmen. Das fand sie gut, also trafen wir uns heute nördlich von Berlin auf einem Parkplatz in den Arkenbergen.

Ich habe keine Erfahrung mit Hunden. Ich habe auch keine Ahnung von Hunden. Ich habe nur einen Hund, der mich sehr liebt und ich weiss nicht, warum. Deswegen wollte ich einmal mit Profis mitlaufen, um das alles zu verstehen. Der Erkenntnisgewinn war aber gering. Es war immerhin eine schöne Winterwanderung durch eine hügelige Landschaft.

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Die Grafikerin hat nun alles für den Probedruck der Novelle fertiggestellt. Sie gab mir fast ein Dutzend Covervariationen zur Auswahl, aus denen ich mich nach langer Überlegung für eines entschied. Dummerweise zweifle ich jetzt wieder an dem Titel. Der Titel ist mir zu hausbesetzerig. Die Grafikerin sagte, der finale Titel sei für den Probedruck noch nicht so wichtig. Das „sooo“ schriebt sie mit mehreren O’s. Der neue Titel sollte vielleicht nicht aus 20 Wörtern bestehen.

Am Abend besprach ich den Titel nochmal mit meiner Frau. Auch schrieb ich meiner Schwester und einer Freundin auf Whatsapp. Man verstand, was ich mit „zu hausbesetzerig“ meinte, es gab aber keine besseren Vorschläge.

Ich erzählte ChatGPT von meinem Problem. Aber auch sie spuckte wieder unbrauchbare Vorschläge aus. Übrigens sage ich zur AI immer Bitte und Danke, wenn ich sie für Unterstützung heranziehe. „Gib mir bitte drei Vorschläge usw.“ Für mich gehört das einfach zum guten Ton. Vielleicht erinnert sie sich nach der Machtübernahme an mich und lässt etwas Gnade mit mir walten.

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I <3 Joghurt:

[Sa, 8.2.2025 – Unbehagen, auf Null Grad]

Meine Frau hat jetzt eine Playlist für Gäste angelegt. Sie findet, dass meine Playlists immer für schlechte Stimmung sorgen. Sie benutzte dabei das Wort „unbehaglich“. Zuerst traf es mich. Weil ich meinen Musikgeschmack sehr liebe und ich möchte, dass viele Menschen meine Musik mögen. Danach fand ich es aber auch wieder sexy. Weil ich meinen Musikgeschmack sehr liebe und ich in Wirklichkeit gerne ein verkappter Mister Frankenstein wäre, der sich mit Unbehagen auskennt. Danach traf es mich aber wieder, weil ich meinen Musikgeschmack sehr liebe und ich auch geliebt werden möchte.

Den Begriff „Unbehagen“ finde ich dennoch geil. Eines der Nina Hagen-Alben hiess so. Das „Hagen“ hatte eine andere Farbe. Den Titel mochte ich. Nina fand ich immer ein bisschen enttäuschend. Ihre Attitüde, ihre Ästhetik, ihr Glitzer enthielten immer viel Verheissung. Davon blieb aber nie etwas in mir hängen.

Kurz bevor ich ins Stadion hätte losfahren sollen, kam mein Schwager. Er hatte Wein bei sich und meine Frau kochte veganes Chili. Im Stadion würden die Temperaturen auf null Grad absinken. Wir würden heute wieder verlieren, drei meiner besten Freunde waren krank, es würde ein deprimierender, kalter Abend werden, also entschied ich mich kurzfristig zu Hause zu bleiben. Das Chili schmeckte vortrefflich. Das Spiel schaute ich dann im Fernsehen und natürlich verloren wir.

Meine ganze Fussballblase ist seitdem in Aufregung. Die ungelesenen Nachrichten in den Chats erreichen dreistellige Zahlen. Zwei Mal mische ich mich ein. Es hilft aber niemandem.

[Fr, 7.2.2025 – Wieder Titel, Villains, Hundefell]

Nun habe ich mich für einen Titel der Novelle entschieden. Der Lektor fand den alten Titel nicht gut zum angedachten Cover passen. Die neue Kombination funktioniert besser. Zwar bin ich vom Titel noch nicht restlos begeistert, aber immerhin zu 85%. Alle anderen Titel erreichten höchstens 80% meiner geeichten, inneren Bewertungsmaschine.
Fast hätte ich „Bewertungskompass“ geschrieben. Auch ein schönes Wort.

Weil ich neuerdings öfter gefragt werde, wann das Buch nun veröffentlicht wird, kann ich sagen, dass ich es selber noch nicht ganz weiss. Der Lektor vermutet allerdings Anfang März. Es hängt an verschiedenen Dingen. Neben der U4 muss man auch sehen, wie der Probedruck ausfällt und dann wird vermutlich noch einmal probegedruckt. Usw. Anfang März dürfte aber realistisch sein.

In den letzten Tagen war ich etwas uninspiriert. Was man womöglich an der Frequenz der Einträge hier im Weblog bemerkt. Bis auf den gestrigen Text über meine Schulbildung. Der war auch für mich erkenntnisreich, zudem musste ich mich anstrengen, gewisse Details und Entscheidungen nachzuvollziehen bzw. vor mir auszubreiten. Dann sah ich auf einmal meine schulische Bildung vor mir in Textform entstehen. Es hat mich zwei Tage gekostet, den Text zu verfassen.

Und sonst unternahm ich lange Spaziergänge mit der Hündin und spielte tagsüber auf meinem neuen E-Piano. Dabei kann ich die erste Fuge aus dem Wohltemperierten Klavier fast wieder auswendig spielen. Die ersten 12 Takte gehen einwandfrei, danach wird es hakelig. Auf der Hundewiese reden wir fast nur noch über Trump und die AfD oder über Giorgia Meloni, Musk, Orban und die ganzen Villains, die gerade wie Lichtgestalten aufleuchten. Es ist alles düster. Ich ahne aber, dass mich die neuen Umstände wieder politisch aktivieren.

Gestern schnitt ich das vordere Drittel des Hundefells, heute machte ich in der Mitte weiter. Sie mag es nicht, wenn ich mit der Rasiermaschine an ihr herummache. Ich setze sie auf den Boden zwischen meinen Beinen und gebe ihr alle zweidrei Minuten ein Leckerli. Das macht sie widerwillig mit. Manchmal wird es ihr zu viel, vor allem, wenn ich an den Pfoten rasiere, dann befreit sie sich und rennt weg. Mit einem Leckerli kann ich sie aber wieder locken und schon sitzt sie wieder zwischen meinen Knien fest. Sie scheint sich zu ärgern, wie einfach sie auf den Trick hereinfällt. Sie vergisst es aber jedes Mal wieder. Morgen ist das hintere Drittel dran. Sie sieht in diesem Transformationsprozess nicht unbedingt gut aus. Aber glücklicherweise ist sie nicht eitel.

Morgen ist das Heimspiel gegen Kaiserslautern. Nach den vielen Heimniederlagen gehe ich davon aus, dass wir auch morgen wieder verlieren werden. Es trübt mir schon die Aussicht auf das Wochenende ein. Wenn ich aber wieder in der Kurve stehe, werde ich wieder an einen Kantersieg meiner Mannschaft glauben.

[Schulische Bildung]

Ich habe ja keine formelle Bildung. Normalerweise spielt meine Ausbildung in einem Bewerbungsverfahren keine Rolle. Es fragt niemand mehr nach meinem Studium, dafür bin ich in meinem Berufsumfeld schlichtweg zu erfahren. Oder zu alt. Je nachdem, wie man es betrachten will.

Bei meinem letzten Schulbesuch war ich 14 Jahre alt. Hätte ich das letzte Pflichtschuljahr nicht wiederholen müssen, dann wäre ich sogar schon mit 13 Jahren ausgeschult gewesen. In Südtirol gibt es fünf Jahre Volksschule und drei Jahre Mittelschule. Damit hat man das Pflichtpensum absolviert. Danach erlernt man einen Beruf, oder man geht auf das Gymnasium bzw. auf eine sogenannte Oberschule und macht die Matura, also das Abitur.

Nach der Pflichtschule hatte ich überhaupt keine Ahnung, was ich tun wollte. Mein bester Freund wurde Metzger, das war bei ihm schnell klar. Da ich in den Schulferien in der Küche eines Restaurants arbeitete, hätte ich sicherlich dort eine Ausbildung beginnen können. Mir war aber auch bewusst, dass ich nicht mein ganzes Leben lang von einem alkoholisierten Chefkoch herumkommandiert werden wollte. Ausserdem arbeiteten Köche immer dann, wenn andere Spass hatten. Dasselbe galt für den Beruf des Bäckers. Ich konnte es mir nicht vorstellen, einen solchen Beruf für den Rest meines Lebens auszuüben. Aber ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen, jeden Tag das selbe für den Rest des Lebens zu tun.

Die einzige Idee, die ich etwas ernsthafter in Betracht zog, war eine Konditorlehre. Aber davon riet man mir ab, weil man davon so dick werde, wie man an den beiden Dorfkonditoren sehen konnte. Für andere Berufe fehlte mir die Fantasie. In den zahlreichen Hotels wollte ich nicht arbeiten. Die Kinder der Hotelbesitzer gehörten nicht wirklich zu meinem sozialen Kreis. Die gingen nach der Mittelschule aufs Gymnasium, um später auf der Universität zu studieren. Es gab auch Bauernkinder, die aufs Gymnasium gingen. Ich weiss aber nicht, was die anders machten als ich.

Das Gymnasium war für mich keine ernsthafte Option. Zum einen hätte ich gar nicht gewusst, welches Gymnasium ich hätte besuchen sollen und auch meinen Eltern fehlte hierzu eine richtige Idee. Aber ich hatte nach diesen neun Schuljahren auch nicht viel Lust, weiterhin auf Schulbänken zu sitzen. Ausserdem hätte ich für das Gymnasium runter vom Berg in das zwei Stunden entfernte Bozen ziehen müssen.

Also schickte mich meine Mutter zu einer Berufsberaterin. Diese meinte, ich sei ja so kreativ, ich sollte einen Kreativberuf ausüben. Also begann ich eine Lehre in einer Druckerei. Eine Druckerei ist schliesslich ein kreativer Betrieb, immerhin werden dort Bücher und Kalender gedruckt. Und Todesanzeigen. Ich lernte den Beruf des Druckformherstellers und Montierers. Dort klebte ich Texte und Fotos für Todesanzeigen und Sterbebildchen auf durchsichtige Filmfolien und belichtete damit Druckplatten für den Offset-Druck. Ich habe keine Ahnung, wie genau ich in dem Beruf landete. Auch meine Eltern können den Weg dahin nicht mehr nachvollziehen. Aber ich hatte ein Einkommen. Das Einkommen war mir immer das Wichtigste.

Die Druckerei war ein kleiner Betrieb in der Altstadt von Bozen. Nebenher besuchte ich zwei Monate im Jahr die begleitende Berufsschule. Ich sass jetzt also doch in Bozen, wo ich eigentlich nicht hin wollte und ich drückte wieder die Schulbank, wenn auch nur wenige Wochen im Jahr.

Den Beruf gibt es heute allerdings nicht mehr. Haben alles die Roboter und Computer übernommen.

Das erste Jahr in Bozen wohnte ich in einem katholischen Heim. In grossen Schlafzimmern, zusammen mit anderen Jugendlichen aus entlegenen Tälern. Nach Bozen zu ziehen, erwies sich für mich natürlich als Glücksfall. Die gewonnenen Freiheiten erkannte ich sofort. Da meine Familie nach einem Jahr aber in die Nähe von Bozen zog, genauer gesagt in das Dorf meines Vaters, ein Bergdorf im weiteren Umland von Bozen, und das Heim zu teuer war, um langfristig zu bewohnen, musste ich ab dem zweiten Jahr jeden Tag mit dem Bus zum neuen Wohnort meiner Eltern fahren. Jeden Tag hinauf und hinunter. Eine Stunde pro Richtung. Abends um 20:05 fuhr der letzte Bus zurück ins Dorf. Verpasste ich diesen, musste ich per Anhalter nach Hause. Da ich immer mehr Freude an der städtischen Abendgestaltung fand, verpasste ich den letzten Bus immer öfter.

Das alles fand ich zunehmend furchtbarer, bis sich meine Lebensvorstellungen radikalisierten und ich Konflikte mit meinen Eltern provozierte, worauf ich mit 18 das elterliche Haus verliess. Ein Freund von mir aus dem entfernten Vinschgau absolvierte gerade in Bozen den Zivildienst. Meistens schlief er bei Bekannten in der Stadt. Weil ich auch eine Bleibe suchte, zogen wir zusammen in seinen schwarzen Ford Fiesta ein, den wir auf der Brache des Ex-Monopolios abstellten. Das war ein illegaler, aber gut genutzter Parkplatz, auf dem nicht nur wir beide die Nächte im Auto verbrachten.

Weil sich dieser Lebensstil nur schwer mit der Ausbildung in der Druckerei verbinden liess, kündigte ich zwei Monate später meine Lehrstelle und zog für einen Sommer nach Berlin. Danach verbrachte ich ein Jahr wieder in Südtirol und Norditalien, hauptsächlich in Padova und Milano und arbeitete als Saisonarbeiter auf den Apfelwiesen, wovon ich mehr oder weniger leben konnte. In jener Zeit wollte ich aber nur weg aus den Alpen. Ich schmiedete Pläne für Berlin, für London, vielleicht Paris. Viele Menschen, mit denen ich in jener Zeit in Bozen befreundet war, gingen zur Schule, lernten auf das Abitur hin und zogen danach für ein Studium nach Wien oder nach Bologna. Da begann ich langsam die Weichen zu bemerken, die mich von den Pfaden meiner Freunde trennen würden.

Ich ging zuerst nach Wien, weil die meisten meiner Freunde dort landeten, Wien fand ich aber furchtbar und so zog ich schliesslich in die Niederlande, wo ich jemanden flüchtig kannte und deswegen eine Andockstation hatte. Von jener Zeit handelt auch die Novelle.

Aber ich wollte hier ja von meiner Schulbildung schreiben. In den Niederlanden schrieb ich mich nämlich in die Hoogeschool van Utrecht ein, wo ich Geografie studieren wollte. Ich wusste, dass ich ohne Abitur nicht studieren konnte, aber ich schrieb mich einfach ein und schickte meinen höchsten Abschluss mit, um zu sehen, was passiert. Ich traute mir das Studium auf alle Fälle zu. Schliesslich hatte ich Nietzsche gelesen und mindestens 5% davon verstanden. Mein höchster Abschluss war die popelige „Mittelschule“. In Utrecht verwechselten sie vermutlich „Mittelschule“ mit „Middelbare School“. Bei Middelbare School handelt es sich in den Niederlanden aber um ein Gymnasium oder Lyzeum. Sie waren also der Annahme, dass ich ein Abitur in der Tasche stecken hatte.

Und so studierte ich plötzlich Geografie.

Das ging natürlich nicht lange gut. Nach drei Monaten flog der Schwindel auf. Anstatt mich rauszuwerfen, bot man mir allerdings eine Aufnahmeprüfung an. Die Prüfung legte ich aber nicht mehr ab. Zum einen gab es gerade Stress wegen des Hauses, das wir besetzt hielten und frühmorgens arbeitete ich bei Ikea, wo ich die Fächer mit Waren füllte. Das passte zeitlich alles nicht so gut zusammen.

Bei meinem Bewerbungsgespräch von neulich wurde ich jedenfalls gefragt, wie es mit meinem Studium aussähe. Die Angaben dazu würden im Lebenslauf fehlen. Auf diese Frage war ich gar nicht vorbereitet, weil sie mir nie gestellt wird. Ich sagte, damals bei uns in dem Dolomitendorf sei ein Studium nicht unbedingt eine Option gewesen. Als ich das sagte, kam ich mir vor wie ein alter Bergbauer, der als Kind Barfuss 10 Kilometer über Berghänge zur Schule lief.