[Sa, 20.7.2024 – warmer Tag, Cidre]

Die linke Seite meines Brustkorbs schmerzt noch. Ich kann das Kajak noch nicht tragen und auch das Werfen von Bällen fällt mir schwer. Ich legte also einen weiteren Ruhetag ein.

Gegen zwei Uhr kam der Cousin meiner Frau mit seiner Freundin. Der Cousin ist ein bisschen seltsam, aber er war uns immer sehr zugewandt. Er kommt auch jedes Jahr vorbei. Seine Freundin ist aber super, wir alle lieben sie. So sassen wir den ganzen Tag draussen im Schatten. Es war ein warmer Tag.

Abends öffnete ich die Flasche Cider. Ein französischer Cidre aus handwerklicher Herstellung. Ich fürchte, ich habe eine neue Obsession.

[Fr, 19.7.2024 – Rehkitz, Waschen, Sturz von der Leiter]

Wir haben unsere morgendlichen Kontrollgänge mittlerweile bis in die Halbinsel hinauf verlagert. Bis dorthin hat sich wohl seit Jahren oder Jahrzehnten kein Mensch hinverirrt. Die Hündin liebt diese neue Gegend. Das Unterholz, das Wurzelwerk am Ufer, das Moos.

Auf dem Rückweg war ich ein wenig gedankenversunken. Die Hündin lief wenige Meter vor mir. Als ich plötzlich ein ausgestopftes Reh im Gras sitzen sah. Ich fragte mich noch, warum hier ein ausgestopftes Reh im Gras sitzt. Genaugenommen war es ein Rehkitz, noch sehr klein, würde es auf den Beinen stehen, war es vielleicht kniehoch. Die Hündin schnüffelte im Gras herum, sie näherte sich dem Kitz bis auf einen Meter, sie bemerkte das Jungtier allerdings nicht. Rehe können bestimmt alle ihre Poren verschliessen, damit kein einziges Geruchspartikel aus ihrem Körper austritt. Das Reh und ich kreuzten aber unsere Blicke.

Da ich verstanden hatte, dass das Reh kein ausgestopftes Tier war, befahl ich der Hündin stehen zu bleiben. Sie befolgte den Befehl. Weil ich das Kommando ziemlich zackig und laut ausgerufen hatte, löste das Reh sofort seine Starre und sprang mit einem Piepen davon. Das Piepen war eher ein mittelfrequentiger Ton, das klang wie wenn eine Frau mit einer hohen Stimme laut „Ping“ rufen würde.

Ich hatte die Hündin sofort an ihrem Halsband und zog sie davon. Sie war aufgebracht, sie hatte das Ping auch gehört, und die hektische Bewegung unmittelbar neben ihr wahrgenommen, sie hatte aber nicht verstanden, was geschehen war. Nach einigen Metern merkte ich aber, dass sie selber das Weite suchte und nicht Anstalten machte, diesem Tier oder dem Ping zu folgen. Als ich sie losliess, rannte sie vor mir den Weg zurück zum Haus.

Ich finde es besser, wenn wir da nicht mehr hingehen. Das findet das Reh sicherlich auch.

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Am Nachmittag fuhren wir nach Boras, um Wäsche zu waschen. Da wir seit einigen Tagen keine Waschmaschine mehr haben und vorerst auch keine nachkaufen wollen, war es uns wichtig, die Möglichkeiten ausloten. Die Möglichkeiten waren das „Camping Boras“ und eine Reinigung in der Innenstadt. Wir planten, beide Möglichkeiten ergebnisoffen auszuprobieren. Hinfahren, die Abläufe verstehen und über Hürden stolpern. Wir fuhren zuerst zum Camping. Dort kann man für 6 Euro Wäsche waschen. Allerdings haben sie nur 3 Waschmaschinen, die in diesem Moment alle besetzt waren. Also fuhren wir in die Innenstadt, wo man für 15 Euro Haushaltswäsche waschen lassen kann. Am Schalter stellte sich allerdings heraus, dass die 15 Euro pro Kilogramm gemessen werden. Das war als langfristige Lösung dann doch etwas viel. Deswegen probierte meine Frau später am Tag eine Handwäsche. Das ging eigentlich auch nicht schlecht. Das ist allerdings viel manueller Aufwand.

Wie wir das Wäschethema zukünftig handhaben wollen, ist also immer noch offen. Eine Überlegung ist es, die kleinen Campermaschinen anzuschaffen. Die schleudern zwar nicht gut, aber den Waschvorgang an sich meistern sie einwandfrei.

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Heute stürzte ich von der Leiter und tat mir ziemlich weh.

Wir wollten zwei weitere Fenster renovieren. Es würde heute sehr sonnig werden, deshalb begann ich mit dem Rahmen des Westfensters im Obergeschoss. Dafür musste ich von aussen mit einer Leiter ran.

Zuerst schoss ich ein paar kurze Videos von mir auf der Leiter. Weil ich sie lustig fand, postete ich sie als Story auf Insta.
Fünf Minuten später verlor ich das Gleichgewicht. Dabei hielt ich mich am Fensterbrett fest. In dem Moment, an dem ich nach dem Fensterbrett griff, fiel mir auf, dass ich ja letzten Sommer schon auf dieser Leiter stand und mir dachte, dass ich dieses Fensterbrett fixieren sollte. Es war nämlich lediglich unters Fenster eingeschoben. Zwei lange Nägel oder Schrauben würden ausreichen. Aber es hatte keine Priorität. Das Brett war im Fenster eingeklemmt, es würde vorerst nicht herausfallen. Ich dachte natürlich nicht daran, dass ich mich ein Jahr später daran festhalten muss.

Als ich das Gleichgewicht verlor, hatte ich auch die Option, mich am Fensterrahmen festzuhalten, aber im Fensterrahmen hatte ich das Fliegengitter eingeklemmt, ich griff also zum Fensterbrett, von dem ich sofort wusste, dass es mit mir den Weg nach unten mitgehen wird.

Während ich so nach unten segelte, erinnerte ich mich an meinen Fenstersturz von vor 33 Jahren. Damals brach ich mir den Oberarm. Das war aus einer Höhe von vermutlich vier Metern. Während sich mir heute der Boden näherte, schätzte ich, dass es nicht vier Meter waren, wesentlich weniger, vielleicht zwei Meter. Da ich mich mit den Beinen voraus im Anflug befand, bestand die Möglichkeit, dass ich mir einen oder beide Unterschenkel brechen würde. Vielleicht die Fersen. Ich würde gleich ein Knacksen in den Knochen wahrnehmen. Dann prallte ich aber auf und ging zu Boden. Ich hatte kein Knacksen wahrgenommen, auch keinen Schmerz, ich rief etwas, ich sah meine Frau von hinten, die eines der Fenster ausgehangen hatte. Sie drehte sich um und kam sofort zu mir gerannt. Dann kam auch mein Schwager aus dem Gästehaus gerannt.

Ich glaubte, es ginge mir gut, ich stand auf und schüttelte mich. Da ich aber aufgefordert wurde, mich hinzusetzen, setzte ich mich hin und merkte, dass das die richtige Entscheidung war. Offenbar hatte ich vorher eine Minute am Boden gelegen. Das war mir gar nicht bewusst, ich hatte nicht mitgezählt. Ich war aber nicht bewusstlos gewesen, das hätte ich gemerkt.
Dann sollte ich mich hinlegen und die Beine hochlegen. Meine Frau verbot mir, den Rest des Tages aktiv zu sein. Schwellungen und Prellungen kämen erst wesentlich später zum Vorschein. Ich beschwerte mich, dass ich heute ja mit dem Kayak ins Wasser wollte, aber ich sah mehrere schüttelnde Köpfe vor mir. Nach zehn Minuten merkte ich erste Schmerzen. Nur leichte Schmerzen. Der linke Fuss, das linke Handgelenk. Aber Kopf war in Ordnung. Weil ich müde wurde, legte ich mich ins Bett. Dort schlief ich für drei Stunden.

Als ich aufwachte, schmerzte mein linker Brustkorb. Wie ein Muskelkater am Brustkorb. Nur leicht. Aber es ist ein gruseliger Schmerz. Danach gab es gegrillten Lachs. Ich hatte gestern einen französischen Cider gekauft, auf den hatte ich mich gefreut. Aber ich verstand ohne fremder Zusprache, dass Alkohol heute keine gute Option war.

Immerhin verbot man mir aufzuräumen und abzuwaschen. Das gefiel mir.

[Mi, 17.7.2024 – Ufer, Ufer, Halbinsel, Spökhus, Pfifferlinge]

Heute war ein seltsamer Tag. Am Vormittag ging ich mit der Hündin hinunter zu den Flussauen, um Stellen am Flussufer freizumähen. Niemand kennt das Ufer wirklich gut. Am ehesten noch der Schwiegervater. Das Ufer ist einen Kilometer lang und an den meisten Stellen dicht bewachsen, oft mit Bäumen, meist einfach durch hohes Gras und Schilf. Der Schwiegervater erzählte mir von einer Fussgängerbrücke, die viele Jahre über den Fluss führte. Darüber gingen sie immer zu Fuss, um die Post abzuholen. Irgendein Hochwasser in den Achtzigerjahren riss das Holzbauwerk aber mit. Auf Googlemaps kann man die Stelle erkennen, wo sich der Brückenkopf befand. Auch diese Stelle wollte ich inspizieren. Aber ich kam schlecht durch das dichte Gras, ausserdem war ich mir nicht sicher, wo sich die Stelle genau befand. Da ich das Kajak dabei habe, werde ich die Stellen in den nächsten Tagen vom Ufer aus begutachten.

Gegen elf Uhr kam der Lieferdienst mit der neuen Waschmaschine. Ah, die neue Waschmaschine. Davon hatte ich gar nicht erzählt. Die alte Waschmaschine ging letzte Woche kaputt, also wurde eine neue gekauft und diese wurde heute geliefert.

Die Geschichte mit der Waschmaschine möchte ich abkürzen, sie ging so: wir bauten sie auf. Und dann lasen wir, dass sie nicht Minusgraden ausgesetzt sein darf. Damit wurde sie für uns natürlich unbrauchbar. Das Haus ist zwischen September und April unbewohnt, die Temperatur wird ganz sicher über einen längeren Zeitraum hinweg die Null unterschreiten. Also fuhren wir nach Boras, um den Kauf zurückzudrehen. Was glücklicherweise ziemlich umkompliziert ging. Am Donnerstag wird sie wieder abgeholt. Gleichzeitig entschieden wir uns auch dafür, vorerst keine neue Waschmaschine zu kaufen. Zum einen, weil es Blödsinn ist, hier eine Waschmaschine zu betreiben, aber auch, weil die Küche ohne Waschmaschine wesentlich geräumiger ist. Das gefiel uns gut. Was wir jetzt mit Schmutzwäsche machen, haben wir noch nicht beschlossen. Im Internet lasen wir, dass man auch auf Campings Wäsche waschen kann. Ich rufe morgen da mal an.

Und plötzlich war abend, wir öffneten Getränke, kochten, und dann war Schlafenszeit. So ging das. Ein seltsamer Tag.

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Mittwoch.

Ich rief also verschiedene Campings an. Die ersten beiden Campings hatten keine Waschmöglichkeiten, der dritte Camping in Boras bot das aber an. Wir werden das in Kürze testen.

Morgens beschäftigte ich mich wieder mit dem Ufer. Diesmal aber ohne Mähgerät. Ich spaziere jeden Morgen mit der Hündin verschiedene Uferstellen ab. Sie liebt diese Kontrollgänge. Sie hat ein Ordnungsamt-Gen. Heute liefen wir noch ein ganzes Stück weiter nordwärts. Mein Schwiegervater beschrieb mir, bis wo hin das Grundstück verläuft. Das ist noch ein ganzes Stück weiter, als ich bisher dachte. Es beinhaltet noch eine bewaldete Halbinsel, die etwas schwer erreichbar ist. So machte ich mich mit der Hündin auf den Weg und wir fanden schliesslich den Zugang zu diesem Stück Land. Das war gar nicht schwierig. Es gibt dort ein sehr schmales, etwas einen Meter breites Grasfeld, über welches man auf eine schmale aber lange Lichtung kommt. Dahinter befindet sich ein moosiger, aber leicht zugänglicher Wald. Diese ganze Halbinsel ist ein moosiger, freundlicher Wald. Die Hündin und ich gingen zum Ufer. Die Bäume des Waldes lehnen sich ins Wasser. Wir stiegen auf die Stämme und steckten unsere Füsse hinein.

Am Nachmittag gingen wir in den Wald. In die grossen Wälder südöstlich von uns. Eigentlich nur um in den Wald zu gehen. Mit der Hündin. Auch wollten wir nach Pilzen Ausschau halten. Nach 20 Minuten war unser Beutel bereits mit Pfifferlingen gefüllt.

Auf dem Rückweg kamen wir am Spökhus vorbei. Ich schrieb vor einigen Wochen oder Monaten über das Spökhuset. Seit einigen Monaten herrscht dort rege Bautätigkeit. Heute lernten wir den Besitzer und seinen Sohn kennen. Der Besitzer ist ein sehr freundlicher, fast achtzigjähriger Finne, der schon seit siebzig Jahren im Nachbardorf wohnt. Er kaufte das Haus bereits in 2006 und will es nun zu einem Ferienhaus für Touristen renovieren. Touristen. Nunja. Immerhin besser als Arschlöcher. Wir unterhielten uns eine ganze Weile mit dem Besitzer. Ich verstand nur wenig, ich blieb aber dort stehen und lächelte gesellschaftsfähig. Das kann ich mittlerweile ganz gut. Männer können so etwas auch erlernen, es ist nicht einem Geschlecht angeboren.

Lustigerweise habe ich fast nur mit Schweden zu tun, die kein englisch beherrschen. In Schweden und Norwegen behauptet mehr als 95% der Bewohner, dass sie eine Konversation auf englisch führen können. Das ist der höchste Wert in Europa. Das gilt offensichtlich aber nicht für die Waldbewohner in dieser dünnbesiedelten Gegend.

Meine Frau erzählt ihm, dass sein Haus schon seit vielen Jahrzehnten Spukhaus genannt wird. Das findet er lustig. Ab jetzt wird es allerdings kein Spukhaus mehr bleiben. Den Namen werden wir aber wohl nicht ändern.
Er hat auch einen Hund. Einen Zwerpudel. Er nimmt den Hund aber nie mit hinaus in den Wald. Es gibt mehrere Rabennester in der unmittelbaren Umgebung. Manchmal fliegen sie über unser Haus und man hört immer wieder das Rabengurgeln nicht weit entfernt. Seine Frau hat deswegen Angst um den Hund. Der Zwergpudel wiegt nur acht Kilo. Unsere Hündin wiegt 14 Kilo, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Rabenvogel, wie gross er auch sein mag, ein gesundes Raubtier angreift. Aber darüber reden wir natürlich nicht.

[Mo, 15.7.2024 – Atemalkohol, schlechte Laune Wölfe]

Die nordischen Länder verfolgen traditionell eine sehr unentspannte Alkoholpolitik. Das betrifft alle nordischen Länder, neben Norwegen und Schweden, also auch Finnland, Island und die Faröer. Lediglich in Dänemark ist der Verkauf von Alkohol frei.
Ich finde die restriktive Politik nicht unbedingt schlecht, Alkohol ist schliesslich eine schlechte Sache. Andererseits bin ich ein ausgesprochener Liebhaber alkoholischer Getränke, deswegen finde ich allgemeine Verfügbarkeit von meinem Lieblingsbier eine gute Sache. Wie so oft sind die Dinge nicht einfach.

In Schweden kann man jedenfalls nicht einfach so Alkohol kaufen. Im Supermarkt gibt es alkoholische Getränke bis zu 3,5 Volumenprozent. Das ist nicht viel. Gewöhnliches Bier enthält ab etwa 4,5 Prozent. Alles darunter fühlt sich auf der Zunge leicht wässrig an. Für seriöse Getränke muss man also ins Systembolaget. Systemet oder Sysbollah, wie man es sonst auch nennt. Systembolaget ist ein staatliches Unternehmen. Es hat nur von Montag bis Freitag von 10 bis 17 Uhr geöffnet und am Samstag von 10 bis 13 Uhr. Man muss mindestens 20 Jahre alt sein und man wird regelmässig nach einer Legitimation gefragt. Auch für Leute wie mich. Hat man keinen Ausweis oder wirkt man betrunken, darf man auch keinen Alkohol kaufen.

Mehr zu Systembolaget findet auf der Wikipedia Seite.
Davon ausgenommen sind natürlich Restaurants und Bars.

Der Vorteil von Sysbollah ist, dass die Auswahl an Bieren und Weinen wirklich hervorragend ist. Selten sieht man derart gut kuratierte Bierregale. Allen voran verschiedene schwedische und norwegische Handwerksbrauereien, aber natürlich auch deutsche Industriemarken. Noch besser sieht es bei der Auswahl an Weinen aus. Sysbollah führt ein beeindruckendes Sortiment an Weinen. Wenn die gelisteten Weine nicht in dem lokalen Geschäft vorrätig sind, kann man sie bestellen und erhält sie garantiert innerhalb 24 Stunden ins lokale Geschäft geliefert.

Heute waren mein Schwiegervater und ich sehr früh in der Stadt. Sein Auto hat einen seltsamen Schaden an der Unterseite, deswegen fuhren wir mit zwei Autos zur Volvo-Werkstatt. Dort teilte man uns mit, dass es ein oder zwei Stunden dauern würde, bis sie eine Aussage treffen könnten. Deswegen fuhren wir in die Stadt, um Einkäufe zu tätigen. Zuerst zu Sysbollah, dann in den Supermarkt und dann zu Telia. Systemet öffnet um 10 Uhr. Um 10:01 fuhren wir auf den Parkplatz ein. Wir stiegen aus dem Auto aus, ich wollte gerade zusperren, dann stand ein Polizist vor mir und fragte nach meinem Führerschein. Er konnte genug Deutsch, um das Wort in meiner Sprache auszusprechen. Er hielt mir auch ein Gerät vor die Nase, um meinen Atemalkohol zu testen.
Der Polizist war nicht gut gelaunt.

Am Montagmorgen bei der Öffnung von Systembolaget auf deren Parkplatz Kontrollen durchzuführen, ist sicherlich eine clevere Idee. Zumindest aus Sicht des Polizisten. Montag um 10 kommen jene Leute, die den Alkohol wirklich nötig haben oder jene Leute, denen auf der Party der Sprit ausgegangen ist. Oder eben unbescholtene Bürger wie ich.

Ich war sehr erfreut. Ich hatte bisher noch nie das Privileg, in ein solches Gerät zu blasen, ich kannte das nur aus Erzählungen und aus Filmen. Ich sagte Momentmoment, zeigte auf meinen Kaugummi im Mund, ich konnte ihn nicht einfach auf die Strasse spucken, also wühlte ich im Auto nach einem Stück Papier. Dann nahm ich den Gummi demonstrativ aus dem Mund und zerdrückte ihn, in einen Kassenbon. Dann atmete ich tief durch und fragte, ob ich da einfach pusten müsse. Ich fragte auf englisch. Er nickte ernst, ich pustete, dann schaute er auf sein Display, alles schien gut und dann ging er schon wieder weg.
Ich würde nicht einmal gebührend gefeiert, dass ich nüchtern war.

Später kontaktierte uns Volvo, die uns mitteilten, dass sie den Schaden relativ unkompliziert beheben können, es aber einen Tag dauere, wir würden das Auto erst morgen abholen können. Also fuhren wir zurück in den Wald.

Den Rest des Tages hatte ich viele Diskussionen mit meiner Frau und davon wurde ich sehr schlecht gelaunt. Also wirklich schlecht gelaunt. Am späten Nachmittag versöhnten wir uns einigermassen, aber die schlechte Laune blieb. Wir machten einen langen Spaziergang mit der Hündin im Wald. Seit kurzen wissen wir, dass die Gegend, in der wir uns befinden, die wolfreichste Gegend des ganzen Landes ist. Das fand ich nicht unbedingt cool. Aber Wölfe sind immerhin besser als Bären. Ich würde mir durchaus zutrauen, einen Wolf in die Flucht zu jagen. Bei einem Braunbären ist das nicht ratsam. Bären gibt es in unserer Gegend aber kaum. Die leben wesentlich nördlicher, ab der Nordseite des Väner-Sees, und in der Gegend von Östersund.

[So, 14.7.2024 – Waschtag, Gummistiefel]

Am Morgen mit der Nachricht des Attentats auf Trump wach geworden. Man ahnt sofort die Wahlkampftöne, die in den nächsten Monaten angeschlagen werden.

Es ist Sonntag. Also wusch ich mich. Wir haben hier kein richtiges Badezimmer, aber einen kleinen Raum mit einem Waschbecken und einer Brause. Der Raum ist mir Linoleum ausgelegt, daher kann man die Brause für eine Katzendusche verwenden. Üblicherweise springt man im Sommer einfach in den Fluss und wäscht sich dort. Aber dieser Sommer ist bisher sehr kühl geblieben, die Tageshöchsttemperatur übersteigt nicht die 22 Grad. Das Wasser im Fluss misst etwa 12 Grad. Mein Schwager springt jeden Morgen um halb acht in den Fluss. Das ist nicht mein Kink. Ich verwildere hier, ich muss mich nicht waschen. Erst heute, am fünften Tag, fiel mir auf, dass mein Körper einen gewissen Dunstpegel überschreitet. Ich sprang aber nicht in den Fluss, sondern griff zum Brausekopf.

Diesen Sommer brachte ich meine Hochwasserstiefel aus Berlin mit. Ich habe bereits oft über meine Gummistiefel geschrieben. Ich besitze jetzt ein paar schicker Gummistiefel für die Zivilisation und schwarze hohe Gummistiefel für Wasserkatastrophen oder eben für die Wildnis. Hier tragen wir meist hohe Gummistiefel, wenn wir ins hohe Grass gehen. Wegen Schlangen, kleinen Tieren und natürlich Insekten bzw. Spinnentieren wie Zecken. Das ist auch der Grund, warum ich immer das hohe Gras mähen will.

Alle haben hier ihre eigenen Stiefel. Mir wurde irgendwann ein Paar alter Gummistiefel zugewiesen, das ich eine Zeit lang gerne trug, vor allem weil es ein gutes Gefühl war, eigene Stiefel in Skandinavien zu haben, die das ganze Jahr warten, um von mir getragen zu werden. Nun habe ich aber schon seit einigen Jahren das Problem, dass ich immer mit dunklen Streifen an den Waden zurück nach Berlin komme. Die Streifen sind eher eine Art Schatten, die aus der Ferne allerdings aussehen wir Strumpfhalter. Wie diese altmodischen Strumpfhalter für Herren aus den Dreissigern des letzten Jahrhunderts. Der obere Rand dieser Gummistiefel färbt auf meine Waden ab und hinterlässt diesen seltsam sexuell aussehenden Streifen. Es ist aber nicht einfach eine Farbe, es muss eine andere Art der Ablagerung sein, ich bekomme sie nämlich wochenlang nicht ab, auch nicht mit Bürsten. Es scheint, als müssten die Streifen regelrecht rauswachsen bzw abschuppen. Ich weiss nicht genau, was da los ist.
Deswegen brachte ich diesen Sommer meine schwarzen Gummistiefel aus Berlin mit. Ich wollte wissen, ob es an den Stiefeln liegt. Und tatsächlich. Mit den Berliner Stiefeln kriege ich diese Fetischstreifen nicht. Der Erkenntnisgewinn ist gering. Die Freude darüber allerdings eher gross. Nicht überwätligend, aber eher gross.

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Am frühen Nachmittag fuhren wir zu Max. Ich brachte ihm eine Actioncam mit, die ich fälschlicherweise doppelt bekommen hatte und ihm deswegen schenkte. Mit der Actioncam kann er seine Downhillradbahn filmen und dafür auf Social Media werben. Auch brachte ich meine Drohne mit. Wir wollten das Gelände von oben filmen und die Radbahn im Überflug auf Video festhalten. Der Wind wehte aber zu stark, also blieben wir in seiner Küche und quatschten. Er tischt immer Haferkekse mit Schokolade auf. Die sind so lecker, dass ich diesmal die ganze Packung aufass. Nach zwei Stunden fuhren wir wieder nach Hause.

Am Abend grillten wir. Vor allem Käsekrainer, also Eitrige aus Österreich. Es war ein lustiger Abend.

[Sa, 13.7.2024 – Brennesseln, Regen]

[alles Abwasserrelatierte habe ich rausgelöscht]

Heute rechte ich weiter das Heu zusammen und danach lackierten wir zwei Fenster neu. Dabei hörten wir den neuen Podcast über Amanda Knox und den Mord an Meredith Kercher. Eine erstaunliche Geschichte über freilaufende Fantasien von Ermittlern und Medien. Bei Hören der Geschichte ahnt man, welche Dynamiken im Spätmittelalter in Gang kamen, wenn Frauen der Hexerei verdächtigt wurden.

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Um 4 Uhr nachmittags begann es zu regnen. Wir brachten Fenster und Gerätschaften ins Haus. Dann öffneten wir uns Getränke und kochten uns das Abendessen. Der Regen plätschert nieder. Die Fenster stehen offen. Ich legte mich gleich ins Bett. Draussen der Wald. Jetzt haben die Wolken übernommen. Die Regen wird immer lauter. Ein paar Wasservögel kreischen unten am Fluss. Das Kreischen trägt sich weit über das Flusstal herauf. Das Gras riecht nach Regen. Ich liege mit dem Gesicht am Fenster. Der Horizont schimmert immer noch weiss. Die Birken vor dem Haus tropfen. Die Tropfen erfassen alles. Blätter, Gras, Nadeln, Steine, Wasser, das Dach, es lässt alles plätschern. Die Spitzen der Bäume bewegen sich, es weht ein Wind. Und ich schlafe ein.

[Fr, 12.7.2024 – Abwasser, Heu, geile Probleme]

[Alles abwasserrelatierte habe ich gelöscht]

Heute rechnete ich das geschnittene Gras zusammen. Max hatte Anfang des Monats ums Haus herum das Gras gemäht. In den vergangenen Jahren tat das immer ein Verein aus dem nächsten Dorf gegen ein kleines Entgelt. Das war ein Resozialisierungsprogramm für straffällige Jugendliche. Die Initiative gibt es aber nicht mehr, also bot sich Max an, es für uns zu mähen. Bei solchen grossen Flächen braucht man einen Hochgrasmäher. Wenn ich da mit meinem kleinen tragbaren Akkumäher, der eigentlich kein Mäher, sondern ein Trimmer für Ecken im Garten gedacht ist, komme, brauche ich drei oder vier Tage für die ganze Fläche und danach habe ich einen steifen Rücken. Max hat hingegen Zugang zu richtigem Werkzeug. Erst wenn einmal das hohe Gras gekürzt ist, kann man es mit einem gewöhnlichen Rasenmäher auf vier Rädern kürzen. So einen Rasenmäher wollte ich mir auch zulegen, aber das hat diesen Sommer keine Prio.
Allerdings hatte Max‘ Hochgrasmäher keinen Auffangbeutel für Gras, weswegen jetzt überall Heu verstreut liegt. Also muss es händisch zusammengerechent werden. Gerechnet, gerechent, gerecht. Keine Ahnung, wie man das nennt.

Mir gefallen diese Problem auf dem Land ja sehr. Es sind körperliche Probleme, die sich prinzipiell leicht lösen lassen. Wege, Birken, Toiletten, überschwemmende Flüsse, Heu. Ich denke gerne über sowas nach, um gute Lösungen zu finden. Okay, auf die Überschwemmungen könnte ich verzichten, aber zu easy soll es ja auch nicht sein.

[Do, 11.7.2024 – Birke und Wege und der beste Ort zum Sterben]

Auf dem Waldweg aus dem Südwesten ist letzte Woche eine Birke umgestürzt und versperrt jetzt den Weg. Der Weg aus dem Südwesten ist der gute Weg. Über meine Auseinandersetzung mit den beiden Zuwegen habe ich hier bereits zur Genüge geschrieben. Alle fahren immer den guten Weg, auch wenn der gute Weg wesentlich länger ist. Im Winter tritt der Fluss aber regelmässig über die Ufer und flutet weite Teile des guten Weges. Deswegen ist es mir wichtig, dass wir den schlechten Weg im Norden besser instandhalten. Dass eine Birke uns aber von der Aussenwelt abschneiden könnte, kam bisher gar nicht in meiner Betrachtung vor. Das ist nun als zusätzlicher, wichtiger Punkt hinzugekommen, um beide Wege zu ertüchtigen.

Niemand wusste, wie gross der Schaden war. Der umgefallene Baum wurde von meinem Schwiegervater vor einigen Tagen entdeckt. Er drehte aber um und fuhr den weiten Weg zurück, um auf den anderen Weg aus nördlicher Richtung zu fahren. Seitdem hatte sich nichts getan.
Ich war zunächst optimistisch. Die Birke liesse sich vielleicht mit einem dicken Seil vom Weg wegschleppen. Meine Frau und ich liefen deswegen den Weg hinaus durch den Wald bis zu dem umgefallenen Baum, um uns ein Bild der Lage zu machen. Es war leider eine sehr grosse und schwere Birke. Ohne Traktor und Gerätschaft würde man sie nicht entfernen können. Ein Problem, das hinzukam war die Lage des Baumes. Er lag nämlich nicht mehr auf unserem Grundstück, sondern etwa fünf Meter weiter, auf dem Gebiet von Svea Skog, die schwedische Waldgesellschaft. Da wir aber die einzigen sind, die diesen Weg benutzten, hat Svea Skog sicherlich keinerlei Interesse, den Baum zügig zu beseitigen.

Man hätte einen Förster beautragen können, was um die 500€ kosten würde, aber das fand ich aus mehreren Gründen quatsch. Die Birke könne ich mit einer Motorsäge auch selber heruntersägen. Ich kann mit Motorsägen wirklich gut umgehen. Als Jugendlicher putzte ich mit meinem Vater jeden Sommer Waldstücke aus. Das bedeutete, markierte Bäume zu entästen, die Stämme in Stücke zu zersägen und sie auf die Strasse herunterzuarbeiten, damit sie auf einen Anhänger wegtransportiert werden können. Das wäre für mich kein Problem. Ich bräuchte lediglich eine Motorsäge mit Verbrennermotor. Wir haben nur eine elektrische Motorsäge, mit der ich vor dem Haus kleine Baumstämme kürze oder dicke Äste zusammensäge, aber die Birke liegt fast einen Kilometer entfernt, dafür bräuchte man ein sehr langes Stromkabel.

Aber wir entschieden uns die Waldgesellschaft in Stockholm anzurufen und denen zu melden, dass ein Baum aus deren Wald unseren Weg versperren würde. Die Verwaltung in Stockholm brachte uns mit dem lokalen Waldarbeiter in Kontakt, der, wie sich herausstellte, der Pächter unserer Wiesen war, also der Bauer mit den Stieren, der etwa 5 Kilometer flussabwärts wohnt. Er sagte uns, er würde sich heute noch darum kümmern.
Und so geschah das dann auch.
Sehr unkompliziert.

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Heute mähte ich wieder Schneisen. Ich verbrachte wieder viel Zeit mit meinem akkubetriebenen Handmäher. Ich inspiziere immer noch Uferstellen. Wir haben fast einen Kilometer Flussufer und ich finde die Stelle, die wir als Badestelle verwenden, die unattraktivste Stelle des ganzen Ufers. Sie ist für Menschen leicht erreichbar, das ist aber der einzige Vorteil. Das Ufer ist an jener Stelle so steil, dass man sich mit einer Holztreppe behelfen muss, um aus dem Wasser zurück ins Trockene zu kommen, ausserdem befindet sich die Stelle an der Aussenseite einer Mäander, also dort, wo die Strömung stärker ist. Die Stelle gefällt mir aber auch optisch nicht. Sie befindet sich am Rand einer offenen Wiese. Dort gibt es keine Bäume oder allgemein schön geformte geologische Strukturen. Es ist nur eine schnöde gerade Wiese, dann kommt ein steiles Ufer und patzbumm Wasser. Und wenn die Sonne herunterbrennt, ist man ihr ausgesetzt.

Einige interessante und romantische Stellen hatte ich bereits im Mai gefunden und provisorisch freigemäht, aber ab Mitte Juni setzt starkes Wachstum von Schilf und Gräsern ein, heute war von den freigemähten Stellen nichts mehr zu sehen. Ich muss das nächstes Jahr im Frühling anders vorbereiten. Vielleicht muss ich Paletten auslegen, oder Bohlen. Aber als permanente Lösung wird das auch nicht funktionieren, wenn der Flusspegel im Winter steigt und alles wegreisst. Vor sechs oder sieben Jahren hatten wir einmal im Spätsommer vergessen, die Treppe aus dem Wasser zu holen. Im nächsten Jahr fanden wir die Treppe am Waldrand, etwa 300 Meter vom Fluss entfernt, wieder.

Weiter Flussaufwärts gibt es noch zwei kleine Buchten. Ich versuchte mich heute bis dahin vorzukämpfen. Aber mittlerweile ist alles so hoch und dicht bewachsen, dass ich mit meinem Mähgerät einen halben Tag bräuchte, um bis zum Wasser vorzudringen. Und dann bin ich erst beim Wasser. Ich müsste dann immer noch eine kleine Plattform bauen, damit man dort stehen und sitzen kann. Ich mache das ja nicht nur um das Wasser zu erreichen, ich glaube mittlerweile, dass ich eine Obsession mit Wasserstellen habe.

Wasserstellen. Das sind die schönsten Orte der Welt. Küsten, Buchten, Flüsse. Wasserstellen. Ufer. Irgendwann möchte ich einmal am Wasser leben. Auf einem Steg sitzen und dem Wasser hinterherschauen. Bis ich sterbe. Oder so.

Das fiel mir erst heute auf. Nachdem ich zum wiederholten Male gefragt wurde, was ich denn ständig da unten mit dem Mähgerät mache. Ich sagte bisher immer, dass ich eine bessere Badestelle suche. Jetzt glaube ich aber: ich suche aber nur den besten Ort zum sterben.

[Mi, 10.7.2024 – Reise, Podcast, Goldberg]

Heute fuhr ich die Strecke Berlin – Borås zum fünften Mal in sechs Wochen. In den letzten Jahren bin ich sie bereits so oft gefahren, dass ich mittlerweile oft schon weiss, wie die Landschaft hinter einer Kurve aussieht. Ich stelle mir vor, dass sich eine Strecke im Laufe der Jahrzehnte im Hirn immer weiter abspeichert, immer vollständiger wird wie ein riesiges Puzzle. Wenn man tausend Jahre alt werden könnte, würden die Lücken im Puzzle irgendwann alle geschlossen sein und man könnte die Strecke mit geschlossenen Augen befahren. Dummerweise wird das Gehirn ab 90 lückenhaft und reisst die eingesetzten Puzzlestücke wieder raus. Tausend Jahre alt zu werden ist kaum erstrebenswert.

Wenn ich diese Reise alleine antrete, beginne ich immer mit einem Podcast. Autofahrten sind wie gemacht für Podcasts. Man hat ein sehr aufnahmefähiges Hirn, die Augen und der Körper sind aber beschäftigt. Der Ohrkanal und das Hirn hingegen nicht. Die Reise beginne ich also immer mit einem anspruchsvollen Podcast. Heute hörte ich die Folgen über die Goldbergvariationen. Neulich verlinkte ich eine Folge in den Kommentaren, ich hatte aber auf die Schnelle nicht beide Folgen gefunden. Jetzt weiss ich auch, warum: nur die letzte Folge trägt den Namen „Goldbergvariationen“ im Titel, die erste Folge behandelt die Goldbergvariationen aber auch. Sie wurde aber nicht danach benannt. Also um alles richtig aneinanderzureihen:

Der Podcast heisst „Klavierpodcast“ mit Igor Levit und Anselm Cybinski. Der Podcast besteht aus zwei Staffeln. Die erste behandelt vor allem Beethoven in 32 Folgen. Die zweite Staffel handelt von Variationen im Allgemeinen. Der Ausgangspunkt sind Bachs Goldbergvariationen. Diese werden in der ersten und in der achtzehnten Folge besprochen. Wenn man sich nur für die Goldbergvariationen interessiert, kann man natürlich auch nur jene beiden Folgen anhören, es empfiehlt sich aber, die ganze Staffel anzuhören, weil die Themen alle miteinander verwoben sind. Der Podcast ist sehr zugänglich, die beiden scheinen am Klavier zu sitzen und während sie sich über Variationen unterhalten, spielt Igor Levit immer wieder Beispiele vor, damit man das Besprochene besser versteht.

Nach zwei Stunden Input ist meine Aufnahmefähigkeit aber strapaziert. Ich weiss nicht, wie wir das früher in der Schule gemacht haben. Kurz vor Rostock schaltete ich auf Musik um. Musik liefert Input und regt gleichzeitig gedanklichen Output an. Durch Dänemark hindurch blieb ich erst mal bei Musik, irgendwann vor Kopenhagen hörte ich aber „Sternengeschichten“, das sind astronomische Miniaturen vom Asteroiden-Spezialisten Florian Freistätter. Das hörte ich bis zur Fähre nach Helsingborg. Ab Helsingborg hörte ich wieder Musik, zuerst Hiphop, danach Black Metal, je weiter ich kam, desto lauter schaltete ich die Musik, irgendwann wurde es unerträglich und ich schaltete alles aus. Kein Input/Output mehr. Nur noch Output.

Die Reisen folgen immer einem ähnlichen Muster wie diesem.

[Di, 9.7.2024 – rote Augen, Umplanung]

Die Bewerbung war nix. Manchmal kommt keine Chemie auf. Der Geschäftsführer war ein ausgesprochener Overperformer Anfang vierzig, der in allen Themen involviert ist, ich ahne, wie es dort um die Firmenkultur bestellt ist. Auch wenn die Personalerin nicht müde wurde, mir zu erzählen, dass die Firma eigentlich wie eine Familie sei. Es ist ihr erster Job. Sie ist die Stelle letzten Dezember angetreten. Sie ist sehr überzeugt.

Auch glaube ich, keine gute Performance hingelegt zu haben. Zum einen sass ich etwas müde und mit roten Augen am Tisch und ich kam auch so gut wie nicht zu Wort. Ob es an mir lag oder ob der Geschäftsführer auch ein schlechtes Gefühl hatte und einfach nur ein Programm abspulte, ist schwer zu sagen. Nachdem ich den Wortschwall 20 Minuten über mich ergehen hatte lassen, sagte ich aber auch, dass sie eigentlich keinen CTO brauchen, sondern einen guten Scrum Master. Das fand er einen guten Einwurf von mir, ist aber für jemanden, der sich auf die CTO Stelle bewirbt, keine sehr kluge Aussage. Aber es ist mir egal, ich will nicht für etwas eingestellt werden, das nicht passend ist. Im nächsten Monolog erklärte er mir allerdings, wie er sich die CTO Rolle vorstelle und warum er doch lieber einen CTO sucht und nicht eine juniorigere Person. Seine Erklärung klang schlüssig. Nach zwei Stunden war ich wieder draussen. Mein Headhunter hatte mich gebeten, ihn gleich anzurufen. Ich teilte ihm mit, dass das wahrscheinlich nix wird. Weder von meiner Seite noch von deren Seite. Zwar seien wir mit offenem Ausgang auseinandergegangen, ich würde mir Gedanken machen und er betonte, ich hätte auch die Möglichkeit mit weiteren Mitarbeitern zu reden, aber das war eher Formsache.

Im Laufe des Tages wurde mir aber klar, dass ich diesen Job nicht will.

Am Abend würde ich mit Benny ausgehen, daher bereitete ich meine Reise vor. Ich packte und räumte das Auto um. Auch tauschte ich einen meiner Scheibenwischer aus. Und ich checkte das Öl. Ich fühlte mich sehr erwachsen, während ich das tat.

Danach sagte Benny ab. Er ist krank. Da ich mit meinen brennenden Augen auch nicht das beste Gefühl hatte, kam mir das eigentlich ganz gut gelegen. Da ich mit Benny vermutlich Alkohol trinken werde, hatte ich meine Abfahrt nach Schweden extra auf den Donnerstag verlegt. Mittwoch würde ich besser ruhen. Jetzt machte es aber keinen Sinn, einen weiteren Tag in Berlin zu bleiben, also beschloss ich, schon am Mittwoch aufzubrechen. Ich brachte also die Wohnung auf Hochglanz, buchte die Fähre und machte mich reisefertig.