Wir haben unsere morgendlichen Kontrollgänge mittlerweile bis in die Halbinsel hinauf verlagert. Bis dorthin hat sich wohl seit Jahren oder Jahrzehnten kein Mensch hinverirrt. Die Hündin liebt diese neue Gegend. Das Unterholz, das Wurzelwerk am Ufer, das Moos.
Auf dem Rückweg war ich ein wenig gedankenversunken. Die Hündin lief wenige Meter vor mir. Als ich plötzlich ein ausgestopftes Reh im Gras sitzen sah. Ich fragte mich noch, warum hier ein ausgestopftes Reh im Gras sitzt. Genaugenommen war es ein Rehkitz, noch sehr klein, würde es auf den Beinen stehen, war es vielleicht kniehoch. Die Hündin schnüffelte im Gras herum, sie näherte sich dem Kitz bis auf einen Meter, sie bemerkte das Jungtier allerdings nicht. Rehe können bestimmt alle ihre Poren verschliessen, damit kein einziges Geruchspartikel aus ihrem Körper austritt. Das Reh und ich kreuzten aber unsere Blicke.
Da ich verstanden hatte, dass das Reh kein ausgestopftes Tier war, befahl ich der Hündin stehen zu bleiben. Sie befolgte den Befehl. Weil ich das Kommando ziemlich zackig und laut ausgerufen hatte, löste das Reh sofort seine Starre und sprang mit einem Piepen davon. Das Piepen war eher ein mittelfrequentiger Ton, das klang wie wenn eine Frau mit einer hohen Stimme laut „Ping“ rufen würde.
Ich hatte die Hündin sofort an ihrem Halsband und zog sie davon. Sie war aufgebracht, sie hatte das Ping auch gehört, und die hektische Bewegung unmittelbar neben ihr wahrgenommen, sie hatte aber nicht verstanden, was geschehen war. Nach einigen Metern merkte ich aber, dass sie selber das Weite suchte und nicht Anstalten machte, diesem Tier oder dem Ping zu folgen. Als ich sie losliess, rannte sie vor mir den Weg zurück zum Haus.
Ich finde es besser, wenn wir da nicht mehr hingehen. Das findet das Reh sicherlich auch.
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Am Nachmittag fuhren wir nach Boras, um Wäsche zu waschen. Da wir seit einigen Tagen keine Waschmaschine mehr haben und vorerst auch keine nachkaufen wollen, war es uns wichtig, die Möglichkeiten ausloten. Die Möglichkeiten waren das „Camping Boras“ und eine Reinigung in der Innenstadt. Wir planten, beide Möglichkeiten ergebnisoffen auszuprobieren. Hinfahren, die Abläufe verstehen und über Hürden stolpern. Wir fuhren zuerst zum Camping. Dort kann man für 6 Euro Wäsche waschen. Allerdings haben sie nur 3 Waschmaschinen, die in diesem Moment alle besetzt waren. Also fuhren wir in die Innenstadt, wo man für 15 Euro Haushaltswäsche waschen lassen kann. Am Schalter stellte sich allerdings heraus, dass die 15 Euro pro Kilogramm gemessen werden. Das war als langfristige Lösung dann doch etwas viel. Deswegen probierte meine Frau später am Tag eine Handwäsche. Das ging eigentlich auch nicht schlecht. Das ist allerdings viel manueller Aufwand.
Wie wir das Wäschethema zukünftig handhaben wollen, ist also immer noch offen. Eine Überlegung ist es, die kleinen Campermaschinen anzuschaffen. Die schleudern zwar nicht gut, aber den Waschvorgang an sich meistern sie einwandfrei.
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Heute stürzte ich von der Leiter und tat mir ziemlich weh.
Wir wollten zwei weitere Fenster renovieren. Es würde heute sehr sonnig werden, deshalb begann ich mit dem Rahmen des Westfensters im Obergeschoss. Dafür musste ich von aussen mit einer Leiter ran.
Zuerst schoss ich ein paar kurze Videos von mir auf der Leiter. Weil ich sie lustig fand, postete ich sie als Story auf Insta.
Fünf Minuten später verlor ich das Gleichgewicht. Dabei hielt ich mich am Fensterbrett fest. In dem Moment, an dem ich nach dem Fensterbrett griff, fiel mir auf, dass ich ja letzten Sommer schon auf dieser Leiter stand und mir dachte, dass ich dieses Fensterbrett fixieren sollte. Es war nämlich lediglich unters Fenster eingeschoben. Zwei lange Nägel oder Schrauben würden ausreichen. Aber es hatte keine Priorität. Das Brett war im Fenster eingeklemmt, es würde vorerst nicht herausfallen. Ich dachte natürlich nicht daran, dass ich mich ein Jahr später daran festhalten muss.
Als ich das Gleichgewicht verlor, hatte ich auch die Option, mich am Fensterrahmen festzuhalten, aber im Fensterrahmen hatte ich das Fliegengitter eingeklemmt, ich griff also zum Fensterbrett, von dem ich sofort wusste, dass es mit mir den Weg nach unten mitgehen wird.
Während ich so nach unten segelte, erinnerte ich mich an meinen Fenstersturz von vor 33 Jahren. Damals brach ich mir den Oberarm. Das war aus einer Höhe von vermutlich vier Metern. Während sich mir heute der Boden näherte, schätzte ich, dass es nicht vier Meter waren, wesentlich weniger, vielleicht zwei Meter. Da ich mich mit den Beinen voraus im Anflug befand, bestand die Möglichkeit, dass ich mir einen oder beide Unterschenkel brechen würde. Vielleicht die Fersen. Ich würde gleich ein Knacksen in den Knochen wahrnehmen. Dann prallte ich aber auf und ging zu Boden. Ich hatte kein Knacksen wahrgenommen, auch keinen Schmerz, ich rief etwas, ich sah meine Frau von hinten, die eines der Fenster ausgehangen hatte. Sie drehte sich um und kam sofort zu mir gerannt. Dann kam auch mein Schwager aus dem Gästehaus gerannt.
Ich glaubte, es ginge mir gut, ich stand auf und schüttelte mich. Da ich aber aufgefordert wurde, mich hinzusetzen, setzte ich mich hin und merkte, dass das die richtige Entscheidung war. Offenbar hatte ich vorher eine Minute am Boden gelegen. Das war mir gar nicht bewusst, ich hatte nicht mitgezählt. Ich war aber nicht bewusstlos gewesen, das hätte ich gemerkt.
Dann sollte ich mich hinlegen und die Beine hochlegen. Meine Frau verbot mir, den Rest des Tages aktiv zu sein. Schwellungen und Prellungen kämen erst wesentlich später zum Vorschein. Ich beschwerte mich, dass ich heute ja mit dem Kayak ins Wasser wollte, aber ich sah mehrere schüttelnde Köpfe vor mir. Nach zehn Minuten merkte ich erste Schmerzen. Nur leichte Schmerzen. Der linke Fuss, das linke Handgelenk. Aber Kopf war in Ordnung. Weil ich müde wurde, legte ich mich ins Bett. Dort schlief ich für drei Stunden.
Als ich aufwachte, schmerzte mein linker Brustkorb. Wie ein Muskelkater am Brustkorb. Nur leicht. Aber es ist ein gruseliger Schmerz. Danach gab es gegrillten Lachs. Ich hatte gestern einen französischen Cider gekauft, auf den hatte ich mich gefreut. Aber ich verstand ohne fremder Zusprache, dass Alkohol heute keine gute Option war.
Immerhin verbot man mir aufzuräumen und abzuwaschen. Das gefiel mir.
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